FÜHRUNGSFÄHIGKEIT: ENERGETISIERUNG EINER ZUKÜNFTIGEN MAGNETISCHEN SAAT

In diesen turbulenten und unsicheren Zeiten verlangt die Welt laut nach Führungsfähigkeit. In Politik, Geschäftsleben und Religion stehen jene, die führen wollen, komplexen globalen Problemen gegenüber, die nach Kooperation quer durch alle ideologischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verschiedenheiten verlangen. Kurzfristige Überlegungen und alte Methoden genügen nicht länger. Neue Wege der Sichtweisen und überzeugende Visionen für die Zukunft sind von Nöten.

Für viele besteht die Versuchung, in Führungsstile zurückzugleiten, die sich gut auf die Herausforderungen der vorhergehenden Jahrzehnte anwenden ließen. Alte Etiketten und Ideologien können nicht einfach in eine Zeit wachsender, gegenseitiger Abhängigkeiten übernommen werden. Und wehmütig auf alte Wege zurückzuschauen, wie damals Dinge angegangen wurden, erschwert es, neue Möglichkeiten von Führungsstilen zu erkennen, die hervortreten werden. Hieraus leitet sich das Klima der Hoffnungslosigkeit ab, und es entsteht der irreführende Eindruck, es herrsche ein Mangel an praktischen Visionären, die bereit sind, Führungsverantwortung zu übernehmen. Tatsächlich aber bedeuten die vielfältigen Kanäle wechselseitiger Verbundenheit, die das Internet bietet, dass neue Qualitäten von Führungsprinzipien schneller und fließender hervortreten werden als jemals zuvor - zum Beispiel die Fünf Sterne Bewegung (Cinque Stelle) in Italien und Podemos in Spanien.

Die Führungskräfte der modernen Zeit sind mit ungemein großen Herausforderungen konfrontiert. In einer Welt, in der die Gedanken und Meinungen jeglicher Personen so frei und schnell geteilt werden können, geraten institutionelle Strukturen politischer Parteien, Unternehmen und Kirchen unter erheblichen Druck, während sie sich bemühen, sich auf die neuen Möglichkeiten einzustellen. Das Streben nach Macht hat seine Reize und Verlockungen, und in einer Zeit, in der das Zugehörigkeitsempfinden sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit verändern kann, haben sogar jene, die mit reinsten Motiven zu führen trachten, keine Garantie auf die Loyalität jener, die sie unterstützen.

Und zudem: Kann sich diese Anhängerschaft auf die Medien verlassen, um ein den Tatsachen entsprechendes Bild dieser Führungspersönlichkeiten zu gewinnen? Die kürzlich stattgefundenen Ereignisse rund um das Brexit-Referendum und den Präsidentschaftswahlkampf  von Herrn Trump führten zur Besorgnis, dass die Geschwindigkeit und Einfachheit digitaler Kommunikation dazu benutzt werden könnte, um ein verwirrendes Gemisch von Falschinformationen und gänzlicher Unwahrheit, ja [Zone de Texte: Bei jenen, die ein gut entwickeltes Denkvermögen besitzen, bewirken sie eine zunehmende Fähigkeit intuitiver Wahrnehmung, welche möglich macht, dass die Beziehung, die zwischen einem Teilbereich des Lebens und dem Ganzen besteht, in ihrer gesamten Fülle erkannt werden kann.] sogar tatsächlicher Lügen zu projizieren. Wenn diese mit erstellten Online-Verhaltensprofildaten kombiniert werden, könnte auf psychologisch blinde Flecken der Wähler mit erschreckender Genauigkeit abgezielt werden. Ob von Einzelnen, Firmen oder Regierungen eingesetzt, stellen diese Techniken einen beunruhigenden Angriff auf die Klarheit des kollektiven Bewusstseins dar, das die Menschheit benötigt, um auf eine Zukunft, getragen von richtigen Beziehungen, zuzugehen.

Und wenn Führungspersönlichkeiten erfolgreich Macht erlangen, so stellt sich die uralte Frage, wie sie diese Macht handhaben werden. Halten sie sich an die Vision, die sie dem Publikum vorgestellt haben, trotz aufkommender Schwierigkeiten? Oder erlauben sie den in allen institutionellen Strukturen vorkommenden, Widerstand leistenden Kräften, ihre Bestrebungen umzulenken und zu verwässern? Ferner: Werden sie ihr Mandat, das ihnen voller Vertrauen übertragen worden ist, als Führungspersönlichkeit demütig annehmen, um nicht nur jenen zu dienen, von denen sie unterstützt wurden, sondern der ganzen Gruppe – sprich, eine Demut zeigen, die Papst Franziskus kürzlich anmahnte und befürwortete? Oder trachten sie danach, Macht auszuüben, um gerade mal sich selbst und ihren erwählten Mitarbeiterstab zu bevorzugen? 

Wenn man Vertrauen in Führungspersönlichkeiten haben will, so muss man sie auch zur Rechenschaft ziehen können. Es benötigt transparente Strukturen, um starke, visionäre Führungspersönlichkeiten einschränken zu können, wenn ihre Handlungen sich von ihren festgelegten Visionen entfernen. In der Politik wird diese Rolle durch das Rechtssystem und ihre Verwalter, dem Justizwesen, wahrgenommen; so gibt es ebenfalls analoge Strukturen in einer gesunden Geschäftswelt und in religiösen Institutionen. Ferner, wie sich unser Verständnis für den Aufbau des Planeten vertieft, gewinnt noch eine andere Verantwortlichkeit, die an Führungspersönlichkeiten herangetragen wird, an Wichtigkeit: Mit dem, worüber ein breiter wissenschaftlicher Konsens besteht, ist verantwortlich umzugehen. Das offensichtlichste Beispiel dafür kann im Bereich des Klimawandels gesehen werden.

In den folgenden Beiträgen werden Führungsverantwortung und die damit einhergehenden Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht. Wir hoffen, dass diese ein wenig Licht auf gangbare Wege werfen können, wie der gute Wille von Menschen überall und der dynamische Willen-zum-Guten von jenen, die führen wollen, sich in schöpferischer Zusammenarbeit verbinden lassen, um eine bessere Zukunft für alle zu generieren.

Der Wassermann bringt Herausforderungen für das Führungsverständnis 

Hilfreiche Einsichten in die Herausforderungen, denen Führungsverantwortliche und Führungskräfte im Allgemeinen gegenüberstehen, können gewonnen werden, indem wir den Übergang verstehen, den die Menschheit zur Zeit vollzieht: von einer Ära, die durch das Zeichen Fische konditioniert war, in das eher gruppenbewusste Zeitalter des Wassermanns. Zwangsläufig ist der Übergang steinig, da sowohl Einzelne als auch ganze Gesellschaften en masse in schier unzähliger Vielfalt von Wegen auf die Einflüsse dieser zwei bedingenden Energien reagieren: Anpassung an günstige Gelegenheiten und ‘Linien des geringsten Widerstandes’; Reaktionen auf entgegenwirkende Kräfte; Inspiration infolge von Idealen, die im Begriff stehen aus dem Kollektiv hervorzutreten oder von jenen hervorgehen, die an beherrschendem Einfluss gewinnen; der Verfall in unentwickelte Ausdrucksformen aufgrund beider Strahleinflüsse.

In einem gewissen Sinne hat die auf diesen Seiten regelmäßig hervorgehobene Wassermann-Vision – sie steht für eine grundlegende Einheit und die Ganzheit des Lebens –, die Psyche und die Gesellschaft dramatisch umgestaltet. Offene, kooperative Beziehungsnetzwerke wachsen quer durch Länder, Regionen und Kulturen und quer durch jede berufliche, wissenschaftliche und akademische Disziplin. Besonders jüngere Generationen sind auf dieses hoch interaktive Umfeld eingestellt. Man sagt, dass der Wassermann dem alldurchdringenden Element der Luft zugehört, das alles beeinflusst – auch wie wir die Welt und unseren Platz darin wahrnehmen. Bei jenen, die ein gut entwickeltes Denkvermögen besitzen, bewirken sie eine zunehmende Fähigkeit intuitiver Wahrnehmung, welche möglich macht, dass die Beziehung, die zwischen einem Teilbereich des Lebens und dem Ganzen besteht, in ihrer gesamten Fülle erkannt werden kann. Das führt zu einem lebendigen, neuen Empfinden von Synthese. Dennoch ist für die große Mehrheit der Menschen in den meisten Nationen – Menschen guten Willens eingeschlossen – das unabhängige Denkvermögen noch dabei sich zu entwickeln. Ohne die Fähigkeit, Dinge für sich selbst bis zum Grund zu durchdenken, ist diese natürliche Sensibilität für Ganzheit und Gruppenidentität empfänglich für gefühlsbetonte Oberflächlichkeit, wo Parolen wichtiger sind als Inhalte. Während es viele kreative, frische und unabhängige Anstrengungen gibt, dem Sinn der Synthese auf einer persönlichen und einer Gruppenebene Ausdruck zu verleihen, gibt es ebenso starre und dogmatische ‘Mantren der Synthese’, die dem Publikum ein Gefühl der Selbstgerechtigkeit vermitteln, die jedoch dem schöpferischen und authentischen Ausdruck des Neuen entbehren. Einige der offensichtlichsten Zeichen eines wachsenden globalen Bewusstseins ist die internationale Popularität geschickt vermarkteter, und den Markt beherrschender Produkte wie Coca Cola oder Levi’s, oder aber jene Megastars der Unterhaltungsbranche, die kulturelle Spaltungen überbrücken, wie z. B. Lady Gaga oder Beyoncé. Nichtsdestotrotz, kluge Marketinginstrumente, welche populäre Symbole verwenden, werden auch dazu benutzt, Richtlinien und Programme mit einer magnetischen Aura zu versehen, um das Gute, das dem Ganzen innewohnt, wirklich voranzubringen. Wir sehen das zum Beispiel in der Einsetzung von Botschaftern des guten Willens durch die UNO und in der allseits bekannten Kampagne, ein Verständnis für die Nachhaltigkeits-Entwicklungs-Ziele zu wecken www.globalgoals.org.  

Die Wassermannenergien können auch zu eigensinnigen Haltungen, Einstellungen und Meinungen führen – einer der Gründe für die anschwellende Flut von separatistischem Denken, welches das politische Umfeld in vielen Ländern vergiftet. Inmitten jener jedoch, die die Menschheit in ein neues Zeitalter führen, kann diese Starrheit auch eine gewisse Stabilität der Vision, des Fokus und der Beständigkeit erzeugen. Der Wille-zu-dienen ist bei ihnen so ‘verankert’ und unumstößlich, und ermöglicht dadurch, geringere Prinzipien, Ansichten und Auffassungen im Dienst für das größere Gute zu opfern. Führungspersönlichkeiten, die sich empfänglich für den Einfluss der Wassermannenergien zeigen, neigen natürlicherweise dazu, die Kluft zwischen Geist und Materie zu überbrücken und sie haben das Verlangen, Formen, Strukturen und Institutionen hervorzubringen, die die Lebendigkeit des Geistes widerspiegeln. In ihrem etwas unreiferen Ausdruck, kann dies dazu führen, dass eine Überbetonung darin liegt, die Form zu perfektionieren und – im weiteren Prozess –, dass die größere Vision aus den Augen verloren wird: Einzelheiten, legalistische Formeln und der ‘Buchstabe des Gesetzes’ werden stärker gewichtet, als etwa Zweck und Aufgabe. Wie sich der Übergang in eine neue Ära gestalten wird, hängt wesentlich von Führungspersönlichkeiten mit Prinzipien ab, die erkennbar und unerschütterlich an ihrer Treuepflicht gegenüber den höheren Prinzipien festhalten und sich fähig zeigen, den wesentlichen Geist der Güte (das Herzstück und die Kernaufgabe des Auftrags), inmitten von Richtlinien, Programmen und Initiativen, die von ihnen angeregt und geleitet werden, zu nähren. Es gibt Anzeichen für diese praxisbetonte Dimension im ‘best practices’ Modell (besten Methoden-Modell), das weithin in Gemeinden und ökologischen Entwicklungsprogrammen genutzt wird.

Während die Vision der Synthese im Wassermann durch das seelisch-geistige Leben strömt, und die Weltsicht einer großen Anzahl von Menschen (speziell der jüngeren Generationen) prägt, fühlen sich bestimmte Minderheiten, die auf klar definierten Glaubensgemeinschaften, ethnischen und sprachlichen Zugehörigkeiten aufgebaut sind, verunsichert durch die Art von Respekt, die anderen Sichtweisen, wie zum Beispiel denjenigen, die der multikulturellen Vision innewohnen, entgegengebracht wird. Gruppen und Gesellschaften, die von den Energien des Zeichens Fische, die die letzten zwei Jahrtausende prägten, beeinflusst sind, neigen dazu, sich von Erinnerungen an vergangenen Ruhm und dem niedrigeren Ausdruck der Qualitäten der Hingabe und des Idealismus inspirieren zu lassen, die Fanatismus und Fundamentalismus anregen können. In solchen Fällen haben Führungspersönlichkeiten, die auf das hereinkommende Gruppenbewusstsein des Wassermanns reagieren, die Möglichkeit, die Furcht, die diese Vorurteile antreibt zu verstehen und können entsprechend Programme entwickeln, die der Gemeinschaft helfen, sowohl ihre eigenen Stärken und Schwächen, als auch die Stärken und Schwächen anderer Gemeinschaften zu erkennen. Wenn sich dieses gedankliche Milieu in der Gemeinschaft ausbreitet, werden sachliche Dialoge möglich, die frei von Schlagwörtern ‘politischer Korrektheit’ sind, und ein gesunder, unsentimentaler Guter Wille kann erblühen.

Menschen guten Willens wollen oft etwas ‘tun’, das hilft über derzeitige Konflikte hinaus zu gelangen und die Qualität des Lebens für alle zu verbessern. Dies ist ein Zeichen für den hervortretenden Willen. Dieses ‘Tun’ kann bedeuten, sich in politischen Prozessen zu engagieren, kann aber gleichermaßen auch bedeuten, nach neuen Begriffsinhalten und Tiefe in ihren Leben und Beziehungen zu suchen. Als Antwort auf diesen Handlungsdrang initiieren jene, die mit Führungsaufgaben betraut sind, in der ganzen Welt eine ganze Reihe verschiedenster Programme und Aktivitäten: um sowohl wahre Beteiligung in lokalen Gemeinschaften, als auch in weiteren Bereichen zu fördern; um Menschen zu ermuntern und in Stand zu setzen, in ihrem Verständnis und ihrer Praxis für verantwortliche Freiheit zu wachsen; und um innerhalb dieses Prozesses ‘mehr Mensch’ zu werden und stärker mit den Welten der Seele und des Geistes in Berührung zu kommen; und, um einen Geist des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen Menschen guten Willens, über alle Grenzen von Klasse, Religion, Politik und ethnischen Zugehörigkeiten hinweg, anzustoßen. Weitere Hinweise für diesen Wassermanneinfluss können in den vielfältigen Ausbildungsprogrammen, Führungsrollen in kompetenter und verantwortungsbewusster Weise wahrzunehmen, gesehen werden, zum Beispiel in solchen wie: der Leitung im Dienstleistungsbereich; der Kooperativen Leitung; der Integralen Führungsverantwortung; den Führungsinitiativen des ‘Presencing Instituts’ und des transformativen Führungstrainings, das von Gruppen wie ‘Global Leadership Foundation’ angeboten wird. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass jene, die Führungsrollen besetzen, Entwicklungen in allen Lebensbereichen initiieren, inspirieren und in Bewegung setzen, nicht nur in der Politik.

Kürzlich stattgefundene Ereignisse lassen vermuten, dass die ganze Zukunft der Nachkriegsvision – hervorgegangen aus dem zweiten Weltkrieg – an einem Kreuzungspunkt angelangt ist. Wohin jetzt von hier aus weiterschreiten? Wenn die Kräfte des guten Willens triumphieren, so ist es deshalb, weil in dieser Zeit Führungskräfte, die von den Möglichkeiten, die der Wassermann bietet, angetrieben sind – auf lokalen, nationalen, regionalen und internationalen Ebenen – und die auf allen Gebieten menschlicher Betätigung hervortreten. Es ist nicht schwer, sich eine im Ganzen neue Generation von Führungskräften vorzustellen, in denen guter Wille erkennbar präsent ist: sie leiten Programme, um die Prinzipien des Teilens, des guten Willens und der ‘Harmonie durch Konflikt’ in vielen Bereichen hervorzubringen: in der Politik, in Bildung und Erziehung, in der Gesundheitsvorsorge, in der Gesetzgebung, dem Recht und der Sicherheit, in der Landwirtschaft, in Arbeitsbeschaffungsprogrammen und in Spiritualität und Religion.

Gruppenbasierte Führungsverantwortung

Zentral in diesem Übergang vom Fische- ins Wassermannzeitalter ist die Verlagerung von einer Betonung der Entwicklung des individuellen Ausdrucks, hin zu einem Zeitalter, in dem die Betonung auf eine Entwicklung des Gruppenausdrucks gelegt wird – wie Gruppenbewusstsein, Gruppenzusammenspiel und Gruppenidealismus. Dies hat große Auswirkungen auf Führungskräfte und Führungsstile. Eine der häufigsten Merkmale der gegenwärtigen Literatur über Führung betont die Förderung von Teamwork und gesunder Gruppendynamik. Führungskräfte im Wassermann entwickeln eine Sensibilität für den Geist der Gruppe, die sie leiten, und stellen sicher, dass sie die Aspiration und den Zweck der Gruppe wiedergibt, und dass ein gemeinsamer Sinn für Bedeutungsinhalte anregt wird. Mehr als jemals zuvor werden Gruppen, zu denen Menschen guten Willens gehören (Arbeitsgruppen, Studiengruppen, Diensteinheiten, Volksbewegungen), von jenen geleitet, die in Gruppenkompetenz ausgebildet und mit Fähigkeiten ausgestattet sind, Netzwerke zu stärken, Gruppenidentität herzustellen und die Gruppenabsicht herauszuarbeiten. Eine Rolle in diesem spielt die Erkenntnis, dass Gruppen ihrerseits eine Führungsrolle im Übergang in eine neue Ära übernehmen.

Die größere Gruppe in der Menschheit, von der alle Dienstgruppen einen Teil bilden, die Gruppe der Weltdiener, schließt alle Führungspersönlichkeiten mit ein, die danach streben, die menschliche Entwicklung, wahre Beteiligung und richtige Beziehungen zur Erde und allen Wesen, Pflanzen und Bestandteilen des Planeten zu fördern und anzuheben. Diese sind die Führungskräfte, die mit den Belangen und dem Wohlergehen der Gruppen, mit denen sie verbunden sind, und den Gruppen, denen sie zu dienen suchen, beschäftigt sind. Diese sind jene Pioniere, die den Weg für neue Qualitäten der Gruppenliebe und des Gruppenzwecks ebnen.

Vision, Vertrauen und Verantwortung

Alle Führungskräfte, die ‘etwas taugen’ werden zwangsläufig danach streben, starre Gesetze, Regeln und Normen in denen Gruppen tätig sind, zu verändern, da wahre Führungskräfte eine Vision für eine bessere Art die Dinge anzugehen haben. Man muss sich nur die Entwicklung Südafrikas anschauen, seit Nelson Mandela 1990 aus dem Gefängnis kam. Bis 1997 endete die Apartheid und Südafrika hatte eine neue Verfassung. Solche erdrutschartigen Veränderungen sind am offensichtlichsten in politischen Bereichen, wo von Regierungsverantwortlichen erwartet wird, eine neue Gesetzgebung einzuführen. Dies ist aber ebenso wahr in der Geschäftswelt, wo visionäre Führungskräfte die ‘unternehmerische Kultur’ verändern. Auch bei den Religionen wird es – auch wenn der Fokus mehr auf den zeitlosen Wahrheiten liegt – immer verschiedene Arten der Interpretation von Wahrheit geben, und jene, die Führungsverantwortung tragen, müssen mit der Frage ringen, welche Interpretation die angemessenste für das sich entwickelnde Bewusstsein ihrer Glaubensgemeinschaft ist. Die Anstrengungen, die von Papst Franziskus unternommen werden, die Römisch-Katholische Kirche zu reformieren, kann in diesem Lichte betrachtet werden.

Eine andere Art und Weise über Vision nachzudenken, kann darin bestehen, Führungspersönlichkeiten als lebendige Verkörperung einer spezifischen Qualität oder Bewusstseinsenergie anzusehen, welche eine größere Gruppe auszudrücken bestrebt ist. Dies hilft zu verstehen, warum gewisse Menschen magnetisch zu der einen oder anderen Führungspersönlichkeit hingezogen werden: sie würden nicht angezogen werden, wenn nichts in ihrem Wesen wäre, das mit dieser Qualität im Einklang schwingen würde. Die Vision, welche die Führungspersönlichkeit zum Ausdruck bringt bzw. die Qualität, die diese verkörpert, muss gewissermaßen schon ‘in der Luft liegen’. Das mag einfach die Neuformulierung einer schon vorhandenen Weltanschauung sein. Die interessanteren und wesentlicheren Bedingungen aber erwachsen, wenn ein neues, universales Ideal berührt wird; denn das kollektive Bewusstsein der Menschheit entwickelt sich ständig. Dies weist auch auf die zunehmende Rolle hin, die von einer gruppenbasierten Führungsverantwortung in der Zukunft der Menschheit erwartet werden kann. Eine Gruppe besitzt eine tiefere Empfänglichkeit für neue Ideale und ist fähig, diese mit mehr Komplexität und differenzierter auszudrücken, als je ein Einzelner dies könnte. In der Wissenschaft und in einigen Geschäftsorganisationen ist dieses Führungsmodell, nämlich das der Gruppe, schon gut eingeführt. Und mit fortschreitender Zeit können wir vielleicht beobachten, wie politische Parteien sich zu einer getreueren Abbildungsweise dieser Möglichkeiten entwickeln. Einer der Keime für diese Entwicklung könnte in der Idee der ‘kollektiven Kabinettsverantwortung’ des Parlamentssystems von Westminster in London, Großbritannien liegen. 

Führungsverantwortliche, die neue Saatgedanken aktivieren, damit diese in der Gesellschaft Wurzeln fassen und sich schnell ausbreiten können, müssen in der Lage sein, sich auf die Dynamik des Willens zu stützen. Anfangs wird sich zwangsläufig ein Widerstand aus den schon existierenden Strukturen heraus gegen die Vision erheben, und ein starker Wille ist erforderlich, die Vision den gegebenen Umständen anzupassen und umzusetzen. Erfolgreiche Führungskräfte verstehen den Prozess der ‘schöpferischen Zerstörung’, der Energien aus altgewordenen Formen befreit, um in neue Strukturen und Gedankenmuster fließen zu können, die der Zukunft und allem Leben besser dienen. Die Fähigkeit, diesen Prozess der Zerstörung auf eine Art und Weise zu lenken, wobei Störungen in der Gesellschaft auf ein Minimum zu reduzieren sind, ist die große Herausforderung an Führungskräfte und deren Fähigkeit, sich in mitfühlender Weise mit allen in ihrer Gruppe zu identifizieren. Ja, es scheint ein zentrales Thema in den Zeiten, in denen wir leben, zu sein.

Genauso, wie die Vision, ist Vertrauen ein zentraler Punkt in der Führungsverantwortung. Mögliche Unterstützer von Führungspersönlichkeiten müssen sich selbst fragen: Haben wir genug Vertrauen in diese Persönlichkeit, dass sie die Vision tatsächlich umsetzt, wenn sie an der Macht ist? Vertrauen ist auch der Schlüssel zu den Gesetzen, womit jene, die Führungsrollen bekleiden, betraut wurden, um diese zu schützen oder gegebenenfalls zu ändern. Gesetze, Bestimmungen und Regeln selbst sind Ausdruck gegenseitigen Vertrauens, da es sich dabei um gemeinsame Vereinbarungen handelt, die die Notwendigkeit eines direkten Vertrauensaufbaus von Person zu Person in großen Gruppen ersetzt. Gemäß Esteban Ortiz-Ospina und Max Roser (Our World In Data1) ist «Vertrauen ein grundlegender Bestandteil des sozialen Kapitals - eine Schlüsselfunktion für nachhaltige Resultate in Bezug auf das Allgemeinwohl, einschließlich wirtschaftlicher Entwicklung.» Weiter führen sie aus, dass in den meisten europäischen Ländern das Vertrauen in die Polizei und das Rechtssystem höher ist als das Vertrauen in das politische System. Dies ist wichtig, da es gewöhnlich das Rechtssystem und im Speziellen eine unabhängige Justiz ist, welche sicherstellt, dass die Macht Führungsverantwortlicher, Gesetze zu verabschieden und zu ändern, verantwortungsbewusst gehandhabt wird. In 35 OECD Ländern zeigen die letzten Erhebungen, dass das durchschnittliche Vertrauen in die Regierung bei unter 40% liegt. Demnach scheint es, dass wir uns, was Führungsbefähigung anbelangt, aktuell in einer Krise befinden, sprich, genau in dem Moment, in dem gute und lautere Führungsqualitäten am dringendsten nötig wären.

Einmal an der Macht, müssen Führungpersönlichkeiten entscheiden, wie sie ihrer Vision zur Geburt verhelfen wollen. Werden sie dazu Wege einschlagen, die den kollektiven Willen der Menschen berücksichtigen (einschließlich derer, die nicht für sie gestimmt oder sie nicht unterstützt haben)? Oder werden sie nach eigenem Gutdünken, was ihrer Ansicht nach das Richtige ist, handeln? Im letzteren Fall besteht die stets drohende Gefahr, in das autoritäre Verhalten des “l’état, c’est moi“, (Der Staat, bin ich, welcher Ausdruck Ludwig dem XIV. zugeschrieben wird), zu verfallen und zu glauben, dass man in gewisser Weise nicht falsch liegen könne. Aus diesem Grunde ist die Macht einer unabhängigen Justiz in modernen Nationalstaaten so entscheidend, die Führungsverantwortliche dem Gesetz gegenüber rechenschaftspflichtig hält. Diese Institutionen fungieren als Sicherheitsvorkehrung gegen Diktaturen und helfen sicherzustellen, dass Veränderungen in der Gesetzgebung in einem Tempo vorangebracht werden, mit dem die Bevölkerung umgehen kann.

Nicht nur auf den Willen des Volkes und den vermittelnden Einfluss der Justiz müssen politisch Führende Rücksicht nehmen. Verschiedene ‘Interessensgruppen’ innerhalb der Gesellschaft, von industriellen Verbänden bis hin zu zivilen Gesellschaftsgruppen, trachten danach, ihre besonderen Anliegen voranzutreiben. Um all diesem gerecht zu werden, müssen Regierende die Fähigkeit aufweisen, die verschiedenen Sichtweisen in ein kohärentes Ganzes zusammenzufassen. Und in einer Ära, die im Zeichen der Globalisierung steht, muss jeder Führungsverantwortliche über die Grenzen der eigenen Nation oder Gruppe hinweg, auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Kräfte, die in der Welt wirken, Rücksicht nehmen. In The Simpol Solution2 legen John Bunzl und Nick Duffell dar, dass die meisten nationalen Führungskräfte sich in einer Ära multinationaler Körperschaften – Körperschaften, die enormen Druck in der internationalen Wirtschaft erzeugen –, gezwungen sehen, den Willen dieser Körperschaften ausführen, aus Angst, dass ihre Nationen ihre Wettbewerbsfähigkeit einbüßen könnten. Zusätzlich zu solchen wirtschaftlichen Belastungen ist da noch die Körperschaft internationalen Rechts, die in Form von Staatsverträgen verschlüsselt ist; ebenso die Aufsicht über dazugehörige Verpflichtungen, die eine Nation mit der Mitgliedschaft in übernationalen Gruppierungen eingeht, wie etwa der EU oder der Afrikanischen Union; desweiteren gibt es verschiedene andere Regelungen, einschließlich der Nachhaltigkeits-Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals; kurz: SDGs) der UNO.

Die Erwähnung der SDGs lässt noch eine weitere Dimension der Verantwortung hervortreten: die Verantwortung demgegenüber, worüber ein breiter wissenschaftlicher Konsens besteht. Die SDGs wurden auf der Basis aufgestellt, dass das Klima sich verändert und andere globale und umweltbedingte Auswirkungen gemeinsam von allen Nationen bewältigt werden müssen; und dass dem breiten wissenschaftlichen Konsens, der diese gravierenden Auswirkungen untermauert, ernsthafte Aufmerksamkeit seitens nationaler Entscheidungen entgegengebracht werden sollte. Das bedeutet nicht, dass die Wissenschaft unfehlbar ist. Das wahre Wesen wissenschaftlicher Unternehmungen ist es, die neuesten Modelle und Theorien zu prüfen und herauszufinden, wo sie versagen könnten. Und aus diesen Prüfungsresultaten können manchmal neue und verbesserte Modelle abgeleitet werden. Die Bürger und Bürgerinnen bedürfen eines grundlegenden wissenschaftlichen Verstehens, um die Auswahlmöglichkeiten, die ihnen von ihren Führungsverantwortlichen aufgezeigt werden, beurteilen zu können. Schon der Astrophysiker und Wissenschaftspädagoge Neil deGrasse Tyson warnte kürzlich, dass “die Menschen die Fähigkeit verloren haben, zu beurteilen, was wahr ist und was nicht bzw. was glaubwürdig ist und was nicht.“

Dies verlangt von jenen, die in der Führungsverantwortung stehen, einen noch wesentlich größeren Sinn für Verantwortlichkeit, da sie oft Entscheidungen mit weiten, ja sogar globalen Auswirkungen, auf der Grundlage wissenschaftlicher Übereinstimmung zu treffen haben. Daher ist ihre Pflicht, sich wissenschaftlich zu bilden, ungleich viel höher. Sogar wenn sie nicht die Zeit haben, sich dieses Verständnis selbst anzueignen, sollten sie dies durch die Berufung von Experten und Beratern kompensieren. Deshalb ist es sehr beunruhigend, wenn Führungsverantwortliche diesen wissenschaftlichen Konsens zu missachten scheinen, und ihre Gründe dafür sollten einer genauen Prüfung unterzogen werden. Um es klar zu sagen, hier geht es nicht um die schwerwiegenden moralischen Entscheidungen, die eine Führungspersönlichkeit auf der Grundlage wissenschaftlicher Tatsachen möglicherweise zu fällen hat – wie etwa über die Anwendung gewisser Arten der Genmanipulation oder der Kernenergie. Hier geht es im Gegenteil um das Infragestellen oder sogar das Ignorieren wissenschaftlicher Beweise, die als gewichtige Grundlage für solche Entscheidungen dienen. Wenn das passiert, wird Tür und Tor für einen Zustand geöffnet, wo jene, die am lautesten schreien, letztendlich die Gewinner jeder Debatte sind, ohne Raum für eine vernünftige Diskussion zuzulassen. 

Die außerordentliche Mannigfaltigkeit und Komplexität dieses Druckes auf Führungskräfte gibt einen gewissen Einblick auf die vielen Herausforderungen, mit denen jene, die Führungsfähigkeit beweisen sollen, in der gegenwärtigen Zeit konfrontiert sind. Die Notwendigkeit, Mut zu besitzen; eine visionäre Empfänglichkeit, hervortretende Ideale zu erkennen; die Fähigkeit, diese Ideale in klarer Weise auszudrücken; das Vermögen, die entgegengesetzten Standpunkte eines komplexen Problems zu vereinen; der dynamische Wille, die Anhängerschaft zu überzeugen und anzuregen; Opfer zu Gunsten des Allgemeinwohls zu bringen; alle diese Anforderungen und noch weitere werden an heutige Führungskräfte gestellt. Lasst uns hoffen, dass das Gebot der Stunde die Personen und Gruppen hervorrufen wird, die fähig sind, an die Spitze zu treten und zu führen.

1. Esteban Ortiz-Ospina und Max Roser (2016) – ‘Trust’. Online veröffentlicht in OurWorldInData.org. Abgerufen von https://ourworldindata.org/trust [Online Quelle]

2. In dieser Ausgabe vorgestellt.

 

Führungsverhalten und Medien

Eines der ersten Dinge, welche Machthaber tun, sobald sie an die Macht gelangen, ist die Übernahme und Kontrolle der Medien, ein Beschlagnahmen der Radio- und Fernsehstationen und das Schließen von unabhängigen Zeitungen. Es ist offensichtlich, warum das so ist: Kontrolliere die Quelle der Nachrichten und du kontrollierst die Leute. In der Vergangenheit waren die Menschen – wollten sie die Welt verstehen – komplett von den überregionalen Zeitungen und den Rundfunkanstalten abhängig. Folglich war das Verlangen nach jener Macht sehr groß, welche Medien auf die Gedanken und das tätige Leben ganzer Bevölkerungsgruppen ausübten. Medienmogule und Pressebarone hätten ein Vermögen dafür bezahlt, um das Leben, das Wahlverhalten und die Konsumgewohnheiten der gewöhnlichen Menschen zu beeinflussen; und sie machen das auch heute noch.

Aber diese etablierte Ordnung wurde radikal durch eines der wohl einschneidensten Phänomene der Zeit verändert: Es handelt sich um die enorme Einflussnahme digitaler Technologien. In unserem wachsenden digitalen Zeitalter kann die Art und Weise, wie wir über die Medien denken, einfach nicht Schritt halten mit den sich verändernden Wirklichkeiten. Zum Beispiel bedeutet der Ausdruck ‘die Seite zu lesen’ heutzutage oft ein Scrollen durch die verschiedenen Präsentationen der Nachrichten und Kommentare auf dem Bildschirm unseres Computers oder Smartphones.

Während man versucht sein mag, diese neue digitale Welt als eine Demokratisierung von Pressemeldungen und Meinungsfreiheit anzusehen oder als eine Stärkung der Entscheidungsbefugnis gewöhnlicher Menschen sowie der Gelegenheit, die Wahrheit zu erfahren, wächst zunehmend die Erkenntnis, dass diese auch mit ernsthaften Nachteilen und sich abzeichnenden Begrenzungen verbunden ist.

Diese müssen angesprochen werden. Nehmen wir z. B. das, was als Filterblase (engl. ‘filter bubble’) bezeichnet wird: Die Menschen zeigen die Tendenz, die Webseiten, Nachrichten und meinungsbildenden Onlinequellen auszusuchen, die in groben Zügen ihre eigene Überzeugung und Weltsicht stützt. Tatsächlich hören sie auf jene, mit denen sie bereits übereinstimmen. Während Menschen schon immer die Veranlagung gezeigt haben, dies zu tun, so ist das Neue daran, dass – da wir in einer Zeit leben, in der jeder ein paar Suchmaschinen zur Informationsfindung heranziehen kann – die Algorithmen, die unsichtbar diese Suchmaschinen antreiben, automatisch dazu neigen werden, Webseiten herauszusuchen, die ähnlich denen sind, nach denen die Menschen bereits gesucht haben, und entsprechend diejenigen auslassen, die unterschiedlich von diesen sind. Das führt dazu, dass das Filtern von Informationen sich noch extremer ausprägt, sprich, wir haben noch weniger Vorstellung von dem, was andere Menschen, die in gewisser Weise unterschiedliche Informationsquellen wählen, denken und sagen.

Wegen dieser ‘Filterblase’ führt die Vielfältigkeit von Nachrichtenquellen zu einer immer größeren Trennung der Menschen in den Online-Meinungsforen, deren Verständnis von verschiedenen oder von gegensätzlichen Standpunkten sich leicht in Form von Vorurteilen, Mangel an Empathie und sogar von einem Nichtverstehenwollen verfestigt. Wie Bendan Cox, der Witwer des ermordeten britischen Unterhausabgeordneten Jo Cox kürzlich im ‘Guardian’ schrieb: “Wir haben [in Großbritannien] eine stolze Tradition unsere Meinungen öffentlich darzulegen und unsere Meinungsverschiedenheiten zu haben, während wir zur selben Zeit die respektieren, deren Meinung wir nicht teilen. Was mich aber beunruhigt, ist, dass der Respekt unseren möglichen Kontrahenten gegenüber zwischenzeitlich zu einer verwerflichen Qualität geworden zu sein scheint; sprich, viel zu schnell über Bord geworfen wird, wenn eine erregte Stimmungslage sich hochschaukelt.”

Ein anderer Abwärtstrend ist das Phänomen ‘Fake-News’. Es war Aeschylus, der antike griechische Tragödienschriftsteller, der denkwürdig bemerkte, dass im Krieg die Wahrheit das erste Opfer sei. Falsche Information, um den Feind zu dämonisieren und die Moral der eigenen Seite zu stärken, wird ohne große Skrupel propagiert. Tatsächlich bedeutet das Wort Propaganda, welches ein wertfreies und neutrales Wort sein sollte, heutzutage die Verbreitung von Unwahrheit. Regierungen haben dies durch die Zeitalter hindurch in vollem Bewusstsein als ein Instrument der Politik ausgenutzt. Nun, zusätzlich zu den von Regierungen ausgehenden Manipulierungs- und Verzerrungsversuchen fällt die Wahrheit oftmals Gruppen und Individuen zum Opfer, die ihre eigenen Anliegen, ungeachtet der Sachverhalte anpreisen. Daher ist die Wahrheit oft verschüttet von der blindgläubigen Annahme nicht verifizierbarer Informationen und den daraus resultierenden Ängsten und falschen Hoffnungen. Wenn sich Menschen in wachsendem Maße in ihrem Vertrauen untergraben fühlen und dadurch in Ungewissheit und Unsicherheit gestürzt werden, können sie leichter dahingehend getäuscht werden, fast alles als ‘Wahrheit’ anzunehmen. 

Diese zwei Beispiele von Nachteilen digitaler Medien zeigen die Notwendigkeit einer neuen Art von Führungsverhalten auf, welche die Menschheit in Stand setzen wird, ein neues Verständnis der Werte von Wahrheit und Empathie anzusteuern. Es ist wichtig, dass alle Internet-Gemeinschaften, alle ‘Filterblasen’ im Zuge einer klaren Positionierung für universelle Prinzipien demaskiert werden, damit diese Prinzipien – im Umfeld der wirklichen Probleme unserer Zeit –  in praktischer Art und Weise Anwendung erfahren. Es tut not, glaubwürdige Stimmen zu hören, die uns kontinuierlich daran erinnern, dass ein kräftiger weltweiter und kooperativer Guter Wille die Gefahr der Fragmentierung der Menschheit in bedrohliche konkurrierende Machtblöcke und Nationen bannen kann.

Glücklicherweise gibt es Gruppierungen und Individuen, die auf dieses Problem mit Klarheit und Ideenreichtum antworten. Zum Beispiel hat Jimmy Wales, der Gründer von Wikipedia im April dieses Jahres verkündet, dass er eine neue Online-Plattform, genannt Wikitribune, aufbauen wird, die darauf abzielt, ‘Fake-News’ entgegenzuwirken. Professionelle Journalisten werden mit einer Truppe von freiwilligen Gemeinschaftsmitarbeitern gepaart sein. Es sollen “Nachrichten von Menschen für Menschen” sein. Und weiter sagt Jimmy Wales: “Dies wird das erste Mal sein, dass professioneller Journalismus und Bürgerjournalismus gleichwertig, Seite an Seite arbeiten, um Geschichten, so wie sie geschehen, zu schreiben und diese live, im Zuge dessen, wie sie sich entwickeln, zu überarbeiten; und dieser Prozess ist jederzeit durch eine Gemeinschaft abgesichert, die alle Fakten immer wieder checkt und nochmals überprüft.”

Eine Initiative wie diese erinnert uns an den Grundwert von Wahrheit. Viele spirituelle und philosophische Traditionen haben die grundlegende Natur von Liebe, Opfer und Wahrheit als spirituelle Grundprinzipien betont, die das Denken, Streben und Tun der Menschheit leiten sollten. Aus gutem Grund wurde dies betont. Wie das schon viele Male gesagt wurde: Wo es keine Vision gibt, geht die Menschheit unter. Vielleicht können wir mit eben der gleichen Bekräftigung behaupten, dass ohne Wahrheit die Menschen zugrunde gehen werden. In der Tat, vielleicht sind, von einem philosophischen Standpunkt betrachtet, Vision und Wahrheit verschiedene Wörter, die auf dieselbe Wirklichkeit verweisen.

Wenn starke Wellen von Emotionen und Meinungen durch die Medien gehen und zum Fokus der öffentlichen Diskussion werden, wie können wir da erkennen, was wahr ist? Es ist eine Frage, über die man im Verlauf der Jahrhunderte tief nachgedacht hat. Die Antwort, die immer wieder zutage tritt, ist die, dass die Wahrnehmung von Wahrheit eine reife Entwicklung und die Anwendung eines wahren Sinns von Unterscheidungskraft erfordert. Wie der Wissenschaftler Carl Sagan es einst präzise ausgedrückt hat: “Wenn man den einzelnen Strohhalm mitten aus einem riesigen Ozean von Verwirrung und Schwindel fischen will, sind Wachsamkeit, Engagement und Mut gefragt. Aber wenn wir diese strengen Denkweisen nicht praktizieren, dürfen wir nicht hoffen, die wirklich ernsten Probleme zu lösen, vor denen wir stehen – und dann laufen wir Gefahr, ein Volk von Trotteln, ja, eine Welt von Trotteln zu werden und dem erstbesten Scharlatan auf den Leim zu gehen.” 

Gibt es Faustregeln, die uns helfen, zwischen Wahrheit und Unwahrheit zu unterscheiden? Die folgenden Gedanken können im Schmelztiegel der Höhen und Tiefen des täglichen Lebens getestet werden. Erstens: wenn sie sich einem Problem gegenübersehen, seien sie von der Erkenntnis getragen, dass die deutliche Mehrheit der Menschen überall auf der Welt vom Guten Willen angetrieben wird. Zweitens: erinnern sie sich daran, dass die menschliche Fähigkeit, ein aufopferndes Leben zu bekunden, weit verbreitet und gut bezeugt ist. Drittens: ziehen sie den Gedanken in Betracht, dass die natürliche Reaktion auf irgendeine Krise oder ein Problem die ist, noch einen Schritt weiterzugehen und sich abzumühen, um eine Lösung zu finden und Heilung zu bewirken. Ein vierter Gedanke ist der: Jegliche gegenteilige Behauptung – sprich, dass die Menschen hoffnungslos schlecht seien, dass ein böser Wille die Grundeinstellung der Menschen ausmache, dass das Streben zu helfen und zu heilen die ungewöhnliche Charakteristik von nur sehr Wenigen darstelle – ist falsch.

Diese Faustregeln sollen zu denken geben und sind nicht dazu da, um autoritär aufgefasst zu werden. Es liegt an jedem von uns selbst, die Wahrheit zu erkennen beziehungsweise das Vertrauen zu haben, dass, gemäß Robert Brownings Worten, “in uns allen (…) ein innerstes Zentrum [ist], darin die Wahrheit in Fülle wohnt.” 

Aber es reicht nicht aus, nur zwischen Wahrheit und Unwahrheit zu unterscheiden. Die Herausforderung ist die, dahingehend tätig zu werden, dass wir die Wahrheit unterstützen. Und hier ist es auch, wo die wahrgenommene Führungsverantwortung in den Medien nicht nur wichtig, sondern auf wunderschöne Weise auch evident ist. Die vielen Nichtregierungsorganisationen und zivilgesellschaftlichen Gruppen, die in den ungefähr letzten 200 Jahren, und insbesondere seit Ende des 2. Weltkriegs entstanden sind, haben in kompetenter Weise auf das Internet zurückgegriffen, mit der Absicht, Menschen Guten Willens vermittels Emails, Tweets, Videoaufnahmen und einer Fülle von Petitionen zu motivieren und zu aktivieren. Man kann durchaus darüber debattieren, wie effektiv diese Online-Petitionen sind. Es heißt, dass ein persönlich geschriebener Brief viel mehr Gewicht hat als Tausende von identisch formulierten Emails. Nichtsdestotrotz, stellen auch diese eine Kraft für das Gute dar und sie unterstreichen die Sorge, welche Millionen von Menschen angesichts der vielen Probleme, denen wir gegenwärtig gegenüberstehen, empfinden.

Ein anderer Bereich, wo Medien, insbesondere die digitalen Medien, eine starke Führung einnehmen, ist innerhalb der Verbreitung von Wissen und Weisheit. Vorträge und Artikel über jedes denkbare Thema sind verfügbar, um durchgesehen zu werden und um sich darin zu vertiefen. Akademische Arbeiten und Diskussionsforen können genau durchsehen werden. All die heiligen Texte der Welt können mit einem Mausklick gelesen werden. Die weltbekannten Werke aus dem Bereich von Musik, Poesie, Literatur und Kunst sind nun einem wachsenden Anteil der Menschheit zugänglich. Laut der ‘Internet World Stats’ (der weltweiten Internetstatistik) kann sich ungefähr die Hälfte der menschlichen Bevölkerung jetzt mit dem Internet verbinden. Das entspricht einer Wachstumsrate von 933,8% seit dem Jahr 2000. In wenigen Jahren wird fast jeder Zugang zu der Gesamtsumme der menschlichen Erfahrung, Phantasie, Kreativität, Kenntnisse und Wahrheit haben. Dies stellt eine erstaunliche Realität dar, insbesondere wenn man bedenkt, wie Wissen einst von religiösen und politischen Institutionen kontrolliert und zensiert wurde. Das Vorhandensein von all diesem kreativen Gedankengut macht es wahrscheinlicher denn je, dass die Wahrheit selbst es ist, die diesen Prozess lenkt.

Buchbesprechung:

John Bunzl und Nick Duffell, The Simpol Solution. Peter Owen, London, 2017. 

Im Buch The Simpol Solution beschreiben John Bunzl und Co-Author Nick Duffel mit eindringlicher Klarheit das größere Hindernis, welches eine Lösung globaler Probleme behindert. Die Rede ist von einem zerstörerischen globalen Wettbewerb (Destructive Global Competition; DGC). Sie zeigen auf, wie dieser verhindert, dass Regierungen notwendige Veränderungen innerhalb der nationalen Politik – bezüglich einer ganzen Palette von Problemen – vornehmen, aus Furcht, dass solche Veränderungen ihnen einen signifikanten Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Nationen verschaffen könnte. Bunzl und Duffell argumentieren auf überzeugende Weise, dass das Erkennen dieser Situation und das realistische Ergreifen eines Plans, um diesem Dilemma entgegenzuwirken, von größeren blinden Flecken psychologischer Art behindert ist, welche auf Regierungen und Bürger gleichermaßen einwirken. Um diese blinden Flecken hinter sich zu lassen, ist es – so der Vorschlag – erforderlich, durch die fünf Phasen der Trauerbewältigung zu gehen, die von Elisabeth Kübler-Ross aufgestellt wurden. Denn nur dann kann die Notwendigkeit akzeptiert werden, sich aus dem Sinnzusammenhang einer nationalistisch orientierten Regierungsform zu lösen, um sich mit dem Kontext einer Regierungsform vertraut zu machen, die global ausgerichtet ist.

Um die Komplexität dieser Angelegenheit darzulegen, zeigen Bunzl und Duffell auf, wie die machtvollen unbewussten Kräfte, welche unser Bedürfnis nach Identität strukturieren, diesen notwendigen Prozess blockieren können. Indem sie sich auf die Einsichten einer Reihe von Psychologen stützen und sich auf Ken Wilber’s AQAL-Model (AQAL ist die englische Abkürzung von: “All Quadrant All Levels“; übersetzt: alle Quadranten, alle Ebenen) beziehen, umreißen sie bestimmte Bewusstseinsebenen, die von sämtlichen Individuen und Gesellschaften durchschritten werden müssen. Eine Weltperspektive ist nur ab der zweiten Ebene des Entwicklungsvorgangs erreichbar. Im Augenblick durchlaufen viele Gesellschaften den schwierigen Übergang von der ersten zur zweiten Ebene.

Bunzl und Duffell skizzieren daraufhin eine Strategie, durch welche, während der Übergangsphase, politische Aktionen, die sich einer Weltperspektive verschreiben, möglich werden. Diese Strategie identifiziert zehn Kriterien für ein effektives Handeln, und die Autoren zeigen auf, wie die Simpol-Lösung – eine von Bürgern geleitete Plattform für Weltpolitik –  dazu beitragen kann. Mittel werden beschrieben, welche Bürgern die Fähigkeit verleihen, politischen Druck auf ihre Abgeordneten auszuüben, um diese dadurch zu ermutigen, eine globale Politik zu unterstützen, die zeitgleich von allen Nationen verabschiedet wird. Bunzl und Duffell schließen damit, dass für uns, als Spezies, eine Verschiebung von einem wettbewerbsorientierten Ansatz, hin zu einem kooperativen Anpacken globaler Probleme, für unsere nächste Phase auf dem Weg der Entwicklung, unerlässlich ist.

bildlegende (Bilder auf dem PDF-Bulletin)
Front Max Rive ‒ https://500px.com/photo/127029019/
S.2  Whooping Cranes ‒ US Fish and Wildlife Service (Public Domain)
S.4  The Helm of Leadership ‒ World Goodwill
S.8 Lincoln Memorial ‒ Another Believer, Wikimedia (Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0)

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