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6. KAPITEL - SIEBEN KRAFTZENTREN

6. KAPITEL

SIEBEN KRAFTZENTREN

Im vorhergehenden Kapitel haben wir gesehen, dass der vitale oder Ätherkörper, der östlichen Lehre gemäss, aus Äther besteht und als Leiter von Prana wirkt, welches das Lebensprinzip ist und Materie mit Energie erfüllt und Form hervorbringt. Der vitale Körper verkörpert auch jenes empfindende Prinzip in der Natur, das die Seele genannt wird, oder, um es genauer auszudrücken, der vitale Körper ist der Ausdruck und Körper der Seele.

Die hauptsächliche charakteristische Eigenschaft der Seele ist Bewusstsein. Die Seele als Leben hat ihren «Sitz im Herzen», und als vernunftbegabtes spirituelles Bewusstsein «sitzt sie auf dem Thron zwischen den Augenbrauen». Guénon drückt dies folgendermassen aus:

«Dasjenige, was vom physischen Standpunkt aus im vitalen Zentrum wohnt, ist Äther; vom psychischen Gesichtspunkt ist es die "lebendige Seele", und bis hierher gehen wir nicht über das Gebiet individueller Möglichkeiten hinaus; jedoch und vor allem ist es vom metaphysischen Gesichtspunkt das hauptsächliche und uneingeschränkte "Selbst". Es ist daher wahrhaftig der "universale Geist" (Atma), der in Wahrheit Brahma selbst ist, der "oberste Herrscher"; und somit ist die Bezeichnung dieses Zentrums als Brahma-pura völlig gerechtfertigt. Aber Brahma wird, wenn er auf diese Weise als innerhalb des Menschen betrachtet wird, (und man könnte ihn auf gleiche Weise in Beziehung zu jedem Zustand des Seins betrachten), Purusha genannt, weil er in der Individualität ruht oder wohnt ... wie in einer Stadt (puri-shaya), denn [110] pura bedeutet im korrekten und buchstäblichen Sinn Stadt.» (Guénon, R.: a. a. O., S. 44, 45)

Die Lebenskraft hat sieben hauptsächliche Kontaktpunkte mit dem physischen Körper, welche die sieben Zentren genannt werden.

Diese sieben Kraftzentren übertragen die Lebenskraft und sind die Mittler der Seele. Sie erhalten die Existenz des Körpers aufrecht und rufen seine Tätigkeit hervor.

The Dreamer (Der Träumer) sagt in seinem Buch:

«Was sind also die Zentren des Menschen? Sie sind die Widerspiegelungen des einen Selbst in den entsprechenden Kernpunkten der upadhi. Wenn wir die Vorgänge der Imprägnierung von Materie durch göttliche Energie studieren, die zuweilen als Lebenswellen bezeichnet werden, werden wir sehen, wie durch die Projektion des Selbst in die äussere Objektivität, die Materie genannt wird, der Materie gewisse Qualitäten verliehen werden, die sich zu etwas entwickeln, was Tattvas genannt wird. Jedes Tattva hat eine Tanmatra oder eine Modifizierung des göttlichen Bewusstseins für sein beseeltes Leben erhalten. In jedem Tattva haben wir also das göttliche Bewusstsein als das zentrale Leben, während die Idee des Widerstandes die äussere Wand bildet.

Wir haben gesehen, dass sich das Selbst infolge seiner Manifestationsfähigkeit in den verschiedenen Upadhis widerspiegelt und künstliche Zentren in ihnen entwickelt, die sozusagen gleichzeitig sowohl den Kern der Upadhis als auch die Vertreter des Selbst auf den entsprechenden Ebenen bilden.» (The Dreamer, Studies in the Bhagavad Gita (Der Träumer, Studien in der Bhagavad Gita), S. 37, 40, 107)

Der indische Name eines Kraftzentrums ist «Chakra». Der Sitz der sieben Kraftzentren (mit ihren vollständigen indischen Namen) ist folgendermassen, vom Kopf nach unten hinabgehend:

[111]

1. Kopfzentrum - Sahasrara-Chakra

2. Zentrum zwischen den Augenbrauen - Ajna-Chakra

3. Kehlzentrum - Vishuddha-Chakra

4. Herzzentrum - Anahata-Chakra

5. Sonnengeflechtszentrum - Manipura-Chakra

6. Sakrales oder Geschlechtszentrum - Svadhistana-Chakra

7. Zentrum am unteren Ende der Wirbelsäule - Muladhara-Chakra

Es sollte beachtet werden, dass sich vier Zentren oberhalb und drei unterhalb des Zwerchfells befinden.

Viel ist über die Kraftzentren oder Chakras geschrieben worden, und mehr könnte gesagt werden, aber das Folgende wird als einführende Zusammenfassung dienen.

Die Kraftzentren sind Träger pranischer Energie für jeden Körperteil und stehen in enger Beziehung zum Nervensystem in seinen drei Bereichen, nämlich dem Gehirn- und Rückenmarkssystem, dem sympathischen System und dem peripheren System.

Von den Kraftzentren wird die vitale oder pranische Energie entlang subtilen Direktionslinien verteilt. Diese Linien werden «Nadis» genannt und stehen in enger Beziehung zu den Nerven und gleichzeitig zu den Arterien; sie liegen anscheinend dem körperlichen Nervensystem zugrunde. In: Guénon, R.: Man and His Becoming, S. 136, 137, lesen wir:

«Was die Nadis oder Arterien der subtilen Form anbetrifft, so dürfen sie nicht mit den körperlichen Arterien, durch die das Blut fliesst, verwechselt werden, und physiologisch entsprechen sie mehr den Verzweigungen des Nervensystems, denn sie werden ausdrücklich [112] als leuchtend beschrieben; aber da Feuer in gewisser Hinsicht aus Hitze und Licht besteht, ist der subtile Zustand auf zwei verschiedene und einander ergänzende Weisen mit dem körperlichen Zustand verbunden - durch das Blut hinsichtlich der wärmenden Qualität, und durch das Nervensystem in bezug auf die leuchtende Eigenschaft. Es muss jedoch klar verstanden werden, dass zwischen den Nadis und den Nerven doch nur eine einfache Entsprechung und keine Identifizierung besteht, da die ersteren nicht körperlich sind, und wir uns deshalb in Wahrheit mit zwei verschiedenen Gebieten in der integrierten Individualität befassen. In ähnlicher Weise darf, wenn eine Beziehung zwischen der Funktion dieser Nadis und der Atmung bestätigt wird, weil diese zur Aufrechterhaltung des Lebens erforderlich ist und tatsächlich der wesentlichen vitalen Tätigkeit entspricht, keineswegs daraus gefolgert werden, dass sie für eine Art Kanal gehalten werden darf, in dem die Luft zirkuliert; dies würde den Begriff des "vitalen Atems" (Prana) verwirren, der genau genommen der subtilen Manifestation angehört, jedoch ein körperliches Element hat.

Es ist behauptet worden, dass die Gesamtsumme der Nadis zweiundsiebzigtausend ist; nach anderen Schriften sollten es jedoch siebenhundertundzwanzig Millionen sein; aber dieser Unterschied ist mehr scheinbar als wirklich, da diese Zahlen, wie stets in solchen Fällen, symbolisch und nicht buchstäblich verstanden werden sollten.» Rama Prasad, der das indische Wort Lotos für Chakra oder Kraftzentrum gebraucht, macht in diesem Zusammenhang eine interessante Bemerkung:

«Die Nervenbündel des modernen Anatomen decken sich mit diesen Zentren. Nach dem oben Gesagten hat es den Anschein, dass die Zentren aus Blutgefässen gebildet werden. Aber der einzige Unterschied zwischen den Nerven und den Blutgefässen ist der Unterschied zwischen den Körpern des positiven und des negativen Pranas. Die Nerven sind das positive, die Blutgefässe das [113] negative System des Körpers. Wo sich Nerven befinden, sind auch entsprechende Blutgefässe vorhanden. Beide werden ohne Unterschied Nadis genannt. Der Lotos im Herzen bildet das Zentrum des einen Systems und der tausendblättrige Lotos des Gehirns das andere. Das System der Blutgefässe ist ein genaues Abbild des Nervensystems, es ist tatsächlich nur sein Schatten. Ebenso wie das Herz, hat das Gehirn seine oberen und unteren Abteilungen, das Grosshirn und das Kleinhirn - und ebenfalls seine rechte und linke Abteilung.» (Prasad, R.: Natures Finer Forces, S. 45-46).

Die Kraftzentren befinden sich entlang der Wirbelsäule und im Kopf. Avalon sagt:

«Eine Beschreibung der Chakras erfordert in erster Linie eine Darstellung der westlichen Anatomie und Physiologie des zentralen und sympathischen Nervensystems, zweitens eine Darstellung des tantrischen Nervensystems und der Chakras; und schliesslich die Beschreibung der Wechselbeziehung der beiden Systeme von der anatomischen und physiologischen Seite aus - soweit dies möglich ist -, denn das übrige ist im allgemeinen ausgesprochen tantrischer Okkultismus.

Die tantrische Theorie hinsichtlich der Chakras und der Sahasrara befasst sich auf der physiologischen Seite ... mit dem zentralen Rückenmarkssystem, welches aus dem Gehirn, im Schädel und dem Rückenmark in der Wirbelsäule (Merudanda) besteht. Es sollte beachtet werden, dass, ebenso wie es fünf Zentren (Chakras) entlang der Wirbelsäule gibt, die nachstehend beschrieben werden, auch die Wirbelsäule selbst in fünf Teile eingeteilt wird, von der untersten angefangen; das Steissbein, das aus vier unvollkommenen Wirbeln besteht, die oft zu einem Knochen vereinigt sind, der os coccygis genannt wird; das Kreuzbein, das aus fünf Wirbeln besteht, die gemeinsam einen einzigen Knochen bilden, das os sacrum; die [114] Lumbalregion oder Lendenwirbelsäule, die aus fünf Wirbeln besteht; die Brustwirbelsäule, die aus zwölf Wirbeln besteht, und die Halswirbelsäule, die aus sieben Wirbeln besteht. Wie die Segmente zeigen, hat die Wirbelsäule in ihren verschiedenen Teilen verschiedenartige charakteristische Eigenschaften. Allgemein gesagt, entsprechen diese den Gebieten, die der sie beherrschenden Kontrolle der Muladhara-, Svadhishthana-, Manipura-, Anahata- und Vishuddhazentren oder Chakras zugeschrieben werden. (Diese Gebiete sind das Ende der Wirbelsäule, das sakrale Zentrum, das Sonnengeflechtzentrum, das Herzzentrum und das Kehlzentrum). Das zentrale System steht durch die einunddreissig Rückgrats- und zwölf Kopfnerven mit der Peripherie in Beziehung, die sowohl afferent als auch efferent oder empfindend und motorisch sind und Empfindung oder Aktivierung führen. Die letzten sechs Kopfnerven entspringen der Medulla, und die anderen sechs, mit Ausnahme des Geruchs- und Sehnervs, entspringen den Teilen des Gehirns gerade vor der Medulla. Verfasser der Yoga- und Tantralehren ziehen den Gebrauch des Ausdrucks Nadi dem des Wortes Nerven vor. Auch wird gesagt, dass sie Kopfnerven meinen, wenn sie von Shiras sprechen, und dieses Wort nie für Arterien anwenden, wie es in der medizinischen Literatur geschieht. Es muss jedoch beachtet werden, dass die Nadis des Yoga nicht die gewöhnlichen körperlichen Nerven sind, sondern subtilere Bahnen, entlang denen die vitalen Kräfte fliessen. Die Rückenmarksnerven treten nach ihrem Austritt aus den Öffnungen zwischen den Wirbeln mit den Grenzsträngen des sympathischen Nervensystems, die beiderseits der Wirbelsäule liegen, in Verbindung. Nach oben verläuft das Rückenmark beim Menschen vom obersten Ende des obersten Halswirbels (Atlas) unterhalb des Kleinhirns (cerebellum) zur Medulla und schliesslich durch die Öffnung der vierten Gehirnkammer, nach unten bis zum zweiten Lendenwirbel, wo es in einem Punkt zusammentrifft, der das filum terminale genannt wird.» (Avalon, A.: The Serpent Power, S. 123-125)

[115]

Da die vorangehende Anführung sich auf das tantrische System bezieht, sollte beachtet werden, dass sie sich auf ein indisches System der Energiekontrolle bezieht, das nur für Menschen von höchstem moralischen Charakter und ausgesprochener Reinheit des Lebens und Denkens gefahrlos ist. Gewisse degradierte Übungen und Schulen, die sowohl im Osten als auch im Westen vorhanden sind und die sogenannten tantrischen Übungen lehren, können nicht streng genug verurteilt werden.

Diese Kraftzentren befinden sich nicht nur entlang der Wirbelsäule und im Kopf, wie wir soeben gezeigt haben, sondern stehen auch durch die Wirbelsäule in Beziehung zueinander - eine Beziehung, die zu verwickelt ist, um hier genau beschrieben zu werden.

Von den sieben Zentren befinden sich zwei im Kopf und fünf in der Wirbelsäule. Die beiden Zentren im Kopf stehen in direkter Beziehung zu den Fähigkeiten des Denkaspekts und der Bewegung. Das Sahasrara-Zentrum (Kopfzentrum), das gewöhnlich der tausendblättrige Lotos genannt wird, ist die Verkörperung spiritueller Energie und zeigt sich als Wille, als abstraktes oder spirituelles Denken und als Intuition. Das Ajnazentrum oder das Zentrum zwischen den Augenbrauen betrifft das niedere Denken und die psychische Natur des integrierten Organismus, den wir den Menschen, die Persönlichkeit, nennen.

Die fünf Zentren in der Wirbelsäule betreffen die verschiedenartigen Tätigkeiten des Organismus, wenn der Mensch seinen Tierinstinkt, seine Gefühlsreaktionen und seine Lebensabsicht demonstriert. Sie werden grösstenteils durch die in die Kopfzentren einströmende und von ihnen ausfliessende Kraft gelenkt.

In The Serpent Power wird behauptet:
[116]
«Die Zentren beeinflussen nicht nur das Zusammenwirken der Muskeln bei den willkürlichen Bewegungen, sondern auch die Funktionen der Gefäss-Innervation, der Sekretion und dergleichen, die ihre proximalen Zentren im Rückenmark haben. Die Gehirnzentren sollen diese Funktionen jedoch nur hinsichtlich der Manifestation von Willenskraft, Gefühl und Emotion kontrollieren, während die Zentren der Wirbelsäule mit dem untergeordneten sympathischen Nervensystem den Mechanismus unbewusster Anpassung gemäss der verschiedenen Umstände der Erregungsfaktoren, die für die fortdauernde Existenz des Organismus erforderlich sind, darstellen. Die Medulla ist gleichfalls sowohl ein Verbindungsweg zwischen den höheren Zentren und der Peripherie als auch ein unabhängiges Zentrum, das Funktionen von grösster Wichtigkeit im System reguliert. Es sollte beachtet werden, dass die Nervenfasern, welche die motorischen Impulse vom Gehirn zum Rückenmark weitergeben, auf ihrem Weg durch die Medulla ziemlich plötzlich von einer Seite zur anderen kreuzen, eine Tatsache, die in den Tantras in der Beschreibung der Mukta Triveni bemerkt worden ist. Die Medulla ist durch zahlreiche afferente und efferente Wege mit dem Kleinhirn und den Gehirnganglien verbunden. Oberhalb des Kleinhirns ist das Grosshirn, dessen Tätigkeit gewöhnlich mit bewusster Willensäusserung und mit Gedankenvorstellungen und dem Ursprung willkürlicher Bewegungen verbunden ist. Der Begriff des Bewusstseins, welches die nach innen gerichtete Lehre der Psychologie betrifft, darf jedoch nicht mit dem Gegenstand der physiologischen Funktion verwechselt werden. Es gibt daher kein Bewusstseinsorgan, einfach darum, weil «Bewusstsein» kein organischer Begriff ist und nichts mit dem physiologischen Begriff von Energie, deren innere Seite es darstellt, zu tun hat. Bewusstsein an sich ist Atma. Sowohl der Denkaspekt als auch der Körper, von dem das Gehirn einen Teil bildet, sind unvollkommene oder verhüllte Ausdrücke des Bewusstseins, das im [117] Fall des Körpers so verhüllt ist, dass es den Anschein des Unbewussten hat. Das lebendige Gehirn besteht aus grober empfindungsfähiger Materie (Mahabhuta), die mit Prana erfüllt wird. Sein Material ist so entwickelt worden, dass es ein geeignetes Werkzeug für den Ausdruck des Bewusstseins in Form von Denken (Antahkarana) darstellt. Da der Körper kein Bewusstseinsvermögen hat, ist es auch keine blosse Funktion des Gehirns. Die Tatsache, dass mentales Bewusstsein durch Störung des Gehirns betroffen oder verloren wird, beweist die Notwendigkeit des letzteren für den Ausdruck eines solchen Bewusstseins und nicht, dass Bewusstsein nur dem Gehirn innewohnt oder dass es die Eigenschaft desselben ist. Auf jeder Seite der Wirbelsäule befindet sich eine Ganglienkette, die mit Nervenfasern verbunden ist, die der sympathische Grenzstrang genannt wird (Ida und Pingala) und sich über die ganze Strecke von der Basis des Schädels bis zum Steissbein erstreckt. Dieser Strang steht mit dem Rückenmark in Verbindung. Es ist beachtenswert, dass sich in den Regionen der Brust- und der Lendenwirbelsäule ein Ganglion in jeder Kette befindet, das mit grosser Regelmässigkeit jedem Nerv des Rückgrats entspricht, obwohl in der Region des Halses viele von ihnen zu fehlen scheinen. Ausserdem ist hervorzuheben, dass sich besonders grosse Nervenbündel in der Region des Herzens, des Magens und der Lungen befinden, den Gebieten, die von der Anahata, Manipura und Vishuddha bzw. den drei oberen der fünf Chakras beherrscht werden, die nachfolgend beschrieben sind. Von dem sympathischen Grenzstrang führen beidseits Nervenfasern zu den Eingeweiden des Unterleibs und zum Brustkorb. Von diesen gehen auch Nerven aus, die zu den Nerven des Rückenmarks zurückkehren, und andere, die in einige der Kopfnerven übergehen; diese gehen auf diese Weise zu den Blutgefässen der Glieder, des Rumpfes und anderer Teile, zu denen die Rückgrats- und Kopfnerven gehen. Die sympathischen Nerven leiten hauptsächlich Impulse, die das Muskelgewebe der Eingeweide und den Muskelmantel der kleinen Schlagadern der verschiedenen Gewebe beherrschen. Durch das sympathische System wird der Tonus der Blutgefässe durch die Aktivität des vaso-motorischen Zentrums in der Medulla aufrecht [118] erhalten. Das sympathische System empfängt die Impulse, die es ausgibt, jedoch vom zentralen Nervensystem, sie gehen nicht aus dem sympathischen System selbst hervor. Die Impulse gehen durch die vorderen Wurzeln der Rückenmarksnerven aus dem Rückenmark heraus und gehen durch kurze Verbindungen in die sympathischen Ketten. Die Arbeit der sympathischen Systeme kontrolliert und beeinflusst Blutkreislauf, Verdauung und Atmung.

Die anatomische Anordnung des zentralen Nervensystems ist ausserordentlich verwickelt, und das, was in jenem Gewirr von Geweben, Zellen und Fasern vor sich geht, ist andererseits selbst heute fast unbekannt. Daher ist zugegeben worden, dass wir in der Beschreibung der Physiologie des zentralen Nervensystems bis jetzt wenig mehr tun können als die Wege ausfindig zu machen, durch die Impulse von einem zum anderen Teil des Systems gehen mögen, um aus den anatomischen Verbindungen mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit das Wesen der physiologischen Verbindung zu folgern, die seine Teile untereinander und mit dem Rest des Körpers haben. Es wird jedoch gesagt, dass im allgemeinen Gründe zu der Annahme vorliegen mögen, dass sich im zentralen Nervensystem Nervenzentren befinden, die auf spezifische Weise mit spezifischen Mechanismen - empfindende, ausscheidende oder motorische - in Beziehung stehen, und dass in einem bestimmten Teil des Rückenmarks Zentren für eine bestimmte physiologische Tätigkeit bestehen, wie das angeführte Genito-Spinal-Zentrum. Der subtile Aspekt solcher Zentren als Ausdruck des Bewusstseins (Chaitanya), der in verschiedenen Formen der Maya Shakti verkörpert ist, wird hier Chakra genannt. Diese subtilen Aspekte der Zentren stehen durch vermittelnde Verbindungswege mit den groben Organen der Fortpflanzung, Urinausscheidung, Verdauung, Herztätigkeit und Atmung und mit den entsprechenden Chakras - Muladhara, Svadhistana, Manipura, Anahata [119] und Vishuddha - ebenso im Zusammenhang, wie in spezieller, aber nicht ausschliesslicher Beziehung mit den verschiedenen wahrnehmenden willensmässigen gedanklichen Prozessen.» (Avalon, A.: The Serpent Power, S. 126-129).

Die Tätigkeit dieser Zentren variiert je nach dem evolutionären Status des einzelnen Menschen. In einigen Menschen sind gewisse Zentren «erwacht», und in anderen mögen dieselben Zentren verhältnismässig ruhig sein. In gewissen Typen wird das Sonnengeflechtszentrum tätig sein oder vorherrschen, in anderen das Herzzentrum und in noch anderen das Kehlzentrum. In sehr wenigen ist bis jetzt das Kopfzentrum tätig. Allgemein gesagt, sind in den primitiven Völkern und in wenig entwickelten Menschen die drei Zentren unterhalb des Zwerchfells - das Zentrum am Ende der Wirbelsäule, das Sakralzentrum und das Sonnengeflechtszentrum, erwacht und dominant, wohingegen die Zentren oberhalb des Zwerchfells «schlafen». In der Durchschnittsmenschheit fängt das Kehlzentrum an, sich bemerkbar zu machen, während das Kopf- und Herzzentrum noch schlafen. In hochentwickelten Menschen, in Führern der Rasse, in intuitiven Philosophen, in Wissenschaftlern und in den grossen Heiligen machen sowohl das Kopf- als auch das Herzzentrum ihre Schwingung fühlbar. Die Priorität des Kopf- oder Herzzentrums wird vom Typ und der Qualität des emotionellen und mentalen Bewusstseins bestimmt.

Je nach der Entwicklung des Menschen erwachen also diese Kraftzentren zum Leben und übernehmen die Herrschaft, und ihrer Lebenskraft entsprechend machen verschiedene Arten von Tätigkeit ihren Einfluss bemerkbar. Die Zentren unterhalb des Zwerchfells beherrschen das physische Leben der materiellen Form und das animalische psychische Leben, das sowohl im Menschen [120] als auch im Tier zu finden ist. Zentren oberhalb des Zwerchfells betreffen das intellektuelle und spirituelle Leben und führen jene Tätigkeit herbei, mit denen der Mensch demonstriert, dass sein Status anders und höher ist als der des Tieres, und dass er auf der Entwicklungsleiter emporsteigt.

Dies ist kurz zusammengefasst die Lehre des Ostens in bezug auf die sieben Kraftzentren oder Chakras.

Wenn wir die östliche Lehre der sieben Zentren mit der westlichen Lehre der Drüsen vergleichen, finden wir zunächst eine auffallende Tatsache hinsichtlich der Lage im Körper. Die sieben Kraftzentren sind in derselben Gegend wie die Drüsen zu finden, und jedes Kraftzentrum könnte gut die Quelle der Kraft und des Lebens für die entsprechende Drüse sein (und nach der indischen Lehre ist dies der Fall). Die folgende vergleichende Tabelle zeigt diese Identität der Lage.

Zentren

Drüsen

Kopfzentrum

Zirbeldrüse (Epiphyse)

Zentrum zwischen den Augenbrauen

Hypophyse

Kehlzentrum

Schilddrüse

Herzzentrum

Thymusdrüse

Sonnengeflechtszentrum

Bauchspeicheldrüse

Sakralzentrum

Keimdrüsen

Zentrum am unteren Ende der Wirbelsäule

Nebennieren

Eine zweite Tatsache, noch auffallender als die erste, ist, dass die Kraftzentren, die erwacht sind, den Drüsen entsprechen, deren Funktionen bekannt sind und von denen die meisten Sekretionen [121] oder Hormone entdeckt worden sind. Die Zentren, die schlafen oder in fortgeschrittenen Mitgliedern der Rasse anfangen zu erwachen, entsprechen den Drüsen, deren Funktionen verhältnismässig unbekannt sind und deren Absonderungen grösstenteils nicht isoliert worden sind. Es sollte z.B. beachtet werden, dass Berman behauptet, dass die Sekretion der Zirbeldrüse, von einer der beiden im Gehirnanhang, und die der Thymusdrüse ebenso als unbekannt verzeichnet sind, wie die Sekretion der Nebennierenrinde. Diese entsprechen dem schlafenden oder erwachenden Herzzentrum, dem Kehlzentrum, dem Zentrum im Kopf und dem am unteren Ende der Wirbelsäule.

Ist dies ein interessanter Zufall? Oder stehen wir der Tatsache gegenüber, dass diese Drüsen mit den unentdeckten Hormonen in jedem Fall mit einem Zentrum verbunden sind, das in der Durchschnittsmenschheit schläft und noch nicht erwacht ist?

Ich glaube, dass schliesslich festgestellt werden wird, dass die Drüsen durch die Energie der Zentren ins Dasein gerufen worden sind, denn jene Zentren, die in der Durchschnittsmenschheit erwacht sind und funktionieren, scheinen mit den Drüsen in Beziehung zu stehen, deren spezielle Sekretion isoliert worden ist und deren Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Blutstrom bekannt ist, während jene Zentren, die bis jetzt noch schlafen und unentwickelt sind, mit den Drüsen in Verbindung zu stehen scheinen, deren Sekretion nur teilweise bekannt oder gänzlich unbekannt ist. Dies verdient jedenfalls, in Erwägung gezogen zu werden.

Die westlichen Psychologen haben folglich recht, wenn sie behaupten, dass ein Mensch das ist, was seine Drüsen aus ihm machen, [122] und dass wir weder besser noch schlechter sind als unser spezielles System der Drüsen mit innerer Sekretion. Aber der Grund hierfür mag in der Richtigkeit der östlichen Theorie hinsichtlich der Kraftzentren liegen. Der Zustand der Drüsen und ihre übermässige oder unternormale Tätigkeit und ihr richtiges oder falsches Funktionieren mag durch den Zustand dieser Zentren bestimmt werden. Die Drüsen sind nur äussere Symbole, der sichtbare, materielle Aspekt eines viel grösseren und verwickelteren Systems. Sie werden durch den Charakter des Seelenlebens, das durch sie hindurchströmt, und durch die Seele, die alles kontrolliert und beherrscht, bestimmt.

Der Zustand der Zentren hängt also von dem Typ und der Qualität der Seelenkraft ab, die durch sie schwingt. Im unentwickelten Menschen ist nur die Lebenskraft, das Prana, tätig und vorhanden. Diese nährt das animalische Leben und versetzt die niederen Zentren (das Zentrum am unteren Ende der Wirbelsäule und das Geschlechtszentrum) in Tätigkeit. Später, wenn sich der Mensch entwickelt, macht das Bewusstsein, der Seelenaspekt, seine Gegenwart allmählich bemerkbar und versetzt das Sonnengeflechtszentrum in Tätigkeit. Dieses Zentrum ist sowohl im Menschen als auch im Tier der Sitz des niederen psychischen, empfindenden Lebens und wird häufig als das instinktive Gehirn erwähnt. Bhagavan Das lehrt uns:

«Es lohnt sich zu beachten, dass der Nabel in der Sanskrit-Literatur oft als zentraler und als fast wesentlicher für den Organismus behandelt wird als das Herz. Zwar fehlt es nicht an Andeutungen über die Wichtigkeit des Herzens aber es ist wahrscheinlich so, dass der "Nabel" physiologisch in den ersten Stadien  [123] der Evolution das wichtigere Organ war und selbst im heutigen Stadium wesentlicher mit dem eigentlichen Verlangen verbunden ist als das Herz, das vielleicht mit dem aktiven Anteil des Verlangens in Verbindung steht.» (Das, B.: The Science of the Sacred Word (Die Wissenschaft des Heiligen Wortes) Band I, S. 82).

Auch im folgenden Abschnitt zitiert er Frau Besant:

«"Der Nabel" repräsentiert das Sonnengeflecht, das vielleicht das wichtigste Geflecht des sympathischen Systems ist; es kontrolliert das Verdauungssystem und sendet seine Fasern sowohl zu Leber, Milz, Magen, als auch zum Verdauungstrakt und den Fortpflanzungsorganen. Es steht auch mit der Lunge und dem Herz in Verbindung. Es könnte als das Gehirn des sympathischen Systems angesehen werden und reagiert mit gefährlicher Leichtigkeit auf Gedanken; Konzentration auf dieses Geflecht, wie es oft unbesonnenerweise vorkommt, kann zu unangenehmen Nervenkrankheiten führen. Gefühlserregungen setzen es in heftige Unruhe und das Gefühl von Übelkeit, das häufig einer emotionellen Erschütterung folgt, ist auf seine erregte Tätigkeit zurückzuführen.» (Das, B.: a. a. O., S. 83)

Der Mensch funktioniert heute grösstenteils vermittels dieser drei Zentren. Die Kräfte des Körpers dienen dazu, das Geschlechtsleben durch die Keimdrüsen zu nähren und anzuregen; sie erwecken den Drang zu kämpfen und vorwärts zu kommen durch die Nebennieren, die Drüsen des Kampfes und des Ringens. Sie beherrschen das psychische instinktive Leben durch das Sonnengeflecht. Auf diese Weise wird der persönliche Mensch mobilisiert und wird ein bewusstes, empfindendes Menschenwesen. Mit [124] fortschreitender Evolution wird das Selbst oder die Seele im Menschen und in seiner körperlichen Existenz immer aktiver und dominierender, und allmählich erwachen alle Teile der ätherischen Struktur zu lebenskräftiger Tätigkeit. Nach und nach werden die höheren Zentren in verstärkte Tätigkeit versetzt, und die Betonung der Kraft, die durch den Körper strömt, wird in die Zentren oberhalb des Zwerchfells verlegt. Das Kehlzentrum erwacht und wird zum Organ schöpferischer Arbeit; das Herzzentrum wird belebt, und der Mensch wird sich seiner Seelenbeziehungen, seiner Gruppenverantwortlichkeiten und der Einschliesslichkeit des Seelenlebens bewusst. Schliesslich erwachen die Kopfzentren, und eine andere Reihe von Wahrnehmungen tritt in sein Bewusstsein ein. Er wird seiner als Seele und als integrierte Persönlichkeit bewusst, und noch später wird er sich der Welt des Geistes, des göttlichen Lebens, der unsichtbaren Welt der Geister und jener «Wolke von Zeugen» bewusst, welche die Realität des Seelenlebens bezeugen.

Eins der Ziele menschlicher Evolution besteht darin, dies zu erreichen. Das Zentrum am unteren Ende der Wirbelsäule, das Herzzentrum und die Kopfzentren müssen in voll funktionierende Tätigkeit versetzt werden, um den Menschen auf diese Weise durch ein Verschmelzen der Energie, die in der Materie selbst latent und im Zentrum am Ende der Wirbelsäule aufgespeichert ist, der Energie der Seele, die ihren Sitz im Herzen hat, und der Energie des Geistes, die im Kopf konzentriert ist, zum höchsten Punkt der Vollendung zu bringen. Durch diese Verschmelzung von Energien wird er ein aktiver Ausdruck Gottes - Geist, Seele, Körper, verschmolzen und vereint, damit der Körper tatsächlich das Werkzeug für die Seele und diese Seele tatsächlich der Ausdruck des Willens und der Zielsetzung des Geistes ist.

[125]

Was hat Christus gesagt, als er auf Erden war? «Wer mich sieht, der sieht den Vater.» (Johannes 14, 9) Er hat auch gesagt: «Wer an mich glaubet, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und wird grössere Werke als diese tun, denn ich gehe zum Vater.» (Johannes 14, 12) Er war die im Körper inkarnierte Seele, die den Vater, den Geist, offenbarte und durch den Mechanismus des Körpers die Fähigkeiten der Seele demonstrierte, die, wie die Hindus behaupten, dem Erwachen der Zentren folgen und die sie folgendermassen aufzählen:

1. Anima. ... Die Fähigkeit, alle Körper zu durchdringen und die Toten zum Leben zu erwecken. Christus konnte unsichtbar in Räume eintreten und die Toten erwecken. (Siehe Lukas 24, 36, Markus 16, 14, Johannes 20, 19, Johannes 11)

2. Mahima. ... Die Fähigkeit, andere einzubegreifen oder sich gross zu machen oder das Universum zu begreifen. Christus wusste alles. (Matthäus 12, 25, Johannes 2, 24, Johannes 6, 64)

3. Laghima. ... Die Fähigkeit, sich leicht zu machen, so dass man in der Luft schweben oder auf dem Wasser wandeln kann. Christus wandelte auf dem Wasser. (Matthäus 14, 25, 26, Markus 6, 48)

4. Garima. ... Die Fähigkeit, sich schwer zu machen. Wir haben keinen Bericht in der Heiligen Schrift, dass Christus von dieser Fähigkeit Gebrauch machte.

5. Prapti. ... Das Vorhersagen von Ereignissen (Christus sagte seine Kreuzigung voraus. Matthäus 26, 2, Lukas 24, 7) und die Fähigkeit, Krankheiten zu heilen, (Christus heilte Hunderte, Matthäus 12, 15, 14, 15) und die Fähigkeit des Hellsehens und [126] Hellhörens. (Christus konnte sowohl hellsehen, Johannes 1, 48, als auch hellhören, Johannes 12, 29)

6. Prakamega. ... Die Fähigkeit, den Körper zu konservieren. Christus erschien seinen Jüngern nach dem Tod scheinbar in demselben Körper, den sie kannten. (Johannes 20, 20-27)

7. Visitvan. ... Die Fähigkeit der Selbstkontrolle, die Fähigkeit, Tiere und Menschen zu beherrschen. Dies alles demonstrierte Christus, er beherrschte sogar von Dämonen besessene Menschen und die Säue, die sich vom Abhang ins Meer stürzten. (Matthäus 8, Markus 5, Markus 9)

8. Ishatvan. ... Die Fähigkeit universaler Herrschaft. Es wird überall Anspruch erhoben, dass Christus sie besass, und dadurch angedeutet, dass er zur Rechten Gottes sitzt.

Widerspricht der Besitz dieser Fähigkeiten und die Erfüllung der Prophezeiung Christi, dass wir grössere Dinge tun werden, so sehr demjenigen, was der Westen den gesunden Menschenverstand nennt? Beim Rundfunk senden wir Tonwellen aus, regulieren und verstärken die Wellen, aber schliesslich verstärken wir bloss die Tonwellen, die in ihrer ursprünglichen subtilen Form auf uns herabströmen. Was ist natürlicher, als dass der Mensch, der mechanische Verstärkungen gebaut hat, selbst so empfindungsfähig werden sollte, dass er die Tonwellen ohne Hilfsmittel aufnehmen und somit als hellhörend bezeichnet werden wird? Und ist nicht Gedankenübertragung (die selbst die skeptischsten Menschen anerkennen müssen) nichts weiter als eine besondere Art von Rundfunk? Ebenso ist es mit anderen «Wundern». Wird die materielle [127] Welt nicht von subtilen Kräften und Mächten beherrscht und mag der Mensch nicht mit der Zeit lernen, in dem subtileren Bereich zu wirken und dadurch Herrschaft über das rein Physische und Materielle zu erlangen?

Derart ist der uralte Glaube Indiens - dass der Mensch durch die Entwicklung der Seele und des Geistes, durch das Erwachen aller Zentren, seine Reife und seine Herrlichkeit erlangt.

[128]