Navigieren durch die Kaptitel von diesem Buch

ZWEITER VORTRAG

ZWEITER VORTRAG

DIE EVOLUTION DER SUBSTANZ

Es ist offensichtlich, dass [31] es in einer Vortragsreihe wie dieser unmöglich sein würde, ein so ungeheures Thema nur annähernd angemessen zu behandeln, auch wenn ich die ausreichende Vorbildung besässe, über eine derart fundamentale wissenschaftliche Materie zu sprechen. Und selbst wenn die Schlussfolgerungen der Wissenschaft über die Evolution der Materie endgültig wären, würde das Thema eine zu weitläufige Behandlung erfordern - aber sie sind es nicht; wodurch der Gegenstand sich noch weiter kompliziert. Deshalb möchte ich heute meinen Ausführungen vorausschicken, dass es mein Ziel ist, besonders zu solchen zu sprechen, die keinerlei wissenschaftliche Voraussetzungen mitbringen und ihnen einen Begriff von den allgemein akzeptierten Ideen zu vermitteln suchen. Ich bemühe mich deshalb, einige Anstösse zu geben, die uns vielleicht hilfreich sein können, unser Denkvermögen diesem grossen Problem Materie anzunähern. Bei Betrachtung des Substanzaspekts der Manifestation wurde dieser gewöhnlich als «Sache für sich» angesehen; und erst seit kurzem fängt so etwas wie «die Psychologie der Materie» an, durch die Forschungen und Schlussfolgerungen aufgeschlossenerer Wissenschaftler dem Publikum vor Augen gebracht zu werden.

Sie werden [32] sich erinnern, dass ich letzthin allgemein und ausführlich versuchte, Ihnen deutlich zu machen, dass es drei Richtungen gibt, um dem Studium des materiellen Universums näherzukommen. Da ist zunächst die Linie, die lediglich den Materieaspekt betrachtet und sich nur damit beschäftigt, was gesehen, berührt und bewiesen werden kann. Eine zweite - etwa als «Supranaturalismus» zu bezeichnen - berücksichtigt weniger die materielle Seite der Dinge als das, was das Göttliche genannt wird; ihr Gebiet ist der Lebens und der Geistaspekt, und Leben sieht sie als eine Kraft an, die ausserhalb des Sonnensystems und des Menschen existiert die sie aber als grosses schöpferisches Agens einstuft, Welches das objektive Universum erschafft und leitet, trotzdem es selbst ausserhalb ist. Diese beiden Gedankenrichtungen sehen wir von den rein materialistischen Wissenschaftlern, den orthodoxen Christen und den Deisten jeden Glaubens vertreten.

Als nächstes wies ich auf den dritten Zugang zum Problem hin, wir nannten es die «idealistische» Anschauung. Diese berücksichtigt die materielle Form, aber auch das Leben in ihr und postuliert ein Bewusstsein oder eine Intelligenz, die sich mit Hilfe dieser äussern Form entwickelt. Sie werden gemerkt haben, dass dies die Richtung ist, auf die ich bei diesen Vorträgen besonderen Nachdruck legen werde. Kein Redner ist ja imstande, sich völlig von seinem eigenen Standpunkt abzusetzen; und ich habe mir hier selber die Aufgabe gestellt, diesem Weg zu folgen, denn für mich bedeutet er die Synthese der anderen zwei, fügt ihnen aber noch bestimmte Konzepte hinzu, die in Vereinigung mit den anderen ein zusammenhängendes Ganzes entstehen lassen. An Ihnen ist es, zu entscheiden, ob dieser dritte Standpunkt logisch, vernünftig und klar ist.

Die allergewöhnlichste Tatsache [33] in unser aller Leben ist die der materiellen Welt, der Welt, die wir sehen, mit der wir mittels der fünf Sinne in Berührung kommen können, und die von den metaphysischen Denkern das «Nicht-Selbst» genannt wird oder das, was für jeden von uns «gegenständlich» ist. Wie wir wissen, besteht die Arbeit des Chemikers darin, alle bekannten Substanzen auf ihre allereinfachsten Elemente zurückzuführen, und noch vor kurzem glaubte man dies befriedigend erreicht zu haben. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts bezifferte man die Anzahl der bekannten Elemente auf 70 - 80. Nun wurde aber im Jahre 1898 ein neues Element, das Radium, entdeckt, eine Entdeckung, die das Denken der Welt über Materie und Substanz vollständig revolutionierte. Blättert man die alten Schriften oder Wörterbücher aus dem vorigen Jahrhundert durch, um die Definition des Atoms zu finden, findet man gewöhnlich Newton zitiert: «das Atom ist ein hartes, unteilbares, letztes Partikel», also etwas, das fernere Unterteilung nicht erlaubt. Es wurde als endgültig letztes Atom im Universum anerkannt und von den Gelehrten der Viktorianischen Ära als «Grundstein des Universums» bezeichnet. Man nahm an, so weit wie möglich zurückgegangen zu sein und gefunden zu haben, was aller Manifestation und dem Objektiven überhaupt zugrunde liegt. Aber als das Radium und die anderen radioaktiven Stoffe erkannt worden waren, sah man sich einem völlig neuen Aspekt gegenüber; denn es war klar geworden, dass das als letzte Einheit angenommene Partikel [34] dies keineswegs war. Die Definition des Atoms (gemäss «Standard Dictionary») heisst:

«Ein Atom ist ein Kraftzentrum, eine Phase elektrischer Phänomene, ein Energiezentrum, aktiviert durch seine eigene innere Struktur, das Hitze oder Strahlung abgibt.»

Ein Atom sei deshalb (wie Lord Kelvin 1867 annahm) ein «Wirbel-Ring» oder Kraftzentrum und nicht ein Partikel dessen, was wir als berührbare Substanz verstehen. Dieses allerletzte Partikel der Materie ist jetzt erwiesen worden als aus einem positiven Energiekern zusammengesetzt, der wie die Sonne von den Planeten von vielen Elektronen oder negativen Korpuskeln umgeben ist und dadurch das Atom der früheren Wissenschaft in zahllose kleine Körper unterteilt. Die Elemente differieren entsprechend der Zahl und Anordnung dieser negativen Elektronen um ihren positiven Nucleus, und sie rotieren oder bewegen sich um diese zentrale elektrische Ladung, wie unser planetarisches System um die Sonne kreist. Professor Soddy führte in einer seiner letzten Arbeiten aus, dass im Atom ein ganzes Sonnensystem zu sehen sei - man erkennt die zentrale Sonne und die Planeten mit ihren Umlaufbahnen.

Es müsste jedem [35] von uns einleuchten, dass ein vollständig neuer Substanzbegriff sich eröffnet, sobald diese Definition des Atoms gründlich durchdacht und studiert wird. Dogmatische Behauptungen sind jedenfalls nicht mehr am Platze, denn inzwischen ist realisiert worden, dass vielleicht die nächste Entdeckung die Tatsache enthüllen könnte, dass die Elektronen selbst Welten innerhalb von Welten sind. Eine interessante Spekulation in dieser Richtung findet sich im Buche eines englischen Physikers, in welchem er eröffnet, es würde möglich sein oder werden, das Elektron selbst weiter aufzulösen und zu unterteilen in, was er «Psychonen» nennt. Dies würde in Regionen führen, die dann nicht mehr dem Physischen zugerechnet werden könnten. Das mag heute noch ein Traum sein. Aber die Sache, mit der ich versuchen möchte, mein Denken und das Ihre zu beeindrucken, ist, dass wir kaum wissen, wo wir im wissenschaftlichen Denken stehen, ebenso wenig wie im religiösen und ökonomischen Bereich. Alles macht eine Periode des Übergangs durch;die alte Ordnung wandelte sich; die frühere Sicht, durch die schier alles gesehen wurde, hat sich als falsch oder unzureichend erwiesen und das alte Denken kann sich nicht mehr angemessen artikulieren. Alles, was der Weise heute tun kann, ist, mit seiner Meinung zurückzuhalten, sich aber selbst dessen zu vergewissern, was ihn als Wahrheit anrührt, und sich dann zu bemühen, diesen speziellen Aspekt der Wahrheit zur Synthese zu bringen mit dem, was seine Brüder angenommen haben.

Vom Atom lässt [36] sich demnach sagen, dass es sich in Elektronen auflöst und in Kraft und Energiebegriffen ausgedrückt werden kann. Wenn man also ein Zentrum von Energie oder Aktivität vor sich hat, sieht man sich einem zweifachen Konzept gegenüber: einmal ist es das, was Bewegung oder Energie verursacht und dann, was diese mit Energie durchdringt oder antreibt. Das aber bringt uns unmittelbar in das Gebiet der Psychologie, weil Energie oder Kraft immer als eine Qualität anzusehen ist; und wo es sich um Qualität handelt, betritt man ja den Bereich psychischer Phänomene.

Immer wieder tauchen bei Charakterisierung von Substanz gewisse Begriffe auf, über die grösste Definitionsunterschiede bestehen. Beim Durchlesen eines wissenschaftlichen Buches fand ich neulich die entmutigende Behauptung des Autors, das chemische, das physikalische und das Atom des Mathematikers und Metaphysikers seien vier verschiedene Dinge! Auch aus diesem Grunde ist es unmöglich, bei diesen Fragen dogmatisch vorzugehen. Trotzdem - richtig oder falsch - kann ich Ihnen eine sehr bestimmte Hypothese anbieten. Mit dem Gespräch über Radium wagen wir uns aller Wahrscheinlichkeit nach in das Gebiet ätherischer Substanz, die Region des Äthers oder des Protyle. «Protyle» ist ein von Sir Walter Crookes geprägter Name, der von ihm wie folgt definiert wird:

«Protyle, analog [37] dem Wort Protoplasma, will die Idee der ursprünglichen Urmaterie ausdrücken, also die vor der Bildung der chemischen Elemente. Das Wort, das ich zu diesem Zweck zu gebrauchen gewagt habe, ist zusammengesetzt aus dem griechischen Wort «früher als» und «der Stoff», aus welchem die Dinge gemacht sind.»

Wir wollen deshalb den Begriff Materie dahin zurückgeben, wo ihn die östlichen Schulen immer gebraucht haben, nämlich als «uranfänglicher Äther»; wenn wir auch stets bedenken müssen, dass der Äther der Wissenschaft in weitem, weitem Abstand vom uranfänglichen Äther des orientalischen Okkultisten steht. Hier werden wir zurückverwiesen auf jenes unberührbare Etwas, das die Basis der berührbaren Dinge ist, welche Sie und ich sehen, anfassen und benützen können. Das Wort «Substanz» selber meint das, was «unten steht» oder, was hinter den Dingen liegt. Daher ist alles, was wir bisher in Zusammenhang mit dem Raumäther aussagen können, dass er das Medium ist, in dem Energie oder Kraft wirkt oder sich wahrnehmen lässt. Wenn wir in diesen Lektionen von Energie und Kraft, Materie und Substanz sprechen, können wir sie in unserem Denken folgendermassen auseinanderhalten: Sprechen wir über Energie und Substanz, dann betrachten wir das, was jetzt noch ungreifbar ist; und wir gebrauchen Kraft im Zusammenhang mit Materie, wenn wir jenen Aspekt des Objektiven behandeln den unsere Wissenschaftler ausschliesslich studieren. Substanz ist der Äther in einem seiner vielen Grade und auch das, was hinter der Materie selbst liegt.

Wenn wir [38] von Energie sprechen, muss es auch das geben, was Energie spendet, das, was die Quelle der Energie und der Ursprung jener Kraft ist, die sich in der Materie kundtut. Hierauf möchte ich den stärksten Nachdruck legen. Woher kommt diese Energie und was ist sie?

Die Wissenschaft erkennt immer klarer, dass Atome Eigenschaften besitzen. Es würde aber interessant sein, wenn sich einmal jemand die Mühe machte und die verschiedenen wissenschaftlichen Bücher, die sich mit dem Thema atomare Materie befassen, daraufhin durchstudieren und notieren würde, welche der vielen verschiedenen auf sie bezogenen Begriffe auch auf ein menschliches Wesen anzuwenden wären. In bescheidenem Umfang habe ich das versucht und fand es äusserst aufschlussreich.

Wir wissen, dass vom Atom vor allem ausgesagt wird, dass es Energie besitzt und die Kraft hat, von einer Art von Aktivität zu einer andern überzuwechseln. Ein recht angesehener Autor schreibt: «Durch jedes Atom in der Welt vibriert absolute Intelligenz». In diesem Zusammenhang möchte ich von einem Interview mit Edison berichten, das in «Harper's Magazin vom Februar 1890» und später in «The Scientific American vom Oktober 1920» veröffentlicht worden ist, und zwar in vollem Wortlaut; in der früheren Veröffentlichung wird er folgendermassen zitiert:

«Ich glaube nicht, dass Materie träge ist und durch eine von aussen kommende Kraft bewegt werden kann. Mir scheint, dass jedes Atom von einer gewissen Menge primitiver Intelligenz beherrscht [39] wird. Man betrachte nur die Tausende von Variationen, in denen Wasserstoffatome sich mit denen anderer Elemente verbinden und dabei die verschiedensten Substanzen formen. Können Sie behaupten, dass sie dies ohne Intelligenz tun? Atome gestalten sich zu harmonischer und nützlicher Verbindung, zu schönen oder interessanten Formen und Farben oder geben einen angenehmen Duft von sich, als ob sie ihre Genugtuung ausdrücken wollten... In gewissen Formen zusammengefügt, bilden die Atome Tiere der niederen Ordnung. Schliesslich vereinigen sie sich im Menschen, der die Gesamtintelligenz aller dieser Atome darstellt.»

«Aber wo kommt diese Intelligenz ursprünglich her?» fragte der Interviewer.

«Von einer Macht, die grösser ist als wir», antwortete Edison.

«Dann glauben Sie also an einen intelligenten Schöpfer, einen persönlichen Gott?»

«Gewiss. Die Existenz eines solchen Gottes kann meiner Meinung nach bereits aus der Chemie erwiesen werden.»

In dem langen Interview im «Scientific American» nannte Edison eine Reihe äusserst interessanter Vermutungen, von denen ich die folgenden herausgesucht habe:

1. «Leben, wie Materie, ist unzerstörbar.

2. Unsere Körper sind aus Myriaden unendlich kleiner Einheiten zusammengesetzt, von denen jede in sich eine Lebenseinheit ist; ebenso, wie das Atom aus zahllosen Elektronen besteht.

3. Der Mensch handelt mehr wie eine Zusammensetzung von etwas (assemblage) denn als eine Einheit; Körper und Geist drücken das Votum oder die Stimme der Lebenseinheiten aus.

4. Die Lebenseinheiten [40] bauen gemäss einem Plan. Wenn ein Teil des lebenden Organismus' verstümmelt wird, bauen sie genau wie vorher wieder auf...

5. Die Wissenschaft gibt zu, dass es schwierig ist, die Trennlinie zwischen Belebtem und Unbelebtem zu ziehen; vielleicht dehnen diese Einheiten ihre Aktivitäten sogar auf Kristalle und Chemikalien aus ...

6. Die Lebenseinheiten leben ewig (live for ever); so dass, mindestens bis hierher, das ewige Leben, das viele von uns erhoffen. eine Realität ist.»

In einem Vortrag, den Sir Clifford Allbut, der Präsident der britischen Medical Association, hielt, sprach er, wie der «Literary Digest» vom 26. Februar 1921 berichtete, über die Fähigkeit der Mikrobe, zu wählen oder zu verwerfen und sagte dazu:

«Wenn die Mikrobe sich im Körper ihres Wirtes befindet, kann sie sich entweder ganz in Disharmonie oder ganz in Harmonie mit bestimmten oder allen Zellen befinden, denen sie sich nähert, in keinem dieser Fälle würde wahrscheinlich etwas Krankheit stiftendes geschehen... Krankhaftes könnte zwischen dieser Mikrobe und Körperzellen entstehen, die sich zwar in ihrer Reichweite, aber nicht mit ihr in Harmonie befinden. Nun besteht Grund zu der Annahme, dass eine Mikrobe bei ihrer Annäherung an eine Körperzelle, die nur geringfügig von ihr entfernt ist, alles Mögliche versuchen wird, um sich an ihr festzusetzen. Wenn das geschieht, würde die zuerst unschädliche Mikrobe schädlich werden. So können andererseits Körperzellen sich selbst dazu erziehen, mit einer vorher dissonanten Mikrobe in Harmonie zu leben; oder es kann zu gegenseitigem Austausch und Anpassung kommen ...

Wenn das so ist, dann sehen wir uns mit einer wunderbaren und weitreichenden Fähigkeit konfrontiert, nämlich mit der Fähigkeit zur Wahl; und dies in aufsteigender Linie vom tiefsten Grund der Biologie bis hinauf zum Gipfel - eine formative Fähigkeit, eine - «Auto-Determination» oder, wenn Sie so wollen, «Denkfähigkeit».

Im Jahre 1895 hielt Sir. W. Crookes, einer [41] unserer grössten Gelehrten, eine interessante Vorlesung vor einem Chemikergremium in Grossbritannien, in der er sich mit der Fähigkeit des Atoms auseinandersetzte, sich den eigenen Weg zu wählen, zu verwerfen oder anzunehmen; und er wies nach, dass natürliche Selektion in allen Lebensformen verfolgt werden kann, vom damals letzten Atom ausgehend durch alle Seinsformen.

In einem anderen Artikel wird das Atom, noch weitergehend, als zur Empfindung fähig angesehen:

«Der kürzlich entstandene Streit, die Natur des Atoms betreffend - das wir in dieser oder anderer Form als letzten Faktor in allen physischen oder chemischen Prozessen ansehen müssen - scheint sich auf höchst einfache Weise lösen zu lassen, nämlich durch die Annahme, dass diese unendlich winzigen Massen - als Zentren von Kraft - eine bleibende Seele besitzen, und dass jedes Atom Empfindung und Bewegungskraft hat.»

Auch Tyndall führte in ähnlicher Weise aus, dass die eigentlichen Atome selbst «mit dem Wunsch zum Leben ausgestattet» zu sein scheinen.

Nimmt man diese unterschiedlichen Qualitäten des Atoms - Energie, Intelligenz, Fähigkeit zu wählen und abzuweisen, anzuziehen und zurückzustossen, Empfindung, Bewegung und Wunsch - zur Kenntnis, dann hat man etwas, was der Psychologie eines Menschenwesens auffallend ähnlich sieht, freilich in begrenztem Umfang und [42] in sehr definiertem Grad. Sind wir nicht inzwischen auf das zurückgekommen, was wir als die «Psyche des Atoms» bezeichneten? Wir haben gefunden, dass das Atom eine lebende Einheit, eine kleine vibrierende Welt ist, und dass innerhalb seiner Sphäre oder seines Einflusses andere kleine Leben zu finden sind. Und dies durchaus in dem Sinne, in dem jeder von uns eine Entität oder ein positiver Nucleus voll Kraft und Leben ist, der andere, geringere Leben in seiner Einflusssphäre hält - die Zellen unseres Körpers. Was von uns gesagt werden kann, kann, im Gradunterschied, auch vom Atom gesagt werden.

Lassen Sie uns diese Idee ein bisschen weiterspannen und damit an das rühren, was die fundamentale Ursache der Weltprobleme sein und möglicherweise ihre Lösung enthalten kann. Diese Idee vom Atom als einer positiven Energiedemonstration, das in seiner aktiven Reichweite sein polares Gegenstück hält, kann nicht nur auf jede Art von Atom, sondern auch auf ein menschliches Wesen angewandt werden. Wir können jede Einheit der menschlichen Familie als menschliches Atom betrachten, denn im Menschen ist das Atom lediglich grösser. Er ist ein Zentrum positiver Kraft, das die Zellen seines Körpers innerhalb der Peripherie seiner Einflusssphäre hält; er besitzt Unterscheidungskraft, Intelligenz und Energie. Es ist einzig ein Gradunterschied. Er besitzt ein ausgedehnteres Bewusstsein und vibriert in stärkerem Mass als das kleine Atom des Chemikers.

Die Idee lässt [43] sich noch weiterverfolgen und einen Planeten als Atom betrachten. Vielleicht gibt es ein Leben innerhalb des Planeten, welches die Substanz der Sphäre und alle auf ihm befindlichen Lebensformen als zusammenhängendes Ganzes festhält und das eine spezifische Einflussausdehnung hat. Das mag wie wilde Spekulation klingen, doch von der Analogie her könnte es auch innerhalb der planetarischen Sphäre eine Wesenheit geben, Deren Bewusstheit so weit über der des Menschen liegt wie das Menschenbewusstsein über dem des chemischen Atoms.

Und trägt man den Gedanken noch weiter, so weit, dass er das Atom des Sonnensystems einschliesst, dann haben wir dort, im Herzen des Sonnensystems - der Sonne - das positive Zentrum der Energie, das die Planeten in seiner Einflusssphäre hält. Haben wir nun aber im Atom Intelligenz, im menschlichen Wesen Intelligenz, und haben wir im Planeten eine Intelligenz, welche alle seine Funktionen kontrolliert, sollte es dann nicht logisch sein, noch weiterzugehen und eine grössere Intelligenz hinter jenem noch grösseren Atom, dem Sonnensystem, zu vermuten?

Dies führt uns letztlich zu dem Standpunkt, den die religiöse Welt von jeher vertreten hat, dass ein Gott oder göttliches Wesen existiert. Wo der orthodoxe Christ ehrfürchtig Gott sagen würde, würde der Wissenschaftler mit gleicher Ehrfurcht Ur-Energie sagen, und doch würden beide das gleiche meinen. Wo der idealistische Lehrer vom «immanenten Gott» in der menschlichen Form sprechen würde, würden andere mit gleicher Genauigkeit von der «Energie erzeugenden Fähigkeit» des Menschen reden, die ihn zu physischer, emotionaler und mentaler Aktivität drängt. Überall sind Kraftzentren vorhanden, und die Idee könnte von einem Kraftzentrum, wie dem chemischen Atom, durch die vielen verschiedenen Abstufungen und Gruppen solcher Energiezentren weiterverfolgt und erweitert werden bis hinauf zum Menschen und von da zu einem Leben, das sich durch das System manifestiert.

Somit wäre [44] dann ein wunderbares, synthetisch gefügtes Ganzes anschaulich gemacht. Der heilige Paulus mag an etwas ähnliches gedacht haben, als er von dem Himmlischen Menschen sprach. Mit dem «Körper Christi» meint er sicherlich alle jene Lebenseinheiten der Menschheitsfamilie, die in Seinem Einflussbereich gehalten werden und im Begriff sind, Seinen Körper zu bilden, genauso, wie das Aggregat der physischen Zellen den menschlichen Körper bildet. Was in unseren Tagen religiöser Umwälzungen nottut, ist die Darlegung dieser fundamentalen Wahrheiten des Christentums als wissenschaftlich erwiesene Wahrheit. Wir müssen die Religion verwissenschaftlichen.

Es gibt eine bemerkenswerte, viele tausend Jahre alte Sanskritaufzeichnung, die ich hier anzuführen wage. Sie lautet:

«Jegliche Form auf Erden und jedes Fleckchen im Raum (Atom) strebt mit allen Kräften nach Selbstformung gemäss dem Vorbild, das mit dem Himmlischen Menschen vorgegeben ist. Die Involution und die Evolution ... haben ein und dasselbe Ziel: den Menschen.»

Merken Sie, welch [45] ungeheure Hoffnung dieses Konzept vor uns eröffnet? Nicht ein einziges Atom der Materie, das latent Intelligenz, Unterscheidungsvermögen und selektive Kraft besitzt, das nicht im Verlauf von Äonen jenes fortgeschrittene Bewusstsein erreichen wird, das wir das menschliche nennen. Gewiss kann dann vom menschlichen Atom gleichermassen angenommen werden, dass es zu einer noch weit ausgedehnteren Bewusstheit gelangen und schliesslich das Entwicklungsstadium jener grossen Wesenheiten erreichen wird, deren Körper planetarische Atome sind; und dasselbe gilt auch für sie. Aber was kommt dann? Das Erreichen jenes allumfassenden Bewusstseinszustandes, den wir Gott oder den Sonnenlogos nennen. Ganz sicher ist diese Lehre logisch und brauchbar. Die alten okkulten Weisungen, die dem Menschen sagten, «Erkenne dich selbst, denn in dir ist alles zu finden, was gewusst werden kann», sind für den mit Weisheit Lernenden noch immer die Regel. Würde jeder von uns sich selbst im wissenschaftlichen Sinne als Kraftzentrum betrachten, da wir ja die Materie unseres Körpers tatsächlich innerhalb unseres Kontrollbereichs halten und dadurch mit und in ihm wirken, hätten wir eine Hypothese, mittels derer das ganze kosmische Planschema interpretierbar wäre. Wenn, wie Einstein andeutet, unser ganzes Sonnensystem nur eine Sphäre ist, gibt das der Schlussfolgerung, es könnte seinerseits auch nur ein kosmisches Atom sein, einen interessanten Anstrich; auf diese Weise hätten wir einen Platz innerhalb eines noch grösseren Systems und ein Zentrum, um das unser System kreist und in dem es das Elektron zum Atom darstellte. Die Astronomen sagen uns, unser ganzes System kreise wahrscheinlich um einen zentralen Punkt im Universum.

So kann also [46] der Grundgedanke, den ich herauszuarbeiten suchte, überall nachgewiesen werden, den ganzen Weg vom Atom des Chemikers und Physikers, über den Menschen, über das energiespendende Leben eines Planeten, bis hinauf zum Logos, der Gottheit unseres Sonnensystems, der Intelligenz oder dem Leben, das aller Manifestation, oder der Natur, zugrundeliegt und weiter bis zu einem noch grösseren Planschema, in dem selbst unser Gott Seine Rolle zu spielen und Seinen Platz zu finden hätte. Es ist ein wunderbares Bild, wenn es stimmt.

Ich kann mich heute Abend nicht mit den verschiedenen Entwicklungen dieser alle Atome beseelenden Intelligenz beschäftigen, möchte aber gern einen Augenblick darauf verwenden, was wohl die «Methode» ihrer Evolution sein mag, und zwar vom menschlichen Standpunkt aus (der uns ja ganz besonders angeht) immer dabei bedenkend, dass das, was für jedes einzelne Atom gilt, in grösserem oder kleinerem Mass für alle gelten müsste.

Bei genereller Betrachtung der Atome des Sonnensystems, einschliesslich seiner selbst, machen sich zwei Dinge bemerkbar: einmal die intensive Lebendigkeit und Aktivität des Atoms selbst und seine innere atomare Energie; und zweitens sein Wechselwirken mit anderen Atomen, das Abstossen einiger und Anziehen anderer. Vielleicht könnten wir daraus schliessen, dass die evolutive Entwicklungsmethode für jedes Atom auf zwei Ursachen zurückzuführen ist: das innere Leben des Atoms selbst und seine Wechselwirkung oder seinen Interkurs mit anderen Atomen. Diese beiden Stadien [47] sind in der Evolution des menschlichen Atoms augenscheinlich. Das erste wurde von Christus deutlich hervorgehoben, als Er sagte «Das Reich Gottes ist in euch», womit Er alle menschlichen Atome auf das ihnen selbst innewohnende Zentrum von Leben und Energie verwies und sie lehrte, dass sie von diesem Zentrum aus und durch dieses Zentrum sich ausdehnen und wachsen müssten. Jeder von uns ist sich bewusst, dass er in sich selbst sein Mittelpunkt ist; er sieht alles vom eigenen Standpunkt aus, und die äusseren Ereignisse sind zumeist nur soweit interessant, als sie ihn selbst angehen. Wir befassen uns mit den Dingen, wenn sie uns persönlich betreffen und alles was anderen zustösst ist uns, in einem bestimmten Stadium unserer Evolution, nur insoweit wichtig, als es uns selbst angeht. Das ist die gegenwärtige Stufe Vieler und charakteristisch für die Mehrheit; es ist die Periode eines intensiven Individualismus und diejenige, in der das «Ich»- Konzept an erster Stelle steht. Es beinhaltet viel innere Aktivität.

Der zweite Weg, auf dem das menschliche Atom wachsen kann ist sein Wechselwirken mit allen anderen Atomen. Dieser Weg beginnt jetzt der menschlichen Intelligenz zu dämmern und die ihm zukommende Bedeutung zu gewinnen. Wir fangen gerade an, die relative Bedeutung von Wettbewerb und Kooperation zu realisieren, sind im Begriff zu erkennen, dass wir nicht egoistisch und abgesondert von der Gruppe, zu der wir gehören, leben können; und zu lernen, wenn unser Bruder behindert wird und in irgendeiner Weise nicht vorwärtskommen kann, und wenn daher die anderen menschlichen Atome nicht so vibrieren, wie sie es sollten, dass dann jedes Atom in der «Korporative» davon betroffen wird. So wird auch keiner von uns vollendet werden, bis nicht alle anderen Einheiten ihre volle, höchste Vollendung erreicht haben.

Ich werde mich [48] nächste Woche etwas ausführlicher damit beschäftigen, wenn ich die Frage der Formbildung aufgreife. Um diese Lektion heute zum Abschluss zu bringen, will ich nur noch versuchen, Ihnen ein Verständnis für den Platz zum Bewusstsein zu bringen, den wir im grossen Planschema einnehmen, damit Sie verstehen, wie unerhört wichtig das Wechselwirken zwischen allen Atomen ist. Ich möchte die Notwendigkeit unterstreichen, dass jeder von uns seinen eigenen Platz in derjenigen Gruppe finden muss, zu der er von Natur aus gehört (in der wir die Elektronen für die positive Ladung sind), um dann ruhig mit unserer Arbeit innerhalb jenes grösseren Atoms, der Gruppe, fortzufahren.

Das macht die gesamte Hypothese nicht bloss zu einem verrückten Traum, sondern zu einem praktischen, nützlichen Ideal. Wenn es wahr ist, dass beispielsweise alle Zellen unseres Körpers die Elektronen sind, die wir kohärent zusammenhalten, und wenn wir der energiespendende Faktor in der materiellen Form sind, dann ist es von erstrangiger Bedeutung, dass wir diese Tatsache anerkennen und mit diesen Formen und ihren Atomen richtig und wissenschaftlich bewusst umgehen. Das beinhaltet die praktische Pflege des physischen Körpers und weise Anpassung all unserer Energie an die zu leistende Arbeit und das Ziel, das wir verfolgen; es erfordert die einsichtsvolle Nutzung jenes Aggregats von Zellen, das für uns Instrument oder Werkzeug und Manifestationssphäre ist. Von all dem wissen wir bis jetzt noch wenig. Wenn aber einmal der Gedanke weiterentwickelt und das menschliche Wesen als ein Kraftzentrum erkannt ist, wird sich das Verhältnis der Menschen zu ihrer Arbeit und ihrer ganzen Lebensweise von Grund auf ändern. Die Ansichten der Medizin werden sich zum Beispiel verändern und man wird die richtigen Methoden zur Anwendung der Energie studieren. Krankheit aus Unwissenheit wird es nicht mehr geben und die Methoden der Übertragung von Kraft werden studiert und befolgt werden. Wir werden dann wahrhaft intelligente Atome sein - etwas, das wir bis jetzt - nicht sind.

Ausserdem werden [49] wir nicht nur unseren materiellen Körper sachgemässer behandeln, weil wir seine Konstitution besser verstehen werden, sondern auch bewusst unseren Platz innerhalb der Gruppe finden und unsere Energie zum Wohl der Gruppe einsetzen und nicht, wie bisher, zur Förderung unserer persönlichen Zwecke. Viele Atome haben nicht nur ein eigenes inneres Leben, sondern sie strahlen auch, und je mehr die Radioaktivität allmählich verstanden wird, wird man auch beginnen, den Menschen als ein Zentrum aktiver Strahlung zu studieren. Wir stehen an der Schwelle wunderbarer Entdeckungen: wir nähern uns einer beispiellosen Synthese des Weltdenkens, denn wir gehen auf die Epoche zu, wo Wissenschaft und Religion sich gegenseitig unterstützen werden und die Philosophie hierzu ihren Beitrag zum Wahrheitsverständnis leisten wird.

Der Gebrauch [50] der Imagination wird eine herrliche Vision erschliessen; und wenn sich diese Imagination auf Wesentliches gründet und von einer logischen Hypothese ausgeht, wird sie uns vielleicht zur Lösung der Geheimnisse und Probleme führen, welche die Welt heute noch ängstigen. Wenn Dinge uns noch mysteriös und unerklärlich scheinen, könnte das nicht wegen jener grossen Wesenheit so sein, Die sich durch unseren Planeten manifestiert und eine ganz bestimmte Absicht und einen Plan verfolgt, genauso, wie Sie und ich dies in unserem Leben tun? Wie oft bringen wir unser körperliches Vehikel in Situationen und Schwierigkeiten, die sowohl schmerzhaft als auch betrüblich sind. Vorausgesetzt unsere Arbeitshypothese stimmt, kann man logischerweise unterstellen, dass die grosse Intelligenz unseres Planeten in ähnlicher Weise ihren grossen Manifestationskörper (der die Menschenfamilie umfasst) in Situationen bringen könnte, die für die Atome recht betrüblich wären. Ganz gewiss aber ist es logisch, zu vermuten, dass das Geheimnis all dessen, was wir um uns sehen, im Willen und in der intelligenten Absicht jenes grossen Lebens verborgen ist, das durch unseren Planeten wirkt, genau wie der Mensch durch das Medium seines physischen Körpers, und wäre dennoch Selbst nur ein Atom innerhalb einer viel grösseren Sphäre, welche dem Sonnenlogos innewohnt, jener Intelligenz, Welche die Gesamtsumme aller geringeren Leben ist.