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4. Krankheiten und Probleme der Jünger und Mystiker - Teil 4

1. Jene Schwierigkeiten, die [583] durch vorzeitiges Erwecken der Zentren entstehen. In diesen Fällen hat der psychisch veranlagte Mensch keinerlei Kontrolle über seine psychischen Kräfte. Er weiss nur so viel, dass er Dinge sieht und hört, die der gewöhnliche Mensch nicht sehen und hören kann. Sein Problem liegt darin, dass er bewusst und gleichzeitig in zwei Welten, auf der physischen und astralen Ebene, leben soll. Er kann sein Hellsehen und Hellhören nicht abstellen und deshalb wird sein Leben so verworren und kompliziert. Wenn dieses vorzeitige Erwecken bei einem intelligenten Menschen erfolgt, bringt es häufig grosse Nöte mit sich, nervöse Spannung und Gehirnstörungen; und stets wird der Betreffende von seiner Umgebung missverstanden. Oft treibt er ganz deutlich dem Wahnsinn zu. Im Fall eines unintelligenten Durchschnittsmenschen verlagert sich der Lebens-Akzent meistens zur Astralebene hin, weg von der äusseren Welt, auf welcher der Mensch doch alle seine Kräfte und Fähigkeiten zum Ausdruck bringen soll. Der psychisch eingestellte Mensch lebt dann ausschliesslich in der trügerischen Welt der niederen astralen Phänomene. Was er sieht und berichtet, ist wahr und richtig, aber er vermag es nicht zu erklären. Was er sieht und hört, ist selten von hoher Art, denn er besitzt ja selber keine hohe Denkensart oder Autorität.

2. Jene Schwierigkeiten, die daraus entstehen, dass zwischen dem physischen und ätherischen Körper nur eine lockere Verbindung besteht. Daraus entwickeln sich die verschiedenen medialen Stadien wie: Beherrschtwerden von Wesenheiten verschiedener Art, Trancezustände und viele Arten von zeitweiliger oder ständiger Besessenheit.

In dieser Aufzählung sind nicht jene Medien enthalten, die Materialisations-Phänomene hervorbringen, da ihr Wirken von ganz anderer Art ist. Obwohl diese Tätigkeit für die Persönlichkeit eines solchen Mediums nicht so gefährlich ist, ist sie vielleicht noch weit weniger erwünscht. Das Medium ist (als ein astral-mental-seelisches Individuum) so völlig von seinem physischen Körper getrennt, dass dieser Herr seiner [584] eigenen materiellen Sphäre wird und durch die vielen Öffnungen im Ätherkörper die Grundstoffe, aus denen gewisse niedere Formen bestehen, absorbieren kann. Das Medium vermag die primitive Substanz von niederer Qualität an sich zu ziehen und durch den Gedanken eines oder mehrerer Sitzungsteilnehmer in eine Form zu bringen, was auch oft geschieht. Das nennt man eine Materialisations-Séance. Das Medium steht unterbewusst mit der spiritistischen Gruppe in Rapport. Es handelt sich nicht um einen telepathischen Rapport, sondern um eine psychische Verbindung mit dem Sonnengeflecht. Dieses Thema ist zu schwer verständlich, als dass ich hier auf Einzelheiten eingehen könnte. Diese Art von Mediumschaft muss mit fortschreitender Höherentwicklung der Menschheit unweigerlich verschwinden.

3. Jene Schwierigkeiten, die einem medial veranlagten Menschen aus seiner überstarken Empfänglichkeit für Eindrücke, Situationen und Umwelteinflüsse erwachsen. Diese Sensitivität ist noch ziemlich primitiv und schwer zu definieren, ähnelt aber dem allgemeinen Tastsinn. Im menschlichen Körper gibt es keine Region, die bei einer bestimmten Art von Berührtwerden nicht reagieren würde. Daher verspürt der sensitive Mensch psychische Bewusstheit in einer mehr generellen Art, und weniger als ganz bestimmte oder definierbare Kräfte. Die folgende Zusammenstellung soll dies klar machen:

Physisch           Psychisch             Höhere Parallele

a) Gehör          Hellhören           Dies führt gegebenenfalls zu mentaler Telepathie und schliesslich zu spirituellem Wissen.

b) Gesicht        Hellsehen           Dies führt gegebenenfalls zu spiritueller Vision und schliesslich zu spirituellem Einswerden.

c) Tastsinn       Sensitivität         Dies führt gegebenenfalls zu spiritueller Aspiration und schliesslich zur Beeindruckbarkeit für spirituelle Eindrücke.

Ich möchte hier erwähnen, dass die mystische Entfaltung und Aspiration die Mittel und Wege sind, um vom obersten Aspekt atlantischen Bewusstseins - das an sich astraler Natur ist - loszukommen oder freizuwerden. Okkultismus und Wissenschaft sind [585] die Mittel und Wege, um vom höchsten Aspekt konkreten Denkens und vom arischen Bewusstsein, das mentaler Natur ist, loszukommen. Sensitive Empfänglichkeit oder psychischer Tastsinn ist ätherischer Natur, äussert sich nur allgemein oder unbestimmt, und muss schliesslich jener spirituellen Beeindruckbarkeit Platz machen, die einen Menschen wie Christus befähigt, einfach zu «wissen», was in seinem Mitbruder vorgeht und sich sowohl des eigenen als auch des Zustandes in allen Lebensformen bewusst zu werden. Es ist der erste Schritt zu jenem universalen spirituellen Schlüssel oder Prinzip, dessen niedrigste Ausdrucksform Psychometrie ist.

In den obigen Darlegungen und Differenzierungen liegt viel Stoff für weitere gedankliche Verarbeitung; ich habe eine Folge von Entfaltungsmöglichkeiten angedeutet, die sowohl für einen Einzelmenschen wie für eine Rasse und die ganze Welt gelten.

Wenn wir diese Ideen erweitern und uns fragen, was sie für gewisse Planeten bedeuten (was interessant, aber für den Leser wahrscheinlich ganz nutzlos ist), so würde ich noch folgendes hinzufügen:

1. Tastsinn   -   ist das Leitmotiv der Entwicklung, die zurzeit auf der Venus im Gang ist. Es ist Empfänglichkeit für geistige Eindrücke.

2. Gehör   -   ist das Grundprinzip der Entwicklung, die derzeit auf dem Mars vor sich geht. Es ist spirituelle Telepathie und spirituelles Wissen.

3. Sehen    -   ist der Grundton der evolutionären Entfaltung, die jetzt auf der Erde vor sich geht. Es ist spirituelle Vision, die zum Einswerden führt.

Wir wollen nun erwägen, wie der Missbrauch der niederen psychischen Kräfte vorübergehend so lange aufgehalten werden kann, bis der Eingeweihte diese Kräfte voll bewusst und sie völlig beherrschend zu benützen trachtet.

Die grösste Schwierigkeit für einen Menschen, der von Natur aus astro-medial ist und für denjenigen, der als Medium geboren wurde, ist seine Unfähigkeit, die erlebten Phänomene klug und scharfsinnig zu überwachen und zu prüfen. Es wird als höchst unerwünscht erachtet, wenn jemand seine physischen Kräfte nicht im Zaum halten kann. In die gleiche Kategorie sollte mangelnde psychische Kontrolle verwiesen werden. Ein Medium befindet sich entweder im [586] Trancezustand oder seine psychischen Kräfte werden durch die Stimulierung, die von den Sitzungsteilnehmern oder einer grossen Zuhörerschaft ausgeht, in Aktion gebracht. In anderen Fällen lebt ein Medium dauernd an der Bewusstseinsgrenze zwischen der physischen und psychischen (oder astralen) Ebene. Wie kann dem abgeholfen werden, vorausgesetzt, dass dem Medium eine solche Änderung erwünscht ist, was gewiss selten der Fall ist. Es gibt nur drei Möglichkeiten:

1. Der Mensch mit einer medialen Veranlagung muss aufhören, an der Schaustellung dieser Kräfte Interesse zu haben; er muss sich weigern, von ihnen weiteren Gebrauch zu machen. Das bringt sie allmählich zum Absterben. Das Solarplexus-Zentrum schliesst sich dann langsam ab und infolgedessen schliesst sich auch das offene Tor zu den niederen Bereichen der Astralebene. Dadurch stirbt jene Region des inneren Mechanismus ab, die diese Kräfte zur Verwendung bereitgestellt hat.

2. Der zweite Weg besteht darin, sein Augenmerk auf das mystische Leben zu richten und intensiv nach den geistigen Wirklichkeiten zu streben. Dies verschafft neues Interesse, das schliesslich so stark wird, dass es den alten Hang kraftvoll austreibt. Auf diese Weise verschiebt sich der Akzent des Lebens aus den unteren Bereichen der Astralebene in die oberen. Das setzt natürlich voraus, dass der psychisch Veranlagte von sich aus nach geistiger Einstellung strebt.

3. Drittens: der Verstand muss systematisch geschult und die Denkkräfte müssen entwickelt werden. Wenn dies beharrlich und genügend lange geschieht, wird die Anwendung der niederen Kräfte automatisch unmöglich gemacht, da der Energiestrom die Richtung zu den Zentren oberhalb des Zwerchfells einschlägt. In psychischen Zirkeln weiss man sehr gut, dass Geistesschulung den psycho-astralen Zyklus beendet.

Es gibt drei uralte Vorschriften, die - in der letzten Periode des atlantischen Zyklus - von den Adepten jener Zeit ihren Jüngern gegeben wurden. Man muss dabei berücksichtigen, dass in jener Zeit [587] das Problem der Hierarchie darin bestand, die psychische Vorherrschaft die damals normal war, vorübergehend zu beenden und den Kräftestrom in den oberen Teil des Körpers zu lenken. Diese drei Regeln können mit den drei eben erwähnten Methoden in gedanklichen Zusammenhang gebracht werden.

I. Vermeide die Abgründe der Hölle, oh Chela. Verlasse eilends die unteren Gefilde und suche die oberen Regionen der Scheinebene zu erreichen. Steige herauf. Wähle als deine guten Gefährten jene aus, die ein Leben mühsamer Arbeit auf Erden führen. Mach' dich auf den Weg. Steige herab und lebe ein normales Erdenleben. Geh'!

II. Erhebe deine Augen, oh Chela, reinige dein Herz und erschaue die Vision deiner Seele. Blicke nach oben, nicht nach unten, blicke nach innen, nicht nach aussen. Lebe in Freiheit und eile dem höheren Ziel zu. Mach' dich auf und suche den fernen geheimen Ort, wo die Seele wohnt.

III. Dem Gedanken folgt Energie, so kündet die uralte Regel. Denke, Chela, denke und lass' die Reiche hinter dir, wo kein Gedanke herrscht und wo kein Licht gesehen werden kann, das Aufschluss gibt, wo nur selbsterzeugtes Licht scheint und daher irreführt. Daher denke!

Diese Vorschriften klingen so einfach und so vertraut, doch sie zu befolgen ist unendlich schwer, ganz besonders, wenn es sich um einen Durchschnittsmenschen mit astraler Veranlagung handelt. Zwei Gründe gibt es hierfür: erstens wünscht dieser Typ gar nicht die Macht zu verlieren, die ihm der Gebrauch der niederen Kräfte verschafft, und zweitens ist seine mentale Aufnahmefähigkeit in der Regel so unentwickelt, dass die Bemühung, sein Bewusstsein auf ein höheres Niveau zu bringen, sich als eine zu schwierige Aufgabe herausstellt. Doch wenn der Wille aktiv ist und der Betreffende genügend erkennt, wie gefährlich es ist, wenn er auch weiterhin sich auf den untersten Astralebenen betätigt, dann wird er mit der Zeit auch die notwendigen Anstrengungen machen.

Die hier [588] gegebenen Vorschriften sind für jenen astro-medialen Menschen bestimmt, der genügend Willen aufbringt und genug Verstand besitzt, um seine Einstellung und seine Arbeitsweise zu ändern. Was geschieht aber mit einem Menschen, der sich in die gefährlichen Gefilde des niederen Psychismus treiben liess, wenn er in seinem Bewusstsein ein Arier und kein Atlantier ist? Was kann er tun, wenn sein Sonnengeflecht überaktiv ist und das Tor zur Astralebene weit offen steht? Dieser Typ versucht, das Tor zu schliessen und sich als Normalmensch zu betätigen. Er misstraut seinen medialen Seh- und Hörfähigkeiten und fürchtet sich davor. Es gibt keine spezifische oder einzige Regel, wie der Betreffende sich verhalten soll, da vieles von der bewirkenden Ursache abhängt. Dennoch will ich verschiedene Vorschläge und Richtlinien geben, wie er sich verhalten soll, um seine innere Situation zu verbessern.

1. Wenn das Tor zur Astralebene auf Grund gewisser Atemübungen und Körperstellungen oder durch sonstige Methoden geöffnet wurde, die von unwissenden Lehrern heute anempfohlen werden, so möchte ich die folgenden einleitenden und notwendigen Massnahmen vorschlagen:

a) Dieser Mensch soll alle solchen Übungen und Körperstellungen aufgeben und jeglichen Kontakt mit seinem Lehrer vermeiden. Dies ist der erste und notwendige Schritt.

b) Er soll ein Leben voller physischer Arbeit führen, das ihm keine Zeit für ein introspektives (nach innen gerichtetes) Dasein lässt. Ist er auf materielle Dinge eingestellt, so soll er ruhig seinen kaufmännischen, geschäftlichen oder sozialen Verpflichtungen nachkommen und sein ganzes Interesse auf äussere Tätigkeiten richten; er soll die übernommenen Verantwortlichkeiten mit aller zur Verfügung stehenden Energie erfüllen und sich selbst keine Möglichkeit geben, alten Gedanken nachzuhängen.

c) Er soll seine Gedanken auf irdische Dinge richten, bis einmal die Zeit kommt, da ihn die Evolution in das Stadium mentaler Konzentration und geistiger Einstellung führt. Vorher aber muss erst das Tor zur niederen Welt geschlossen sein. Er soll daher seine Gefühlsregungen beherrschen lernen, denn jede Gefühlsbewegung lässt das Tor halb offen stehen und begünstigt astrale Erlebnisse.

d) Er sollte die alte Regel befolgen, die da sagt: «Lerne mit [589] dem Rückgrat und dem Kopf tätig zu sein und zu denken, und nicht mit der Vorderseite des Körpers.» Das will besagen, dass der Durchschnittsmensch mit psychischer Veranlagung annimmt, das Solarplexus- und das Kehlzentrum (die beiden einzigen Zentren, über die er etwas weiss) lägen vorn in der Mitte des Rumpfes bzw. vor dem Kehlkopf. Diese Vorstellung leitet die Energie entlang der Wirbelsäule auf dem für die Involution vorgesehenen Weg abwärts, anstatt aufwärts, in der evolutionären Richtung. Das ist von wesentlicher Bedeutung.

2. Sollte das Tor zur Astralebene ganz natürlicherweise deshalb offen stehen, weil der Betreffende in früheren Inkarnationen medial aktiv war und weil sich der Kräftestrom normalerweise im Solarplexus sammelt, dann ist das Problem viel schwieriger. In diesem Fall ist folgendes notwendig:

a) Der Betreffende muss die Konstitution des menschlichen Ätherkörpers einigermassen verstehen lernen. Der arische Mensch mit einer psychischen Veranlagung muss über die Natur der Kraftzentren aufgeklärt werden, damit er auf einer vernünftigen Grundlage aufbauen und weiterarbeiten kann. Er muss sich angestrengt bemühen, einen gesunden Körper zu haben.

b) Man muss ihm höhere Ziele aufzeigen und die Notwendigkeit betonen, sein Leben mit Dienstleistungen auszufüllen. Ich möchte daran erinnern, dass werktätiger Dienst eine wissenschaftliche Methode ist, durch welche die Kräfte, die den Solarplexus erwecken, stimulieren und beherrschen, zum Herzzentrum gelenkt werden. Infolgedessen schliesst sich das Tor zur Astralwelt, und der psychisch Veranlagte kann seine Interessen dezentralisieren und auf andere Dinge richten. Diese Dezentralisierung ist technisch erfüllt, wenn das Sonnengeflecht nicht mehr der vorherrschende Faktor ist und wenn sich die Gedanken und Interessen des Menschen geändert haben.

c) Ein weiterer praktischer Ratschlag mag hier gegeben werden: Wenn ein psychisch veranlagter Mensch im Entwicklungsstadium eines Ariers und nicht mehr eines Atlantiers [590] ist, dann kann ihm die häufige Verwendung der gelben Farbe von Nutzen sein. Er sollte sich mit dieser Farbe umgeben, denn sie leistet insofern gute Dienste, als sie einerseits die einströmenden Energien im Kopf festhält, andererseits verhindert, dass diese nicht tiefer als bis zum Zwerchfell herabfliessen. Dadurch wird dem Solarplexus der ständige Energiezustrom entzogen und dem medial veranlagten Menschen sehr geholfen, von der Astralebene loszukommen. Ich möchte hier bemerken, dass ein astro-medialer Mensch mit atlantischem Bewusstsein (und diese Menschen bilden die grosse Mehrheit) für seine Person eine ganz normale Erscheinung ist, wenn er solche Fähigkeiten zur Schau stellt - obwohl dies an sich ein Rückschritt ist -, aber wenn ein Mensch mit arischem Bewusstsein solche Kräfte spielen lässt, dann ist das eine Abnormität.

3. Wenn ernstliche Gefahr besteht, wenn also starke nervöse Spannungen oder ausserordentliche Schwäche auftreten, dann muss man den Betreffenden äusserst sorgfältig behandeln. Findet ein heftiger Kampf gegen die mediale Betätigung statt oder kommt es zu einem Nervenzusammenbruch und zum Verlust der mentalen Herrschaft und Kontrolle, dann ist es angezeigt, dem Patienten in Abständen längere Bettruhe aufzunötigen, ihm leichte Kost zu reichen und ihn von allen Kontakten fernzuhalten. Es mag zeitweise sogar notwendig werden, ihn in Gewahrsam zu nehmen. Viele solche Fälle, in denen Menschen hart um ihr geistiges Gleichgewicht kämpfen und versuchen, das Tor zur Astralwelt zu schliessen, werden als geistesgestört angesehen oder als Grenzfall diagnostiziert. Ihre missliche Lage wird noch dadurch schlimmer, dass es ihren Freunden und den konsultierenden Ärzten und Psychiatern an Verständnis mangelt. Die Störungen sind indessen nicht mentaler Art, sondern hängen ausschliesslich mit dem Solarplexus zusammen. Nur wenn dies klar erkannt ist, können diese problematischen Fälle richtig behandelt werden. Es dürfte heute wohl kaum ein Psychotherapeut zu finden sein, der gewillt wäre, den hier geschilderten ursächlichen Hintergrund anzuerkennen.

Wenn ein fortgeschrittener Mystiker, ein Jünger oder [591] okkulter Student in psychische Schwierigkeiten gerät, dann muss man in diesem Fall in rein wissenschaftlicher Art und Weise vorgehen, denn das Übel sitzt viel tiefer, weil ja das Denkvermögen mitbeteiligt ist. Man muss hier versuchen, auf die Zentren entlang und aufwärts der Wirbelsäule und im Kopf einzuwirken, doch muss diese Beeinflussung unter sorgfältiger Überwachung erfolgen. Ich kann hier nicht die Übungen angeben, die dazu führen -

1. die verschiedenen Zentren zu schliessen,

2. die höheren Zentren zu öffnen,

3. Kräfte von einem Zentrum in ein anderes zu überführen.

Diese Abhandlung ist in erster Linie für die Allgemeinheit bestimmt und wird während der nächsten Generation viel gelesen werden. Würde ich hier die Übungen bekannt geben, so könnten meine Leser damit herumexperimentieren mit dem Ergebnis, dass sie sich selbst schweren Schaden zufügen würden.

Die Wissenschaft des Atems, identisch mit Laya-Yoga, der Wissenschaft der Zentren, ist von allergrösster Bedeutung, birgt aber gleichzeitig ernste Gefahren in sich. Letzten Endes ist es eine Wissenschaft der Energien, welche die Methode lehrt, wie Energien beherrscht, gelenkt und für Bewusstseinsausdehnung nutzbar gemacht werden können, wie durch sie rechte Beziehungen zwischen dem Menschen und seiner Umgebung zustande kommen und wie (vor allem von denen, die mit der Grossen Weissen Loge in Verbindung stehen) weissmagische Dienste geleistet werden können. Diese Prana-Energie wirkt durch den Ätherkörper und strömt durch die vielen «Nadis», die sich darin befinden. Von diesen «Nadis» gibt es Millionen, sie sind winzige Kraftleitungen, die dem ganzen Nervensystem des Menschen zugrunde liegen. Sie sind dessen Gegenstück und Belebungsquelle, ermöglichen Empfindungsfähigkeit und rufen jene Aktion und Reaktion hervor, die das menschliche Organsystem in einen komplizierten «Energieempfänger» und «Kraftsender» umgestalten. Jede dieser mikroskopisch [592] kleinen Energieleitungen besteht aus fünf Teilstücken, die fünf haardünnen Kraftfibrillen gleichen, die eng ineinander verwoben sind, umschlossen von einem Futteral, das aus einer anderen Kraftart besteht. Diese Kräfte sind in Gruppen von kreuzweiser Anordnung zusammengebündelt.

Es ist auch zu beachten, dass diese fünf Energiearten eine eng verbundene Einheit bilden, und diese Einheiten stellen in ihrer Gesamtheit die ätherische Hülle dar. Durch diese fünf Kanäle fliessen die fünf Hauptpranaströme, spenden dem ganzen menschlichen Organismus Energie, beleben und regulieren ihn. Es gibt keinen Teil im physischen Körper, dem dieses Netzwerk von Energie nicht zugrunde läge oder «als Gerüst» diente. Das ist die wahre Körperform oder Grundsubstanz.

Wo sich die Kraftlinien kreuzen und wieder kreuzen - und somit im Mikrokosmos den in- und evolutionären Bogen des Makrokosmos wiederholen - bilden sich fünf Zonen aufwärts längs der Wirbelsäule und zwei im Kopf, wo die Energien stärker sind als anderswo, weil sie dort konzentrierter sind. Auf diese Weise treten die Hauptzentren in Erscheinung. Im ganzen Körper bilden sich Kreuzungen und Überschneidungen und so kommt das Rüstzeug der Energiezentren zustande.

1. Wo sich die Kraftlinien 21 mal kreuzen, befindet sich ein Hauptzentrum. Es gibt sieben solche Zentren.

2. Wo sie sich 14 mal kreuzen, erscheinen die kleineren Zentren, die ich früher erwähnt habe.

3. Wo sie sich 7 mal kreuzen, dort befinden sich winzige Zentren, von denen es viele hunderte gibt.

Eines Tages wird der ganze Ätherkörper anschaulich aufgezeichnet werden und man wird dann sehen, in welcher Richtung die Kraftlinien verlaufen. Die grosse Flut der Energien wird dann ersichtlich werden, die Entwicklungsstufe wird leichter zu erkennen und die psychische Situation unfehlbar festzustellen sein. Dieses Thema ist jedoch äusserst verwickelt, denn die Entwicklungsstufe der einzelnen Körperhüllen, der jeweilige Grad des sich erweiternden Bewusstseins und die Empfänglichkeit des Menschen für Reize sind verschieden. Die Wissenschaft der Meditation wird schliesslich [593] die Laya-Yoga Wissenschaft - doch nur in deren höchster Form - in sich aufnehmen. Das Ziel der Meditation besteht darin, allen einströmenden Kräften freien Spielraum zu ermöglichen, damit es für die einströmende Seelenenergie an keinem Punkt ein Hindernis gibt. Unbehindert und ohne Stauung soll der Strom fliessen können, und nirgends im Körper darf es an physischer, psychischer, mentaler und spiritueller Kraft fehlen. Das wird nicht nur gute Gesundheit und den uneingeschränkten Gebrauch aller (höheren und niederen) Fähigkeiten bedeuten, sondern direkten Kontakt mit der Seele. Dadurch kommt eine dauernde Erneuerung des Körpers zustande, die für einen Eingeweihten und Meister als Lebensausdruck so charakteristisch ist, ebenso für einen Jünger, nur in geringerem Masse. Gottes Leben in der Form wird dadurch rhythmisch zum Ausdruck kommen. Vom Gesichtspunkt des hellsehenden Adepten aus, der den Aspiranten oder Jünger prüfend betrachtet, bewirkt das Spiel der Vitalenergien:

1. Den Rhythmus der Manifestation. Hier ist die Ursache des Erscheinens und Verschwindens der Form. Wenn der Adept den Körper seines Schülers prüft und mustert, kann er genau sagen, wie viele Inkarnationen dieser Körper hinter sich hat und wie oft er noch weiter «erscheinen» wird. Die Beschaffenheit der Kanäle für die Pranaenergien, besonders der Kanäle unterhalb des Zwerchfells, geben darüber ein klares Bild. Das wird durch das Zentrum am Ende der Wirbelsäule offenbar, wo der Sitz des Willens zum Leben ist, von wo aus der Keim des Lebensprinzips regiert wird, der im Herzen eingebettet ist.

2. Den Rhythmus des psychischen Lebens. Das enthüllt die wahre Position des Menschen in bezug auf sein Bewusstsein und seine Bewusstseinskontakte. Wenn sich der Adept darüber informieren will, wirft er zuerst einen Blick auf das Solarplexus-Zentrum und dann auf das Herz- und Kopf-Zentrum, denn in diesen drei Zentren und in deren verhältnismässigem «Licht und ausstrahlender Helligkeit» zeigt und offenbart sich die [594] ganze Geschichte des Menschen. Das Kopfzentrum, das bei einem durchschnittlichen oder unterdurchschnittlichen Menschen untersucht wird, ist das Zentrum zwischen den Augenbrauen; bei einem Aspiranten, Mystiker oder Jünger ist es das höchste Kopfzentrum.

Wenn mit fortschreitender Evolution die Lebenskräfte immer unbehinderter entlang der «Nadis» und durch die Haupt-, Neben- und Kleinstzentren fliessen, strömt und verteilt sich der Kraftstrom immer schneller und damit verstärkt sich stetig die Strahlung des Körpers. Allmählich lösen sich unter dem Ansturm der Seelenkraft die trennenden Wände im Innern der umschliessenden Hülle der winzigen Kraftleitungen auf und verschwinden. Auf diese Weise erhalten die «Nadis» fortgeschrittener Jünger eine neue Form, die erkennen lässt, dass er eine integrierte Persönlichkeit und zweifach ist. Er ist nun beides: Seele und Persönlichkeit. Seelenenergie kann nun unbehindert durch den Zentralkanal eines jeden «Nadi» fliessen und all die anderen Kräfte können ebenso ungehindert um dieses «Nadi» herumkreisen. Gerade während dieses Vorganges, wenn sich die Kräfte innerhalb der «Nadis» vereinen und somit einen einzigen Energiestrom bilden, treten die meisten Krankheiten der Mystiker auf, insbesondere Herzstörungen.

Gleichzeitig mit diesem Auftreten einer Dualität in den «Nadis» wird der Jünger fähig, die beiden Kanäle - Ida und Pingala - zu benützen, die zu beiden Seiten des Zentralkanals entlang der Wirbelsäule verlaufen. Ungehindert kann nun die Kraft in diesen beiden «Kraftbahnen» hinauf- und hinabfliessen und so in die «Nadis» einströmen; dabei benützt der Kraftstrom den Raum um jedes der Hauptzentren als Verteilungsstelle, so dass der ganze Körpermechanismus oder ein Teil desselben nach Belieben in harmonische Tätigkeit gebracht werden kann. Der Jünger hat nun den Punkt in seiner Entwicklung erreicht, dass das Äthergewebe, das alle Zentren aufwärts der Wirbelsäule voneinander trennt, durch die Feuer des Lebens weggebrannt wurde. Es kann nun langsam der «Sushumna» - oder Zentralkanal [595] benützt werden. Gleichzeitig damit beginnt auch das ungehinderte Einfliessen der Seelenkraft in den Zentralkanal der «Nadis». Zu guter letzt kommt dieser Zentralkanal in volle Tätigkeit. Der Meister kann dies alles mit seinem hellsehenden Auge wahrnehmen.

Ich habe mich mit diesem Vorgang deshalb eingehender befasst, weil durch Atemübungen die durch die «Nadis» strömenden Kräfte ganz deutlich fortbewegt und - meistens vorzeitig - umgebildet werden. Atemübungen beschleunigen sowohl das Niederreissen der Schutzwälle, welche vier Kräfte von der fünften Energie trennen, als auch das Durchbrennen der schützenden ätherischen Gewebe, die sich entlang der Wirbelsäule befinden. Wenn dies eintritt, solange der Akzent des Lebens noch unterhalb des Zwerchfells liegt, und wenn der Betreffende noch nicht einmal ein Aspirant oder besonders intelligent ist, dann verursacht dies eine Überreizung des Geschlechtslebens, und das Tor zur Astralebene öffnet sich; daraus ergeben sich viele physische Störungen und Krankheiten. Im okkulten Sinne «werden die niederen Feuer losgelassen und der Mensch wird vom Feuer verzehrt», anstatt dass er, wie es beabsichtigt ist, «zum brennenden Busch wird, der ewig lodert und nicht zerstört werden kann». Findet dieser Feuerprozess durch erzwungene Massnahmen statt und steht er nicht unter richtiger Anleitung, dann müssen unbedingt Schwierigkeiten auftreten. Wenn der Mensch auf dem Läuterungs- oder Bewährungspfad steht oder sich im Frühstadium der Jüngerschaft befindet, in welchem seine Zielsetzungen grösstenteils oberhalb des Zwerchfells liegen, dann besteht die grosse Gefahr, dass überentwickelter Egoismus, Überreizung des Herzzentrums (gefolgt von Herzkrankheiten aller Art und von Gemütsreaktionen über Gruppenzustände), Schilddrüsen- und Gehirnstörungen sowie Affektionen, die hauptsächlich von der Zirbeldrüse ausgehen, auftreten.

Ich könnte hier gewisse Atemübungen angeben, die dem einen oder anderen helfen würden, seinen Vitalkörper - und folglich seinen Ätherkörper - zu reorganisieren, aber die damit verbundenen [596] Gefahren, welche die meisten meiner Leser zu gewärtigen hätten, erlauben das nicht. Der alte Grundsatz, dass Aspiranten ihren Weg in eine esoterische oder Mysterienschule finden müssen, hat noch immer seine Gültigkeit. Alles, was ich tun kann - und schon getan habe - ist, bestimmte Richtlinien zu geben und gewisse Regeln anzugeben, die sicher und wohlbekannt sind und die Grundlage für fortgeschrittene Methoden bilden, die unter sorgfältiger persönlicher Überwachung angewandt werden müssen. Aus diesem Grunde müssen, sobald die gegenwärtige Weltkrise einmal vollkommen beendet ist, richtiggehende esoterische Schulen gegründet werden. Solche bestehen bis jetzt noch nicht. Heute arbeiten Aspiranten und Jünger in den modernen esoterischen Schulen (wie z.B. in der Arkanschule und in der esoterischen Gruppe der theosophischen Gesellschaft - um zwei der wichtigsten anzuführen), wo sie einige grundlegende esoterische Wahrheiten verstehen lernen und beginnen, ihre Gefühlsnatur und Denkkraft zu beherrschen. Sie werden darin geschult, ihren Körper zu läutern und die Grundvoraussetzungen der zeitlosen Weisheit zu erfassen. Sie stehen dann praktisch unter der inneren Leitung eines älteren Jüngers, der die erforderliche nächste Wahrheit kennt, da er in sich den «Kontaktsinn» und die Kraft intuitiver Wahrnehmung entwickelt hat. Nur einige wenige Menschen arbeiten hie und da tatsächlich unter der Führung eines Meisters. Nur in dem Fall, wenn ein geistiger Führer da ist, der weiss, von welchen Strahlen ein Mensch bestimmend beeinflusst wird, und Der die astrologischen Hinweise über eines Menschen «Lebenspfad» versteht, können die wahren, aber gefährlichen Regeln bekanntgegeben werden, die folgende Resultate zeitigen:

1. Richtige Energieverteilung.

2. Konzentrierung der Kräfte in den Zentren.

3. Verbrennen der Isolierungswälle und des Äthergewebes, das die Zentren abteilt.

4. Emporheben der Energien in immer höhere Körperschichten durch die Kraft des zielgesteuerten Willens.

Viele Schwierigkeiten, welche die heutigen Mystiker und Okkultisten durchzumachen haben, hängen mit der Tatsache zusammen, dass sie buchstäblich «mit dem Feuer spielen», ohne es zu wissen; [597] dass sie sich, nicht an die richtige, ordnungsgemässe Reihenfolge der oben angegebenen Entwicklung halten; dass sie Übungen und Methoden anwenden, für die sie noch nicht herangereift sind, die dem westlichen Körpertypus noch nicht angepasst sind und denen sie blindlings folgen, ohne den Vorgang und die Folgen auch nur im geringsten zu verstehen. Solange sie die Grundregel noch nicht erfasst haben, dass «dem Gedanken Energie folgt», sind sehr schlimme Folgen unausbleiblich. Der Mystiker z.B., der seine Gedanken auf Christus eingestellt hat, der sich ihn irgendwo hoch im Himmel thronend, also ausserhalb von sich! vorstellt und ihn als das Ziel all seiner Wünsche ansieht, ist oft ein schwächlicher, physisch kranker Mensch. Warum ist das so? Weil die Energie, die in ihn einströmen und den ganzen Organismus durchfluten möchte, nur bis zum Herzzentrum kommen kann. Von hier wird sie nämlich dauernd zur Umkehr veranlasst und durch die gerichtete Denkkraft aus dem physischen Körper hinausgetrieben. Für ihn befindet sich Christus irgendwo an einem fernen Ort. Des Mystikers Gedanken liegen ausserhalb seiner selbst und folglich muss die Energie seinen Körper verlassen. Es ist ein unter Eingeweihten oft diskutiertes Thema, ob die allgemein geschwächte Verfassung der Menschheit nicht zum Teil der Tatsache zuzuschreiben sei, dass das menschliche Streben und Denken dauernd auf irgend ein äusseres Objekt gerichtet war, anstatt (wie es sein sollte) sich auf das Lebens- und Liebeszentrum im Inneren eines jeden Menschen zu richten, und dass dieser Umstand den Menschen vieler so dringend benötigter Energien beraubt hat. Obwohl den Menschen jahrhundertelang gelehrt wurde: «Das Reich Gottes ist inwendig in euch», haben die Völker im Westen weder diese grundsätzliche Wahrheit angenommen noch darauf hingearbeitet, sondern haben die Wirklichkeit draussen gesucht und ihre Gedanken nur auf die Persönlichkeit des Einen gerichtet, der ihnen diese grosse Wahrheit verkündet hat. Niemals wünschte oder suchte er der Menschen Hingabe und Verehrung seiner Person. Für diese Verzerrung der Wahrheit musste der Alltagsmystiker immer wieder [598] den Preis eines entkräfteten Körpers und mit seinem Unvermögen zahlen, ein völlig irdisches und doch göttliches Leben auf Erden zu führen.

Ich kann hier kaum noch etwas über die Probleme und die Schwierigkeiten anführen, die sich aus der Entfaltung der psychischen Kräfte im Menschen und auf einer höheren Stufe als in der Vergangenheit ergeben. Mit fortschreitender Evolution erhält der Jünger menschliche und tierische psychische Fähigkeiten zu seiner Verfügung. Die Menschheit hat die Methode gewählt, durch «Prüfung und Irrtum» voranzukommen. In mancherlei Hinsicht ist diese Wahl kein Fehler und vernünftig, aber es ist ein langsamer Weg, der in der Geschichte der Menschheit zu Krisenpunkten und zu fast untragbaren Schwierigkeiten führt. Für den Mystiker und Jünger, die beide danach streben, die Herrschaft über diese angeborenen Instinkte zu erlangen, wird heute dieses Problem noch schwieriger. Die physische Vitalität der Menschheit ist so geschwächt und wird auch so wenig verstanden, und die richtige Körperpflege ist so dürftig und unzureichend, dass der kränkelnde Körper die niederen Kräfte viel leichter freisetzt, als es sonst der Fall wäre. Daher kommen diese Kräfte vorzeitig zum Vorschein, ehe noch ihr Wesen und ihre Funktion begriffen oder die Gesetze verstanden sind, wie sie zu bändigen wären. Es würde vieles klar werden, wenn diese meine Feststellung akzeptiert würde, und mancher Fortschritt könnte gemacht werden, wenn man meine verschiedenen Prämissen als stichhaltige Hypothesen annehmen und danach handeln würde. Das würde das Tor zu einem neuen Verständnis der psychischen Fähigkeiten öffnen, und die psychologische und medizinische Disziplin würde dadurch bereichert werden.

Wir kommen nun zu zwei weiteren Problemen, die mit den höheren psychischen Kräften zusammenhängen. Sie sind von höherer Art und hängen nicht so sehr mit dem Bewusstsein des Solarplexus, sondern mehr mit der Entwicklung der Denkkräfte zusammen.

Das Problem der Entfaltung der mystischen Vision.

Der Werdegang, das Ziel zu ahnen, mit dem Ideal in Kontakt zu kommen und die vielen Symbole zu erschauen, hinter denen sich die Seele verbirgt, Symbole, welche die Endbestimmung und das Endziel [599] des Menschen bildlich darstellen, - das ist das anerkannte Vorrecht des mystischen Aspiranten. Die mystische Literatur aller Weltreligionen ist bekanntlich mit solchen Visionen angefüllt, angefangen mit dem mehr sexuell gefärbten Hohen Lied Salomons oder den zahlreichen Schriften weiblicher Kirchenmystiker bis zu den erstaunlichen Enthüllungen in den alten Puranas (den heiligen Schriften Indiens) oder der Apokalypse, dem letzten Buch des Neuen Testaments. Diese behandeln das ganze Gebiet, von den Formulierungen des erhabenen «Wunschlebens» der Mystiker bis zu der wahren Voraussicht der Menschheitszukunft, wie sie in den prophetischen Schriften niedergelegt ist. Ich beabsichtige nicht, in Einzelheiten einzugehen. Moderne Psychologen, Religionslehrer und kirchliche Autoren haben dieses Thema ausführlich behandelt. Ich will nur auf die Wirkung hinweisen, die solche Erlebnisse auf den Mystiker selbst ausüben. Auch möchte ich noch bemerken, dass ich hier verallgemeinere, ohne auf Sonderfälle einzugehen.

Die Schwierigkeiten, für die solche Mystiker empfänglich sind, sind die folgenden vier:

1. Entkräftung. Ein Mystiker wird derart und dauernd «aufwärts gezogen» (wie er es nennt) - ins Land seiner Träume, zur Person seiner Ideale oder zum (personifizierten oder unpersönlichen) geistigen Ideal seiner Aspiration, - dass er den normalen und gesunden Verlauf des «Weges, der die Wirklichkeit ständig in die materielle Welt herabbringt» geradezu umkehrt. Er lebt völlig in der Welt seiner Aspiration, vernachlässigt daher das Leben in der äusseren Welt und wird so nicht nur zu einem unpraktischen Menschen, sondern steht dem irdischen Dasein negativ gegenüber. Er zieht alle seine Lebenskräfte nach oben, so dass sein Körper und sein Erdenleben darunter leidet. Technisch gesprochen besagt dies folgendes: Die Kräfte des Solarplexus werden nicht nach oben ins Herzzentrum geleitet, wie es sein sollte, und es wird auch die Herzenergie nicht in selbstloser Liebe an die Menschheit ausgeströmt. Alle Kräfte sammeln und verteilen sich auf der höchsten Ebene des astralen Bewusstseins und sie werden ausgeschickt, um die Kräfte des Astralkörpers [600] zu nähren. Der normale Prozess wird daher ins gerade Gegenteil verkehrt, und dadurch leidet der physische Körper sehr.

Wenn wir das Leben der Heiligen und Mystiker studieren, stossen wir auf viele solche Schwierigkeiten, und selbst in den verhältnismässig seltenen Fällen, wenn tatsächlich ein Dienst an der Menschheit geleistet wurde, drehten sich die Motive häufig (ich möchte sagen meistens) um die Erfüllung einer empfundenen Notwendigkeit oder Verpflichtung, die nur dem Mystiker selber dazu diente, ein Gefühl zu befriedigen und eine Belohnung zu erwarten. Die erwähnte Entkräftung war oft so arg, dass nicht nur nervöse Schwäche, Trancezustände und andere pathologische Symptome auftraten, sondern dass sie manchmal den Tod herbeiführte.

2. Wahn. Das dramatische Leben des Mystikers und sein dauerndes Streben nach Vision (was immer man auch darunter verstehen mag) führten in vielen Fällen zu ernsten psychischen Störungen, falls sie nicht rechtzeitig erkannt wurden. Die Vision absorbierte den Mystiker völlig. Anstatt darin den Hinweis auf ein Ziel zu sehen, das er eines Tages einmal erreichen könnte, oder diese Vision in seinem Bewusstsein als das Symbol einer inneren Wirklichkeit anzusehen, die er einmal so kennen lernen würde, wie sie in Wahrheit war, lebte er stets im Bannkreis seiner eigenen Gedankenform, die er sich von diesem Ziel gebildet hatte. Dieses mächtige Traumgebilde, diese begrenzte Gedankenform, die er seit Jahren durch Aspiration, Verehrung und brennende Sehnsucht aufgebaut hatte, ergriff zuletzt von ihm dermassen Besitz, dass er schliesslich das Symbol für die Wirklichkeit hielt. Manchmal starb ein Mystiker infolge der Ekstase, in der er sich mit seiner Vision identifiziert hatte. Ich möchte jedoch hinzufügen, dass das wahre Erreichen des mystischen Zieles, wobei es nicht mehr als Vision gesehen, sondern als lebendige Tatsache erkannt wurde, noch niemals jemanden getötet hat. Der Wahn, der Selbstbetrug ist es, der tötet. Nur wenn der Astralkörper zum Brennpunkt des Lebens wird, wenn auch die Seelenkräfte dorthin strömen und wenn das Herzzentrum energieüberladen ist, büsst ein Mystiker als Opfer seines spirituellen Ehrgeizes sein Leben ein. Wenn es nicht zum Tode führt, was ungewöhnlich ist, so treten ernsthafte psychische Störungen auf. Darüber hat sich die Geistlichkeit zu allen Zeiten Sorgen gemacht, und auch moderne Psychologen [601] interessieren sich dafür. Diese Auswirkungen haben das ganze Thema der Entfaltung eines Menschen zum Mystiker in Misskredit gebracht, insbesondere in dem heutigen wissenschaftlichen Zeitalter.

Die Wurzel des Übels ist, dass die Vision in astraler Materie verkörpert und durch Gefühlskräfte (unter der Maske tiefer Devotion) entwickelt wird, und dass der Mystiker weder imstande ist, in das Reich mentaler Wahrnehmung einzudringen, noch seinen idealistischen Traum auf Erden zu verwirklichen. Der Mensch wird vom Besten, was in ihm steckt, getäuscht; er ist das Opfer einer Halluzination, die das Höchste verkörpert, das er kennt; er ist überwältigt von dem Gaukelspiel des geistigen Lebens; er vermag nicht zwischen der Vision und dem Plan, zwischen dem selbstgeschaffenen Unwirklichen und dem Wirklichen zu unterscheiden, das seit jeher im Lebenshintergrund des integrierten Menschen steht.

Man darf nicht übersehen, dass die Vision eines Himmels, von Gott, von Christus, von irgend einem geistigen Führer oder irgend einem tausendjährigen Gottesreich in den meisten Fällen auf den Träumen und Aspirationen der Mystiker früherer Zeiten basiert; diese Gottsucher waren Wegbereiter und Verkünder der Mystik, sie benutzten dieselben Ausdrücke und dieselben Symbole, um das zum Ausdruck zu bringen, was sie wahrnahmen und empfanden, wonach sie strebten und so heiss sich sehnten. Sie alle erfühlten dieselbe Wirklichkeit, die hinter dem trügerischen Schein irdischen Strebens liegt. Sie alle kleiden ihre Wünsche und Sehnsüchte in dieselben symbolischen Worte, wie: Hochzeit mit dem Geliebten, ein Leben in der heiligen Stadt, Teilhaben an einer ekstatischen Vision von Gott, Verehrung und Anbetung irgendeines vergötterten und heissgeliebten grossen Wesens, wie z.B. Christus, Buddha oder Sri Krishna, mit Gott im Garten des Lebens, im Garten des Ewigen zu wandeln, Erreichen des Berggipfels, wo Gott zu finden ist und wo alle Geheimnisse enthüllt sind. Das sind einige der Gedankenbilder, die sich der Mystiker in seiner Aspiration ausmalt und in denen sein Dualitätsgefühl Befriedigung findet. Diese Ideen existieren als mächtige Gedankenformen auf der Astralebene und ziehen wie Magnete [602] das geistige Streben der hingebungsvollen Gottsucher an, die Jahrhundert um Jahrhundert demselben Pfad sehnsuchtsvollen Suchens folgen, denselben Vorstellungsbildern eines tiefverwurzelten spirituellen «Wunschlebens» nachhängen und auf Wogen der Gefühle zur Göttlichkeit hinstreben, was manchmal als «Erhebung des Herzens zu Gott» beschrieben wird.

Entkräftung und Wahnvorstellungen sind die häufigsten Symptome des ausgesprochen emotionellen Mystikers. Wenn sein astraler Zyklus vorbei ist und er später - wahrscheinlich in einem anderen Leben - in eine freigeistige Denkweise einschwenkt, dann wird das Gleichgewicht wieder hergestellt und eine gesunde Weiterentwicklung möglich. Die in der Vergangenheit gesammelten echten und wertvollen Erfahrungen gehen dem Mystiker niemals verloren. Die innere spirituelle Erkenntnis bleibt schlummernd in der Essenz des Lebens, um später zu wahrer Ausdrucksgebung entdeckt zu werden. Aber alles Vage und Undeutliche, besonders das Gefühl der Dualität, muss allmählich in wissende, mentale Klarheit verwandelt werden. Die Erfahrung des Einswerdens muss an Stelle der Dualität treten und die Nebel müssen sich zerteilen. Der Mystiker sieht alles wie durch ein dunkles Glas, aber eines Tages muss er erkennen und wissen, so, wie man auch ihn klar erkennt.

Wenn in diesen modernen Zeiten der mystisch Eingestellte in die Obhut eines einsichtigen Psychologen kommt, würde dem letzteren anzuraten sein, im Mystiker allmählich und auf sanfte Art Zweifel aufkommen zu lassen, selbst wenn dies vorübergehend zu Agnostizismus (eine Lehre, dass man vom wahren Sein, besonders von Gott nichts wissen könne) führen sollte. Dadurch würde das erwünschte Gleichgewicht schnell hergestellt. Ich möchte besonderes Gewicht auf meinen Hinweis legen: «auf sanfte Art und in schrittweisem Vorgehen.» Der Betreffende sollte zu einem normalen physischen Leben mit seinen alltäglichen Interessen, zur Erfüllung von Pflichten und Verantwortungen sowie dazu ermutigt werden, die natürlichen physischen Funktionen auszuüben; das würde für ihn heilsam sein und ihn in die notwendige neue Richtung bringen.

3. Delirium. Ich gebrauche dieses harte Wort mit voller Absicht, wenn ich die gefährlichen und schwierigen Stadien im Leben eines Mystikers beschreibe. Wenn die Wahnvorstellung und die Entkräftung des Mystikers einen gewissen Punkt überschritten haben, kommt er in ein Stadium, in dem ihm tatsächlich jede innere Kontrolle [603] fehlt. Er treibt das mystische Gefühl so hoch, dass ihm jeder Massstab abhanden kommt. Gesellschaftliche Formen (mögen sie richtig oder falsch sein), soziale Schulung, wirtschaftliche Verantwortlichkeit, menschliche Verpflichtungen und alle Aspekte des täglichen Lebens, die den Einzelmenschen in die menschliche Gemeinschaft hineinwachsen lassen, versagen hier, wo es darum geht, die niedere Natur zu meistern. Sein äusseres Leben erhält eine abnorme Eigenart und er wird (auch im höchsten und besten Werturteil) ein asozialer Mensch. Eine solche asoziale Einstellung kann innerhalb eines weiten Bereiches liegen, angefangen von einem relativ alltäglichen Fanatismus, der den Fanatiker zwingt, anstatt vieler Gesichtspunkte nur einen einzigen zu sehen und gelten zu lassen, bis zu ausgesprochenen und diagnostizierbaren Formen von Geistesstörung. Der Mystiker ist dann von seiner eigenen verschrobenen Gedankenform über Wahrheit und Wirklichkeit besessen. Nur eine einzige Idee lebt in seinem Kopf. Sein Denkvermögen arbeitet nicht, weil sein Gehirn zum gehorsamen Diener seiner astralen Natur wurde und weiter nichts tut, als auf seine fanatische Hingabe und seine Gefühlsbesessenheit anzusprechen. Das Ajnazentrum kommt in Schwingung und Funktion, ehe noch der Mensch wirklich integriert ist, und ehe ein wirklich nützlicher Zweck für diese Aktivität vorliegt.

Es kommt eine Zeit, in der sich dieser Mensch durch vielerlei unerwünschte Züge bemerkbar macht: durch allzugrosse Einseitigkeit, durch wirklichen Fanatismus, durch sadistische Bestrebungen mit einem angeblich spirituellen Motiv (wie z.B. in der Zeit der Inquisition) und durch gewisse Formen geistigen Zusammenbruchs. In okkulter Sprache ausgedrückt: «die feurige Vision macht sich daran, ihr Opfer zu verbrennen, und sie zerstört so das Band, das sein Denkvermögen und Gehirn in enger harmonischer Zusammenarbeit hält.» Dieses versengende astrale Fieber übt notwendigerweise eine Wirkung sowohl auf den physischen Körper als auch auf die Wesensäusserung als Persönlichkeit aus. Jeder kann sich über das Krankhafte der Situation mit ihren wirklich ernsten Folgen und Auswirkungen ein Bild machen. Häufig kann man nur wenig daran ändern; manchmal ist jegliches Bemühen zu helfen nutzlos. Der Mystiker hat sich selber für dieses Leben unheilbaren Schaden zugefügt. Der Tod und das Stadium zwischen den Inkarnationen, jenseits der irdischen Welt, muss seinen wohltätigen Einfluss ausüben, bevor dieser Mensch wieder zur Norm zurückkehren und seine Vision über das Gute, Schöne und Wahre umformen und [604] im täglichen Leben zum Ausdruck bringen kann. Dieses Mal wird er zur Lösung seines Problems seine Gedankenkräfte heranziehen. Dabei wird er die Entdeckung machen, dass seine «Vision» nur ein Widerschein des Planes Gottes ist. Er wird dann einsehen, dass, bevor er der Welt Dienste tun und mit der Hierarchie zusammenarbeiten kann, die Fähigkeit, Aspiration durch die eigene Person zu verkörpern, in die Fähigkeit umgewandelt werden muss, seine Person völlig beiseite zu setzen.

4. Absonderung. Das ist eine der hauptsächlichsten psychologischen Schwierigkeiten, die zum üblichen Symptom der Spaltung führt, das am schwersten zu behandeln ist. Der Mystiker, der nichts anderes sehen kann als seine eigene Innenschau, der diese Vision nur in symbolischen Bildern - in sexuellem Verlangen, in qualvoller Aspiration und in einem intensiven «Wunschleben» voller Träume und Sehnsucht wahrnimmt und festhält, wird schliesslich so weit kommen, dass er alle Beziehungen abbricht, sowohl die in seinem eigenen Gefüge (sein Körper führt ein Sonderdasein, seine Gefühle sind auf andere Regionen eingestellt und seine Gedanken hängen wieder anderswo fest) als auch die Beziehungen zu seiner Umgebung; ebenso vernachlässigt er völlig alle Verpflichtungen gegenüber seinen nächsten Mitmenschen. Die Folge davon ist, dass er völlig in einer selbstgeschaffenen Welt lebt - gänzlich abgesondert, ungerührt und unberührt von weltlichem Geschehen und menschlichem Appell. Das gleiche tritt manchmal zutage durch den unbewussten Wunsch, aller Verantwortung ledig zu sein, von den Mühen und lästigen Dingen des Alltags loszukommen oder die Hände derer zurückzuweisen, die ihn halten und lieben. Alles das kann aus einer früheren Inkarnation stammen, in der er mystische Erlebnisse hatte Aber darüber sollte er in diesem Leben endgültig hinauskommen und hinauswachsen, nachdem es seinen Zweck erfüllt und den notwendigen Dienst geleistet hat. Seine jetzige Absonderungstendenz ist falsch.

Ich weiss recht gut, dass diese Lehre über die Schwierigkeiten des mystischen Lebens - Entkräftung, Wahn, Delirium und Absonderung - bei denen auf heftigsten Widerspruch stossen wird, die den Mystikern viel zu verdanken oder die zurzeit mystische Neigungen haben Ich möchte dazu klar Stellung nehmen. Für einen Menschen auf der atlantischen Entwicklungsstufe ist der Weg der Mystik [605] richtig, vorausgesetzt, dass er nicht bis zu Geistesstörungen, Halluzinationen, wildem Fanatismus und psychopathischen Komplikationen führt. In richtiger Weise gelebt, ist der mystische Prozess ebenso nützlich wie notwendig, weil dadurch der Astralkörper neu orientiert wird und an die Stelle blossen Verlangens geistige Aspiration zu treten beginnt. Man muss ein geistiges Zukunftsbild in sich tragen, denn «wo die Vision eines Ideals fehlt, da gehen die Menschen zugrunde.» Echte visionäre Schau ist in Wirklichkeit das astrale Spiegelbild des göttlichen Plans, der auf die höheren Ebenen des astralen Bewusstseins reflektiert wird und dort von jenen Menschen erhascht und erfühlt wird, deren Einstellung zum Leben von hoher Art ist, deren «Streben nach Gott und seiner Gerechtigkeit geht», die aber in dieser Zeit noch nach innen gekehrt sind, denen das richtige Wissen über das göttliche Gesetz, über die Konstitution des Menschen und über die Lebensvorgänge auf diesem Planeten fehlt. Ihr Denkvermögen ist untätig und stellt keine Fragen, ausser wenn es sich um Gefühle handelt und wenn es dem Mystiker darum geht, die eigene seelische Not zu lindern und den Wunsch nach Seelenfrieden und Zufriedenheit zu unterstützen. Man findet z.B. in den mystischen Schriften des Mittelalters (im Osten und Westen) kaum ein Anzeichen dafür, dass die Mystiker ein Verständnis dafür gehabt hätten, was der Welt nottut und was die Menschheit verlangt, um Erleuchtung zu finden.

Die Vision ist nichts anderes als das astrale Spiegelbild des Plans. Dort vereinen sich zwei Kräfte und eine Energie, nämlich die Kräfte der physischen Natur und des Astralkörpers des Mystikers sowie die Energie seiner Seele, und dort erschaffen sie eine machtvolle Ausdrucksform intensiven Verlangens, tiefer, elementarer Sehnsucht und lebhafter Phantasie, und eine Gedankenform, die alles das zeigt, womit der Mystiker in Berührung kommen oder was er manifestiert sehen möchte.

Mit der Zeit wird diese mystische Einstellung immer schwächer werden. Die Tendenz, Schönheit zu sehen und zu verwirklichen, und der Instinkt, nach Göttlichkeit zu streben, sind im Bewusstsein der Menschen so tief verankert, dass die Verstandeskraft den Ausgleich bringen und das Bild des grossen Planes ohne Gefahr an die Stelle der mystischen Vision treten kann. Jene Kinder der Menschheit, die [606] noch immer atlantisches Bewusstsein haben, werden auch fernerhin den mystischen Weg gehen, und ihr Beitrag wird auch weiter ein schönes Erbe der Menschheit bleiben. Aber die Zeitspanne für mystische Bestrebungen und Erfahrungen wird beträchtlich gekürzt und wissenschaftlich überwacht werden, weil man besser verstehen wird, welchen Zweck ein solcher Zyklus hat, welche Rolle er in der Menschheitsentwicklung spielt und welchen Beitrag er zur «Lehre von der Wirklichkeit» liefert.

Diese mystische Zeitspanne entspricht der wertvollen, zukunftsträchtigen, lebenspendenden Jugendzeit, die zu richtiger Einstellung anspornt und gewisse Normen und Werte festigt. Diese Periode wird aber als unerwünscht erkannt, sobald die Zeit für neue und höhere Werte gekommen ist und mehr geistige und kontrollierte Methoden an ihre Stelle treten sollen. Ein Lebenszweck, ein erkannter Plan und eine richtig gelenkte Aktivität muss schliesslich im Leben des Einzelmenschen und der Menschheit an die Stelle jugendlicher Wunschbilder, Träume, sehnsuchtsvoller Phantasien und Bestrebungen treten.

Man möge mich nicht missverstehen! Die Vision ist ein Erschauen der Wirklichkeit. Der Ewige Träumer träumt. Der grösste aller Mystiker ist der göttliche Logos Selbst. Aber sein Traum muss in unserem Bewusstsein als Gottes Plan wahrgenommen werden. Die Vision des Mystikers ist eine notwendige, aber vorübergehende Periode, in der sich im Menschen der «Traumaspekt» von Gottes Natur entfaltet. Man denke darüber nach, denn diese Aussage erschliesst denen, die richtig meditieren können, eine tiefe Erkenntnis.

Schwierigkeiten, die beim Erscheinen von Licht und Energie als Begleitsymptome auftreten.

Die Probleme, mit denen wir uns jetzt befassen müssen, gehören in eine gänzlich andere Kategorie. Sie haben keinerlei Beziehung zum Gefühlsleben oder zur Astralwelt, sondern bilden die charakteristischen Schwierigkeiten, denen ein Aspirant, ein Fortgeschrittener oder ein Jünger ausgesetzt ist, der gelernt hat, sich in [607] der mentalen Natur zu konzentrieren. Es sind Probleme, die mit der Erlangung des Seelenkontaktes zusammenhängen, der zur Erleuchtung des Denkvermögens und zu einem tatsächlichen Kraftzustrom führt.

Diese Schwierigkeiten treten nur bei dem Menschen auf, dessen Kehl- und dessen Ajnazentrum im Erwachen ist. Tritt eine kritische Situation im Zusammenhang mit einer Lichtwahrnehmung auf, dann hat der Psychologe oder Arzt daran zu denken, dass die Hypophyse in Mitleidenschaft gezogen ist und dass daher das Zentrum zwischen den Augenbrauen zu arbeiten und zu erwachen beginnt.

Das Problem eines Kraftzuwachses, den der Aspirant fühlt und in seinem Leben zum Ausdruck zu bringen sucht, fällt unter zwei Kategorien:

1. Das Verspüren einer starken Kraft, die sich bei dem Bemühen einstellt, echte schöpferische Arbeit zu leisten. Dazu gehört notwendigerweise die Aktivität des Kehlzentrums. Wenn diese schöpferische Kraft einströmt und diese Energie nicht richtig genützt wird, um damit Schöpferisches zu vollbringen, entstehen sehr leicht Schilddrüsenstörungen.

2. Das Verspüren einer starken Kraft, die sich als ehrgeiziges Streben auswirkt, und das Empfinden einer Integration, die durch die Kraft dieses ehrgeizigen Strebens zustande kommt. Das ist häufig der Fall, wenn es gelang, die verschiedenen Aspekte der niederen Natur diesem ehrgeizigen Streben unterzuordnen. Dann ist das Ajnazentrum aktiv und stimmt seine Schwingungen auf die des Kehlzentrums ab. Das führt zu einer wirklich schwierigen Situation und ist eine der alltäglichsten Auswirkungen ehrgeizigen Strebens, dem ein Aspirant und Jünger unterliegt.

Man kann, wenn man will, auch das Problem des Lichts in zwei Gruppen von Schwierigkeiten teilen - die eine in Bezug auf die physische Wahrnehmung von Licht im Kopf und die andere im Hinblick auf die Aneignung von Wissen.

Die Wahrnehmung von Licht innerhalb des Schädels hängt mit der Beziehung zusammen, die zwischen dem Kopfzentrum und dem Zentrum zwischen den Augenbrauen besteht, also zwischen dem [608] Raum rings um die Zirbeldrüse und der Umgebung der Hirnanhangdrüse. Die Vibrationswirkung dieser beiden Zentren kann bekanntlich so stark werden, dass diese beiden Schwingungen (oder deren «pulsierende rhythmische Tätigkeit») in die gegenseitigen Wirkungsbereiche übergreifen, so dass ein vereintes magnetisches Feld entstehen kann; dieses kann so kraftvoll, so strahlend und so deutlich werden, dass der Jünger es - bei geschlossenen Augen - ganz klar sehen kann. Es kann also sichtbar wahrgenommen und erlebt werden. Es kann sogar in manchen Fällen auf den Sehnerv einwirken, nicht im schädlichen Sinn, sondern in der Weise, dass es ein verfeinertes Sehvermögen hervorruft. Dieser Mensch ist dann imstande, die Äthermaterie zu sehen; er kann also das ätherische Gegenstück aller materiellen Formen wahrnehmen. Es handelt sich hier nicht um eine psychische, sondern um eine physiologische Fähigkeit, die etwas ganz anderes als das Hellsehen ist. Ätherisches Sehen ohne das übliche Sehorgan (das Auge) ist unmöglich. Das Registrieren und Sehen dieses Lichtes im Kopf kann zu Problemen besonderer Art führen, wenn der Vorgang nicht richtig verstanden oder überwacht wird, genau so, wie sich das Verspüren des starken Energiestroms, der vom Willensaspekt des Denkvermögens oder von der Seele, von den Lotosblättern des Willens ausgeht, für jene Persönlichkeit sehr nachteilig auswirken kann, die sich noch nicht dem Dienst widmet oder die noch nicht verfeinert ist.

Dieses Wahrnehmen des Lichts geht stufenweise vor sich und findet in ganz bestimmten Zeitpunkten der menschlichen Entwicklung statt, mit grösserer Wahrscheinlichkeit in den Früh- als in den Spätstadien. Die Stadien sind folgende:

1. Zuerst wird ein zerstreutes Licht ausserhalb des Kopfes, entweder vor den Augen oder über der rechten Schulter wahrgenommen.

2. Dann wird dieses zerstreute, nebelhafte Licht innerhalb des Kopfes empfunden und scheint den ganzen Kopf zu durchdringen.

3. Dieses zerstreute Licht zieht sich in einen Punkt zusammen, bis es einer strahlenden Sonne gleicht.

4. Das Licht [609] dieser inneren Sonne wird intensiver. In Wirklichkeit ist dies ein Erkennen der Strahlung des magnetischen Feldes, das zwischen der Hypophyse und Epiphyse (den Ausdrucksformen des Ajna- und Kopfzentrums) geschaffen wurde. Diese Strahlung kann zu Zeiten fast unerträglich hell werden.

5. Die Strahlen dieser inneren Sonne reichen zunächst bis zu den Augen und gehen schliesslich über den Umfang des Kopfes hinaus, so dass für das Auge des hellsehenden Sehers um den Kopf des Jüngers oder Aspiranten eine Aureole, ein Lichthof, sichtbar wird.

6. Schliesslich folgt die Entdeckung, dass es da im Innersten dieses Lichts einen dunkelblauen elektrischen Lichtpunkt gibt, der sich allmählich zu einem Kreis bestimmter Grösse ausdehnt. Das findet statt, wenn das Licht im Kopf die zentrale Öffnung am Scheitel des Kopfes bestrahlt und erhellt. Durch diese Öffnung können die verschiedenen Energien der Seele und die Kräfte der Persönlichkeit zusammengefügt werden und auf diese Weise über die Hauptzentren in den physischen Körper fliessen. Diese Öffnung wird in esoterischer Terminologie «das Ausgangstor» genannt, durch das die Seele während des Schlafes den Bewusstseinsaspekt und im Augenblick des Todes den Bewusstseinsaspekt und den Lebensfaden zurückzieht.

Die Wahrnehmung dieses Lichts verursacht bei Unerfahrenen oft ernste Besorgnis und Schwierigkeiten; ihr starkes Interesse und ihre grosse Furcht lässt sie so viel an diese Probleme denken, dass sie in okkulter Beschreibung «von dem Licht besessen werden und so nicht imstande sind, den Herrn des Lichts und das, was das Licht enthüllt, zu sehen.» Ich möchte jedoch bemerken, dass nicht alle Aspiranten und Studenten des Okkultismus dieses Licht sehen. Diese Fähigkeit hängt von verschiedenen Faktoren ab: vom Temperament des Betreffenden, von der Beschaffenheit seiner Gehirnzellen, von der Art seiner bisher geleisteten Arbeit oder ihm übertragenen Aufgabe, und auch von der Ausdehnung des magnetischen Feldes. Niemals wird jedoch irgendeine Schwierigkeit auftreten, wenn der Aspirant das [610] Licht, das in ihm scheint, zum Wohl seiner Mitmenschen verwertet. Nur ein auf seine Person eingestellter Mystiker gerät in Schwierigkeiten, und ebenso ergeht es dem Okkultisten, der das in seinem Innern entdeckte Licht für selbstsüchtige Zwecke und persönliche Ziele verwendet.