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Der Kampfplatz der Astralebene

Wir müssen nun mit dem Studium und der Betrachtung [219] der siebenten Regel zur Magie beginnen. Wir haben die ersten sechs Regeln abgeschlossen, die sich speziell mit der Arbeit auf der Mentalebene befassen und daher einen praktischen Wert nur für diejenigen haben, welche daran gehen, die Macht des Denkens beim magischen Werk des Erschaffens nutzbar zu machen.

In diesem Zusammenhang ist die Bemerkung interessant, dass in dem Mass, in dem die Menschheit das Erbe des Denkens antritt, sich gleichzeitig immer mehr eine Neigung zu magischem Wirken bemerkbar macht. Überall tauchen Schulen auf, welche diese Tendenz bestätigen und deren angekündigte Absicht es ist, jene natürlichen Bedingungen zu schaffen, unter denen ein Mensch das haben kann, was er als bewundernswert und ratsam erachtet. Bücher zum Thema des schöpferischen Denkens überfluten den Markt, und Diskussionen über die Kraft, die hinter den schöpferischen Künsten steht werden für ausserordentlich wichtig und interessant gehalten. Die Psychologen schenken der ganzen Angelegenheit viel Beachtung, und obgleich das Ideal zur Zeit fast nur von der physischen Ebene aus betrachtet wird, weist jedoch all dies zusammen auf eine Schwingungstätigkeit in der Weltseele hin, die durch die Menschheit zum Ausdruck kommt und von dem Mentalreich ausgeht. Die Pioniere und fortgeschrittenen Denker und die schöpferisch Tätigen in der Menschheit sind nur die Feinfühligen, die bereitwillig auf die mentalen Impulse reagieren. Sie sind bis jetzt noch in der Minderheit, und die meisten Menschen reagieren noch auf die Kräfte und Schwingungen, die von der Ebene der Gefühlsregungen und der Begierden ausgehen. Doch erwachen immer mehr und mehr Menschen, und die Bedeutung der ersten sechs Regeln zur Magie tritt immer klarer [220] zu Tage.

Diese fünfzehn Regeln sind eingeteilt in:

Sechs Regeln auf der Mentalebene.

Fünf Regeln auf der Begierden- oder Astralebene.

Vier Regeln auf der physischen Ebene.

Der Hauptgedanke, der klar beachtet werden muss, ist, dass die Regeln sich auf die Anwendung von Energie in den drei Welten beschränken und dass diese Energie entweder bewusst von der herrschenden Seele gehandhabt wird, oder durch die der Materie in den drei Welten innewohnenden Kraft, unabhängig von der Seele, zur Tätigkeit angetrieben wird. Wenn das der Fall ist, wird der Mensch ein Opfer seiner eigenen Form-Energien und der materiellen Seite aller Manifestation. Im anderen Fall ist er der einsichtsvolle Herrscher, der sein Schicksal in der Hand hat und die niederen Energien durch die Macht seiner Denkimpulse und die konzentrierte Aufmerksamkeit seiner eigenen Seele in Formen und Betätigungen hineinlenkt. Aus den sechs schon besprochenen Regeln treten ein paar Gedanken besonders klar hervor, die in den folgenden Begriffen zusammengefasst werden könnten:

Regel 1   -    innere Sammlung, die zu Konzentration führt.

Regel 2   -   Resonanz oder Rückwirkung, die zu einem Wechselwirken zwischen Höherem und Niederem führt.

Regel 3    -   Ausstrahlung, die zu einem Hörbarwerden des Tones führt.

Regel 4    -   Atmung, die schöpferisches Wirken zur Folge hat.

Regel 5    -   Wiedervereinigung, aus der sich die Einswerdung ergibt.

Regel 6    -   Neuorientierung, der eine klare Schau des Planes folgt.

Die Studierenden werden gut daran tun, diese Beziehungen zu betrachten und das ihnen zugrundeliegende Gemeinsame herauszuarbeiten.

In den Worten dieser Regel wird die Eigenart der Astralebene mit ihren Problemen und Aufgaben geschickt zusammengefasst. Beachtet die Begriffe in der Beschreibung, die 221 hier mit einigen kurzen Sätzen gegeben ist:

1. Die Ebene der zwiefachen Kräfte.

2. Die Ebene der zwei Pfade. [221]

3. Die Ebene, auf der die Lebenskraft gesucht wird.

4. Die Ebene der schwingenden Pole.

5. Die Ebene, auf der eine Wahl getroffen wird.

Eines der wichtigsten Dinge, die jeder Aspirant lernen muss, ist, die Astralebene zu verstehen, ihr Wesen zu begreifen und sowohl sich von ihr frei zu machen, als auch auf ihr zu arbeiten. In dieser Unterweisung versuche ich, einige klare Lehren zu geben, denn in dem Augenblick, da ein Mensch auf der Astralebene «sehen», Gleichgewicht erlangen und sich inmitten dieser Schwingungskräfte unerschütterlich festhalten kann, in diesem Augenblick ist er für die Einweihung bereit.

Zuerst wollen wir einige der Begriffe zusammensuchen, die verwendet werden, um diese Sphäre göttlichen Seins zu beschreiben; mit ihr muss ein Mensch sich zuerst identifizieren, dann zu ihrem Zentrum vordringen, ihren Illusionsschleier durchstossen und schliesslich ausgeglichen, unberührt, losgelöst, unbeeinflusst und frei dastehen.

Der Ausdruck «astral», der so oft verwendet wird, ist eigentlich eine falsche Bezeichnung. H. P. B. hatte grundsätzlich recht, wenn sie diesen Ausdruck im Zusammenhang mit den ätherischen oder lebenerfüllten Bereichen der physischen Ebene anwandte. Wenn der Kontakt mit der ätherischen Welt hergestellt ist, so ist der erste Eindruck immer der eines sternenhellen Lichts, eines Glanzes und Funkelns. Allmählich jedoch wurde das Wort mit Kama- oder Begierde identifiziert und somit für die Ebene astralen Reagierens gebraucht.

Es ist interessant, dies zu beachten, denn es ist an sich ein Beispiel für die Wirkung der Astralebene auf das menschliche Gehirn, das in unbelehrtem Zustand die Wirklichkeit ins Gegenteil verdreht und die Dinge in einem Zustand sieht, in dem das Oberste zu unterst gekehrt ist. Wenn der Aspirant die Astralebene zum ersten Male mit dem «geöffneten Auge» sieht, erscheint sie ihm wie ein dichter Nebel, als ein Durcheinander, voll wechselnder Formen, in Farben, die einander durchdringen und sich vermischen; sie hat ein solch kaleidoskopartiges Aussehen, dass das Unterfangen ganz hoffnungslos erscheint. Sie ist nicht licht, nicht sternenhell oder klar. Sie ist eine scheinbar undurchdringliche Unordnung, denn sie ist ja der Ort, an dem Kräfte aufeinandertreffen. Weil die Kräfte [222] im Körper des Aspiranten ebenfalls in Unordnung sind, vermengt er sich mit dem ihn umgebenden Chaos in einem solchen Ausmass, dass es der zuschauenden Seele zuerst fast unmöglich ist, ihren eigenen astralen Mechanismus von dem astralen Mechanismus der Gesamtmenschheit und dem astralen Mechanismus der Welt zu trennen.

Es ist dann eine der ersten Aufgaben, die der Aspirant zu lernen hat, seine eigene Aura in emotionaler Hinsicht von derjenigen seiner Umwelt zu trennen; damit geht viel Zeit hin. Aus diesem Grunde ist eine der ersten erforderlichen Befähigungen für die Jüngerschaft das Unterscheidungsvermögen, denn durch die Verwendung des Verstandes als analytisches und sonderndes Werkzeug wird der Astralleib unter Kontrolle gebracht.

Zweitens ist die Astralebene die Ebene der Illusion, der Verblendung und einer verzerrten Wiedergabe der Wirklichkeit. Der Grund hierfür ist der, dass jeder einzelne Mensch in der Welt eifrig in der Astralsubstanz wirkt, und die Kraft menschlichen Begehrens und des Weltbegehrens erzeugt jenes beständige «Ausmalen» und Formbilden, das zu höchst konkreten Wirkungen im Astralstoff führt. Die individuellen, nationalen und rassischen Begierden, die Wünsche der Gesamtmenschheit samt dem instinktiven Verlangen aller untermenschlichen Wesen verursacht eine ständige Veränderung und Verschiebung der Substanz auf dieser Ebene; es werden kurzlebige Formen erschaffen, manche von seltener Schönheit, andere unschön und hässlich, und diese werden durch die Astralenergie ihres Schöpfers mit Lebenskraft erfüllt. Fügt zu diesen Formen noch jenes bleibende und immer umfangreicher werdende Drehbuch für den Menschheitsfilm, den wir die «Akasha-Chronik» nennen hinzu, die mit der emotionalen Geschichte der Vergangenheit zu tun hat, fügt das Wirken der exkarnierten Wesen, die auf dem Wege zur Inkarnation oder zurück durch die Astralebene kommen, und das machtvolle, geläuterte und einsichtsvolle Verlangen aller übermenschlichen Wesen hinzu, einschliesslich der okkulten planetarischen Hierarchie, und die Gesamtsumme der vorhandenen Kräfte ist riesig gross. Alle wirken auf, rundum und durch jeden Menschen, der je nach der Beschaffenheit seines physischen Körpers und nach dem Zustand seiner Zentren reagiert. Durch dieses Panorama der [223] Illusion muss der Aspirant hindurch und den Schlüssel oder Faden finden, der ihn aus dem Irrgarten herausführt; er muss sich an jedes kleinste Bruchstück der Wirklichkeit halten, so wie es sich ihm bietet, und er muss lernen, Wahrheit von Verblendung, das Dauernde vom Unbeständigen, und die Gewissheit vom Unwirklichen zu unterscheiden. Der Alte Kommentar sagt hierzu:

«Lasst den Jünger den Schwanz der Weisheitsschlange anfassen und, wenn er ihn fest ergriffen hat, soll er ihr bis in das tiefste Innere in der Halle der Weisheit folgen. Er soll nicht in die Falle gehen, die ihm die Schlange der Illusion gestellt hat, sondern vielmehr sein Auge vor der schillernden Zier auf ihrem Rücken und seine Ohren vor der Melodie ihrer Stimme verschliessen. Lasst ihn das Juwel erkennen, das in der Stirne der Schlange sitzt, deren Schwanz er festhält, und lasst ihn im Strahlenglanz des Juwels die schlammigen Hallen der Maya durchqueren.»

Keine Verblendung, keine Illusion kann jenen Menschen lange zurückhalten, der sich vorgenommen hat, den messerscharfen Pfad; zu wandeln, der durch Wildnis, durch das Waldesdickicht, durch die tiefen Gewässer der Sorge und des Kummers, durch das Tal des Opfers und über die Höhen geistiger Schau bis zum Tor der Befreiung führt. Er mag manchmal im Dunkeln wandeln (und die Illusion der Dunkelheit ist sehr real); er mag manchmal durch ein so blendendes und verwirrendes Licht gehen, dass er kaum den Weg vor sich erkennen kann; er mag erfahren, was es heisst, auf dem Pfade zu straucheln und unter der Mühsal des Dienstes und Kampfes hinzusinken; er mag zeitweilig in die Irre gehen und auf den Nebenpfaden des Ehrgeizes, des Eigeninteresses und der materiellen Bezauberung abwärts wandern, aber der Fehltritt wird nur von kurzer Dauer sein. Nichts im Himmel oder in der Hölle, auf Erden oder sonst irgendwo kann den Fortschritt jenes Menschen aufhalten, der sich über die Illusion klar geworden ist, der hinter dem Blendwerk der Astralebene einen Schimmer der Wirklichkeit erhascht und den hellen Ruf seiner eigenen Seele gehört hat, und wenn es auch nur ein einziges Mal gewesen ist.

Die Astralebene ist [224] auch das Kurukshetra sowohl der Gesamtmenschheit wie des einzelnen Menschenwesens. Es ist der Kampfplatz, auf dem jeder Aspirant sein Waterloo finden muss. In manch einem Leben kommt eine emotionale Krise, in der ein entscheidender Schritt getan wird und der Jünger beweist, dass er die Herrschaft über seine Gefühlsnatur errungen hat. Das kann die Form einer grossen, lebensentscheidenden Prüfung annehmen, die nur eine kurze Zeit dauert, aber doch alle Hilfsmittel der Weisheit und Reinheit aufruft, die der Jünger besitzt, oder es kann eine lang sich hinziehende, emotionale Anspannung sein, die sich über viele Lebensjahre erstreckt. Aber dadurch, dass der Jünger den Erfolg erreicht sowie eine klare Schau und richtige Erkenntnis (durch richtige Unterscheidung) erlangt, beweist er, dass er für die zweite Einweihung gerüstet ist.

Ich möchte darauf hinweisen, dass es sich um diese Prüfung und Krise handelt, welche die Menschheit jetzt durchmacht und die mit jenen Zuständen begann, welche im Weltkrieg und in der gegenwärtigen Weltspannung gipfelten. Die erste Einweihung der Gesamtmenschheit fand statt, als die Individualisierung möglich und die Seele im Menschheitskörper geboren wurde. Dem ging ein Zeitraum fürchterlicher Anspannung und Anstrengung voraus, der von denen dumpf empfunden wurde, die bahnbrechend aus den Reihen der Tiermenschen in das Menschenreich vordrangen. Sollte nun diese zweite Krise erfolgreich überstanden werden, dann ergäbe sich als Folge die zweite Einweihung der Menschheit: der Durchgang durch die Taufe und das Eintreten in den Strom. So bilden der Weltkrieg und seine Folgeerscheinungen das Kurukshetra des Welten-Arjuna, und der Ausgang ist noch ungewiss. Vergesst dies nicht! Es besteht jedoch kein Grund zum Pessimismus, das Gute kommt unvermeidlich. Es geht indes um die Frage, ob die Erkenntnis und die Befreiung von der grossen Weltillusion schnell oder langsam vonstatten gehen soll, und zu diesem Zweck wird jeder Aspirant gebeten, rastlos zu arbeiten und mitzuhelfen. Jeder Mensch, der sich selbst befreit, der klar sieht und sich vom Blendwerk der Illusion frei macht, hilft mit bei dem grossen Werk.

Ferner ist es wiederum die Astralebene, auf der [225] das Wechselwirken der Gegensatzpaare stattfindet und wo der Zug der grossen Dualitäten am stärksten verspürt wird. Die Wechselwirkung besteht vor allem zwischen der Seele und ihrem Werkzeug, der Materie, aber es gibt eine Menge kleinere Dualitäten, die eine Rolle spielen und vom Durchschnittsmenschen leichter erkannt werden können.

Licht und Finsternis wirken aufeinander ein, so wie Lust und Schmerz; Gut und Böse treffen sich und bilden den Spielplatz der Götter, und Armut und Reichtum werden gegeneinander aufgewogen. Die ganze moderne Wirtschaftssituation ist astraler Natur, sie ist die Folgeerscheinung des Verlangens und eines gewissen egoistischen Gebrauchs der Kräfte der Materie. Hitze und Kälte, so wie wir diese Begriffe verstehen, gehen auf eine ganz besondere Weise aus dem Wechselwirken der Gegensatzpaare hervor, und eine interessante okkulte Studienrichtung befasst sich mit den Wirkungen menschheitlicher Gefühlswallungen auf die Klimaverhältnisse. Wir schaffen uns wahrhaft unser Klima in einem ganz bedeutsamen Sinn. Wenn die Begierde ausgebrannt ist, geht unser planetarisches Leben zu Ende, da die klimatischen Bedingungen dann ein Formleben, so wie wir es kennen, unwirksam machen werden.

Im Hinblick auf den Einzelmenschen liegt das Geheimnis der Befreiung im Abwägen der Kräfte und im Ausgleich der Gegensatzpaare. Der Pfad ist die schmale Linie zwischen diesen Paaren, die der Aspirant findet und betritt, ohne sich nach rechts oder links zu wenden.

Es muss immer folgendes bedacht werden: Wenn ein Mensch die Gegensatzpaare erkannt hat, wenn er die Kräfte seines eigenen Wesens im Gleichgewicht hält, wenn er den Pfad gefunden hat und selbst zum Pfade geworden ist, dann kann er mit den Weltkräften arbeiten und das Gleichgewicht der Energien in den drei Welten erhalten und so ein Mitarbeiter der Meister der Wahrheit werden. Wir wollen beten und hoffen, dass dies das praktische Ergebnis unseres Verständnisses für das Wesen des Kampfplatzes auf der Astralebene sein möge.