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Einführende Bemerkungen

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Einführende Bemerkungen

Die drei Aspekte des Menschen

Wenn man die in diesem Buch skizzierten Ideen studiert [3] und gewissenhaft betrachtet, so sind dabei bestimmte Grundgedanken zu beachten:

Erstens: Das Wichtigste für jeden Studierenden ist nicht die Tatsache, dass es die Persönlichkeit eines speziellen Lehrers gibt, sondern das Mass an Wahrheit, das dieser vertritt sowie das Vermögen des Studierenden, zwischen Wahrheit, Halbwahrheit und Irrtum zu unterscheiden.

Zweitens: Eine zunehmende esoterische Belehrung zieht auch eine sich steigernde exoterische Verantwortung nach sich. Jeder Studierende prüfe sich darum genauestens und denke daran, dass sich das Verständnis in dem Mass einstellt, in dem die erfasste Wahrheit auf die unmittelbaren Probleme und die Umwelt angewandt wird, und dass sich das Bewusstsein durch die Anwendung der mitgeteilten Wahrheit erweitert.

Drittens: Ein Grunderfordernis ist, dass man dem einmal erwählten Pfad dynamisch verbunden bleibt mit einer steten Beharrlichkeit, die alles überwindet und unerschütterlich bleibt, was auch kommen mag. Sie führt zu dem Tor, das den Eintritt in ein Reich, eine Dimension und einen Daseinszustand erschliesst, der innerlich oder subjektiv erkannt und erfahren wird. Dieser Zustand verwirklichter Erkenntnis ist es, der Veränderungen in Form und Umwelt hervorruft, die dem Grad seiner Macht entsprechen.

Diese drei Hinweise sollten von allen in ernsthafte Erwägung gezogen werden, und man muss ihre Bedeutung einigermassen erfasst haben, ehe ein weiterer, wirklicher Fortschritt möglich ist Es ist nicht meine Sache, individuelle und persönliche Anwendungsmöglichkeiten der gebotenen Lehre aufzuzeigen. Das muss von jedem einzelnen Studierenden selbst getan werden.

Ihr habt die Lehre klugerweise vor dem Makel einer auferlegten Autorität behütet, und es steht hinter euren Büchern kein Prinzip hierarchischer Autorität oder Unterstützung, so wie es etwa [4] bei gewissen kirchlichen Körperschaften und Gruppen einschränkend wirkte - angefangen von der katholischen Kirche bis zur Christlichen Wissenschaft (Christian-Science) oder zu jenen, die an die wörtliche Inspiration der heiligen Schriften glauben, und anderen zahlreichen (sogenannten) esoterischen Gruppen. Der Fluch so vieler Gruppen ist jenes geflüsterte Wort gewesen: «Die Wissenden wünschen ...», «Der Meister sagt ...», «Die Grossen befehlen ...» - und die Gruppe törichter Schafe stolpert kraftlos und blindlings durcheinander, um zu gehorchen. Sie vermeinen, durch ihre falsch angewandte Ergebenheit mit gewissen Autoritäten in Kontakt zu kommen und auf irgendeinem Abkürzungsweg in den Himmel zu gelangen.

Ihr habt eure Bücher klugerweise vor der Reaktion bewahrt, die denjenigen gegenüber eintritt, welche den Anspruch erheben, Meister, Adepten und Eingeweihte zu sein. Meine Anonymität und meine Stellung euch gegenüber müssen gewahrt bleiben, und man soll mich dem Range nach nur als älteren Studierenden betrachten, als Aspiranten für jene Bewusstseinserweiterung, die für mich den nächsten Schritt vorwärts bedeutet. Einzig das, was ich an Wahrheit sage, ist von Bedeutung; wesentlich ist allein die Inspiration und Hilfe, die ich einem Pilger auf dem Pfade gewähren kann; das, was ich durch Erfahrung gelernt habe, steht dem ernstlichen Aspiranten zur Verfügung, und mein Hauptbeitrag ist die Weite der geistigen Schau, die ich mitteilen kann (da ich den Berg etwas höher erklommen habe als mancher andere). Es steht den Studierenden frei, über diese Punkte nachzudenken, aber sie sollten müssige Spekulationen über die genauen Einzelheiten unwichtiger Personalien und Umweltgegebenheiten unterlassen.

Die Magie der Seele soll unser Thema sein; und das Leitmotiv, das all dem zugrunde liegt, was in diesem Buch erscheinen mag, findet man in den folgenden Worten der Bhagavad Gita:

«Obgleich ich ungeboren bin, die Seele, die nicht vergeht, obgleich ich Herr über alle Geschöpfe bin, so offenbare ich mich - als Herr über meine Natur - dennoch oftmals neu durch die magische Kraft der Seele.» Gita IV, 6.

Das Statistische und Akademische ist eine notwendige [5] Grundlage und Vorbereitungsstufe für die meisten wissenschaftlichen Studien; in diesem Buch jedoch wollen wir unsere Aufmerksamkeit auf den Lebensaspekt und auf die praktische Anwendung der Wahrheit im Alltagsleben des Aspiranten konzentrieren. Wir wollen erforschen, wie wir praktische Magier werden und auf welche Weise wir am besten das Leben eines geistigen Menschen und eines Aspiranten für die angenommene Jüngerschaft in unserer jetzigen Zeit, Lage und Umwelt führen können.

Dazu wollen wir die fünfzehn Regeln für Magie benützen, die in meinem früheren Buch «Eine Abhandlung über kosmisches Feuer» enthalten sind. Ich will darüber Erläuterungen geben, wobei ich mich aber nicht mit der kosmischen Bedeutung dieser Regeln oder mit deren solaren und anderen Entsprechungen und Analogien beschäftige, sondern sie auf die Arbeit des Aspiranten anwende; auch werde ich praktische Ratschläge für eine bessere Entwicklung des Seelenkontaktes und der Seelenoffenbarung geben. Ich setze gewisse Kenntnisse voraus und nehme an, dass die Studierenden folgen und bestimmte technische Ausdrücke verstehen können, die ich vielleicht werde benützen müssen. Ich habe es nicht mit kleinen Kindern zu tun, sondern mit reifen Menschen, die einen bestimmten Weg gewählt und sich verpflichtet haben, «im Licht zu wandeln».

In diesem Buch versuche ich, viererlei zu tun und drei Arten von Menschen anzusprechen. Die Lehre des Buches fusst auf vier grundlegenden Voraussetzungen, die folgendes bezwecken:

1. Die Gesetze geistiger Psychologie zu lehren, im Unterschied zu mentaler und emotioneller Psychologie.

2. Das Wesen der menschlichen Seele und ihre Beziehungen im Sonnensystem und im Kosmos deutlich zu machen. Dies wird als Vorbereitungsstufe auch ihre Gruppenbeziehung einschliessen

3. Die Beziehungen zwischen dem Selbst und den Hüllen darzulegen, deren sich dieses Selbst bedienen kann; so soll die all gemeine Auffassung über die Konstitution des Menschen geklärt werden.

4. Das Problem der übernatürlichen Kräfte zu erläutern und die Regeln 6 für deren [6] gefahrlose und nutzbringende Entwicklung zu geben.

Wir stehen jetzt ziemlich am Ende einer grossen Übergangsepoche, und die subtileren Lebensbereiche sind uns näher als je zuvor; ungewöhnliche Erscheinungen und unerklärliche Geschehnisse sind an der Tagesordnung, mehr als zu irgendeiner früheren Zeit, derweilen telepathische, psychische und besondere Dinge sogar die Aufmerksamkeit von Skeptikern, Wissenschaftlern und Frömmlern in Anspruch nehmen. Überall werden Gründe für das Auftreten der Phänomene gesucht und Gesellschaften für deren Erforschung und Erklärung ins Leben gerufen. Viele gehen irre, wenn sie sich bemühen, in sich selbst psychische Zustände und jene energieerzeugenden Faktoren herbeizuführen, welche die Offenbarung besonderer Kräfte veranlassen. Dieses Buch ist bestrebt, die gegebenen Mitteilungen in den Lebensrahmen, so wie wir ihn heute kennen, einzupassen und es will zeigen, wie natürlich und wahr im Grunde alles ist, was als mysteriös bezeichnet wird Alles steht unter dem Gesetz, und die Gesetze bedürfen der Erläuterung, da jetzt des Menschen Entwicklung eine Stufe erreicht hat, auf der er die Schönheit und Wirklichkeit dieser Gesetze richtiger einschätzen kann.

Drei Arten von Menschen wird dieses Buch ansprechen, nämlich:

1. Jene unvoreingenommenen Forscher, die bereit sind, seine Grundlagen als Arbeitshypothese anzunehmen, solange sie sich nicht als falsch erweisen. Sie werden ganz offen ungläubig, aber in ihrer Suche nach Wahrheit zeitweise bereit sein, die Methoden auszuprobieren und den Anregungen zu folgen, die ihrer Überlegung anheimgestellt sind.

2. Aspiranten und Jünger. Sie werden diese Abhandlung studieren, um sich selbst besser verstehen zu lernen und weil sie ihren Mitmenschen helfen möchten. Sie werden die Thesen nicht blindlings annehmen, sondern die Stadien und Stufen, die für sie in diesem Abschnitt der Lehren der Urweisheit (7) niedergelegt sind, sorgfältig erproben, überprüfen und bestätigen.

3. Eingeweihte. Diese Menschen werden zu einem tieferen Sinn vordringen, der jenen in der ersten Gruppe nicht sichtbar sein wird, und auch von den weiter fortgeschrittenen Mitgliedern der zweiten nur geahnt werden kann. Innerlich wissen sie um die Wahrheit vieler Aussagen und werden die subjektive Auswirkung mancher dieser Gesetze erkennen. Diese Naturgesetze haben Wirkungen in drei verschiedenen Bereichen:

a. Im Physischen, wo sie sich als Wirkungen in der dichten Form zeigen.

b. Im Ätherischen, wo sie als die Energie offenbar werden, die hinter jenen Wirkungen liegt.

c. Im Mentalen, wo sie mit den Impulsen zu tun haben, welche die beiden anderen hervorbringen.

Die «Abhandlung über kosmisches Feuer» beschäftigte sich vor allem mit dem Sonnensystem und berührte menschliche Aspekte und Entsprechungen nur insofern, als aus ihnen die Beziehung des Teiles zum Ganzen und der Einheit zur Gesamtheit hervorging.

Das vorliegende Buch wird ganz besonders die menschliche Entwicklung und Entfaltung behandeln, die Ursachen erläutern, die für die gegenwärtigen Wirkungen verantwortlich sind, und auf die Zukunft und ihre Möglichkeiten sowie auf die Natur der sich entfaltenden Anlagen hinweisen.

Auch ist dieses Buch auf vier grundlegenden Voraussetzungen aufgebaut, die von demjenigen, der die folgenden Seiten studiert, als eine Hypothese angenommen werden müssen, die der Erwägung und Prüfung wert ist. Von keinem, der die Urweisheit wahrhaft erforschen will, wird blinde Zustimmung zu irgendeiner Darstellung verlangt; es wird jedoch von ihm erwartet, dass er aufgeschlossen und ernsthaft die Theorien und Ideale, die Gesetze und Wahrheiten prüft und wägt, die schon so viele aus der Dunkelheit [8] ins Licht des Wissens und der Erfahrung geführt haben. Die Voraussetzungen könnten ihrer Wichtigkeit nach wie folgt aufgezählt werden:

I. Es besteht in unserem offenbarten Universum die Wesensäusserung einer Energie oder eines grossen Lebewesens, das die verantwortliche Ursache für die verschiedenen Formen und für die ungeheure Rangordnung empfindender Wesen ist, welche die Gesamtheit all dessen ausmachen, was existiert. Dies ist die sogenannte hylozoistische Theorie (die Theorie vom Belebtsein allen Stoffes), obwohl die Bezeichnung nur zu Verwirrung Anlass gibt. Dieses grosse Leben ist die Grundlage des Monismus, und alle erleuchteten Menschen sind Monisten. «Gott ist Eins», das ist ein wahrhafter Ausspruch. Eine einzige Lebensessenz durchdringt alle Formen, und diese Formen sind die Ausdrucksmittel der zentralen universellen Energie in Zeit und Raum. Schöpferisches Leben bringt Existenz und Beschaffenheit hervor. Es ist darum die tiefste Ursache der Dualität. Diese Dualität, die in Erscheinung tritt, wenn Objektivität vorhanden ist, und die verschwindet, wenn der Formaspekt vergeht, wird mit vielen Ausdrücken bezeichnet, von denen die gebräuchlichsten um der Klarheit willen hier angeführt werden sollen:

Geist  -  Materie

Leben  -  Form

Vater  -  Mutter

Positiv  -  Negativ

Dunkelheit  -  Licht.

Die Studierenden müssen diese wesensmässige Einheit in ihren Gedanken klar festhalten, selbst wenn sie (wie sie ja müssen) in endlichen Begriffen von dieser Dualität sprechen, die überall und zyklisch offenbar wird.

II. Die zweite Voraussetzung erwächst aus der ersten und besagt, dass das eine Leben, das sich durch die Materie offenbart, eine dritte Kraft erzeugt, nämlich das Bewusstsein. Dieses Bewusstsein, das aus der Vereinigung der beiden Pole Geist und Materie hervorgeht, ist die Seele aller Dinge; es durchdringt alle Substanz oder objektive Energie; es liegt allen Formen zugrunde, sei es nun die Form jener Energieeinheit, die wir «Atom» nennen, oder die Form eines Menschen, eines Planeten oder eines Sonnensystems. Dies ist die Theorie der Selbstbestimmung oder [9] die Lehre, dass alle die Lebewesen, aus denen das eine Leben besteht, in ihrem Wirkungsbereich und ihrem Daseinszustand sozusagen in der Materie verankert werden und Formen annehmen, wodurch ihr eigener, spezieller Bewusstseinszustand verwirklicht und ihre Schwingung gefestigt werden kann; auf solche Weise können sie sich als existierende Wesen erkennen. So wird auch das eine Leben mit Hilfe des Sonnensystems eine gefestigte, bewusste Wesenheit und ist daher im Grunde die Gesamtheit aller Energien, aller Bewusstseinszustände und aller bestehenden Formen. Das Gleichartige wird zum Vielfältigen und bleibt doch eine Einheit; das Eine offenbart sich in der Verschiedenheit und bleibt doch unverändert; die zentrale Einheit wird in Zeit und Raum als zusammengesetzt und differenziert erkannt, und doch: wenn Zeit und Raum nicht mehr bestehen (da sie nur Bewusstseinszustände sind), bleibt nur die Einheit, und nur der Geist wird fortdauern samt einer verstärkten Schwingungstätigkeit und der Fähigkeit, das Licht zu intensivieren, wenn der Zyklus der Manifestation (Formbildung) wiederkehrt.

Innerhalb des schwingenden Pulsschlages des einen, sich offenbarenden Lebens wiederholen alle die kleineren Leben den Daseinsprozess - Götter, Engel, Menschen und die Myriaden von Lebewesen, die durch die Formen der Naturreiche und durch die Wirksamkeit des Evolutionsprozesses ihren Ausdruck finden. Alle werden egozentrisch (ich-bezogen) und selbstbestimmt.

III. Die dritte grundlegende Voraussetzung ist die, dass das Ziel, um dessentwillen das Leben Form annimmt, und der Zweck des körperlichen Daseins darin besteht, Bewusstsein zu entfalten oder die Seele zu offenbaren. Dies könnte die Theorie von der Evolution des Lichts genannt werden. Wenn man sich klar macht, dass sogar der moderne Wissenschaftler erklärt, Licht und Materie seien gleichbedeutende Begriffe und er damit die Lehre des Ostens wiedergibt, dann wird es offensichtlich, dass durch das Wechselspiel der Pole und durch die Reibung der Gegensatzpaare Licht aufflammt. Man wird entdecken, dass das Ziel der Evolution eine stufenweise Folge von Lichtäusserungen ist. Verschleiert und verborgen liegt Licht in [10] jeglicher Form. Mit fortschreitender Evolution wird die Materie ein immer besserer Leiter für das Licht und beweist damit die Richtigkeit der Worte Christi: «Ich bin das Licht der Welt.»

IV. Die vierte Voraussetzung besteht in der Behauptung, dass sich alle Lebewesen zyklisch manifestieren. Dies ist die Theorie der Wiedergeburt oder der Reinkarnation, der sichtbare Beweis für das Gesetz der Periodizität.

Das sind die grossen Wahrheiten, die das Fundament der Ewigen Weisheit bilden - die Existenz des Lebens und die Entwicklung des Bewusstseins durch das zyklische Annehmen einer Form.

In diesem Buch wird indes der Nachdruck auf das kleine Leben gelegt, auf den Menschen, der «nach dem Ebenbilde Gottes erschaffen» ist und durch die Methode der Wiedergeburt sein Bewusstsein entfaltet, bis es als die vollkommene Seele erblüht, deren Wesen Licht und deren Erkenntnis die einer eigenbewussten Identität ist. Diese fertig entwickelte Einheit muss schliesslich mit voller, einsichtiger Anteilnahme im grösseren Ganzen aufgehen, zu dem sie als ein Teil gehört.

Ehe wir nun unser Thema aufnehmen, wird es nützlich sein, bestimmte Worte zu definieren, die ständig gebraucht werden; denn dann werden wir wissen, worüber wir reden, und werden die Bedeutung der Ausdrücke kennen, die wir benutzen.

1. Okkult. Diese Bezeichnung betrifft die verborgenen Kräfte des Seins und jene Triebfedern des Verhaltens, welche die objektive (äussere, körperliche) Manifestation bewirken. Das Wort «Verhalten» ist hier mit Vorbedacht gewählt, denn alles manifestierte Dasein in allen Naturreichen ist Ausdruck von Leben, Absicht und Tätigkeitsart irgendeines Wesens oder einer Daseinsform und ist so buchstäblich die Verhaltensart (oder äussere Natur oder Qualität) eines Lebens. Diese Triebfedern des Handelns liegen in der Zielsetzung eines jeden Lebens verborgen - sei es nun ein Sonnenleben, eine planetarische Wesenheit, ein Mensch oder jenes grosse Wesen, das die Gesamtheit der Bewusstseinszustände und Formen eines jeden Naturreiches ist.

2. Gesetze. Ein Gesetz setzt ein höheres Wesen [11] voraus, das - mit Absicht begabt und von Intelligenz geleitet - seine Kräfte so in Übereinstimmung bringt und ordnet, dass ein Plan folgerichtig und stetig zur Reife gebracht wird. In klarer Erkenntnis des Ziels lässt diese Wesenheit jene Massnahmen und Stadien wirksam werden, die den Plan zur Vollendung bringen, wenn man sie ordnungsgemäss weiterführt. Das Wort «Gesetz» enthält, so wie man es für gewöhnlich versteht, den Gedanken der Unterwerfung unter eine Wirksamkeit, die als unwandelbar und unerbittlich erkannt, aber nicht verstanden wird von demjenigen, der ihr unterworfen ist; es gehört dazu von einem gewissen Standpunkt aus das Verhalten der im Gruppenimpuls untergetauchten Einheit sowie deren Unfähigkeit, den Impuls zu ändern oder sich der Entscheidung zu entziehen; es führt unvermeidlich im Bewusstsein des Menschen, der die betreffenden Gesetze betrachtet, zu dem Gefühl, ein Opfer zu sein - vorwärtsgetrieben zu werden wie ein Blatt vor dem Wind, einem Ende zu, über das man nur Vermutungen anstellen kann und von einer Kraft regiert zu werden, die anscheinend mit einem unabwendbaren Zwang handelt und so Gruppenergebnisse auf Kosten der einzelnen Einheit hervorbringt. Diese Geisteshaltung ist unvermeidlich, bis einmal das Bewusstsein des Menschen so erweitert werden kann, dass er die grösseren Dinge wahrnimmt, um die es geht. Wenn er durch Kontakt mit seinem eigenen höheren Selbst am Wissen um das angestrebte Ziel teilnimmt, wenn sich sein Ausblick durch das Erklimmen des Berges der geistigen Schau ändert und sich sein Horizont erweitert, dann kommt er zu der Einsicht, dass ein Gesetz nur der geistige Impuls, die Triebkraft und Lebensoffenbarung jenes grossen Wesens ist, in dem er lebt und webt. Er lernt, dass dieser Impuls eine intelligente Absicht darstellt, die von Weisheit geleitet und auf Liebe gegründet ist. Dann beginnt er selbst das Gesetz zu handhaben oder weise, liebevoll und mit Einsicht so viel von diesem geistigen Lebensimpuls durch sich hindurchströmen zu lassen, als sein spezieller Organismus aufnehmen, weiterleiten und nutzbar machen kann. Er hört auf, ein Hemmschuh zu sein und fängt an, sich umzustellen. Er beendet den Zyklus des abgeschlossenen, egozentrischen Lebens und öffnet die Tore weit [12] für die geistige Energie. Indem er dies tut, bemerkt er, dass das Gesetz, das er gehasst und dem er misstraut hat, die belebende, reinigende Wirkkraft ist, die ihn und alle Geschöpfe Gottes zu herrlicher Vollendung treibt.

3. Psychisch. Es manifestieren sich zwei Arten der oben genannten Kraft, soweit es sich um das Menschenreich handelt, und diese beiden müssen klar begriffen werden. Da ist einmal die Kraft, welche die unter dem Menschen stehenden Naturreiche belebt - die beseelende Energie, die alle Formen hervorbringt, wenn sie mit der Energie der Materie und des Selbstes zusammentrifft. Die Wirkung dieser Verbindung besteht darin, dass der keimhaften Intelligenz der Substanz ein latentes Empfindungsvermögen und eine Empfänglichkeit mitgegeben wird, die jenes subjektive Etwas entstehen lässt, das wir die Tierseele nennen. Diese gibt es in vier Graden oder Stadien empfindenden Wahrnehmens:

a. Das Bewusstsein des Mineralreiches.

b. Das Bewusstsein des Pflanzenreiches.

c. Das Bewusstsein des Tierreiches.

d. Das Bewusstsein der tierischen Form, durch die der Geistesmensch wirkt; dieses ist also im Grunde nur eine Abteilung der vorherigen Gruppe in ihrer höchsten Ausdrucksform.

Zweitens gibt es jene psychische Kraft, die aus der Vereinigung des Geistes mit der empfindenden Materie im Menschenreich entsteht und die ein psychisches Zentrum hervorbringt, das wir die Menschenseele nennen. Dieses psychische Zentrum ist ein Kraftzentrum, und die Kraft, die es bewahrt oder bekundet, setzt eine Empfänglichkeit und eine Wahrnehmungsfähigkeit in Tätigkeit, die der Seele unseres planetarischen Lebens eigen sind - ein Gruppenbewusstsein, das Fähigkeiten und Kenntnisse von anderem Rang oder anderer Ordnung mit sich bringt als die der Tierseele. Diese Faktoren verdrängen schliesslich die Fähigkeiten der Tierseele, die begrenzend, verzerrend und einkerkernd wirken, und geben dem Menschen einen weiten Kontaktbereich und ein Wissen, das unfehlbar, frei von Irrtum ist und ihm den Zutritt zu «der Freiheit der Himmel» gewährt. Wenn die Seele des Menschen [13] freien Spielraum hat, so zeigen ihre Wirkungen die Fehlbarkeit und die verhältnismässige Nutzlosigkeit der Kräfte der Tierseele auf. Ich möchte hier lediglich die beiden Bedeutungen darlegen, in denen das Wort «psychisch» gebraucht wird. Später werden wir das Wachstum und die Entwicklung der niederen psychischen Natur oder Seele der Hüllen betrachten, in denen ein Mensch in den drei Welten wirkt, und dann wollen wir versuchen, das wahre Wesen der menschlichen Seele und der Fähigkeiten zu erklären, die in Tätigkeit versetzt werden können, sobald der Mensch einmal Kontakt mit seinem eigenen geistigen Zentrum, der Seele, gewinnen und in diesem Seelenbewusstsein leben kann.

4. Entfaltung. Das Leben im Herzen des Sonnensystems bringt eine evolutionäre Entfaltung der Energien in diesem Universum hervor, die der endliche Mensch noch nicht erschauen kann. In ähnlicher Weise bringt das Energiezentrum, das wir den Geistesaspekt des Menschen nennen, durch die Verwendung von Materie oder Substanz, eine evolutionäre Entwicklung dessen zustande, was wir die Seele nennen, die höchste aller Formoffenbarungen - das Menschenreich. Der Mensch ist das höchste Daseinsergebnis in den drei Welten. Mit «Mensch» meine ich hier den Geistesmenschen, einen inkarnierten Gottessohn. Die Formen aller Naturreiche - Mensch, Tier, Pflanze und Mineral - tragen zu jener Offenbarung bei. Die Energie des dritten Aspekts der Göttlichkeit strebt nach der Offenbarung der Seele oder des zweiten Aspekts, der seinerseits den höchsten Aspekt offenbart. Man sollte immer daran denken, dass H. P. Blavatsky dies in ihrer «Geheimlehre» mit den folgenden Worten genau zum Ausdruck bringt: «Wir betrachten das Leben als die eine Form der Existenz, die sich in der sogenannten Materie manifestiert; oder in dem, was wir im Menschen ungenauerweise trennen und Geist, Seele und Stoff nennen. Materie ist der Träger für die Offenbarung der Seele auf dieser Daseinsebene, und die Seele ist der Träger für die Offenbarung des Geistes auf einer höheren Ebene, und diese drei sind eine Dreieinigkeit, die [14] im Leben, das sie alle durchströmt, ihre Synthese findet.» (Geheimlehre, Bd. I., S. 79-80.)

Durch Verwendung von Materie entfaltet sich die Seele und findet ihren Höhepunkt in der Seele des Menschen; diese Abhandlung wird sich nun mit der Entfaltung dieser Seele und ihrer Entdeckung durch den Menschen befassen.

5. Wissen könnte in drei Kategorien eingeteilt werden: Erstens gibt es ein theoretisches Wissen. Dieses umfasst alle Kenntnisse, die sich ein Mensch aneignen kann, die er jedoch auf Grund von Aussagen anderer Menschen, besonders von Spezialisten in den verschiedenen Wissenszweigen annimmt. Es gründet sich auf autoritative Behauptungen und trägt in sich das Element des Vertrauens zu den Schreibern und Sprechern und zu dem geschulten Erkenntnisvermögen derer, die auf den vielen unterschiedlichen Gebieten des Denkens tätig sind. Die als solche angenommenen Wahrheiten sind von demjenigen, der sie hinnimmt, nicht formuliert oder nachgeprüft worden, da ihm die dafür notwendige Schulung und Ausrüstung fehlt. Die Thesen der Wissenschaft, die Theologien der Religionen und die Erkenntnisse der Philosophen und Denker beeinflussen überall die Ansichten und finden eine bereitwillige Anerkennung beim ungeübten Intellekt - und das ist der Verstand des Durchschnittsmenschen.

Dann haben wir zweitens ein unterscheidendes Wissen, in dem eine auswählende Qualität liegt, und das die einsichtsvolle Würdigung und praktische Anwendung der typisch wissenschaftlichen Methoden zur Bedingung stellt. Es fordert die Anwendung von Prüfungsmethoden, die Ausmerzung dessen, was nicht bewiesen werden kann, und die Aussonderung jener Faktoren, die einer Erforschung standhalten und in Übereinstimmung stehen mit dem, was man unter «Gesetz» versteht. Das vernünftige, beweiskräftige, schulmässige und konkretisierende Denken tritt in Tätigkeit mit dem Ergebnis, dass vieles, was kindisch, unmöglich und unbelegbar ist, abgelehnt wird; so entsteht daraus eine Klärung der Gedankenbereiche. Durch diesen unterscheidenden, wissenschaftlichen Vorgang wurde der Mensch fähig, viele Wahrheiten in bezug auf die drei Welten zu erkennen. Die wissenschaftliche Methode spielt für das Menschheitsdenken die gleiche Rolle wie die okkulte Methode der Meditation (in ihren beiden ersten Stadien der Konzentration und der verlängerten Konzentration oder Meditation) für den Einzelmenschen. Durch sie werden richtige Gedankengänge hergestellt, unwichtige und ungenaue Formulierungen der Wahrheit schliesslich ausgemerzt oder korrigiert, und aus der stetigen Konzentration der Aufmerksamkeit entweder auf einen Saatgedanken, ein wissenschaftliches Problem, eine Philosophie oder eine Weltsituation ergibt sich am Ende eine Klärung, und überdies kommen ständig richtige Ideen und vernünftige Schlussfolgerungen herein. Die fortschrittlichsten Denker jeder grossen Geistesrichtung sind lediglich Exponenten für [15] die okkulte Meditation, und die glänzenden Entdeckungen der Wissenschaft, die richtige Auslegung der Naturgesetze, die Formulierung genauer Schlussfolgerungen - sei es auf dem Gebiete der Wissenschaft, der Wirtschaft, Philosophie, Psychologie oder sonst irgendwo - all dies ist nur ein Erfassen der ewigen Wahrheiten durch das Denkvermögen (und demzufolge durch das Gehirn) und ein Anzeichen dafür, dass die Menschheit beginnt, die Kluft zwischen dem Objektiven und dem Subjektiven, zwischen der Welt der Formen und der Ideenwelt zu überbrücken.

Dies führt unvermeidlich dazu, dass der dritte Wissenszweig, das intuitive Wissen, in Erscheinung tritt. Die Intuition ist in Wirklichkeit nur die gedankliche Wahrnehmung einer bestimmten Kraft in der Schöpfung, eines wirkenden Gesetzes und eines Aspektes der Wahrheit, den die Seele erkennt, der von der Ideenwelt ausgeht und von der Art jener Energien ist, die alles hervorbringen, was erkannt und geschaut wird Diese Wahrheiten sind immer da, und diese Gesetze sind immer wirksam, aber erst wenn das Denkvermögen geschult und entwickelt, konzentriert und unbefangen ist, können sie erkannt, später verstanden und schliesslich den Bedürfnissen und Forderungen von Zyklus und Zeit angepasst werden. Diejenigen, die ihren Verstand derart in der Kunst klaren Denkens, in der Sammlung der Aufmerksamkeit und in der daraus folgenden Aufnahmebereitschaft für die Wahrheit geübt haben, sind immer [16] bei uns gewesen, aber bis jetzt waren es nur wenige und ganz vereinzelte Sie sind zu allen Zeiten die hervorragenden Geister gewesen. Aber jetzt sind es schon viele und es werden ihrer immer mehr. Die Denkfähigkeit der Menschheit wird immer weiter ausgebildet, und viele Denker stehen an den Grenzen zu einem neuen Wissen. Die Intuition, die alle fortgeschrittenen Denker in neue Erfahrungsgebiete einführt, ist nur der Vorläufer jener Allwissenheit, die ein Merkmal der Seele ist. Die Wahrheit über alle Dinge gibt es tatsächlich, und wir nennen sie Allwissenheit, Unfehlbarkeit, das «richtige Wissen» der Hinduphilosophie. Wenn der Mensch ein Teilchen davon begreift und dem Menschheitsbewusstsein einverleibt, sprechen wir von der Formulierung eines Gesetzes oder von der Entdeckung des einen oder anderen Naturprozesses. Bisher war dies ein langsames und stückweises Unterfangen.

Später, und zwar in nicht allzu ferner Zeit, wird Licht einströmen und Wahrheit geoffenbart werden; die Menschheit wird ihr Erbe antreten - das Erbteil der Seele.

Bei einigen unserer Betrachtungen muss zwangsläufig Spekulation einsetzen. Menschen mit geistiger Schau, welche denen vorenthalten ist, die nicht das zum Verständnis notwendige Rüstzeug besitzen, werden als Phantasten und als unzuverlässig angesehen. Wenn viele die Vision haben, wird ihre Möglichkeit zugegeben, aber erst, wenn die Menschheit selbst das erweckte und offene Auge hat, wird die Vision nicht länger als etwas Besonderes hervorgehoben, sondern als eine Tatsache festgestellt und als Gesetz verkündet. So war es in der Vergangenheit und so wird es auch in Zukunft sein.

Die Vergangenheit ist vom Standpunkt des Durchschnittsmenschen rein auf theoretischen Vermutungen aufgebaut, und die Zukunft ist es ebenfalls; er selbst aber ist das Ergebnis dieser Vergangenheit, und in der Zukunft wird sich die Gesamtsumme seiner gegenwärtigen Eigenschaften und Qualitäten auswirken. Wenn dies für den Einzelnen gilt, so gilt es im gleichen Mass für die Menschheit als Ganzes. Jene Einheit in der Natur, die wir das vierte oder menschliche Reich nennen, repräsentiert das, was aus ihrem physischen Erbteil geworden ist; ihre charakteristischen Merkmale sind die Summe ihrer emotionalen und mentalen Entfaltungen, und ihre Aktivposten sind jene Werte, die sie in all den Zeitläufen angehäuft hat, in denen sie mit ihrer Umwelt rang - mit der Gesamtheit der anderen Naturreiche. Im Menschenreich [17] liegen Werdemöglichkeiten und gebundene Kräfte, Eigenschaften und Aktivposten, welche die Zukunft offenbaren wird, und die ihrerseits diese Zukunft gestalten werden.

Ich habe absichtlich mit dem Undefinierbaren und Unerkannten angefangen. Die Seele ist bis jetzt noch eine unbekannte Grösse. Sie hat noch keinen wirklichen Platz in den Theorien der akademischen und wissenschaftlichen Forscher. Sie ist nicht bewiesen und wird selbst von den unvoreingenommenen Akademikern nur als eine mögliche Hypothese angesehen, für die aber noch der Beweis fehlt. Sie wird noch nicht als eine Tatsache im Menschheitsbewusstsein anerkannt. Nur zwei Gruppen von Menschen nehmen sie als wirklich vorhanden an: die eine ist die Gruppe jener leichtgläubigen, unentwickelten, kindhaften Menschen, die im Glauben an eine der heiligen Schriften der Welt aufgewachsen und religiös veranlagt sind; sie nehmen die Behauptungen oder Forderungen der Religion - wie z.B. die Seele, Gott und die Unsterblichkeit - ohne zu zweifeln an. Die andere ist jene kleine, aber ständig wachsende Gruppe von Menschen, die Gott und die Wirklichkeit kennen, die - aus eigener Erfahrung - wissen, dass die Seele eine Tatsache ist, die aber nicht in der Lage sind, deren Existenz jenem Menschen befriedigend zu beweisen, der nur das gelten lässt, was das konkrete Denkvermögen fassen, analysieren, kritisieren und prüfen kann.

Wie es mit den Extremen immer geschieht, begegnen sich der Unwissende und der Weise auf gemeinsamem Boden. Dazwischen stehen jene Menschen, die weder ganz unwissend noch intuitiv weise sind. Das sind die Massen gebildeter Menschen, die wohl Kenntnisse, aber kein Verständnis haben, und die noch lernen müssen zu unterscheiden zwischen dem, was mit dem rationalen Denken erfasst, mit dem Auge des Verstandes wahrgenommen werden kann und dem, was nur das höhere oder abstrakte Denken formulieren und wissen kann. Dieses geht am Ende in Intuition auf, in der «Erkenntnisfähigkeit» des intelligenten und praktischen Mystikers, der das Denkvermögen als Brennpunkt benützt und durch diese Linse auf die Seelenwelt blickt - wobei er die emotionelle und [18] empfindende Natur auf den ihr zukommenden Platz verweist.