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TEIL II - Die Grunderfordernisse für das Heilen - Teil 1

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TEIL II

Die Grunderfordernisse für das Heilen

Wir kommen [380] nun zu einem neuen Abschnitt in der Besprechung der Strahlen und Krankheiten. Er dient wesentlich mehr praktischen Zwecken als der (für euch alle) ausgesprochen theoretische Teil, den wir eben abgeschlossen haben. Vieles von dem, was ich bisher gesagt habe, ist für euch eine etwas fragliche Wahrheit (wobei ich das Wort «fraglich» in seinem wirklichen Sinne, nämlich als «Fragen herausfordernd», verwende). Für diejenigen von euch, deren Intuition schon weit entwickelt ist, war es bestenfalls eine «möglicherweise stimmende» Hypothese. Ich möchte euch hier bitten, diese Ausdrucksweise zu beachten, so paradox sie auch scheinen mag. Ihr habt keine direkten Mittel, um zu erfahren, wie wahr sie vielleicht ist. Vieles von dem Mysterium des Lebens und Lebendigseins wird klar werden in dem Mass, als immer mehr Aspiranten in der Welt bewusst in dem Reich der Ursachen zu wirken beginnen. In der Hierarchie gibt es keine Zweifelsfragen, ausser in jenen Dingen, die mit der nicht vorauszusehenden Art menschlicher Reaktionen zu tun haben. Sogar bezüglich der unbestimmbaren Aktionen der Menschheit können die Meister meistens abschätzen, was geschehen wird, doch lehnen sie es esoterisch ab, «über die auf der Ebene irdischen Lebens freigelassenen Energien nachzudenken, aus der Besorgnis, dass Gegenenergien aus dem hierarchischen Zentrum vielleicht die Realität des freien menschlichen Willens behindern könnten». Ich zitiere hier einen der Meister, der auf einer Konferenz im Jahr 1725 sprach.

Was ich euch [381] in dem vorigen Abschnitt gesagt habe, ist für mich unbezweifelbare Wahrheit und tatsächlich erwiesen; für euch mag es eine ausreichende Hypothese oder auch eine zweifelhafte, nicht annehmbare Auslegung der zugrundeliegenden Krankheitsursachen sein.

Die Menschheit hat eine sehr lange Vergangenheit hinter sich, in der sogenannte Sünden und Irrtümer, falsches Tun und falsche Einstellungen ein sehr schweres Karma aufgehäuft haben, das in unserer Zeit (zum Glück für die Menschheit) sehr schnell abgearbeitet wird. Das ungeheure Interesse an Krankheiten, das sich heute zeigt, der konzentrierte Einsatz aller Hilfsmittel medizinischer und chirurgischer Wissenschaft für die kämpfenden Kräfte - (Hilfsmittel, die später zur Unterstützung der Zivilbevölkerung in den verwüsteten Ländern beider Hemisphären mobilisiert werden müssen) - die umfangreichen Forschungen, die in unseren Krankenhäusern und Lehrstätten durchgeführt werden, die sich jagenden Entdeckungen der Wissenschaft sowie die ständige Tendenz zu einer dringend nötigen Vereinfachung - all das wird in Kürze grosse Veränderungen in der Behandlung von Krankheiten bringen und dazu führen, dass viele schreckliche, vererbte Krankheiten ausgerottet werden.

Die Inspiration und das Einströmen okkulten Wissens über die Jünger und Eingeweihten der Welt wird viele Veränderungen in den Methoden mit sich bringen; die kommende Offenbarung neuer und doch ganz einfacher Gesundheitsgesetze und die zwangsläufig folgende Verschmelzung der Schulmedizin mit der Psychologie und den geistigen Heilweisen wird uns einen völlig neuen Zugang zu dem ganzen Fachgebiet erschliessen; die immer mehr zunehmende Verwendung des Feuers als Reinigungsmittel (sowohl in bezug auf den Erdboden als auch auf den Leichnam) wird dabei viel helfen. Das Verfahren, Fieber als Heilmittel für gewisse Krankheitsformen zu erzeugen und die (häufig auch von der Natur angewandte) Methode, grosse Gebiete des Erdbodens der Einwirkung des Feuers auszusetzen, wird sich zu einer neuen, ausserordentlich hilfreichen Wissenschaft entwickeln. Dazu wird es jedoch erst später kommen. Ich zeige lediglich schwache Tendenzen in dieser Richtung auf. Der [382] Mensch steht - auf allen Wissensgebieten - auf einem Höhepunkt, der durch die rasche Entfaltung des menschlichen Bewusstseins erreicht wurde; und darauf folgt ein wesentlich grösseres Verstehen und Begreifen der bestimmenden Ursachen, die vieles von dem bewirken, was heute den physischen Körper des Menschen quält und bedrängt.

Die neue Gelehrsamkeit und das kommende Wissen werden sich als Folge dessen einstellen, dass die Intuition erwacht, dass eine grosse Zahl vorgeschrittener und entwickelter Seelen auf Erden lebt, und dass Hierarchie und Menschheit in eine engere Beziehung zueinander kommen. Die (langsam fortschreitende) Verschmelzung der Energien dieser beiden planetarischen Zentren wird grössere Veränderungen und Entfaltungen mit sich bringen und dies nicht nur in den Wahrnehmungsfähigkeiten des Menschen, sondern auch in seinem physischen Körper. Es wird sich eine viel grössere Widerstandskraft gegen angeborene und vererbte Krankheiten sowie eine echte Fähigkeit entwickeln, Infektionen zu widerstehen; dadurch werden viele Schmerzen und Leiden verschwinden. Die Verminderung der Summe menschlichen Karmas durch das Erleben dieses planetarischen Krieges (1914 - 1945) wird es den nach Inkarnation strebenden Seelen ermöglichen, sich Körper zu erschaffen, die von den Neigungen zu krankhafter Entwicklung frei sind. Die Meister sind gänzlich frei von Krankheit, da sie das Karma in den drei Welten vollständig überwunden haben und erlöst sind.

Die während der letzten fünfzig Jahre entwickelte Fähigkeit, der weltweiten Krankheit Tuberkulose Schach zu bieten, wird diese Krankheit überhaupt ausrotten, wenn man sie auch in den dicht bevölkerten Gebieten des Orients und in jenen Landstrichen bekämpft, die bisher unter unzulänglicher ärztlicher Betreuung leiden. Die syphilitischen Krankheiten werden jetzt schon mit Hilfe der kürzlich entdeckten Heilmittel rasch unter Kontrolle gebracht, obwohl diese Drogen von den Meistern lediglich als Linderungsmittel und als oberflächlich in Zeit und Raum betrachtet werden. Solche Krankheiten werden allmählich und in der richtigen Weise vollständig ausgerottet werden, wenn die Menschheit ihr Bewusstsein mehr auf die Mentalebene verlagert, sich also abwendet vom Bereich astraler und sexueller Begierden mit ihren Reflexwirkungen im automatisch [383] reagierenden physischen Körper. Die dritte grosse planetarische Krankheit, der Krebs, kann bis jetzt noch nicht grundsätzlich bezwungen werden; die verhältnismässig einfache Methode der Chirurgie scheint gegenwärtig die einzig mögliche Heilweise zu sein. Die Art und Weise, wie man dem Auftreten des Krebses vorbeugen kann und die Ursache seines Entstehens sind noch unbekannt; das gesamte Gebiet ist weitgehend auf Vermutungen angewiesen und es sind noch sehr viele Untersuchungen und Forschungen notwendig. Man wird schliesslich darauf kommen, dass viele kleinere Leiden, Infektionen und eine ganze Reihe ähnlicher physischer Übel auf die eine oder andere dieser drei Grundkrankheiten zurückzuführen sind; diese wiederum hängen ganz klar mit dem Missbrauch der Energien der drei Hauptstrahlen zusammen. Es könnte folgendes gesagt werden:

1. Die syphilitischen Krankheiten entstehen durch den Missbrauch der Energie des dritten Strahles, der schöpferischen, intelligenten Energie der Substanz selbst.

2. Tuberkulose ist die Folge des Missbrauchs der Energie des zweiten Strahles.

3. Krebs ist eine geheimnisvolle, subtile Reaktion auf die Energie des ersten Strahles, den Willen-zum-Leben, der einer der Aspekte dieses Strahles ist. Er wirkt sich daher in einer Überaktivität und einem Wachstum der Körperzellen aus, deren Willen-zum-Leben zerstörend auf den Organismus wirkt, in dem sie sich befinden.

Ich habe euch hier nur eine Andeutung gegeben, deren Nutzwert derzeit nicht sehr gross ist. Eine Menge okkulter Forschung bleibt noch von der Medizin in dieser Richtung zu leisten, aber das wird erst dann möglich sein, wenn man die Wissenschaft von den Strahlen besser versteht und man den tatsächlichen Beweis für das Vorhandensein der fünf grundlegenden Energien in jedem Menschen (die Energien seiner fünf bestimmenden Strahlen) erbringen kann; die Menschen werden eines Tages lernen, mit Leichtigkeit ihren Strahltypus und die Strahlen zu bestimmen, die ihre dreifache Persönlichkeit beherrschen.

In jeder [384] Richtung, in der sich das Verstehen des Menschen erweitert, wird immer mehr die Gelegenheit sichtbar, dasjenige, was als Neues herankommt, einzulassen und zu beherrschen. Das Tor zum Abenteuer (im höchsten Sinne) steht weit offen und nichts hat jemals die Menschheit davon zurückhalten können, durch dieses Tor hindurchzuschreiten. Zu allen Zeiten ist der Mensch durch diese Pforte gegangen und in neue, reichere Forschungsregionen eingetreten; und der Entdeckung folgte dann die praktische Anwendung.

Heute lässt das Tor, das sich öffnet, den Menschen eintreten in eine Welt der inneren Bedeutung (oder zugrundeliegenden Absicht) - eine Welt, die der Vorhof zur Welt der Ursachen ist. Wirkung; sinnvolle Absicht; Ursache. In diesen drei Worten liegt der Schlüssel zum Wachstum des menschlichen Bewusstseins. Die meisten Menschen leben heute in der Welt der Wirkungen und haben keine Ahnung davon, dass es sich nur um Wirkungen handelt. Einige wenige beginnen jetzt, in der Welt der Bedeutung zu leben, während Jünger und jene, die in der Welt der Hierarchie wirken, immer deutlicher die Ursachen wahrnehmen, die zu den Wirkungen führen, welche ihnen die Bedeutung offenbart. Deshalb können wir nun beginnen, die Grunderfordernisse zu erörtern, denen ein Mensch nachkommen muss, bevor er auf dem Pfad künftiger Erleuchtung weiterschreiten kann. Diese Erleuchtung wird zwangsläufig alle Furcht vor dem Tode beseitigen und sich mit diesem Thema befassen, das so lange Zeit die Menschen in tiefe Verzweiflung und Angst getrieben hat. Ich meine hier auch die erforderliche Einstellung, zu der alle diejenigen kommen müssen, welche Heilung und Überwindung der Krankheit suchen und von physischen Übeln frei werden wollen; sie müssen sich diese Haltung, besonders in gedanklicher Hinsicht, erarbeiten. Diese Erfordernisse werden sowohl beim Übermittler der Heilkraft wie beim Patienten mentales Interesse erwecken. Ausserdem gehen sie auch den Gesamtmenschen an. Man hat bisher allgemein angenommen, dass das Haupterfordernis für die Heilkunst der Glaube sei. Aber das ist nicht der Fall. [385] Der Glaube hat damit wenig zu tun. Die Heilung beruht auf bestimmten wichtigen, grundlegenden Faktoren, an denen der Glaube überhaupt keinen Anteil hat. Das Bemühen des Patienten, Glauben zu erringen, wirkt sich oft sehr nachteilig aus, da es ihn hindert, von den Schwierigkeiten loszukommen, die zwischen ihm und der vollständigen Heilung liegen. Wenn Christus so häufig den Glauben (oder eigentlich jene Qualität, die in unseren westlichen Heiligen Schriften als Glaube übersetzt worden ist) hervorhob, so meinte er in Wirklichkeit die Anerkennung des Gesetzes, vor allem die Erkenntnis des Karma und das Wissen um die göttliche Bestimmung. Wenn man dies begreift, wird sich eine neue Denkweise einstellen, sowohl gegenüber Gott wie gegenüber den Umständen. Die Vorbedingungen, die ich hervorheben möchte, könnten folgendermassen aufgezählt werden:

1. Ein Erkennen des grossen Gesetzes von Ursache und Wirkung - wenn es möglich ist. Diese Möglichkeit besteht nicht immer, wenn es sich um einen völlig unerleuchteten Menschen handelt.

2. Eine richtige Diagnose der Krankheit durch einen fachkundigen Arzt und später durch einen geistig Hellsehenden, - wenn diese Fähigkeit von dem eingeweihten Heiler entwickelt wurde.

3. Ein Glaube an das Gesetz des unmittelbar wirkenden Karma. Damit meine ich die Fähigkeit des Patienten oder des Heilers, zu erkennen, ob es das Schicksal des Patienten ist, geheilt zu werden oder ob man ihm helfen muss, den grossen Übergang zu vollziehen.

4. Eine Bereitschaft anzuerkennen, dass eine Heilung - vom Standpunkt der Seele aus - nachteilig und im Grunde unerwünscht sein kann. Es werden manchmal durch die Kraft des Heilers Menschen geheilt, die bestimmungsgemäss das tätige Leben auf der physischen Ebene nicht wieder aufnehmen sollten.

5. Die aktive Zusammenarbeit zwischen Heiler und Patient - eine Zusammenarbeit, die auf gegenseitigem Verstehen beruht.

6. Eine entschlossene Bereitschaft auf Seiten des Patienten, das hinzunehmen, was immer der von der Seele bekundete Wille sein mag. Man könnte es eine Bezeigung göttlicher Gleichgültigkeit nennen.

7. Ein Bemühen des Heilers wie des [386] Patienten, die «Harmlosigkeit» (den Willen, niemandem zu schaden), vollständig zum Ausdruck zu bringen. Es lohnt sich, über deren Wert sorgfältig nachzudenken. Das ist im Grunde ein Hinweis auf die Beziehung beider Teile zu ihren Gefährten.

8. Ein Bemühen auf Seiten des Patienten (ausser, wenn er zu krank ist), jene Aspekte und Merkmale seines Wesens zu berichtigen und in Ordnung zu bringen, die sich einer richtigen geistigen Wahrnehmung widersetzen könnten. Das ist eine der Bedeutungen, die in dem Ausdruck «das Werk der Rückerstattung» verborgen liegen, obwohl das nicht die wichtigste Bedeutung ist.

9. Die bedachtsame Ausmerzung von Eigenschaften, Gedankengängen und Wünschen, die das Einströmen geistiger Kraft behindern könnten - einer Kraft, welche die Seele enger mit dem Körper in den drei Welten vereinigen und eine erneute Lebensäusserung einleiten oder die Seele mit ihrem Ursprung vereinigen und ein neues Leben auf den Seelenebenen veranlassen könnte. Das betrifft also die Beziehung des Patienten zu seiner Seele.

10. Die Fähigkeit sowohl des Heilers wie des Patienten, sich in die Seelengruppe einzugliedern, mit der sie beide subjektiv verbunden sind; oder in anderen Fällen: Persönlichkeit und Seele zu integrieren; und wenn sie die nötige Entwicklungsstufe erreicht haben: sich noch enger mit der Ashram-Gruppe des Meisters zu vereinigen.

Diese zehn Forderungen mögen einfach erscheinen, sind es aber keineswegs. Oberflächlich scheinen sie vielleicht mit dem Charakter, mit Qualität und Fähigkeiten zu tun haben; im Grunde aber betreffen sie die Beziehung von Seele und Körper zueinander und es geht um Integration oder Zurückziehung. Das in jedem Fall erstrebte Ziel besteht darin, eine ununterbrochene harmonische Verbindung [387] zwischen dem Heiler (oder der Heilergruppe) und dem Patienten herzustellen, der die wissenschaftliche Betreuung erhält.

Eine der ersten Massnahmen, die ein Heiler treffen muss, ist die, dass er einen einfachen Vorschriftenplan aufstellt, nach welchem sich der Patient richten sollte. Diese Anweisungen müssen einfach sein, denn wenn der Patient wirklich krank ist, ist er ausserstande, auch nur die einfachste physische Anstrengung auf sich zu nehmen, um eine andere Einstellung zu erreichen. Das wird oft vergessen.

Es gibt ein paar Dinge, die ich gern erläutern möchte und die ihr eurerseits dem Patienten klarmachen müsst.

1. Die Heilung kann nicht garantiert werden. Die Patienten müssen sich darüber klar sein, dass die Fortdauer des physischen Lebens nicht das höchste Ziel ist. Es kann so sein, wenn der Dienst, der geleistet werden soll, von wirklicher Bedeutung ist, wenn noch Verpflichtungen zu erfüllen bleiben und wenn noch andere Lektionen gelernt werden müssen. Die körperliche Existenz ist jedoch nicht das höchste Gut des Daseins. Freisein von den Begrenzungen des physischen Körpers ist wahrhaft wohltuend. Die Patienten müssen lernen. das Gesetz des Karmas zu erkennen und anzunehmen.

2. Furcht ist unnötig. Eines der ersten Ziele des Heilers sollte sein, dem Patienten zu einem glücklichen, vernünftigen und erwartungsvollen Ausblick auf seine Zukunft zu verhelfen ganz gleich, was diese bringen mag.

Es wird euch klar sein, dass ihr da die Gelegenheit habt, eine neue Einstellung gegenüber dem ganzen Problem von Krankheit und Heilung zu gewinnen und die Menschheit darin zu schulen, einen besseren und glücklicheren Wertmassstab für Krankheit und Gesundheit zu gewinnen.

Es wird [388] ferner einleuchten, dass das Wort «Rückerstattung» die hohe Kunst betrifft, dem Patienten dasjenige wiederzugeben, dessen er bedarf, damit er dem Leben in der richtigen Weise gegenübertreten kann - dem Leben in einem physischen Körper und auf der physischen Ebene oder der Fortsetzung des Lebens in anderen Bereichen, die dem Durchschnittsmenschen unsichtbar bleiben und als problematisch und ungreifbar angesehen werden. Zur Rückerstattung kann auch gehören, dass der Patient ein von ihm verübtes Unrecht wiedergutmachen muss, ehe er das empfangen kann, was er als erfolgreiche Behandlung betrachtet; sie betrifft jedoch vor allem die Wirkung der Heilergruppe, wenn sie zuerst den Kontakt mit dem Patienten herstellt. Das darf nicht vergessen werden. Manchmal, wenn das Karma des Patienten es anzeigt, muss ihm der Wille zum Leben wiedergegeben werden; in anderen Fällen muss man ihn dazu bringen, dass er die Furcht zurückweist (Furcht vor dem Leben oder Furcht vor dem Tod), wodurch er den Mut wiedergewinnt; es mag nötig sein, ihn in einer unter allen Umständen festen, sicheren Haltung zu bestärken, wodurch die Bereitschaft wiederhergestellt wird, mit Verständnis und Freude alles auf sich zu nehmen, was die Zukunft etwa bringen mag; es kann ausserdem die Wiederherstellung harmonischer Beziehungen mit der Umwelt des Patienten, mit Familie und Freunden dazu gehören, so dass folglich alles in der richtigen Weise bereinigt, ein Geist der Liebe erweckt und dasjenige unwirksam gemacht wird, das vielleicht ein tiefverwurzeltes falsches Denken war.

Ihr seht also, dass die Befolgung eines Heilrituals nur ein Abschnitt der zu leistenden Arbeit ist, und dass die Beziehung zwischen Heiler und Patient letzten Endes pädagogischer Art ist; es muss eine Erziehung sein, die auf den physischen Zustand des Kranken abgestimmt wird. Wenn ihr in dieser Richtung arbeitet, werdet ihr merken, dass es nötig ist, kurze Andeutungen über die erforderliche Arbeit zu machen und auf die Rückerstattungen hinzuweisen, die zu leisten der Patient bereit sein muss, damit das Einströmen der Heilkraft erleichtert wird. Er muss dazu veranlasst werden, «die Schiefertafel blank zu machen» (wenn ich einen solchen symbolischen [389] Ausdruck verwenden darf), wenn die Heilung nach dem Gesetz des Karma erfolgreich sein soll.

Dieser Abschnitt der Vorbereitungsarbeit ist nicht leicht. Bei Patienten, die sehr schwer krank sind, ist sie vielleicht nicht möglich. Alle Heiler werden merken, dass die Heilarbeit sehr beschleunigt oder andererseits die Aufgabe, den Weg durch die Pforten des Todes zu erleichtern, sehr vereinfacht wird, wenn sie mit Menschen arbeiten, die geistig gesinnt sind und deren Leben schon seit langer Zeit auf rechten Bemühungen und dem richtigen Bestreben basiert, «dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist und Gott das, was Gottes ist». Schliesslich ist doch der Tod an sich ein Werk der Rückerstattung oder Wiederherstellung. Dazu gehört, dass man die Substanz an die drei Substanzwelten zurückgibt und zwar bereitwillig und freudig; es bedingt ausserdem, dass die menschliche Seele der Seele wiedergegeben wird, von der sie ausging, und dass diese Wiederaufnahme in Freude geschieht. Ihr alle müsst lernen, auf den Tod als einen Akt der Rückerstattung zu blicken; wenn ihr das könnt, wird er in einem neuen Licht und in einer neuen Bedeutung erscheinen, und zu einem integralen - anerkannten und erwünschten - Teil eines fortdauernden Lebensprozesses werden.

Wenn ich gefragt würde, welches die Hauptaufgabe aller Heilergruppen ist, so wie die Hierarchie in der Zukunft sie am Werk sehen möchte, so würde ich sagen: Es ist die Aufgabe, die Menschen auf das vorzubereiten, was wir als den Rückerstattungsaspekt des Todes ansehen sollten, um so diesem bisher gefürchteten Feind der Menschheit eine neue, glücklichere Bedeutung zu geben. Wenn ihr in dieser von mir angedeuteten Richtung weiterdenkt, werdet ihr feststellen, dass das ganze Thema des Todes immer wieder auftaucht, und dass dies zu einer neuen Einstellung dem Sterben gegenüber führen wird; man wird dann, wenn dieses unvermeidliche und ganz vertraute Ereignis eintritt, dem Betreffenden eine glückliche Erwartung einprägen. Die Heilergruppen müssen sich darauf vorbereiten, sich mit dieser Grundgegebenheit allen Lebens zu befassen, denn ein grosser Teil ihrer Arbeit wird darin bestehen, das Prinzip [390] des Todes zu erläutern. Wie uns gesagt wird, muss die Seele zu dem zurückkehren, der sie gab. Bis jetzt war und ist das eine zwangsweise und gefürchtete Wiedererstattung, die Furcht erweckt und Männer und Frauen in aller Welt nach Heilung des physischen Körpers rufen lässt; damit wird dessen Bedeutung überbetont und man hält die Verlängerung der irdischen Existenz für den wichtigsten Faktor im Leben. In dem nächsten Zyklus müssen diese falschen Einstellungen aufhören; der Tod wird zu einem normalen Vorgang werden, den man versteht - zu einem Vorgang, der ebenso normal ist wie die Geburt, jedoch weniger Schmerz und Furcht hervorruft. Dieser mein Kommentar ist eine Art Prophezeiung und sollte als solche betrachtet werden.

Ich möchte euch daher folgende elementare Tatsache einschärfen: Jede Heilergruppe, die im Sinne der neuen Richtung wirken möchte, muss vorher versuchen, etwas von jenem Aspekt des Todes zu verstehen, den man «den grossen Wiederherstellungsprozess» oder die «grosse Rückerstattung» nennt. Es handelt sich um die Kunst den Körper verständig, in der richtigen Weise und im richtigen, vorgesehenen Zeitpunkt der Quelle zurückzuerstatten, aus der seine Grundbestandteile gekommen sind und die Seele dem Urquell ihres eigentlichen Seins zurückzugeben. Ich bin hier sehr sorgfältig in der Wahl meiner Worte, da ich möchte, dass ihr höchst sorgfältig und vernünftig über das sogenannte Rätsel des Todes nachdenkt. Es ist ein Rätsel für den Menschen, aber kein Rätsel für Jünger und solche, welche die Weisheit kennen.

Heilergruppen und einzelne Heiler werden es zu Zeiten für notwendig finden, ihren Patienten die Tatsache vor Augen zu stellen, dass es einen Tod gibt. Jünger aus meinem Ashram und aus dem Ashram des Meisters K. H. befassen sich u. a. auch damit, das Thema des Todes bei ihren Unterhaltungen mit anderen Wahrheitssuchern, bei Erörterungen untereinander und besonders mit denen, die sie heilen wollen, einfliessen zu lassen. Das ist kein leichtes Vorhaben und es darf nicht in einer überstürzten Weise ausgeführt werden; aber es ist ein Thema, dem man nicht ausweichen darf und kann. Heilergruppen, die von einem Ashram aus wirken, (391) legen nicht so sehr Wert auf körperliche Heilung, sondern auf den richtigen Zeitpunkt und auf die Zyklen der Arbeit oder des Lebens auf der physischen Ebene sowie auf die Zyklen der Rückerstattung oder des physischen Todes.

Dieser ganze Abschnitt «Die Grunderfordernisse», mit dem wir uns jetzt beschäftigen, bezieht sich eigentlich und tatsächlich auf die Sterbevorgänge, auf die Zustände in der materiellen Welt oder auf die drei Welten des Dienstes während der Inkarnation. Die Rückerstattung des Körpers an das allgemeine Substanz-Reservoir oder an den Dienst in der äusseren Welt des täglichen physischen Lebens, die Rückgabe der Seele an ihre Quelle, die Seele auf ihrer eigenen Ebene oder umgekehrt zur vollen Verantwortlichkeit im Körper, das ist das Thema dieses ersten Teiles. Die Ausschaltung des Lebensprinzips und des Bewusstseinsaspektes wird im zweiten Teil behandelt und es geht dabei nicht um das Thema der Charakterbildung, wie einige annehmen könnten. Ich habe die charakterlichen und persönlichen Qualitäten in meinen einführenden Bemerkungen zu diesem Abschnitt berührt, da alles wahre Verstehen der Grundprinzipien des Todes und des Lebens durch rechtes Handeln erleichtert wird, das auf rechtem Denken beruht und schliesslich in rechte Charakterbildung mündet. Ich will jedoch nicht weiter auf diese elementaren Grundvoraussetzungen eingehen. Die Integrationsvorgänge, insoweit ich sie hier erörtern möchte, betreffen die Integration der Seele in den dreifachen Körper, wenn das Karma es so bestimmt oder in das Seelenreich, wenn nach karmischer Bestimmung das, was wir «Tod» nennen, dem Menschen bevorsteht.

Wir behandeln daher in diesem zweiten Abschnitt das Problem des Todes oder die Kunst des Sterbens. Das ist etwas, dem alle ernsthaft kranken Menschen unvermeidlich ins Auge sehen müssen und worauf sich diejenigen, die bei guter Gesundheit sind, durch richtiges Denken und vernünftige Voraussicht vorbereiten sollten. Die krankhafte Einstellung der meisten Menschen gegenüber dem Tode und ihre Weigerung, darüber nachzudenken, während sie bei guter Gesundheit sind, ist etwas, das geändert und mit Bedacht gewandelt werden muss. Christus zeigte seinen Jüngern die rechte Haltung, als er von seinem Kommen und dem bevorstehenden [392] Sterben durch die Hand seiner Feinde sprach; er schalt sie, als sie Sorge zeigten und erinnerte sie daran, dass er zu seinem Vater ginge. Da er ein Eingeweihter hohen Grades war, meinte er, dass er - okkult gesprochen - im Begriff war, die «Rückerstattung an die Monade» zu vollziehen. Gewöhnliche Menschen und solche, die noch unter dem Grad eines Eingeweihten der dritten Stufe stehen, vollziehen die «Rückerstattung an die Seele». Die Angst und die krankhafte Abneigung, die das Todesthema für gewöhnlich hervorruft und die mangelnde Bereitschaft, ihm verständnisvoll ins Auge zu sehen, entstehen dadurch, dass die Menschen den physischen Körper für so wichtig nehmen, sich mit ihm leicht identifizieren; sie beruht ausserdem auf der ihnen angeborenen Furcht vor der Einsamkeit und dem Verlust alles bisher Vertrauten. Und doch ist die Einsamkeit, die nach dem Tode eintritt, wenn der Mensch sich ohne physischen Körper wiederfindet, nichts im Vergleich zu der Einsamkeit bei der Geburt. Bei der Geburt findet sich die Seele in einer neuen Umwelt und in einen Körper versenkt, der zuerst gänzlich unfähig ist, für sich selbst zu sorgen oder mit den Umweltbedingungen einen intelligenten Kontakt aufzunehmen - und zwar eine lange Zeit hindurch. Der Mensch tritt in die Inkarnation ohne eine Erinnerung an die Identität der inkarnierten Seelengruppe, mit der er sich jetzt verbunden sieht oder welche Bedeutung sie für ihn hat. Diese Einsamkeit schwindet erst allmählich in dem Mass, als er seine eigenen persönlichen Kontakte herstellt, wenn er diejenigen entdeckt, die ihm geistesverwandt sind und wenn er schliesslich jene Menschen um sich sammelt, die er seine Freunde nennt. Nach dem Tod ist das anders, denn der Mensch findet auf der anderen Seite des Vorhangs alle diejenigen wieder, die er kennt und die mit ihm in seinem physischen Dasein verbunden waren; er ist niemals allein in dem Sinne, was die Menschen unter Einsamkeit verstehen. Er ist sich auch derer bewusst, die noch im physischen Körper weilen; er kann sie sehen, kann sich in ihre Empfindungen versetzen und auch auf ihre Gedanken einstellen, denn das physische Gehirn, das ja bei ihm nicht mehr vorhanden ist, wirkt nicht mehr als Hinderungsgrund. Wenn die Menschen nur mehr wüssten, so würden sie [393] sich vor der Geburtserfahrung fürchten und nicht vor dem Tod, denn die Geburt wird die Seele in das wirkliche Gefängnis und der physische Tod ist nur der erste Schritt auf dem Weg zur Befreiung.

Ein weiteres Schreckgespenst, das die Menschheit dazu bringt, den Tod als eine Katastrophe anzusehen, ist die von Theologen, besonders von den protestantischen Fundamentalisten und der römisch-katholischen Kirche den Menschen eingeimpfte Furcht - die Angst vor der Hölle, vor den zu erwartenden Strafen, die meistens in keinem Verhältnis zu den Irrtümern und Vergehen der Lebensdauer stehen und die Angst vor schrecklichen Dingen, die ihnen von einem zornigen Gott aufgeladen werden. Dem Menschen wird gesagt, dass er sich diesen Dingen unterwerfen müsse; vor ihnen gebe es kein Entrinnen, ausser durch die stellvertretende Versöhnung. Wie ihr ja selber wisst, gibt es weder einen zornigen Gott, noch eine Hölle und auch keine stellvertretende Sühne. Es gibt nur ein einziges grosses Prinzip der Liebe, welches das ganze Universum beseelt; da ist die Gegenwart des Christus, welche die Menschheit auf das tatsächliche Vorhandensein der Seele und darauf hinweist, dass wir durch die lebendige Kraft dieser Seele gerettet werden; die einzige Hölle ist die Erde selbst, wo wir lernen, an unserer eigenen Erlösung zu arbeiten - dazu angetrieben durch das Prinzip der Liebe und des Lichtes, angespornt durch das Beispiel Christi und den inneren Drang unserer eigenen Seele. Diese Lehre über die Hölle ist ein Überbleibsel der sadistischen Denkrichtung, die von der christlichen Kirche des Mittelalters eingeschlagen wurde und die auch in den irrtümlichen Lehren auftritt, die man im Alten Testament über Jehova, den Stammesgott der Juden, findet. Jehova ist nicht Gott, der planetarische Logos, das Ewige Herz der Liebe, den Christus offenbarte. In dem Mass, wie diese irrtümlichen Gedanken aussterben, wird auch die Höllenvorstellung in der Erinnerung der Menschen verblassen; an deren Stelle wird ein einsichtiges Verstehen des Gesetzes treten, das einen jeden Menschen dazu bringt, an seiner eigenen Erlösung auf der physischen Ebene zu arbeiten, - das ihn dazu führt, das Unrecht zu berichtigen, welches er vielleicht in seinen Erdenleben verübt hat und das ihn schliesslich so weit bringt, dass «seine Schiefertafel völlig sauber wird».

Ich versuche hier nicht, euch in eine theologische Diskussion zu verwickeln. Ich möchte lediglich darauf hinweisen, dass anstelle der gegenwärtigen Furcht vor dem Tod ein einsichtiges Verstehen der [394] Wirklichkeit und die Vorstellung des Fortlebens treten muss, wodurch alle Unruhe beseitigt wird; und ich möchte besonders den Grundgedanken betonen, dass ein Lebenskern und eine bewusste Wesenheit ihre Erfahrungen in vielen verschiedenen Körpern sammelt.

Um nun meine allgemeine Darstellung zusammenzufassen, könnte gesagt werden: Grauen und Angst vor dem Tod gründen sich auf die Liebe zur Form - zu unserer eigenen Form, zu den Formen derer, die wir lieben und zur Form der uns vertrauten Umgebung und Umwelt. Doch diese Art von Liebe läuft all unseren Lehren über die geistigen Realitäten zuwider. Die Hoffnung auf die Zukunft, die Hoffnung auf unser Loskommen von dieser schlecht begründeten Furcht liegt darin, dass wir bestrebt sind, die absolute Tatsache der ewigen Seele anzuerkennen, und dass diese Seele geistgemäss, aufbauend und göttlich in den materiellen Hüllen leben soll und muss. In diese Idee tritt wiederum der Gedanke der Rückerstattung ein. Falsche Vorstellungen werden daher vergessen; die Idee der Ausmerzung stellt sich ebenfalls ein, so, dass eine richtige Einstellung erlangt wird. Die Integration verlangt Erwägung und Beachtung, so dass der Mensch im Leben der Seele aufgeht, anstatt im Leben des Körpers. Sorgen, Einsamkeit, Not und Bedrängnis, Verfall und Verlust - alles das sind Ideen, die verschwinden müssen, wenn die allgemeine Reaktion gegenüber dem Tod ebenfalls schwindet. In dem Mass, wie die Menschen lernen, bewusst als Seelen zu leben und den Schwerpunkt ihres Bewusstseins in die seelischen Bereiche zu verlegen und wenn sie anfangen, die Form oder die Formen lediglich als Mittel der Wesensäusserung anzusehen dann werden die alten, düsteren Gedanken über den Tod allmählich vergehen; an deren Stelle wird eine neue, freudigere Einstellung zu dieser grossen Erfahrung treten.

Ihr werdet bemerken, dass die verschiedenen Ausdrücke, die ich bei der Erörterung der Grunderfordernisse gewählt habe, um ihrer speziellen Bedeutung willen gewählt wurden:

1. Das Werk der Rückerstattung bezeichnet das Zurückgeben der Form an das Grundreservoir der Substanz oder die Rückkehr der Seele, der göttlich-geistigen Energie, zu ihrem Ursprung entweder in die Bereiche der Seele oder in die der Monade, je [395] nach ihrer Entwicklungsstufe. Diese Rückerstattung ist in der Hauptsache das Werk der Menschenseele innerhalb des physischen Körpers und daran ist sowohl das Herz- wie das Kopfzentrum beteiligt.

2. Die Kunst der Ausmerzung. Dieser Ausdruck bezieht sich auf zwei Aktivitäten des inneren Geistesmenschen: Auf die Beseitigung aller Vorherrschaft des dreifachen niederen Menschen und auf das Bestreben, in den konkreten Bereichen der Mentalebene wieder ein Brennpunkt strahlenden Lichtes zu werden. Das betrifft vor allem die menschliche Seele.

3. Die Integrationsvorgänge. Diese haben mit der Arbeit des befreiten geistigen Menschen zu tun, wenn er sich in den höheren Bereichen der Mentalebene mit der Seele (der Überseele) vereinigt. Der Teil kehrt zum Ganzen zurück und der Mensch begreift die wahre Bedeutung der Worte Krishnas: «Nachdem ich dieses ganze Universum mit einem Teil meiner selbst durchdrungen habe, bleibe Ich bestehen». Auch er, das bewusst Erfahrung suchende Bruchstück, welches das kleine Universum der Form in den drei Welten durchdrungen hat, verbleibt. Er erkennt sich als einen Teil des Ganzen.

Aus diesen drei Vorgängen besteht der TOD.

Es wird euch klar sein, dass, wenn die Menschheit diesen Ausblick auf den Tod oder auf die Kunst des Sterbens erlangt, ihre gesamte Einstellung eine wohltätige Wandlung erfahren wird. Im Lauf der Zeit wird gleichzeitig damit im telepathischen Bereich eine Verbindung zwischen den Menschen hergestellt werden; die Menschen werden immer mehr an Intelligenz zunehmen, und ihr Bewusstsein wird sich immer stärker im Denkbereich konzentrieren. Diese telepathische Verbindung wird eine ganz allgemeine Erscheinung sein; dafür bürgt der moderne Spiritismus, obwohl diese Verzerrung (eine sehr bedenkliche Verzerrung) weitgehend auf dem Wunschdenken der Menschheit beruht, wobei nur sehr wenig echte Telepathie mitspielt. Die telepathische Verbindung, die heute [396] zwischen einem Medium (sei es nun in Trance oder nicht) und dem hinterbliebenen Verwandten oder Freunde tatsächlich zustandekommt, besteht aber nicht zwischen dem, der die Befreiung durch den Tod erlebt hat und dem noch in der Form Lebenden. Daran sollte man denken. In der Zwischenzeit, so lange das Denken noch keine normalen telepathischen Fähigkeiten hat, mag es (wenn auch sehr selten) eine mediale Vermittlung geben, die auf Hellsehen und Hellhören, aber nicht auf Trance beruht. Das erfordert immer noch einen Kontakt über eine dritte Stelle und so ist diese mediale Übermittlung gänzlich astral; sie ist daher voller Trugbilder und Irrtümer. Das wird aber immerhin einen Schritt vorwärts bedeuten gegenüber den gegenwärtigen mediumistischen Séancen, die den Toten einfach ignorieren und dem Fragenden nur das übermitteln, was das Medium in seiner Aura liest - seine Erinnerung an die persönliche Erscheinung, bedeutsame Erinnerungen, die im Bewusstsein des Fragenden aufgespeichert sind und Wunschgedanken zu der erbetenen Mitteilung, weil der Fragende glaubt, dass ein Mensch, weil er tot ist - weiser sein müsse als zuvor. Wenn es dem Medium zu Zeiten gelingt, eine echte Verbindung herzustellen, so nur deshalb, weil der Fragende und der Tote mentale Typen sind und daher eine echte telepathische Verbindung zwischen ihnen besteht, die das Medium auffängt.

Die Menschheit macht Fortschritte, entwickelt sich und ihr Gedankenleben wird immer stärker. Die Verbindung zwischen Toten und Lebenden muss und kann nur auf mentalen Ebenen zustandekommen und zwar bevor die Integrationen stattfinden; die wirkliche Trennung der Verbindung erfolgt erst dann, wenn die Menschenseele vor der neuen Inkarnation wieder in die Überseele absorbiert wird. Das tatsächliche Bestehen der Verbindung bis zu diesem Zeitpunkt wird jedoch die Todesfurcht vollständig ausmerzen. Bei Jüngern, die in eines Meisters Ashram arbeiten, wird sogar dieser Integrationsprozess keine Schranke bilden. Auf den nächsten Seiten will ich einige Lehren darüber geben, was man die «Kunst des Sterbens» nennen könnte und damit will ich das ergänzen, was ich in «Eine Abhandlung über Weisse Magie» gesagt habe.

Derzeitige Einstellungen gegenüber dem Tod.

Ich habe [397] es unternommen, mit euch die Todesvorgänge zu erörtern und etwas ausführlicher das Phänomen des Todes zu besprechen - die vertrauteste Erfahrung im Leben der sich immer wieder inkarnierenden Wesenheit oder Seele (wenn sich das physische Gehirn nur daran erinnern und sich dessen bewusst werden könnte!). Ich möchte hier einige Erläuterungen betreffend die Einstellung des Menschen gegenüber der Erfahrung der «Rückerstattung» geben. Das ist ein eigentümlich okkultes Wort, das vom Eingeweihten viel verwendet wird, wenn er vom Tod spricht. Die Haltung oder Reaktion, die sich am meisten mit dem Tod verknüpft, ist die der Furcht. Diese Furcht beruht auf der - gegenwärtigen - Unsicherheit, ob es tatsächlich die Unsterblichkeit gibt. Obgleich die Tatsache irgendeiner Art des Weiterlebens von psychischen Forschungsgruppen bewiesen wurde, bleibt die Unsterblichkeit oder die Weiterexistenz dessen, was wir für gewöhnlich meinen, wenn wir vom «Ich» sprechen, bis jetzt immer noch im Bereich des Wunschdenkens oder des Glaubens. Dieser Glaube kann sich gründen auf christliche Glaubenssätze, auf religiöse Behauptungen - die auf verstandesmässigen Überlegungen beruhen - und auf der mehr wissenschaftlichen Stellungnahme, die so argumentiert: Nach ökonomischer, zwangsläufiger Logik kann das, was sich seit so langer Zeit entwickelt hat und das höchste Ergebnis der Evolution darstellt, nicht verloren gehen. Es ist interessant zu bemerken, dass es auf unserem Planeten keinen Beweis für irgendein höheres Evolutionsprodukt als das Menschenreich gibt; sogar für den materialistischen Denker liegt die Einzigartigkeit des Menschen in den mannigfachen Bewusstseinsstufen und darin, dass er für die Forschung eine weite Skala von Bewusstseinsstufen darstellt - angefangen von der des ungebildeten Wilden, über alle Zwischenstufen gedanklicher Leistungsfähigkeit bis hinauf zu den am weitesten vorgeschrittenen Denkern und Genies, die schöpferischer Künste, wissenschaftlicher Entdeckungen und geistiger Wahrnehmung fähig sind.

Um es ganz einfach zu sagen: die Frage, die durch das Todesthema aufgeworfen wird, ist die: Wo ist das «Ich», der Inhaber des Körpers, wenn dieser Körper verlassen wird und zerfällt? Gibt es eigentlich einen solchen Bewohner?

Die menschliche [398] Geschichte berichtet vom endlosen Suchen nach Sicherheit über dieses Thema; diese Suche gipfelt heute in den zahlreichen Gesellschaften, die den Versuch unternehmen, die Unsterblichkeit zu beweisen und in jene Festungen des Geistes einzudringen, die augenscheinlich dem «Ich» eine Freistätte gewähren, jenem Ich, das auf der physischen Ebene tätig war und das bisher auch den eifrigsten Sucher genarrt hat. Hinter dieser wilden Suche steht als Antrieb die Furcht. Es ist eine unerfreuliche Tatsache, dass die meisten Menschen (abgesehen von einigen wenigen erleuchteten Wissenschaftlern und einsichtigen Suchern), die sich auf die meist fragwürdigen Praktiken des Séance-Raumes einlassen, gefühlsbedingte Typen sind, die sich leicht überzeugen lassen und nur zu gern bereit sind, dasjenige als Beweis anzunehmen, was der intelligentere Sucher sofort zurückweisen würde.

Ich möchte hier klar meine Stellungnahme zu der grossen spiritistischen Bewegung darlegen, die in der Vergangenheit so vieles getan hat, um die Tatsache des Weiterlebens zu beweisen, die aber auch in einigen Entwicklungsstadien so viel dazu beitrug, die Menschheit irrezuleiten und zu täuschen. Unter diesen Sammelnamen reihe ich auch die verschiedenen psychischen Forschungsgruppen ein, nehme aber alle echte wissenschaftliche Arbeit aus. Keine von diesen Gruppen hat bisher ihr Anliegen bewiesen. Die Geheimnistuerei und die Dummheit des durchschnittlichen Séance-Raumes sowie die Arbeit der Medien haben dennoch das Vorhandensein eines unerklärlichen Faktors aufgezeigt; die Laboratorien des wissenschaftlichen Forschers haben sogar das kaum einmal bewiesen. Auf jeden Fall eines wirklich annehmbaren Erscheinens eines exkarnierten Menschen kommen viele tausend Fälle, die mit Leichtgläubigkeit, telepathischer Verbindung (mit den Hinterbliebenen, nicht aber mit jemandem, der hinübergegangen ist), mit dem Sehen von Gedankenformen durch den Hellseher, mit dem Hören von Stimmen durch den Hellhörenden und ebenso mit Betrügerei erklärt werden können. Man beachte, dass ich von «annehmbaren Erscheinungen» eines zurückkehrenden Geistes spreche. Es gibt genug Beweise, die den Glauben an ein Weiterleben rechtfertigen und überzeugen, dass es tatsächlich so etwas gibt. Aufgrund der unerklärlichen Kontaktphänomene mit dem [399] vermeintlichen Toten, die beobachtet, erforscht und bewiesen wurden, und in Anbetracht des Charakters der Menschen, welche die Tatsache dieser Phänomene bezeugen, können wir behaupten, dass ein Etwas die «Rückerstattung» des materiellen Körpers an das ewige Substanzreservoir überlebt. Und von dieser Voraussetzung gehen wir aus.

Heute wird uns die Erscheinung des Todes immer vertrauter. Der Weltkrieg hat gewaltsam Millionen von Männern und Frauen - Zivilisten und die Soldaten in den verschiedenen Abteilungen der Streitkräfte aller Völker - in jene unbekannte Welt getrieben, die alle diejenigen aufnimmt, welche die physische Form verlassen. Die Zustände sind heute derart, dass trotz der uralten, tiefverwurzelten Todesfurcht im Bewusstsein der Menschen die Erkenntnis aufdämmert, dass es viel schlimmere Dinge gibt als den Tod; die Menschen haben erfahren, dass Hungersnot, Verstümmelung, dauerndes physisches Unvermögen, mentale Unfähigkeit infolge des Krieges und der Belastungen durch den Krieg, der Anblick von Schmerz und Todesnot, die nicht erleichtert werden können, in der Tat schlimmer sind als der Tod; viele wissen und glauben auch (denn das ist die Grösse des Menschengeistes), dass das Zurücklassen der Werte, für welche die Menschen seit jeher gekämpft haben und gestorben sind und die für das Leben des freien menschlichen Geistes als wesentlich erachtet werden, von grösserer Bedeutung ist als der Todesvorgang. Diese Anschauung, die ein Merkmal der feinfühligen und richtig denkenden Menschen unserer Zeit ist, kommt jetzt in grossem Massstab zum Vorschein. Das bedeutet - Seite an Seite mit der uralten Furcht - die Erkenntnis einer unbesiegbaren Hoffnung auf bessere Zustände, die anderswo zu finden sind; das braucht nicht unbedingt ein Wunschdenken zu sein, sondern ist vielleicht ein Anzeichen für ein verborgen ruhendes, subjektives Wissen, das langsam an die Oberfläche kommt. Es ist etwas im Gange - als Folge menschlicher Trübsal und menschlichen Denkens; das spüren die Menschen heute, und diese Tatsache wird später bewiesen werden. Dieser inneren Zuversicht und subjektiven Erkenntnis stehen alte Denkgewohnheiten entgegen: die ausgesprochen materialistische Einstellung der Gegenwart, die Furcht vor [400] Täuschung und der Widerstreit zwischen dem Wissenschaftler und dem religiösen oder kirchlich gesinnten Menschen. Der erstere lehnt es mit Recht ab, das zu glauben, was noch unbewiesen bleibt und der Beweisführung auch nicht zugänglich zu sein scheint, während religiöse Gruppen und Organisationen keinerlei dargelegter Wahrheit trauen, die sie nicht selbst in ihren eigenen Begriffen formuliert haben. Dieser Standpunkt legt einen ungebührlichen Nachdruck auf den Glauben und macht so alle begeisterte Forschung lächerlich. Die Entdeckung, dass Unsterblichkeit eine Tatsache ist, wird von den Menschen ausgehen; sie wird dann schliesslich von den Kirchen angenommen und von der Wissenschaft bewiesen werden, aber das wird nicht eher geschehen, als bis die Nachwehen des Krieges vorbei sind und diese planetarische Unruhe sich gelegt hat.

Es braucht kaum gesagt zu werden, dass das Problem des Todes auf der Liebe zum Leben beruht, dem tiefsten Instinkt der menschlichen Natur. Die Feststellung, dass unter dem göttlichen Gesetz nichts verloren geht, ist eine Erkenntnis der Wissenschaft; die ewige Fortdauer in der einen oder anderen Form wird universal als Wahrheit angesehen. Aus dem Wirrwarr von Theorien wurden drei grosse Thesen aufgestellt, die den denkenden Menschen wohlbekannt sind. Es sind die folgenden:

1. Der streng materialistische Standpunkt, demzufolge die Erfahrung und Äusserung des bewussten Lebens nur so lange dauert, wie die physische, berührbare Form existiert; nach dem Tod und dem darauf folgenden Zerfall des Körpers gibt es keinen bewussten, tätigen, sich als wesensgleich erkennenden Menschen mehr. Das «Ich»-Gefühl, das Bewusstsein der Individualität im Gegensatz zu allen anderen Persönlichkeiten vergeht mit dem Verschwinden der Form; man glaubt, dass die Persönlichkeit nur die Gesamtsumme des Bewusstseins der Körperzellen sei. Diese Theorie verweist den Menschen auf dieselbe Rangstufe wie jede andere Form in den drei anderen Naturreichen; sie beruht darauf, dass [401] der durchschnittliche Mensch unfähig ist, das aus einer Körperhülle zurückgezogene Leben zu empfinden; sie ignoriert alle Beweise für das Gegenteil und sagt, dass das «Ich» (oder die unsterbliche Wesenheit) nach dem Tod nicht mehr existiere, da wir ja dessen Weiterbestehen (mit Augen) nicht sehen und (greifbar) beweisen können. Diese Theorie wird heute nicht mehr von so vielen Menschen vertreten wie in früheren Jahren - besonders im materialistischen, Viktorianischen Zeitalter.

2. Die Theorie der bedingten Unsterblichkeit. Diese Theorie wird immer noch von einigen fundamentalistischen und theologisch engstirnigen Richtungen und auch von einigen wenigen Angehörigen der Intelligenz, besonders von solchen mit egoistischen Neigungen, vertreten. Nach dieser These können nur diejenigen, die eine bestimmte Stufe geistiger Bewusstheit erreichen oder eine ganz bestimmte Sammlung theologischer Behauptungen annehmen, die Gabe der persönlichen Unsterblichkeit empfangen. Die stark intellektuellen Menschen argumentieren auch zu Zeiten, die krönende Gabe an die Menschheit sei ein entwickeltes, kultiviertes Denkvermögen und diejenigen, welche diese Gabe besässen, wären gleichfalls des ewigen Fortlebens teilhaftig. Eine dieser Glaubensrichtungen behauptet, dass diejenigen, die sich gegen die zwangsweise Annahme der von ihr aufgestellten (angeblich unbezweifelbaren) theologischen Glaubenssätze sträuben oder diese gar verleugnen, entweder der vollständigen Vernichtung anheimfallen (so wie nach der materialistischen Theorie) oder eine ewige Bestrafung zu erwarten haben, was also gleichzeitig eine Art Unsterblichkeit andeutet. Infolge der dem menschlichen Herzen eingeborenen Güte sind nur sehr wenige Menschen so rachsüchtig oder gedankenlos, um diese Darlegung als annehmbar anzusehen; natürlich müssen wir in diese Kategorie auch die gedankenlosen Menschen einreihen, die sich einer geistigen Verantwortung dadurch entziehen, dass sie an die theologischen Erklärungen und Behauptungen blind glauben. Die (kirchen-) christliche Auslegung, wie sie von den orthodoxen und fundamentalistischen Richtungen geboten wird, erweist sich als unhaltbar, wenn man vernünftig über sie nachdenkt; eines der Argumente, das die Richtigkeit dieser Auslegung verneint, ist die Tatsache, dass die Christenheit eine [402] langdauernde Zukunft annimmt, aber keine Vergangenheit. Überdies ist es eine Zukunft, die gänzlich von der Handlungsweise des Menschen in dieser gegenwärtigen Lebensepisode abhängt und in keiner Weise die Unterschiede und verschiedenartigen Merkmale erklärt, welche die Menschheit kennzeichnen. sie ist nur haltbar auf Grund der Theorie einer anthropomorphen Gottheit, deren Wille - so wie er sich praktisch auswirkt - eine Gegenwart gewährt, die keine Vergangenheit hat, sondern nur eine Zukunft. Die Ungerechtigkeit dieses Tatbestandes wird allgemein erkannt, aber der unerforschliche Wille Gottes darf nicht in Frage gestellt werden. Noch hängen Millionen an diesem Glauben, aber er ist nicht mehr so stark wie noch vor etwa hundert Jahren.

3. Die Theorie der Reinkarnation, die allen meinen Lesern so vertraut ist, wird im Westen immer volkstümlicher; im Osten ist sie immer anerkannt worden (wenn auch mit vielen törichten Zusätzen und Auslegungen). Diese Lehre ist ebenso stark verzerrt worden wie die Lehren Christi oder Buddhas oder Sri Krishnas durch die engstirnigen und beschränkten Ansichten der Theologen. Die Grundtatsachen eines geistigen Ursprunges, eines Abstiegs in die Materie, eines Aufstiegs mit Hilfe ständiger Inkarnationen in einer Form - bis diese Formen das innewohnende Geistbewusstsein in vollendeter Weise zum Ausdruck bringen - und einer Reihe von Einweihungen am Ende des Inkarnationszyklus werden heute viel bereitwilliger angenommen und anerkannt als jemals zuvor.

Das sind die hauptsächlichen Erklärungen für die Probleme der Unsterblichkeit und den Fortbestand der menschlichen Seele; sie gehen darauf aus, die ewigen Fragen und Zweifel des Menschenherzens nach dem Woher, Warum, Wohin und Wo zu beantworten. Nur die letzte der vorgeschlagenen Erklärungen bietet eine wirklich vernunftgemässe Antwort darauf. Ihre Annahme hat sich verzögert, da sie seit der Zeit, als H. P. Blavatsky diese Urwahrheit im letzten Viertel des neunzehnten Jahrhunderts für die moderne Welt formulierte, stets in einer so dummen, ungeschickten Art und Weise dargestellt worden ist. Die Verbreitung [403] dieser Lehre wurde auch dadurch gehemmt, dass die östlichen Rassen, die immer daran geglaubt haben, im Westen als Heiden angesehen wurden und diese «beugen sich in ihrer Blindheit vor Holz und Stein», wie eine Stelle in eurer Fundamentalistenhymne lautet. Wie seltsam ist diese Vorstellung für die Menschen östlicher Länder, wenn sie sehen, dass die religiösen Menschen des Westens das Gleiche tun, da ja auch sie vor den christlichen Altären auf den Knien liegen, auf denen Standbilder des Christus, der Jungfrau Maria und der Apostel stehen.

Die Okkultisten in der Welt haben - über die theosophischen Gesellschaften und andere sogenannte okkulte Vereinigungen - der Darstellung der Wahrheit über die Reinkarnation dadurch sehr geschadet, dass sie überflüssige, unwichtige, ungenaue und rein spekulative Einzelheiten hinzufügten, die sie als Wahrheit über die Todesvorgänge und die Umstände ausgeben, in denen sich der Mensch nach dem Tode befindet. Diese Einzelheiten beruhen weitgehend auf der hellsichtigen Schau prominenter astraler Medien in der theosophischen Gesellschaft. In den heiligen Schriften der Welt sind aber diese Einzelheiten nicht zu finden, und auch H. P. B. gab keine in der «Geheimlehre» an. Ein Beispiel für diesen ungenauen und törichten Versuch, Licht auf die Theorie der Wiedergeburt zu werfen, ist die Behauptung, dass den abgeschiedenen Menschenseelen eine bestimmte, begrenzte Zeit zwischen den Inkarnationen auf der physischen Ebene und der Rückkehr zur physischen Wiedergeburt vorgeschrieben ist; es werden da viele Jahre der Abwesenheit angegeben, die vom Alter der abgeschiedenen Seele und ihrer Stufe auf der Evolutionsleiter abhängen. Wenn - so wird uns gesagt - die Seele sehr weit entwickelt ist, verlängert sich die Abwesenheit von der physischen Ebene; gerade das Umgekehrte ist der Fall. Vorgeschrittene Seelen und diejenigen, deren intellektuelle Fähigkeiten sich rasch entwickeln, kehren sehr bald zurück, da sie auf den Zug oder Einfluss der in der äusseren Welt bereits bestehenden Verpflichtungen, Interessen und Verantwortlichkeiten in feinfühliger Weise reagieren. Die Leute vergessen leicht, dass die «Zeit» eine Reihenfolge von Ereignissen und Bewusstseinszuständen ist, die [404] vom physischen Gehirn registriert werden. Wo kein physisches Gehirn vorhanden ist, gibt es auch nicht das, was die Menschheit unter Zeit versteht. Die schrittweise Beseitigung der durch die Form auferlegten Schranken bringt eine ständig zunehmende Erkenntnis des Ewigen Jetzt. Bei denen, die durch das Tor des Todes geschritten sind und die noch immer in Zeitbegriffen denken, beruht dies auf Verblendung und auf dem Weiterbestehen einer mächtigen Gedankenform. Das zeigt an, dass sie auf der Astralebene polarisiert (oder verankert) sind. Das ist die Ebene, auf der führende theosophische Schriftsteller und Medien gewirkt und auf die sie ihre Schriften begründet haben. Sie sind ganz ehrlich in dem, was sie sagen, versäumen jedoch, die illusorische Natur aller Entdeckungen zu erkennen, die auf astralem Hellsehen beruhen. Die Wahrnehmung und Anerkenntnis eines ausgesprochenen Zeitelements und die ständige Betonung der Zeitbestimmung sind charakteristisch für alle hochentwickelten Menschen in Inkarnation und für diejenigen, deren niederes konkretes Denkvermögen ein mächtiger Faktor ist. Kinder und kindliche Rassen auf der einen Seite und andererseits jene hochentwickelten Menschen, deren abstraktes Denkvermögen (mit Hilfe des ausdeutenden niederen Denkens) funktionstüchtig ist, haben meistens kein Zeitgefühl. Der Eingeweihte verwendet das Zeitelement in seinen Beziehungen und im Umgang mit denen, die auf der physischen Ebene leben; in seinem Innern aber ist er davon frei und erkennt nirgends im Universum einen Zeitfaktor an.

Deshalb kann man aus dem Begriff «Unsterblichkeit» die Zeitlosigkeit ableiten und es wird damit gelehrt, dass diese Zeitlosigkeit für dasjenige besteht, was unvergänglich oder nicht zeitbedingt ist. Das ist eine Aussage, die sorgfältige Betrachtung erfordert. Der Mensch inkarniert sich keineswegs unter irgendeinem zeitlichen Drang. Er inkarniert sich unter dem Druck seiner karmischen Verbindlichkeiten, infolge der Zugkraft dessen, was er als Seele in Gang gesetzt hat und weil er das Bedürfnis empfindet, bestehende Verpflichtungen zu erfüllen; er inkarniert sich ausserdem aus einem Verantwortungsgefühl heraus und um Anforderungen zu genügen, die eine frühere Übertretung der Gesetze über rechte menschliche Beziehungen ihm auferlegt haben. Wenn (405) einmal alle diese Forderungen, Seelennotwendigkeiten, Erfahrungen und Verantwortlichkeiten erfüllt sind, tritt er für immer in das «klare, kalte Licht der Liebe und des Lebens» ein und bedarf nicht länger (soweit es ihn selbst angeht) des Kindheitsstadiums der Seelenerfahrung auf Erden. Er ist frei von karmischen Belastungen in den drei Welten, steht aber immer noch unter dem Impuls karmischer Notwendigkeit, die ihm auch die letztmögliche Unze Dienst abfordert, die er zu leisten in der Lage ist - denjenigen gegenüber, die noch unter dem Gesetz karmischer Verbindlichkeit stehen. Es gibt also drei Aspekte für das Gesetz des Karmas, insofern es das Prinzip der Wiedergeburt betrifft:

1. Das Gesetz der karmischen Verpflichtung, welches das Leben in den drei Welten menschlicher Evolution beherrscht und bei der vierten Einweihung vollständig ausser Kraft tritt.

2. Das Gesetz der karmischen Notwendigkeit. Es bestimmt das Leben des vorgeschrittenen Jüngers und des Eingeweihten von der zweiten Einweihung an bis zu einer bestimmten Einweihung, die höher ist als die vierte; diese Einweihungen ermöglichen es ihm, sich auf den Weg der Höheren Evolution zu begeben.

3. Das Gesetz der karmischen Umgestaltung (Transformation). Das ist ein geheimnisvoller Ausdruck, der für die Vorgänge gilt, die man auf dem Höheren Weg durchmacht. Diese befähigen dann den Eingeweihten, überhaupt von der kosmisch-physischen Ebene abzugehen und auf der kosmischen Mentalebene zu wirken. Das betrifft das Freiwerden solcher Wesen wie Sanat Kumara und seiner Gefährten im Rat von Shamballa von der Last kosmischen Verlangens, das sich auf unserer kosmisch-physischen Ebene als geistiger Wille manifestiert. Das sollte für euch ein fesselnder Gedanke sein. Es ist jedoch klar, dass ich über dieses Thema kaum etwas sagen kann. Das dazu notwendige Wissen besitze ich noch nicht.

Wir wollen [406] uns nun einem anderen Aspekt unseres Themas zuwenden. Es gibt - im weiteren Sinne - drei grosse Todesvorgänge.

Da ist erstens die ständige Wiederkehr des physischen Todes. Diese ist uns allen vertraut durch ihre ausserordentliche Häufigkeit - wenn wir es nur erkennen könnten; dann würde nämlich die derzeit vorhandene Todesfurcht sehr schnell verschwinden. Dann haben wir den «zweiten Tod», von dem die Bibel spricht, der in diesem gegenwärtigen planetarischen Zyklus mit dem Erlöschen aller astralen Bindungen zu tun hat, die den Menschen beherrschen. In einem weiteren Sinne wird dieser zweite Tod bei der vierten Einweihung zu Ende geführt, weil dann sogar das geistige Streben stirbt, da es nicht mehr benötigt wird; der Wille des Eingeweihten ist nun fest und unerschütterlich und die astrale Sensitivität ist nicht mehr erforderlich.

Man findet auf einer viel tieferen Ebene ein seltsames Gegenstück zu dieser Erfahrung und zwar im Auslöschen aller astralen Emotionen, das für den einzelnen Aspiranten zur Zeit der zweiten Einweihung erfolgt. Damit ist eine Episode abgeschlossen und dies wird bewusst wahrgenommen. Zwischen der zweiten und dritten Einweihung muss der Jünger beweisen, dass er gegenüber Astralismus und Gefühlswallungen dauernd unempfänglich ist. Der zweite Tod, den ich hier meine, hat mit dem Tod oder Verschwinden des Kausalkörpers bei der vierten Einweihung zu tun. Das ist das Kennzeichen, dass der Aufbau der Antahkarana vollendet und eine direkte, unbehindert fortdauernde Verbindung zwischen der Monade und der Persönlichkeit hergestellt ist.

Der dritte Tod findet statt, wenn der Eingeweihte endgültig und ohne Aussicht auf eine Rückkehr alle Beziehungen zur kosmisch-physischen Ebene abbricht. Dieser Tod liegt notwendigerweise für alle Mitglieder der Hierarchie noch weit in der Zukunft und ist gegenwärtig nur einigen wenigen im Rat von Shamballa möglich und erlaubt. Es ist jedoch kein Prozess, den auch Sanat Kumara durchmachen wird. Er ging schon vor vielen Äonen durch diese «Umgestaltung» und zwar während jener grossen Katastrophe, die das lemurische Zeitalter einleitete; diese Katastrophe wurde durch sein kosmisches Erlebnis herbeigeführt, und [407] weil es dringend notwendig war, von ausserplanetarischen Wesenheiten Energie einströmen zu lassen.

Ich habe diese kurzen Zusammenfassungen gegeben, um euer allgemeines Verständnis für das zu erweitern, was die Meister «die Ausweitung des Todes im Raume» nennen. Dennoch werden wir uns auf den folgenden Seiten auf den Tod des physischen Körpers und der feineren Körper in den drei Welten beschränken; wir werden uns ausserdem mit den Vorgängen beschäftigen, welche die Wiederaufnahme der Menschenseele in die Geistseele auf ihrer eigenen Ebene, der höheren Mentalebene, bewirken. Wir werden die erneute Einverkörperung von Substanz und die Aneignung von Materie zwecks Wiederverkörperung erörtern.

Wir werden also die drei Hauptprozesse betrachten, auf die ich früher hingewiesen habe; sie umfassen drei Zeitspannen und führen schliesslich gemäss dem Gesetz der Wiedergeburt zu weiteren Vorgängen. Es sind folgende Prozesse:

1. Der Prozess der Rückerstattung. Dieser Vorgang umfasst die Zeitspanne, während der sich die Seele von der physischen Ebene und von ihren beiden sichtbaren Aspekten (dem grobphysischen Körper und dem Ätherkörper) zurückzieht. Dies betrifft die Kunst des Sterbens.

2. Der Prozess der Ausmerzung. Dieser Vorgang bezieht sich auf das Leben der Menschenseele nach dem Tode in den beiden anderen Welten menschlicher Evolution. Er betrifft die Beseitigung des astral-mentalen Körpers durch die Seele, so dass sie «bereit ist, unbehindert an dem ihr eigenen Orte zu stehen».

3. Der Prozess der Integration. Er umfasst die Zeitspanne, während der sich die befreite Seele wieder ihrer selbst als des Engels der Gegenwart bewusst wird und wieder in der Seelenwelt aufgeht; so kommt sie in einen Zustand nachdenklicher Betrachtung. Später bereitet sie sich, getrieben durch (408) das Gesetz der Karmischen Verpflichtung oder Notwendigkeit, zu einem neuerlichen Abstieg in die Form vor.