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Achtes Kapitel - Aufzählung und Anwendung der Gesetze und Regeln - Teil 6

Die Hauptaufgabe der geistigen Hierarchie ist seit jeher die gewesen, zwischen den Kräften des Bösen und der Menschheit zu stehen, Unvollkommenheit ans Licht zu bringen, so dass das Böse «keinen Platz der Betätigung finden kann» und die Tür in das geistige Reich offenzuhalten. Dies hat die Hierarchie getan, wobei die Menschheit nur wenig mitgeholfen hat. Diese Situation hat sich jetzt geändert. Der Weltkrieg war das Symbol und die Garantie für diese Änderung; da kämpften die Lichtkräfte, die Massen der verbündeten Nationen, gegen die Kräfte des Bösen auf der physischen Ebene und vernichteten sie. Es lag ein viel tieferer geistiger Sinn in dem Krieg, als man bis jetzt erkannt hat. Er bedeutete einen Wendepunkt für die Welt; er lenkte die Menschheit wieder auf das Gute hin; er trieb die Kräfte des Bösen zurück und klärte endgültig (und dies war neu und notwendig) den wirklichen Unterschied zwischen Gut und Böse und zwar nicht in einem theologischen Sinn - wie er von den Sprechern der Kirche vertreten wird - sondern praktisch und offensichtlich. Das zeigt sich in der katastrophalen Wirtschaftslage und der Gewinnsucht der führenden Menschen in jedem Land. Die Menschenwelt ist (da der Unterschied zwischen Gut und Böse so offensichtlich wurde) hellhörig geworden gegenüber materialistischer Ausbeutung, dem Mangel an wirklicher Freiheit und den bisher nicht beanspruchten Rechten des Einzelmenschen. Die Fähigkeit des Menschen, der Sklaverei Widerstand zu leisten, ist überall in der Welt sichtbar geworden. Es ist zwar richtig, dass die Kämpfer [667] für die Freiheit falsche Methoden anwenden und oft bestrebt sind, Böses mit Bösem zu bekämpfen; aber dies ist typisch für Übergangsmethoden. Die Übergangszeit ist vom Gesichtspunkt der Hierarchie aus zeitlich begrenzt (wenn auch vielleicht lang vom Blickpunkt des Menschen in den drei Welten), aber sie muss heute nicht mehr unbedingt lange dauern.

Die Fortschritte der Menschheit während der letzten zweihundert Jahre waren so gross, dass die Ratskammer von Shamballa gezwungen war, davon Kenntnis zu nehmen. Als Folge davon, dass diese Grossen Wesen um Sanat Kumara aufmerksam geworden waren und ihr Interesse den Angelegenheiten der Menschen zuwendeten, geschah zweierlei:

1. Der Willensaspekt der Gottnatur stellte zum ersten Mal einen deutlichen und direkten Kontakt mit dem menschlichen Denken her. Der dynamische Impuls war direkt und wurde nicht - wie bisher - auf die Hierarchie abgelenkt und von dort der Menschheit zugesandt. Je nach dem Typus des Menschen oder der Gruppe, die auf diesen Kontakt reagierten, waren auch die entsprechenden Ergebnisse; diese waren entweder sehr gut oder ausserordentlich schlecht. Es traten grosse, gute Menschen auf, welche die für das Neue Zeitalter benötigten Wahrheiten verkündeten; als Beispiel für sie könnte man Lincoln, Roosevelt, Browning, Briand und eine Anzahl weniger bedeutender Männer anführen. Ebenso traten schlechte, verderbliche Menschen auf, wie etwa Hitler und die um ihn gescharte Gruppe, die viel Unglück über die Erde brachten.

2. Gleichzeitig rief der Wille-zum-Guten aus Shamballa den im Menschen ruhenden guten Willen auf, so dass seit hundert Jahren Herzensgüte, Freundlichkeit im Handeln, Achtung vor anderen und Massenbewegungen zur Förderung des menschlichen Wohlergehens ständig zunehmen und sich über die Erde verbreitet haben.

Gleichzeitig mit der sichtbar werdenden Unvollkommenheit und den methodischen Anstrengungen des Bösen trat die Neue Gruppe der Weltdiener auf den Plan; auch die Hierarchie traf die ersten Massnahmen, um ihr sichtbares Erscheinen auf der physischen Ebene vorzubereiten. Die Hierarchie ist zur Zeit ausserordentlich mächtig; ihre Ashrams sind voll von Eingeweihten [668] und Jüngern und ihre Peripherie oder ihr magnetisches Feld zieht ungezählte Tausende von Aspiranten an sich. Der Krieg hat dem materiellen Bösen einen tödlichen Schlag versetzt, so dass seine Gewalt über die Menschheit sehr geschwächt ist.

Verwechselt nicht das Böse mit den Handlungen der Gangster und Verbrecher. Diese sind eine Folge der jetzt massenhaft auftretenden Unvollkommenheiten; sie sind die Opfer von Unwissenheit, schlechter Behandlung im Kindesalter und des jahrhundertelangen Missverstehens rechter menschlicher Beziehungen; das Gesetz der Wiedergeburt wird sie schliesslich auf den Weg zum Guten führen. Wirklich böse Menschen sind diejenigen, die versuchen, eine Rückkehr zu den schlechten alten Gewohnheiten zu erzwingen; die bestrebt sind, ihre Mitmenschen in irgendeiner Art versklavt zu halten; welche die Verwirklichung einer der vier Freiheiten oder aller zusammen behindern wollen; die materiellen Reichtum auf Kosten der Ausgebeuteten ansammeln oder die versuchen, die Erzeugnisse der Erde für sich selbst oder um des eigenen Profits willen zu behalten; damit machen sie die Kosten der Lebensnotwendigkeiten unerschwinglich für diejenigen, die nicht mit Reichtümern gesegnet sind. Menschen, welche auf diese Weise handeln, denken und planen, finden sich in jedem Volk und für gewöhnlich gehören sie - wegen ihres Reichtums und Einflusses - zur (sogenannten) Prominenz; sie versündigen sich gegen ihre bessere Erkenntnis, nicht aus Unwissenheit; ihre Ziele sind materieller und nicht spiritueller Art. Es sind verhältnismässig wenige im Vergleich zu den zahllosen Millionen von Erdenmenschen, doch haben sie eine ausserordentliche Macht; sie sind sehr intelligent, kennen aber keine Skrupel. Gerade durch diese Menschen wirken die Kräfte des Bösen, die den Fortschritt aufhalten, die Armut vergrössern, Hass und Klassenunterschiede verstärken, rassische Gegensätze schüren und zu ihren eigenen Zwecken ausnutzen und die Menschen in Unwissenheit halten. Ihre Sünde ist gross und es ist für sie schwer, sich zu ändern, denn die Macht und der Wille zur Macht (der ja dem Willen zum Guten entgegenwirkt) sind die beherrschenden, alles bestimmenden Faktoren in ihrem Leben; diese Menschen arbeiten heute gegen die Einheit der Vereinten Nationen, denn sie sind habsüchtig und [669] setzen alles daran, die Rohstoffquellen der Erde (wie Öl, Mineralien und Nahrungsmittel) zu besitzen und so die anderen Menschen schwach zu halten und ohne ausreichende Nahrung zu lassen. Diese Menschen, die man in jedem Volk findet, verstehen einander genau; sie arbeiten in grossen Verbänden zusammen, um die Reichtümer der Erde auf Kosten der Menschheit auszubeuten.

Russland ist heute in einzigartiger Weise frei von solchen Menschen; ich spreche also hier nicht von diesem riesigen Land, wie manche seiner Feinde vielleicht annehmen möchten. Russland macht grosse Fehler, doch sind es die Fehler fanatischer Theoretiker oder Verbrecher, die aus Unwissenheit, wegen ihrer Unreife oder aus Zorn über die elenden Zustände sündigen, von denen sie umgeben sind. Dies ist etwas ganz anderes als das Böse, von dem ich gesprochen habe; es wird auch nicht andauern, denn Russland wird lernen; diese anderen aber lernen nicht.

Ich habe das obige Beispiel herangezogen, um mein Thema etwas klarer zu machen. Das ganze Problem des Bösen ist jedoch viel zu umfassend, als dass man es hier betrachten könnte; und es ist auch nicht ratsam oder klug, über die Quelle des Bösen (nicht der Unvollkommenheit!), die Schwarze Loge, zu sprechen. Dem Gedanken folgt Energie und das gesprochene Wort kann eine starke Resonanz auslösen; solange man noch nicht Mitglied der Grossen Weissen Loge ist, tut man gut daran, die Betrachtung von Kräften zu meiden, die stark genug sind, um die latente Unvollkommenheit der Menschen geschickt auszunützen und ihr das ungeheure Unglück des Krieges mit allen seinen Folgen und weitreichenden Wirkungen aufzuerlegen. Die Schwarze Loge ist das Problem der Weissen Loge und geht die Menschheit nichts an; die Hierarchie hat sich äonenlang damit befasst und sie ist jetzt dabei, es zu lösen. Es ist im wesentlichen jedoch eine Sache Shamballas, denn es hat mit dem Willensaspekt zu tun und nur der Wille-zum-Guten wird stark genug sein, um den Willen-zum-Bösen auszulöschen und zu vernichten. Der Gute Wille [670] wird nicht genügen, obwohl der vereinigte invokative Anruf der Menschen guten Willens in der ganzen Welt - der durch die Grosse Invokation einen immer stärkeren Ausdruck erhält - dazu beitragen wird, «die Türe zu versiegeln, wo das Übel wohnt».

Eben hinter dieser Türe arbeitet die Hierarchie und befasst sich erfolgreich mit den dort verborgenen (und aufgebotenen) Kräften; ihr würdet die Methoden und Verfahrensweisen, nach denen sie die Menschheit vor dem aufgebotenen Bösen schützt und das Übel schrittweise zurücktreibt, nicht verstehen, denn ihr habt ja noch nicht das Tor durchschritten, das auf den Weg der Höheren Evolution führt.

Was soll ich über Harmlosigkeit sagen? Es ist für mich nicht leicht, euch die Wirksamkeit des höheren Aspektes (der höheren Spirale oder Entwicklungsstufe) der Harmlosigkeit zu zeigen oder zu beweisen, so wie sie von der Hierarchie unter der Leitung des Vollkommenen, des Christus, angewandt wird. Die Harmlosigkeit, die ich früher besprochen habe, bezieht sich auf die Unvollkommenheiten, mit denen die Menschheit ringt; es ist für euch schwer - wie ihr wohl wisst -, sie in und unter allen Umständen anzuwenden. Die Harmlosigkeit, die ich hier in bezug auf euch meine, ist weder negativ noch eine sanfte oder freundliche Tätigkeit, wie so viele glauben. Es ist eine Geisteshaltung, die in keiner Weise festes oder sogar drastisches Handeln verneint; es geht dabei um Motive und um den festen Entschluss, sich bei allem Tun und Wirken vom guten Willen leiten zu lassen. Dieses Motiv könnte zwar zu positivem und manchmal sogar zu unangenehmem Handeln und Sprechen führen, da aber Harmlosigkeit und guter Wille in Gedanken dahinterstehen, kann es nur Gutes bewirken.

Auf einer höheren Runde der Spirale verwendet auch die Hierarchie die Harmlosigkeit, doch hat diese mit dem Willen-zum-Guten zu tun, wobei auch dynamische elektrische Energie unter intuitiver Leitung zur Anwendung kommt; diese Art von Energie wird vom Menschen niemals zur Wirksamkeit gebracht, denn er kann mit ihr noch nicht umgehen. Die hier gemeinte Harmlosigkeit beruht auf vollständiger Selbstaufopferung, wobei der Wille-zum-Opfer, der Wille-zum-Guten und der Wille-zur-Macht (drei Stadien des Willensaspektes, wie er durch die Geistige Triade [671] zum Ausdruck kommt) zu einer einzigen, dynamischen Energie zutiefst spiritueller Art verschmolzen werden. Diese Energie ist die Quintessenz völliger oder vollendeter Harmlosigkeit, soweit es die Menschheit und die unteren Naturreiche betrifft; sie hat aber austreibende Wirkung und ist dynamisch in ihrem vernichtenden Ansturm, wo es sich um die Kräfte des Bösen handelt.

Ein genaues, esoterisches Studium der drei Versuchungen Christi enthüllt drei grosse Gelegenheiten, bei denen der Vollendete diese höhere Harmlosigkeit zum Ausdruck brachte und den Vertreter des Bösen zum Rückzug zwang. Diese dreifache Episode wird uns symbolisch berichtet, ist jedoch ihrem Wesen nach eine Tatsache. Man hat bisher nur wenig darüber nachgedacht, was sich als weltweite Wirkung über die Jahrhunderte hin ergeben hätte, wenn Christus nicht so reagiert hätte, wie er es tatsächlich tat; Spekulationen darüber haben wenig Sinn, doch könnte man sagen, dass sich der ganze Verlauf der Geschichte und des evolutionären Fortschritts der Menschheit geändert hätte und zwar in einer grässlichen, entsetzlichen Weise. Aber die dynamische Harmlosigkeit, die Manifestierung des Willens-zum-Guten und die Demonstrierung des Willens-zur-Macht (durch die das Böse gezwungen wurde, ihn zu verlassen) kennzeichnen eine ausserordentliche bedeutsame Krise im Leben Christi.

Das Evangelium (mit seiner Zusammenfassung der fünf Einweihungen) handelt von dem Fortschritt und dem Triumph des Meisters Jesus; die Geschichte der drei Versuchungen deutete eine noch höhere Einweihung an, die sechste, die Christus erwirkte; diese übertrug ihm die vollkommene Herrschaft über das Böse, nicht die Bemeisterung der Unvollkommenheit; gerade weil er der «Vollkommene» war, konnte er diese Einweihung erlangen.

Ich habe euch hier viel zu reiflicher Überlegung gegeben; es wirft einiges Licht auf eine Einweihung, von der man naturgemäss nur wenig wissen kann. Ich möchte eure Aufmerksamkeit auch auf die drei grundlegenden Erfordernisse für ein erfolgreiches Streben nach dieser Einweihung lenken: Vollkommenes Gleichgewicht, eine vollständig umfassende Sicht und göttliches Verstehen. Vielleicht ist es für euch interessant zu sehen, wie diese drei Qualitäten sich in bezug auf die drei Versuchungen auswirken; auf diese Weise würde viel Licht auf Leben, Wesensart [672] und Charakter des Christus fallen.

Mit dem Gesetz der Vervollkommnung wird uns der Schlüssel zu der Zivilisation und zu dem Evolutionszyklus gegeben, den er einleitete - dessen Ideal nicht verlorengegangen ist, obwohl die Kirchen und die Menschheit die Anwendung der von ihm gegebenen Lehren vernachlässigt haben. Ihr werdet auch bemerken, dass eine der Versuchungen auf dem Gipfel eines hohen Berges stattfindet; von dieser Höhe aus gesehen sind Zeit und Raum vollständig aufgehoben, denn die geistige Sicht Christi reichte von der Vergangenheit durch die Gegenwart bis in die Zukunft. Dieser Gewahrseinszustand (ich kann ihn nicht Bewusstsein nennen und auch Gewahrsein ist ein fast ebenso unzutreffendes Wort) ist erst nach der fünften Einweihung möglich; er erreicht eine hohe Vollendungsstufe bei der sechsten Einweihung.

Ich möchte mit euch das Wesen der drei Erfordernisse besprechen, die für eine bestimmte Einweihung als unbedingt notwendig hingestellt werden, da sie das Bindeglied zwischen dem IX. Gesetz und der VI. Regel bilden. Diese Regel ist so klar und präzise, dass sie nur weniger Erklärungen bedarf; sie betont ja nachdrücklich, welche Energie anzuwenden ist und welche man nicht benutzen darf. Sie lautet:

VI. Regel.

Der Heiler und die Heilergruppe müssen ihren Willen im Zaum halten. Nicht der Wille soll angewandt werden, sondern die Liebe.

Die genannten drei Grundforderungen betreffen die Errungenschaften verschiedener Ebenen des Universums; ich habe sie zwar in Zusammenhang mit der sechsten Einweihung erwähnt, aber sie haben - auf einer tieferen Runde der Spirale - ihre Entsprechungen. Daher sind sie von praktischem Nutzen für den eingeweihten Jünger, besonders für den, der die dritte Einweihung erlangt hat. Wir wollen sie nacheinander in unser Denken aufnehmen:

Vollkommenes Gleichgewicht (oder Ausgeglichensein) weist auf die vollständige Beherrschung des Astralkörpers hin, so dass die emotionellen Aufregungen überwunden oder zum mindesten im Leben des Jüngers weitgehend gemindert sind. Es zeigt ausserdem [673] auf einer höheren Runde der Spirale die Fähigkeit an, frei auf buddhischen Ebenen zu wirken, da der Mensch von allen Einflüssen und Impulsen, die aus den drei Welten kommen, völlig befreit (und folglich ausgeglichen) ist. Diese Art oder Qualität der Ausgeglichenheit kennzeichnet - wenn ihr tiefer nachdenkt - einen abstrakten Geisteszustand; nichts, was als Unvollkommenheit betrachtet wird, kann Störungen herbeiführen. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass eure Fähigkeit, klar zu denken, ausserordentlich gesteigert würde - samt allem, was dies nach sich zieht - wenn ihr von allen gefühlsbedingten Reaktionen vollständig frei wäret.

Natürlich bestehen Unterschiede zwischen dem vollkommenen Ausgeglichensein eines eingeweihten Jüngers und dem des eingeweihten Meisters; denn im ersten Fall handelt es sich um die Wirkung (bzw. Wirkungslosigkeit) der drei Welten, im anderen Fall um die Anpassungsfähigkeit an den Rhythmus der Geistigen Triade; dennoch muss die frühere Art der Ausgeglichenheit vor der späteren erlangt werden und deshalb spreche ich ja über das Thema. Dieses vollkommene Gleichgewicht (das für euch, die ihr dies lest, im Bereich des Möglichen liegt) kann dadurch erreicht werden, dass man den Zug, die Triebe, Impulse und Anziehungen der astralen und emotionellen Natur ausschaltet und ausserdem die schon früher erwähnte Geisteshaltung sich zur Gewohnheit macht: göttliche Gleichgültigkeit.

Eine umfassende Sicht. Dies bezieht sich notwendigerweise und in erster Linie auf den universalen Ausblick oder Horizont der Monade und folglich auf einen Eingeweihten der höheren Grade. Man kann sich diese Qualität auch auf einer tieferen Sprosse der Evolutionsleiter vorstellen und zwar als die Funktion der Seele als Beobachter in den drei Welten und als das vollständige Gesamtbild, das ein solcher Beobachter allmählich gewinnt. Dieses entsteht durch die Entwicklung von zwei Qualitäten: der inneren Loslösung und des Unterscheidungsvermögens. Wenn man diese beiden auf dem Weg zur höheren Evolution zum Ausdruck [674] bringt, werden daraus Abstraktion und der Wille-zum-Guten.

Eine umfassende Sicht - wie man sie auf Seelenebenen erfährt - weist darauf hin, dass alle Schranken beseitigt sind und der Jünger von der grossen Ketzerei des Sonderseins frei ist; er hat damit eine offene Stromrinne für das Einströmen der reinen Liebe geschaffen. Vollkommene Ausgeglichenheit, von derselben Ebene aus betrachtet, hat alle Hindernisse und jene emotionellen Faktoren beseitigt, die bisher den Kanal blockiert haben; dadurch wird dem Beobachter der Weg zur wahren Sicht bereitet; der Jünger wirkt dann als unbehinderter Durchlass für die Liebe.

Göttliches Verstehen muss ebenfalls von zwei Gesichtspunkten aus studiert werden. Als Seelenqualität weist es auf ein Denken hin, das stetig im Licht gehalten werden und somit die reine Vernunft (reine Liebe) widerspiegeln kann, welche die Überlegungen des Sohnes des Denkvermögens, der Seele auf ihrer eigenen Ebene, imprägniert. Auf dem höheren Weg des Meisters bezieht es sich auf das bewusste Erkennen der Wesensgleichheit, das an die Stelle des individualisierten Bewusstseins tritt; alle Schranken sind geschwunden, und der Eingeweihte sieht die Dinge so wie sie sind; er kennt die Ursachen, deren vergängliche Wirkungen alle Erscheinungsformen sind. Dies befähigt ihn folglich, die göttliche Absicht, die von Shamballa ausgeht, genau so zu verstehen, wie der geringere Eingeweihte den Plan versteht, der von der Hierarchie ausgearbeitet und festgelegt wird.

Diese drei göttlichen Eigenschaften sind in einem gewissen Mass für die Entwicklung des eingeweihten Heilers erforderlich; er muss an ihrer Entfaltung arbeiten, da sie einen Teil der für ihn notwendigen Ausrüstung bilden; er muss wissen, dass alle Reaktionen emotioneller Art eine Mauer oder Schranke zwischen dem freien Strom der Heilkraft und dem Patienten aufrichten, und dass diese Schranke von ihm geschaffen wird, nicht vom Patienten. [675] Die Gesühlsregungen des Patienten sollten keine Wirkungen auf den Heiler ausüben und sollten ihn keinesfalls von der intensiven Konzentration ablenken können, deren er zu seiner Arbeit bedarf. Diese Gefühle des Patienten können von sich aus keine Schranke errichten, die stark genug wäre, um die Heilkraft abzulenken.

Eine umfassende Anschauung erfordert, dass der Jünger zum mindesten den Versuch macht, in die Welt der Ursachen einzudringen und auf diese Weise (wenn möglich) zu erfahren, was denn eigentlich die Krankheit des Patienten verursacht hat. Deswegen braucht man nicht in frühere Inkarnationen einzudringen; das ist auch gar nicht wichtig, trotz allem, was einige neuzeitliche und im allgemeinen betrügerische Heiler behaupten mögen. Es gibt für gewöhnlich genügend psychologische Beweismittel oder Anzeichen ererbter Neigungen, um dem Heiler die nötigen Hinweise und die Möglichkeiten zu geben, sich ein einigermassen umfassendes Bild von der Lage zu machen. Natürlich wird dieses «Eindringen» in die Ursachen der Störungen nur dann möglich sein, wenn der Heiler genug Liebe hat; weil er liebt, hat er eine Ausgeglichenheit erreicht, welche die Welt der Illusion und der Verblendung unwirksam macht. Göttliches Verstehen besteht einfach darin, das Prinzip der reinen Liebe (der reinen Vernunft) auf alle Menschen und alle Umstände anzuwenden und die beim Patienten vorhandenen oder die zwischen Patient und Heiler bestehenden Schwierigkeiten richtig auszudeuten.

Zu diesen Erfordernissen möchte ich noch einen weiteren Faktor hinzufügen: Den des Mediziners, des Arztes oder Chirurgen, der physisch für den Patienten verantwortlich ist. Im kommenden neuen Zeitalter wird der Heiler stets mit der wissenschaftlichen Unterstützung des geschulten Mediziners arbeiten; dies ist etwas, das beim durchschnittlichen modernen Heiler, der zu irgendeiner Sekte gehört oder eine nicht-akademische Heilmethode anwendet, derzeit Verwirrung und Bestürzung hervorruft.

Es dürfte daher klar sein, dass diese drei göttlichen Erfordernisse (entsprechend dem Niveau des Jüngers in der heutigen [676] Welt) die Richtung der Schulung oder Selbstdisziplin anzeigen, um die sich alle bemühen sollten. Wenn sie wenigstens einige Anfangsgründe dieser dreifachen Zielsetzung erreicht haben, werden sie bemerken, dass sie die Regel VI mit Leichtigkeit anwenden können.

Was bedeuten die Worte: «Den Willen im Zaum halten?» Der hier gemeinte Willensaspekt ist nicht der Wille-zum-Guten und dessen niedere Ausdrucksform, der gute Wille. Der Wille-zum-Guten kennzeichnet die feste, unverrückbare Einstellung des eingeweihten Jüngers, während der gute Wille als deren Äusserungsform im Alltagsleben angesehen werden kann. Der Wille-zum-Guten, so wie er von einem höheren Eingeweihten zum Ausdruck gebracht wird, ist eine dynamische Energie, die vor allen Dingen eine Gruppenwirkung hat; aus diesem Grund befasst sich der höhere Eingeweihte selten mit der Heilung eines Einzelmenschen. Sein Wirken ist zu kraftvoll und zu wichtig, als dass er dies tun dürfte, denn die Willensenergie, die ja die göttliche Absicht verkörpert, könnte zerstörende Wirkungen bei einem solchen Einzelmenschen haben. Der Patient wäre nicht in der Lage, diese Energie zu empfangen oder zu bewältigen. Es wird indes vorausgesetzt, dass der gute Wille die gesamte Einstellung und alle Gedanken des heilenden Jüngers beeinflusst und bestimmt.

Der Wille, den man im Zaum halten muss, ist der Wille der Persönlichkeit, die beim eingeweihten Jünger sehr hohen Ranges ist. Dieser Wille ist auch mit dem Willen der Seele verbunden, der von den Opferblättern im egoischen Lotos ausgeht. Alle echten Heiler müssen eine heilende Gedankenform erschaffen und vermittels dieser wirken sie bewusst oder unbewusst. Diese Gedankenform darf aber nicht durch einen zu starken Willen beeinflusst werden, denn dieser kann (wenn er nicht im Zaum gehalten, abgedämpft, umgewandelt oder wenn nötig gänzlich ausgeschaltet wird) nicht nur die vom Heiler erschaffene Gedankenform zerstören, sondern auch eine Schranke zwischen Heiler und Patient aufrichten; dadurch wird die anfängliche Verbindung abgebrochen. Nur ein Christus kann unter Anwendung des Willens heilen und er heilte in Wirklichkeit überhaupt selten; in den Fällen, wo er dies getan haben soll, wollte er dartun, dass eine Heilung möglich sei; doch gab er - wie ihr bemerken werdet, [677] wenn ihr mit dem Evangelium vertraut seid - seinen Jüngern keine Anleitung über die Heilkunst. Dies ist bedeutsam.

Der Heiler erzeugt durch seinen eigenen Willen (ganz gleich, wie hoch dessen Qualität auch sein mag) und durch seine entschlossene Bemühung, den Patienten zu heilen, eine Spannung, welche die heilenden Energieströme beträchtlich ablenken kann. Ist diese Art von Willen vorhanden, wie es beim unerfahrenen oder nicht eingeweihten Heiler häufig vorkommt, dann kann es leicht sein, dass dieser die Beschwerde des Patienten in sich aufnimmt und die Symptome des Leidens und des Schmerzes verspürt. Seine willensbetonte Entschlossenheit, Hilfe zu bringen, wirkt wie ein Bumerang; er leidet selbst, während dem Patienten nicht wirklich geholfen wird.

Deshalb heisst es in der Unterweisung, man solle die Liebe anwenden und hier tritt eine grosse Schwierigkeit auf. Wie kann der Heiler Liebe anwenden, die von ihrer emotionellen, niederen Qualität befreit ist und sie in reinem Zustand für die Heilung des Patienten aussenden? Doch nur dann, wenn er den drei Erfordernissen möglichst nachkommt und sich dadurch zu einem reinen Leitungsweg entwickelt hat. Er ist geneigt, sich so sehr mit sich selbst zu beschäftigen, mit der Definition der Liebe und dem Entschluss, den Patienten zu heilen, dass er die drei Erfordernisse vernachlässigt. Dann verschwenden Heiler und Patient nur ihre Zeit. Der Heiler braucht über das Wesen der Liebe nicht nachzugrübeln und sich darüber Sorgen zu machen oder allzu eifrig zu verstehen suchen, dass reine Vernunft und reine Liebe gleichbedeutende Begriffe sind; oder sich damit zu quälen, ob er ausreichende Liebe aufbringen kann, um eine Heilung zu erreichen. Er soll vielmehr über die drei Erfordernisse nachdenken, besonders über das erste und in sich diese drei Bedingungen erfüllen, soweit es an ihm liegt und seine Evolutionsstufe es erlaubt. Dann wird er ein reiner Durchgangsweg werden und die Hindernisse für das Einströmen reiner Liebe werden automatisch beseitigt; denn: «Wie ein Mensch in seinem Herzen denkt, so ist er». Dann kann die reine Liebe ungehemmt und leicht durch ihn hindurchströmen und der Patient wird geheilt werden - wenn es das Gesetz für ihn erlaubt.

Wir kommen [678] nun zu dem letzten und geheimnisvollsten all der Gesetze, die ich euch mitgeteilt habe. Ich wies schon früher darauf hin, als ich erklärte: «Mit diesem letzten wird ein neues Gesetz verkündet, das an die Stelle des Todesgesetzes tritt und nur für diejenigen gilt, die sich auf den letzten Stufen des Pfades der Jüngerschaft und auf dem Pfad der Einweihung befinden.» Mit diesen letzten Stadien meine ich den Zeitraum nach der zweiten Einweihung und vor der dritten. Dieses Gesetz gilt auf keinen Fall, solange noch die emotionelle Natur den klaren Rhythmus der Persönlichkeit stören kann, insoweit diese auf die Einwirkung der Seelenenergie und später auf die der Monade reagiert. Ich kann euch daher über die volle Auswirkung dieses Gesetzes nicht viel erklären, aber ich kann gewisse ausserordentlich interessante Gedanken und Entsprechungen aufzeigen, die euch zu schöpferischem Nachdenken anregen werden; gleichzeitig aber verkörpern sie erwiesene Tatsachen für diejenigen von uns, die eingeweihte Jünger des Christus oder Sanat Kumara sind.

X. Gesetz.

Höre, o Chela, auf den Ruf, der vom Sohn an die Mutter ergeht, und gehorche sodann. Das Wort kündet, dass die Form ihren Zweck erfüllt hat. Das Denkprinzip passt sich an und wiederholt dann das Wort. Die wartende Form gibt Antwort und fällt ab. Die Seele ist frei.

Folge, o Aufsteigender, dem Ruf, der aus dem Reich der Verpflichtung kommt; erkenne den Ruf, der vom Ashram oder aus der Ratskammer ergeht, wo der Herr des Lebens Selbst wartet. Der Ton geht hinaus. Seele und Form müssen zusammen dem Lebensprinzip entsagen und so der Monade erlauben, frei zu werden. Die Seele antwortet. Dann zerbricht die Form die Verbindung. Das Leben ist jetzt befreit und besitzt die Eigenschaft bewussten Wissens, die Früchte aller Erfahrung. Dies sind die Gaben, die Seele und Form gemeinsam schenken.

Dieses X. Gesetz ist [679] der Vorläufer vieler neuer Gesetze, welche die Beziehung der Seele zur Form oder des Geistes zur Materie betreffen; dieses hier wird als erstes gegeben und zwar aus folgenden Gründen:

1. Es kann von Jüngern angewandt werden und sich somit als wahr erweisen für die Menschenmassen und vor allem für die wissenschaftliche Welt.

2. Auf Grund sehr vieler Bestätigungen und der Art des Todes (die hier auf dieser Stufe «Übertragung» genannt wird) kann die Existenz der Hierarchie und Shamballas als Tatsache festgestellt werden.

Es gibt drei Ursachen für die Zurückziehung oder Abstraktion, die wir «Tod» nennen, wenn wir die folgenden Möglichkeiten ausschliessen: Den Tod durch Unfall (der mit dem Karma anderer Menschen verknüpft sein kann), durch Krieg (wobei das planetarische Karma im Spiel ist) und durch Naturkatastrophen (die gänzlich mit dem Manifestationskörper des Einen verbunden sind, in dem wir leben, weben und sind).

Ich könnte bei diesem Gedanken innehalten und euch den Unterschied zwischen diesem «unbekannten Gott» und Sanat Kumara an seinem hohen Ort in Shamballa etwas verständlicher machen. Sanat Kumara ist an sich die wesenhafte Identität, die für die erschaffenen Welten verantwortlich ist; aber seine Herrschaft über die Energien und Kräfte ist - infolge seiner kosmischen Entfaltung - so gross, dass er den ganzen Planeten benötigt, um alles das zum Ausdruck zu bringen, was er tat. Da er das volle Bewusstsein der kosmischen Astral- und Mentalebene hat, kann er - nach dem kosmischen Gesetz - Energien und Kräfte zur Anwendung bringen, die für die Ziele seiner göttlichen Absicht den gesamten Erdenplaneten erschaffen, erhalten und nutzbar machen. Er beseelt den Planeten mit seinem Leben; er erhält ihn und alles, was in oder auf ihm ist, durch seine Seelenqualität, die er in verschiedenem Mass jeder Form verleiht; er erschafft ununterbrochen neue Formen, die nötig sind, um das «vollkommenere Leben» und die «stärker werdende Absicht seines Willens» zum Ausdruck zu bringen, wie es der Zeitenfortschritt zyklisch ermöglicht. Wir leben heute in einer Epoche, in der er [680] intensiv die Methode göttlichen Zerstörens zur Befreiung des geistigen Lebens anwendet; gleichzeitig erschafft er die neue Grundform der Zivilisation, welche die evolutionären Errungenschaften unseres Planeten und der Naturreiche in grösserer Fülle zum Ausdruck bringen wird; dies wird schliesslich einmal zur vollkommenen Wesensäusserung seines göttlichen Lebens und seiner Absicht führen.

Es wäre vielleicht gut, wenn wir dieses zehnte Gesetz etwas ausführlicher behandelten, soweit es möglich ist, um zu jener Synthese vorzudringen, die es mitteilen soll: Wir werden auf diese Weise ein wenig zu der Erkenntnis kommen, dass der Tod selbst ein Teil des Schöpfungsvorganges der Synthese ist. Es ist sehr wichtig, dass die neuen Ideen und eine neue Annäherung an das ganze Problem des Sterbens eingeführt werden.

Höre, o Chela, auf den Ruf, der vom Sohn an die Mutter ergeht, und gehorche sodann.

Aus dem Zusammenhang des Textes erkennen wir wohl, dass hier von dem Ablegen des physischen Körpers gesprochen wird; dennoch ,ist es nützlich, daran zu denken, dass diese Formulierung noch viel mehr als das andeuten kann. Sie kann dahin ausgelegt werden, dass es sich um die Gesamtbeziehung zwischen Seele und Persönlichkeit handelt, und dass es um den unverzüglichen Gehorsam der Mutter (der Persönlichkeit) gegenüber dem Sohn (der Seele) geht. Ohne diesen sofortigen Gehorsam, der auch die Anerkennung der innewohnenden Stimme voraussetzt, wird die Persönlichkeit taub bleiben gegenüber dem Ruf der Seele, den Körper zu verlassen. Es ist keine gewohnheitsmässige Reaktion entwickelt worden. Ich möchte euch bitten, über die Folgerungen nachzudenken.

Ich möchte - wie schon öfters - wieder darauf hinweisen, dass der Mutteraspekt der materielle Aspekt und die Seele - auf ihrer eigenen Ebene - der Sohn ist. Dieser nachdrückliche Hinweis betrifft also das Verhältnis zwischen Materie und Seele und legt somit den Grundstein für alle Beziehungen, die der Jünger erkennen lernen muss. Der Gehorsam wird hier nicht [681] von vornherein gefordert; er ist vom Hören abhängig; dann folgt er als nächste Entwicklung. Dies ist ein leichterer Vorgang, so wenig ihr es glauben möget. Der Unterschied in bezug auf das Gehorchen ist interessant, da das Lernen durch Hören stets langsam erfolgt und eine der Qualitäten oder Aspekte des Orientierungsstadiums ist. Das Lernen durch Sehen ist ausgesprochen mit dem Pfad der Jüngerschaft verknüpft und jeder, der ein weiser und zuverlässiger Mitarbeiter werden will, muss zwischen den Hörern und den Sehenden unterscheiden lernen. Ein Erkennen des Unterschiedes würde zu grundlegenden Änderungen der Methode führen. In dem einen Fall hat man es mit denen zu tun, die ausgesprochen unter dem Einfluss und der Herrschaft der Mutter stehen und zum Sehen geschult werden müssen. Im anderen Fall handelt es sich um jene, die gehört haben und folglich das geistige Sehen entwickeln; sie sind deshalb für die geistige Schau empfänglich.

Das Wort geht hinaus, dass die Form ihren Zweck erfüllt hat.

Dieses Wort oder diese «geistige Verkündigung» der Seele kann einen doppelten Zweck haben: sie kann zum Tod oder einfach dazu führen, dass sich die Seele aus ihrem Instrument, der dreifachen Persönlichkeit, zurückzieht. Dies könnte also zur Folge haben, dass die Körperform verlassen wird und ohne Bewohner zurückbleibt. Wenn dies geschieht, bleibt die Persönlichkeit (und damit meine ich den physischen, astralen und mentalen Menschen) weiter funktionstüchtig. Besitzt diese eine hohe Qualitätsstufe, so werden nur wenige Menschen erkennen, dass die Seele nicht anwesend ist. Dies geschieht häufig im Alter oder bei einer ernsthaften Krankheit und ein solcher Zustand kann jahrelang andauern. Das kommt auch manchmal bei Kindern vor und dann folgt entweder Tod oder Schwachsinn, da die Zeit nicht ausgereicht hat, um die niederen Glieder der Persönlichkeit zu schulen. Wenn man ein wenig über dieses «hinausgehende Wort» nachdenkt, so werden einem Umstände, die verwirrend [682] erscheinen und Bewusstseinszustände, die bisher beinahe unlösliche Probleme darstellten, viel klarer werden.

Das Denkprinzip richtet sich darauf ein und wiederholt dann das Wort. Die wartende Form gibt Antwort und löst sich ab.

In dem hier behandelten Aspekt des Todes fungiert das Denken als beauftragtes Organ, das dem Gehirn (wo der Bewusstseinsfaden verankert ist) die Anweisung zum Auszug übermittelt. Diese wird dann von dem im Körper wohnenden Menschen an das Herz (wo der Lebensfaden verankert ist) weitergegeben, worauf sodann - wie ihr ja wisst - der Prozess der Zurückziehung beginnt. Was in diesen zeitlosen Augenblicken vor dem Tod geschieht, weiss bis jetzt niemand, denn es ist noch niemand zurückgekommen, um es uns zu erzählen. Und wenn das jemals der Fall gewesen wäre: Hätte man ihm geglaubt? Sehr wahrscheinlich nicht.

Der erste Abschnitt des X. Gesetzes befasst sich mit dem Hinausgehen aus dem Körper (dem Formaspekt des dreifachen niederen Menschen) des durchschnittlichen intelligenten Aspiranten, wenn man dieses Gesetz von einer seiner niedersten Entsprechungen aus betrachtet; nach demselben Gesetz der Entsprechungen erfolgt jedoch das Sterben bei allen Menschen - vom niedersten Typus bis hinauf zum und einschliesslich des Aspiranten - grundsätzlich in derselben Weise. Der Unterschied besteht nur darin, bis zu welchem Grad das Bewusstsein sich über den Vorgang und die damit verbundene Absicht klar ist. Das Ergebnis ist in allen Fällen dasselbe:

Die Seele ist frei.

Dieser Augenblick echter Freiheit kann kurz und flüchtig sein - wie etwa beim unentwickelten Menschen -, oder er kann lange dauern, je nach der Nützlichkeit des Aspiranten auf den inneren Ebenen: dies habe ich schon früher besprochen, und so brauche ich es hier nicht zu wiederholen. Je schwächer die Triebe und Einflüsse der drei niederen Bewusstseinsbereiche werden, [683] desto länger dauert der Zeitraum der Loslösung; er ist in zunehmendem Masse gekennzeichnet durch eine immer grösser werdende Klarheit der Gedanken und durch ein Erkennen des wesenhaften Seins. Diese Klarheit und dieser Fortschritt kommen nicht unbedingt voll zur Erkenntnis oder zum Ausdruck, wenn die Wiedergeburt stattfindet, denn die dem Menschen durch den grob-physischen Körper auferlegten Begrenzungen sind ausserordentlich; dennoch nimmt in jedem Leben die Empfindungsfähigkeit und die Aufspeicherung esoterischen Wissens ständig zu - wobei das Wort «esoterisch» all das bezeichnen soll, was nicht das normale Formleben oder das Durchschnittsbewusstsein des Menschen in den drei Welten betrifft.

Das esoterische Leben gliedert sich bei seiner Entwicklung - allgemein gesprochen - in drei Stadien; diese entfalten sich im Bewusstsein des Menschen, gleichlaufend mit der Erkenntnis und den gewöhnlichen Aspekten des Formlebens auf den drei Erfahrungsebenen:

1. Das Stadium, in dem Ideen, Vorstellungen und Prinzipien aufgenommen werden, so dass allmählich die Existenz des abstrakten Denkens bestätigt wird.

2. Das Stadium des «Lichtempfangs» oder jener Zeitraum, in dem die geistige Einsicht entwickelt, das geistige Bild erschaut und als wahr angenommen und die Intuition oder «buddhische Wahrnehmung» entfaltet wird. Dies bringt die Gewissheit über die Existenz der Hierarchie.

3. Das Stadium der Abstraktion, oder die Periode, in der sich die endgültige geistige Einstellung oder Ausrichtung vollzieht; der Weg ins Ashram wird klar erkennbar, und der Jünger beginnt, die Antahkarana zwischen der Persönlichkeit und der Geistigen Triade aufzubauen. Erst in diesem Stadium wird das Wesen des Willens schwach und undeutlich erkannt, und aus dieser Erkenntnis ergibt sich die Folgerung, dass es «ein Zentrum gibt, wo man den Willen Gottes kennt».

Studierende [684] neigen gern zu der Ansicht, dass der Tod alles beende, wogegen wir es, in Hinsicht auf eine Beendigung, mit Werten zu tun haben, die dauerhaft sind, bei denen es keine Unterbrechung gibt und auch nicht geben kann und die in sich den Keim der Unsterblichkeit enthalten. Ich möchte, dass ihr darüber nachdenkt und erkennt, dass alles, was einen echten geistigen Wert besitzt, dauerhaft, zeitlos, unsterblich und ewig ist. Nur das Wertlose stirbt und damit sind - vom Standpunkt der Menschheit aus - jene Faktoren gemeint, bei denen die Welt der Formen als wichtig angesehen wird. Aber jene Werte, die auf Prinzipien und nicht auf den bedeutungslosen Erscheinungsformen beruhen, tragen jenes unsterbliche Prinzip in sich, das einen Menschen von «den Toren der Geburt durch die Tore der Wahrnehmung zu den Toren der Absicht führt» - wie der «Alte Kommentar» es ausdrückt.

Ich habe mich bemüht, euch zu zeigen, dass der erste Teil dieses X. Gesetzes sich in einfacher Weise auf die Menschheit anwenden lässt, und dass er gleichzeitig auch eine abstrakte und schwer verständliche Bedeutung für Esoteriker hat.

Der letzte Abschnitt dieses Gesetzes kann nicht in der gleichen Weise ausgedeutet und angewandt werden; er betrifft lediglich das «Hinübergehen oder das Ablegen von Behinderungen» durch sehr weit fortgeschrittene Jünger und Eingeweihte. Dies wird durch die Worte «O Aufsteigender» deutlich - eine Bezeichnung, die nur auf diejenigen angewandt wird, welche die vierte Einweihung hinter sich haben; sie werden daher von keinem wie immer gearteten Aspekt der Formnatur mehr festgehalten und sei er auch noch so hoch oder transzendent wie die Seele in ihrer eigenen Hülle, dem Kausalkörper oder dem Egoischen Lotos. Dennoch muss schon in den Anfangsstadien der Jüngerschaft die Fähigkeit entwickelt werden, mit Leichtigkeit auf dieses Gesetz reagieren zu können; diese Fähigkeit wird dadurch entwickelt, dass Nach-innen-Lauschen, Empfänglichwerden und okkulter Gehorsam geübt und gepflegt werden, und dass diese Entwicklung auch in den höheren Bereichen geistigen Erlebens fortgesetzt wird.

Hier müssen wir wieder die Worte und Sätze betrachten, wenn [685] wir ihren wahren Sinn verstehen wollen.

Antworte, o Aufsteigender, dem Ruf, der aus dem Reich der Verpflichtung kommt.

Was ist dieses Reich der Verpflichtung, dem der Eingeweihte hohen Grades Aufmerksamkeit schenken muss? Die gesamte Lebenserfahrung, von der Geburt bis hinauf zu den höchsten Grenzen geistiger Möglichkeit, wird umfasst von vier Worten, die auf verschiedene Stufen der Entwicklung anwendbar sind. Es sind dies: Instinkt, Pflicht, Dharma, Verpflichtung. Ein richtiges Verstehen der Unterschiede wird uns zur Erleuchtung und folglich zum rechten Handeln verhelfen.

1. Der Bereich des Instinkts. Dies bezieht sich - unter dem Einfluss des einfachen, tierischen Instinkts - auf die Erfüllung der Verpflichtungen, die eine übernommene Verantwortung mit sich bringt, auch wenn sie nicht mit wahrem Verständnis übernommen wurde. Ein Beispiel dafür ist die instinktive Sorge einer Mutter für ihr Kind, oder die Beziehung zwischen Mann und Frau. Damit brauchen wir uns nicht im einzelnen zu befassen, da dies bereits vollauf verstanden und anerkannt wird, zumindest von denen, die über die Sphäre der elementaren, instinktiven Verpflichtungen hinausgewachsen sind. An sie ergehen keine speziellen Rufe, sondern diese instinktive Welt des Gebens und Nehmens wird schliesslich von einer höheren Sphäre der Verantwortlichkeit verdrängt und ersetzt.

2. Der Bereich der Pflicht. Der Ruf aus dieser Sphäre kommt aus einem Bewusstseinsbereich, der im engeren Sinne menschlich und nicht so vorwiegend tierisch ist wie die Region des Instinkts. Er zieht alle Klassen menschlicher Wesen in sein Kraftfeld hinein und verlangt von ihnen - in jeder Inkarnation - immer wieder strenge Pflichterfüllung. Das «Seine-Pflicht-tun», für das man wenig Lob und Anerkennung bekommt, ist der erste Schritt zur Entfaltung jenes göttlichen Prinzips, das wir Verantwortungsgefühl nennen und das - einmal entfaltet - eine stetig stärker werdende Herrschaft der Seele anzeigt. Pflichterfüllung, Verantwortungsgefühl [686] und das Verlangen zu dienen sind drei Aspekte ein und derselben Sache: der Jüngerschaft im Anfangsstadium. Das ist ein hartes Wort für diejenigen, die gefangen sind in der scheinbar hoffnungslosen Mühsal der Pflichterfüllung; es fällt ihnen schwer, zu erkennen, dass diese Pflicht, die sie an die langweiligen, anscheinend bedeutungslosen und undankbaren Aufgaben des Alltagslebens zu ketten scheint, ein wissenschaftlicher Vorgang ist, der sie zu höheren Erfahrungsbereichen und schliesslich in das Ashram des Meisters führt.

3. Der Bereich des Dharma: Er entwickelt sich aus den beiden vorigen Stufen. Hier erkennt der Jünger zum ersten Mal mit Klarheit seine Rolle in dem ganzen grossen Prozess der Weltereignisse und seinen unausweichlichen Anteil an der Weltentwicklung. Dharma ist jener Karma-Aspekt, der einen speziellen Weltzyklus und das Leben derer auszeichnet, die von dem sich auswirkenden Karma betroffen werden. Wenn der Jünger in diesem Dharmazyklus seinen Teil auf sich nimmt und verständnisvoll an der rechten Erfüllung des Dharmas arbeitet, lernt er allmählich die Gruppenarbeit verstehen (so wie die Meister sie auffassen); er übernimmt nun seinen gerechten Anteil an der Aufgabe, das Weltenkarma, das sich im zyklischen Dharma auswirkt, abzutragen. Instinktives Dienen, die Erfüllung aller Pflichten und das Teilnehmen am Gruppendharma - all das verbindet sich in seinem Bewusstsein und wird zu einem grossen Akt lebendigen, treuen Dienstes; er ist dann dort angelangt, wo er sich auf den Pfad der Jüngerschaft begeben kann und den Probepfad völlig aus den Augen verliert.

Diese drei Aspekte lebendiger Tätigkeit sind der keimhafte Ausdruck der drei göttlichen Aspekte im Leben des Jüngers:

a) Instinktives Leben . . einsichtsvolle Anwendung

b) Pflicht . . . . . . verantwortungsvolle Liebe

c) Dharma . . . . . der Wille, der durch den grossen Plan zum Ausdruck kommt.

4. Der Bereich der Verpflichtung. Der Eingeweihte, der die [687] Wesensart der drei anderen Bereiche rechten Handelns kennengelernt und - durch das Wirken in diesen Bereichen - die göttlichen Aspekte entfaltet hat, kommt nun in den Bereich der Verpflichtung. Diese Sphäre, in die man erst dann gelangen kann, wenn man schon ein grosses Mass an Befreiung erreicht hat, lenkt die Reaktionen des Eingeweihten in zwei Phasen seines Lebens:

a) Im Ashram, wo sein Denken und Tun vom grossen Plan bestimmt wird; er erkennt, dass dieser Plan seine Hauptverpflichtung dem Leben gegenüber aufzeigt. Ich verwende hier das Wort «Leben» im tiefsten esoterischen Sinne.

b) In Shamballa, wo die zutage tretende Absicht Sanat Kumaras (deren Umsetzung in Zeit und Raum der Plan ist) allmählich für ihn Sinn und Bedeutung erlangt - entsprechend seiner Evolutionsstufe und seinem Streben, dem Weg der Höheren Evolution näher zu kommen.

Im Ashram verdrängt das Leben der Geistigen Triade allmählich das Leben der seelenbeherrschenden Persönlichkeit. In der Ratskammer von Shamballa verdrängt das Leben der Monade alle anderen Wesensäusserungen der wahren Wirklichkeit. Mehr darf ich nicht sagen.

Erkenne den Ruf, der vom Ashram oder aus der Ratskammer kommt, wo der Herr des Lebens selbst wartet.

Damit sind wir wieder beim ganzen, allem zugrunde liegenden evolutionären Thema der Invokation und Evokation. Hier sind es die beiden höheren Zentren des göttlichen Daseins, die unaufhörlich das niedere Zentrum anrufen. Einer der Faktoren, die für [688] den ganzen Schöpfungsprozess bestimmend sind, beruht auf der Fähigkeit der Grossen Wesen, eine Reaktion aus den menschlichen und den untermenschlichen Reichen (oder Lebensgruppierungen in den drei Welten des Formlebens) hervorzurufen. Die Menschen sind so ausschliesslich mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, dass sie gerne meinen, das, was - auf die Dauer und am Ende - geschieht, sei gänzlich ihrem Verhalten, ihrer Führung und ihren anrufenden Kräften zuzuschreiben. Es gibt jedoch noch eine andere Seite: sie erfordert die Geschicklichkeit im Handeln, die verständnisvollen Herzen und den klaren, unbehinderten Willen der Hierarchie und Shamballas.

Es dürfte euch daher klar sein, wie wichtig es ist, dass alle Jünger und Eingeweihten genau wissen, wo sie auf dem Pfad, der letzen Stufenleiter der Evolution, stehen; sonst werden sie den Ruf falsch deuten und den Ausgangspunkt des Tones nicht erkennen. Wie leicht dies geschehen kann, wird jedem vorgeschrittenen Lehrer des Okkultismus und der Esoterik offenkundig, wenn er wahrnimmt, wie leichtfertig unbedeutende Menschen und Anfänger Rufe und Botschaften auslegen, die sie hören oder als von irgendeiner hohen, erhabenen Quelle ausgehend empfangen; sie hören jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach das, was aus ihrem eigenen Unterbewusstsein, von ihren eigenen Seelen oder von irgendeinem Lehrer (nicht Meister) ausgeht, der ihnen zu helfen versucht.

Der hier gemeinte Ruf kommt jedoch aus den höchstmöglichen Quellen und darf nicht mit den kleinen Stimmen kleiner Menschen verwechselt werden.

Der TON geht hinaus.

Es ist nicht meine Absicht, hier auf den schöpferischen Ton einzugehen; ich möchte lediglich eure Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass er schöpferisch ist. Der TON, der das erste Anzeichen der Wirksamkeit des planetarischen Logos war, ist kein Wort, sondern ein voll widerhallender Laut oder Ton, der alle anderen Töne in sich enthält - alle Akkorde, bestimmte musikalische Töne (denen man den Namen «Sphärenmusik» gegeben hat) und Dissonanzen, die dem heutigen Ohr noch unbekannt [689] sind. Diesen TON muss der «Aufsteigende» erkennen lernen; er muss darauf nicht nur mittels des Gehörsinnes und dessen höheren Entsprechungen reagieren, sondern auch durch eine Resonanz eines jeden Teiles und Aspektes der Formnatur in den drei Welten. Ich möchte auch daran erinnern, dass vom Blickpunkt der vierten Einweihung aus selbst der Träger des Ego, der Seelenkörper, als Teil der Formnatur betrachtet und behandelt wird.

Obgleich die «Zerstörung des Tempels Salomos» bei der vierten Einweihung erfolgt, so sind doch jene Qualitäten, aus denen er bestand, in die Bewusstseinsträger absorbiert worden, die der Eingeweihte für alle seine Kontakte mit den drei Welten verwendet. Er ist nun ganz und gar der wesentliche Extrakt aus allen seinen Körpern. Man muss auch beachten, dass - von seinem Gesichtspunkt und technischen Verständnis aus gesehen - die gesamte Mentalebene eine der drei Ebenen ist, aus denen die kosmisch-physische Ebene besteht; dies wird oft von den Studierenden vergessen, die fast ausnahmslos den Seelenkörper und das permanente Mentalatom ausserhalb der Formbegrenzungen und dessen einordnen, was sie die drei Welten nennen. Technisch und von höherer Warte aus gesehen ist dies nicht so, und diese Tatsache ändert und bestimmt deutlich das Denken und Wirken des Eingeweihten des vierten und der höheren Grade. Das erklärt auch, warum der egoische Körper verschwinden muss.

Der Ton hallt durch die vier höheren Unterebenen der kosmisch-physischen Ebene; es sind dies die höheren Entsprechungen zu den vier ätherischen Unterebenen der physischen Ebene in den drei Welten - den drei grob-physischen und den vier ätherischen Ebenen. Man muss deshalb bedenken, dass unsere Ebenen, die uns so vertraut sind, die kosmisch-physische Ebene darstellen; und diejenige, die wir am besten kennen, ist die am stärksten verdichtete dieser sieben; eben daraus ergibt sich so viel Kampf und Schwierigkeit für uns.

Aus «dem [690] Schweigen, das ein Tönen ist (der widerhallende Grundton von Shamballa»), verdichtet sich der Laut entweder in der Geistigen Triade oder im Ashram, je nach dem Rang des Eingeweihten und je nachdem, ob er in den Kreisen des Ashrams eine hohe Stellung einnimmt oder noch höherstehend in jenen Kreisen wirkt, durch die das Licht aus der Ratskammer strahlt. Im ersten Fall antwortet das Herzzentrum dem Ton und von dort aus die ganze Körperschaft; im anderen Fall ist das Bewusstsein durch eine noch höhere Art geistiger Erkenntnis überlagert oder verdrängt worden, der wir den unzulänglichen Namen «Identifizierung» (bewusstes Einswerden) gegeben haben. Ist der Ton einmal im Herzen des Eingeweihten aufgenommen oder wahrgenommen worden, dann hat er alle nur möglichen Arten von Wissen entwickelt, die durch die Formnatur - Seele und Körper - ermöglicht werden können. Wenn die Wahrnehmung im Kopf stattfindet, dann hat die Identifizierung eine so völlige Einheit mit allen geistigen Lebensäusserungen zustandegebracht, dass das Wort «mehr» (das heisst gesteigert) zwangsläufig dem Wort «tief» weichen muss - im Sinne einer Durchdringung. Wieviel habt ihr, meine Brüder, von dem Gesagten wohl verstanden?

An diesem Punkt steht nun der Eingeweihte zum ersten Mal vor den Sieben Pfaden, da jeder Pfad eine Art und Weise darstellt, in Erkennungsbereiche einzudringen, die ganz und gar ausserhalb unseres Planeten liegen.

Zu diesem Zweck muss der Eingeweihte beweisen, dass er das Gesetz der Differenzierung bemeistert hat; er muss ein Wissen über die Sieben Pfade in der Weise erlangen, dass er die sieben Töne unterscheiden lernt, aus denen der eine TON besteht; diese haben jedoch nichts zu tun mit den sieben Tönen, aus denen das dreifache AUM besteht.

Seele und Form müssen gemeinsam dem Prinzip des Lebens entsagen und es der Monade also erlauben, frei zu werden. Die Seele antwortet. Dann zerbricht die Form die Verbindung.

Ihr könnt [691] hier erkennen, warum ich so grossen Wert auf die Tatsache legte, dass der Eingeweihte der Empfänger jener wesentlichen Qualität oder Qualitäten ist, die von der Form zutage gebracht und entwickelt und von der Seele absorbiert wurden. An diesem speziellem Krisenpunkt fasst der Eingeweihte im Ashram oder «auf seinem glorreichen Weg zum Aufenthaltsort des Herzens» (Shamballa) in sich die Quintessenz alles Guten zusammen, das in der Seele aufgespeichert war, bevor sie bei der vierten Einweihung zerstört wurde. Er absorbiert die Quintessenz des Wissens und der Weisheit, des äonenlangen Kampfes und geduldigen Ausharrens. Durch Haften an der Seele oder an der Form lässt sich nichts mehr gewinnen. Er hat alles genommen, was sie ihm zu geben hatten; dies wirft ein Licht auf das geistige Gesetz des Opfers. Es ist interessant, dass die Seele an diesem Punkt einfach zum Mittler zwischen der Persönlichkeit und dem Eingeweihten hohen Grades wird. Aber jetzt gibt es nichts mehr zu berichten oder zu übermitteln; und wenn der Ton widerhallt, verschwindet die Seele, zum Beweis dessen, dass sie dem Ruf Folge leistet. Sie ist jetzt nur noch eine leere Hülle, doch ist ihre Substanz so hohen Grades, dass sie zu einem integralen Bestandteil der buddhischen Ebene wird; dort ist ihre Funktion ätherischer Art. Das Lebensprinzip wird gänzlich aufgegeben und es kehrt in das Sammelbecken des universalen Lebens zurück.

Ich möchte, dass ihr die Wichtigkeit der Formtätigkeit beachtet. Die Form ist es, welche die Verbindung zerbricht und die vollständige Befreiung bringt (die meist verachtete, gering geschätzte, zunichtegemachte Form also ist es, die den letzten Akt vollzieht). Der «Lunarherr» der Persönlichkeit hat sein Ziel erreicht; und jene Elemente, aus denen seine drei Hüllen (die physische, astrale und mentale) bestanden haben, werden zusammen mit dem Lebensprinzip die atomische Substanz des ersten Manifestationskörpers für irgendeine Seele bilden, die zum ersten Mal die Inkarnation sucht. Dies steht in engem Zusammenhang mit dem schwer verständlichen Thema des permanenten Atoms. Es bedeutet einen Augenblick hoher Einweihung für diesen Lunarherrn, wenn er die Verbindung zerbricht und alle Beziehungen mit der [692] bisher ihm innewohnenden Seele trennt. Er ist jetzt nicht mehr bloss ein Schatten, sondern besitzt nun jene Qualitäten, die ihn «substantiell» (im esoterischen Sinn) und zu einem neuen Faktor in Zeit und Raum machen.

Die übrigbleibenden Worte dieses Gesetzes bedürfen keiner Erklärung und bilden einen passenden Schluss für diesen Abschnitt unserer Studien:

Das Leben ist jetzt befreit; es besitzt die Qualitäten bewussten Wissens, die Früchte aller Erfahrung. Dies sind die Gaben, die Seele und Form gemeinsam schenken.