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3. Das Tierreich - Teil 2

Ich will mich nicht mit der Geschichte oder mit Einzelheiten der Rassenentwicklung befassen. Diese Fragen sind notwendigerweise mit dem sexuellen Problem verbunden, doch sind sie für meine vorliegenden Zwecke zu umfangreich und der Folgerungen sind zu viele. Wie ich früher bemerkt habe, lasse ich die physiologischen Sexualaspekte beiseite, desgleichen die Krankheiten, die aus dem Missbrauch der Sexualfunktion resultieren. Ich will auch auf das Thema der Unfruchtbarkeit nicht eingehen, höchstens nur so weit, als der moderne Mensch in Frage kommt. Ich kann mich auch nicht mit den strittigen Ansichten der verschiedenen Geistesrichtungen abgeben, da ich keinen speziellen Standpunkt berücksichtige, wie z.B. den der Religion, der Moral oder einer sonstigen Partei. Die ganze Frage ist viel umfangreicher und tiefgründiger, als alle die religiösen Meinungen und Moralstatuten, die von kleinen Geistern aufgestellt wurden. Was in einem Land als moralisch gilt oder etwas mit Moral zu tun hat, kann für ein anderes Land ganz das Gegenteil bedeuten. Was in einem Teil der Welt für gesetzlich gehalten wird, wird in dem anderen als ungesetzlich angesehen. Was in einem Klima ein schwieriges Problem ist, hat in einem anderen ein ganz anderes Gesicht. Vielehe, wahlloser Verkehr und Einehe existierten und existieren in ständigem Auf und Ab während aller Zeitalter und in allen Teilen der Erde; sie sind heute alle gleichzeitig anzutreffen. Jede Art von Beziehung war einmal oder ist heute wieder richtig, gesetzlich und schicklich oder aber unrichtig, ungesetzlich und unpassend. Jede Art und Weise, Sexualbeziehungen zu interpretieren, war dem Angriff oder der Verteidigung ausgesetzt, löste tugendhaftes Schaudern oder Scheinargumente aus; jede Methode war üblich und richtig, je nach der Gegend der Überlieferung, Erziehung und den täglichen Gewohnheiten. In einem Teil der Erde mag eine Frau mehrere Männer haben; in einem anderen sind einem Gatten vier Gattinnen erlaubt, wenn er es so will; in dem [274] Harem der Mohammedaner und dem Hüttendorf der Hottentotten sind solche Tatsachen allbekannt. Im Westen hat ein Mann gesetzlich eine Frau, aber infolge seiner verschiedenen «Verhältnisse» und seiner sogenannten «romantischen Abenteuer» hat mancher in Wirklichkeit so viele wie ein afrikanischer Häuptling; und Frauen sind heute nicht viel besser.

Ich habe der genannten Zustände Erwähnung getan, nicht um Kritik zu üben, sondern um von Tatsachen zu sprechen und um dem Durchschnittsleser eine weltweite Gepflogenheit bewusst zu machen, die wahrscheinlich von seiner mutmasslichen Vorstellung abweicht. Ich schreibe nicht für Spezialisten, sondern für den intelligenten Durchschnittsstudenten, dem ein Bild der Zustände, wie sie auf dem weiten Erdenrund existieren, not tut.

Es ist gewiss eine hehre Grundwahrheit, dass der Mensch mit seinen Gedanken und Wünschen einer gottgewollten Einehe zustrebt, doch dieses Ideal wurde bisher nicht überall erreicht. Wenn man diese Feststellung mutig und wahrheitsgemäss aufnimmt, so wird man zu der Annahme gezwungen, dass der Mann - in allen historischen Zeiten - niemals monogam war. Die Frau hat sich in der Vergangenheit, mehr als der Mann, an die Einehe gehalten, doch heute, wo die Wissenschaft moderne Schutzmethoden an Hand hat, die das Risiko und die Geburtsschmerzen verringern, geschieht das wahrscheinlich weniger als vordem. Bis heute wird eine Geburt als Schreckmittel und Strafe für gesetzliche oder ungesetzliche Sexualbeziehungen angesehen. Man lasse den Schauder, der in diesen Worten lebt, auf sich wirken! Es hat natürlich immer Frauen gegeben, die dem Gewerbe «zwangloser» Geschlechtsbeziehungen gehuldigt haben, aber ich denke hier an Hausfrauen.

Wird man mir Glauben schenken, wenn ich sage, dass die sexuelle Frage in der ganzen Welt so kritisch und ernst ist, dass kein wie immer gearteter Denker eine Lösung sieht oder nur einen Ausweg aus der gegenwärtigen Sackgasse findet, ganz gleich, welch' klarer Kopf und gelehrter Mensch er ist? Das Festhalten an alten Gebräuchen und Methoden, die in der Länge der Zeit Konsequenzen unvermeidlich machen, kann gewiss den scharfsichtigsten Denker [275] verwirren. Allein die physischen Folgen des Geschlechtsverkehrs in und ausserhalb der Ehe haben nicht nur die heutige Menschheit ins Leben gerufen, sondern es traten auch Krankheiten, Geistesstörung, üble Gewohnheiten und perverse Impulse in Erscheinung, die unsere Krankenhäuser, Nervenkliniken und Sanatorien, unsere Gefängnisse und Irrenanstalten füllen.

Unsere Jugend, besonders die idealistisch eingestellten und klardenkenden Jungen und Mädchen, sieht sich einer Situation gegenüber, die ihre besten Bemühungen gefährdet. Sie wissen nicht, was sie denken oder für richtig halten sollen. Sie haben Einblick in Familienverhältnisse oder sind selbst Mitglied einer Familie, die durch gesetzliche Ehe geheiligt ist, und sie sehen (in einem grossen Massstabe) nichts als Unglück, legalisierte Prostitution, gestörte Gesundheit, unerlaubte Verhältnisse, vernachlässigte und unerwünschte Kinder, mit all den Reibungen, die eine falsche Gattenwahl und Scheidung mit sich bringen, und sie finden auf all das keine verständige Antwort. Sie halten anderswo Umschau, sehen sich das Leben derjenigen an, die keine Eheverantwortung auf sich nahmen und auch hier finden sie nichts als Unzufriedenheit, sexuellen Verkehr, von dem niemand etwas weiss oder merkt, körperliche Störungen durch Vereitelung natürlicher Instinkte» psychische Zustände schlimmster Art, hie und da illegitime Kinder, sexuelle Perversitäten und eine Zunahme von Homosexualität. Diese Jungen und Mädchen sind förmlich erdrückt von den verwirrenden Tatsachen und wissen keine Antwort auf ihre vielen Fragen. Sie wenden sich an Menschen, die etwas von der Welt kennen, um eine Lösung und Klärung zu erhalten, aber sie bekommen keine klare Antwort, keine vernünftige Lebensweisheit oder grundsätzliche Unterweisungen, die Hand und Fuss haben. Man mag ihnen herkömmliche Meinungen vorbringen und ihnen anraten, Mass zu halten und alles zu vermeiden, was ihre Gesundheit schädigen oder ihre wirtschaftliche Situation verschlimmern könnte. Man mag ihnen vielleicht auch die Morallehren der Vergangenheit vor Augen halten und sie vor den Folgen warnen, die unweigerlich eintreten, wenn jemand die Naturgesetze bricht und seinen Körper durch ungebändigte [276] Begierden herabwürdigt. Man mag ihnen ferner in preisenden Worten die Vorzüge eines «einfachen Lebens» geschildert und sogar die Tatsache betont haben, dass sie Gotteskinder seien. Alles das ist gut und richtig und nützlich. Aber das ist keine brauchbare Lösung, keine Klärung ihrer Probleme, und somit bleibt ihre Verwirrung bestehen. Sie mögen sich vielleicht auch an religiös denkende Menschen wenden und orthodoxe Geistliche aufsuchen. Hier sagt man ihnen, sie sollten gute Menschen sein; man weist sie auf das Beispiel der Heiligen hin; man überschüttet sie mit einer Flut von puritanischen Ermahnungen, moralischen Plattheiten und Erklärungen, die alle nicht befriedigen, da sie meistens auf persönlichem Vorurteil und auf Voreingenommenheit beruhen. Nur selten hören sie etwas Bestimmtes und wenn, dann geht es nicht über den fundamentalen Grundsatz des mosaischen Gesetzes hinaus: «Du sollst nicht . . .». Den jungen Suchern und Fragern unserer Generation sagt die Feststellung, dass Gott «also und mit diesen Worten» sprach oder dass die Bibel «dieses, das und jenes» empfiehlt, wenig und beantwortet ihre Wissbegierde nicht, warum das so ist. Die Hoffnung, einstmals in den Himmel zu kommen, wo Selbstdisziplin, Selbstkontrolle und sexuelle Abstinenz die verdiente Belohnung finden sollen, scheint in so weiter Ferne zu liegen, dass sie die Versuchungen der Umwelt und den naturgegebenen Sexualimpuls nicht unwirksam macht.

Es ist gewiss eine wunderbare Wahrheit, dass viele Menschen den «Versuchungen des Fleisches» widerstehen. Und es ist eine ebenso bewundernswerte Tatsache, dass es überall auf der Welt Männer und Frauen gibt, die durch dieses Leben in Reinheit und Keuschheit gehen. Dass es vorgeschrittene Seelen gibt, die ihre Tiernatur völlig abgetan haben und deren tägliches Tun und Lassen nur von ihrer höheren Denkkraft geleitet wird, ist ein Ruhmesblatt der Menschheit. Viele von ihnen, die in einer Welt anderer Gedanken und Interessen leben, sich natürlich nicht solchen Versuchungen ausgesetzt wie ihre Mitbrüder, die noch tierische Instinkte in sich fühlen. Und wiederum gibt es andere Menschen, die bloss deshalb nichts Unrechtes tun, weil sie entweder die körperlichen Folgen oder die Bestrafungen im Jenseits fürchten. Doch wer von all diesen [277] Persönlichkeiten, mögen sie noch so gut und heiligmässig sein, kann mit wirklicher Weisheit und Einsicht über dieses Weltproblem sprechen? Wer von ihnen kann heute den Ausweg für die Menschheit sehen? Wer von ihnen erkennt die Ursache für all die Not, Sünde und Schlechtigkeit, die sich infolge der Geschlechtsbeziehungen entwickelt haben? Wer erfasst die wirkliche Bedeutung des Sexuallebens, die Rolle, die es in dem grossen Weltenplan spielt und den Grund für die Beziehung zwischen den Geschlechtern? Wer von all diesen kann mit glaubhafter Vision voraussagen, welches die nächste Entwicklungsstufe sein wird und welchem Ziel wir zustreben?

1. Definitionen über das Wesen des Geschlechtstriebes, über Tugenden und Laster.

In kosmischer Auslegung ist das Wort «geschlechtliche Beziehungen» eine Beschreibung der Beziehung, die (während der Zeit der sichtbaren Schöpfung) zwischen Geist und Materie und zwischen Leben und Form besteht. Im Grunde genommen ist diese Beziehung eine Auswirkung des Gesetzes der Anziehung, - jenes fundamentalen Gesetzes, das der ganzen Manifestierung von Leben in äusseren Formen zugrunde liegt und das alle sichtbaren Gebilde und Geschöpfe ins Leben ruft. Im menschlichen und physischen Sinn wird das Wort «Sexualbeziehung» gebraucht, um die Zeugungsfunktion eines Mannes mit einer Frau zu kennzeichnen, deren Folge der Nachwuchs der Gattung homo sapiens ist. In dem Sinne, wie ein heutiger Durchschnittsmensch in seiner Gedankenlosigkeit dieses Wort auffasst, bedeutet es die lockende Befriedigung eines tierischen Impulses, dem um jeden Preis und ohne regulierte Intervalle gefrönt werden müsse. Das Wesen der Sexualität ist Dualität, die Trennung einer ursprünglichen Einheit in zwei Aspekte oder Hälften. Diese zwei Teilstücke eines Ganzen nennen wir Geist und Materie, männlich und weiblich, positiv und negativ; ihrem Wesen nach streben diese getrennten Aspekte - durch den Prozess der Höherentwicklung - dem Endzustand der Homosexualität zu, womit nicht das Wort «Homosexualität» gemeint ist, das heute in [278] unzutreffender Heranziehung für eine widernatürliche Beziehung gebraucht wird. Letztere wuchert heute zügellos, wenn man das moderne psychische Symptom im Auge hat. Aber es ist eine grosse Seltenheit, einen Menschen zu finden, der in sich wirklich beide Geschlechter vereint und der sich - in körperlicher und mentaler Hinsicht- gänzlich «selbst genügen, selbst erhalten und selbst fortpflanzen kann». Hie und da in allen Zeitaltern finden wir den wahren doppelgeschlechtigen Typus als Garanten dafür, dass in ferner Zukunft durch die Evolution der Rassen ein Ziel erreicht werden mag, das die beiden getrennten Hälften wieder in der ursprünglichen Verbundenheit zeigt. Mit diesem Hinweis habe ich weder die Lehre von Zwillingsseelen im Sinne, noch denke ich dabei an eine sonstige Entstellung der Wirklichkeit. Ich meine den göttlichen Hermaphroditen, den wahren androgynen Typ von Mann-Frau, den Menschen in seiner Vollendung. Diese Bezeichnung ist heute entstellt, besitzt nicht mehr ihre wahre Bedeutung und bezieht sich in neun von zehn Fällen (richtiger in 99 von 100 Fällen) auf eine Art mentaler Verirrung, auf eine verzerrte geistige Einstellung, gefolgt von körperlichen Gepflogenheiten und Reaktionen, die - als Ding an sich - so sehr der Vergangenheit angehören, dass ihre uralte Existenz die Idee nicht rechtfertigen kann, dass es sich um eine fortschrittliche Situation handle. Man kann viel eher von einem Schritt zurück sprechen, von einem Zurückschwingen in einen uralten Rhythmus und einer Wiederaufnahme sehr alter Gewohnheiten.

Immer wenn eine Zivilisation zerbröckelt und die alte Ordnung einer neuen Platz machen muss, finden wir solche krankhafte Verirrungen. Wie erklärt sich das? Der Grund ist der, dass die neuen Impulse und Kräfte, die sich mit den alten mischen, auf die Menschheit eine solche Stosswirkung ausüben, dass sie das Verlangen erwecken, ein neues und unversuchtes Gebiet und alles, was ungewöhnlich ist und vom Althergewohnten abweicht, kennen zu lernen. Menschen mit schwachem Charakter unterliegen dem Druck, und jene, die gewagte Experimente riskieren, werden ein Opfer ihrer eigenen niederen Natur, da sie ihre Versuche in einer ungesetzlichen Richtung anstellen. Diese neuen Energien bringen nun auf der einen Seite einen ganz klaren Fortschritt und führen in neue und noch nicht erprobte spirituelle Gebiete, auf der anderen Seite verleiten sie dazu, physisches Verlangen für Experimente [279] heranzuziehen, was für die Menschheit nicht der rechte Weg zum Fortschritt ist.

Da die Formwelt auf das zyklische Einströmen höherer Energien reagiert, werden alle Teile und Aspekte des Formlebens durchpulst und angereizt, und dieser Anreiz zeitigt gute und schlechte Resultate. Zeitweise werden sich schlimme Symptome bemerkbar machen, aber auch lautere und gute, die von Dauer sind. Wenn diese Energien Reaktionen materieller Art hervorrufen und wenn der Mensch sein Hauptinteresse auf das Materielle hinlenkt, dann bekommt nicht der göttliche Funke, sondern die Formnatur die Oberhand. Wenn Energie für materielle Zwecke missbraucht wird, - wofür die Darbietung körperlicher sexueller Beziehungen gegen Bezahlung ein Beispiel ist -, dann ist eine Katastrophe die Folge. Doch vergesse man nicht, dass wenn sich dieselbe göttliche Energie z.B. als brüderliche Liebe betätigt, nur Gutes entsteht. Ich möchte meinen Standpunkt nach zwei Richtungen hin illustrieren, mit Rücksicht auf die gegenwärtigen sexuellen Orgien und im Hinblick auf das vorhandene grosse Interesse für das Thema.

Wir leben heute in einer historischen Weltperiode, in der drei wichtige Ereignisse stattfinden, die von den meisten Menschen weder klar erkannt noch bemerkt werden.

Der siebte Strahl des Gesetzes und der Ordnung kommt in Funktion; wir treten in ein neues Zeichen des Tierkreises ein und drittens steht «Christi Kommen» bevor. Diese drei grossen Faktoren sind die Hauptursachen für das gegenwärtige revolutionäre und chaotische Weltgeschehen; sie sind aber auch die Ursache dafür, dass jetzt die Menschen überall nach geistigen Wahrheiten suchen, wie alle Arbeiter im Weinberg des Herrn wissen, dass geistige Einsicht und gegenseitiges Verstehen zunimmt, dass die Wohlfahrtsbewegungen grösser werden und dass das Streben nach Zusammenarbeit, die religiöse Einheit und die internationalen Beziehungen ständig zunehmen. Energiearten, die bisher schlummerten, wachsen nun zu mächtigen Kraftströmen an. In den Anfangsstadien macht sich die Weltreaktion auf materielle Art bemerkbar; in den [280] Endstadien werden göttliche Eigenschaften zum Vorschein kommen, die das Zeitgeschehen und die Zivilisation ändern werden. Das Interesse, das man den sogenannten kosmischen Strahlen entgegenbringt, verrät, dass die Wissenschaft beginnt, die neu einströmenden Energien des siebten Strahls anzuerkennen. Diese Strahlen, die durch das sakrale Zentrum des ätherischen Körpers des Planeten eintreten, haben natürlich eine Rückwirkung auf die sakralen Zentren der Menschen und deswegen ist das Sexualleben der Menschen eine Zeitlang überreizt und von daher kommt auch das übergrosse Interesse, das man für sexuelle Probleme hat. Aber ebenso kommt von da (was man nicht vergessen darf) ein starker Antrieb für die Denkkraft, der am Ende dazu führen wird, dass der Mensch eine Lösung des sexuellen Problems findet.

Das Nahen des Wassermannzeitalters regt den Menschen auch dazu an, seine Gedanken auf das Ganze zu richten und nach Vereinigung zu streben. Diese Entwicklung zeigt sich bereits in der Tendenz, in Geschäftsangelegenheiten, Religion und Politik eine Einheitlichkeit oder Synthese zu erreichen. Ein innerer Drang treibt zu Vereinheitlichung und unter anderem kann man zurzeit ein Streben nach besserem religiösen Einvernehmen und grössere Duldsamkeit beobachten. Andererseits führen diese Einflüsse, die stark auf die empfänglichen Körper jener Menschen einwirken, die noch unentwickelt sind und zu überstarken Psychoreaktionen neigen, zu einem krankhaften Streben, sich auf erlaubte und unerlaubte Art sexuell zu vereinigen; sie verstärken ausserordentlich das geschlechtliche Triebleben in mancherlei Hinsicht und drängen zu Beziehungen und Vereinigungen, die ausserhalb der beabsichtigten Entwicklungslinie liegen und oft gegen alle Naturgesetze verstossen. Energie ist ein unpersönliches Etwas, das eine zweifache Wirkung auslöst und diese Wirkung ändert sich je nach dem Objekt, auf das die Energie einwirkt.

Der einschwingende siebte Strahl besitzt die Kraft zu organisieren, die Fähigkeit, zusammenzufassen und die grossen Paare der Gegensätze zu einer Einheit zu verschmelzen; solcherart kommen die neuen spirituellen Formen ins Dasein. Doch bringt dieser Strahl auch jene neuen Formen hervor, die vom geistigen Standpunkt aus als Übel anzusehen sind, da sie mit Materie zusammenhängen. Dieser [281] grosse Strahlimpuls ist es, der all das ans Licht des Tages bringen wird, was noch in stoffliche Substanz gehüllt ist. Dieser Prozess wird den Geist und die verborgene Herrlichkeit offenbaren, sobald die materielle Form gereinigt und geheiligt wurde. Darauf wies Christus mit seiner Prophezeiung hin, dass am Ende der Zeit die vorborgenen Dinge offenbar und die Geheimnisse von den Hausgiebeln verkündet werden würden.

Dieser Offenbarungsprozess, der sowohl die menschliche Familie als auch die ganze Natur betrifft, wird die Kraft des Denkens entwickeln. Die Fähigkeit scharfsinniger Unterscheidung wird sich entfalten, die es dem Menschen gestattet, seine Wahl zu treffen und dadurch ein richtiges Werturteil zu erlangen. Falsche und richtige Massstäbe werden dem Menschen bewusst werden, und er wird alles das auswählen, was das Fundament der neuen Ordnung bilden und die neue Rasse mit ihren neuen Gesetzen und neuen Methoden entwickeln wird. So wird die neue Religion der Liebe und Verbrüderung eingeführt werden und es wird eine Zeit anbrechen, in welcher der Gruppengeist vorherrschen und das Gruppenwohl den Vorrang haben wird. Dann werden Uneinigkeit und Feindschaft dahinschwinden und die Menschheit wird eine wahre Familie werden.

Auch den dritten Faktor haben wir in Betracht zu ziehen, die sogenannte Wiederkunft Christi. Überall finden wir ein Gefühl der Erwartung; man erhofft ein sichtbares Zeichen und ein symbolisches Geschehen, das viele Namen hat, gewöhnlich jedoch als Christi Advent bezeichnet wird. Dieser Advent mag, wie bekannt, ein tatsächliches Auftreten in einem physischen Körper sein, wie zuvor in Palästina oder aber ein unverkennbares Überschatten seiner Jünger und Verehrer durch den grossen Herrn des Lebens bedeuten. Dieser Überschattungsprozess wird bei all denen eine Resonanz auslösen, die in irgend einer Weise spirituell erwacht sind. Oder drittens: Seine Wiederkunft könnte sich auch als ungeheurer Zustrom des Christusprinzips, der Lebenskraft und der Liebe Christi bemerkbar machen, die sich dann durch die menschliche Familie betätigen. Vielleicht werden alle drei Möglichkeiten gleichzeitig auf unserem Planeten in kürzester Zeit Wahrheit werden. Doch steht [282] es uns nicht zu, darüber zu sprechen. Unsere Aufgabe besteht darin, uns und die Welt für diese verschiedenen bedeutsamen Ereignisse vorzubereiten. Die nahe Zukunft wird weiteres zeigen. Dieser Zustrom des Geistes der Liebe Christi (möge er von einer sichtbaren Persönlichkeit oder seiner erfühlten und erkannten Gegenwart ausgehen) wird wiederum zwei Wirkungen auslösen.

Das wird den Menschen, die nicht logisch denken können, seltsam und unerklärlich erscheinen; sowohl der gute wie der böse Menschentyp wird einen Antrieb erhalten, sowohl materielles Verlangen wie spirituelles Streben werden erweckt und genährt werden. Tatsachen bestätigen die Wahrheit des Sprichwortes, dass ein gut gedüngter Garten und ein sorgsam gepflegtes und bewässertes Grundstück sowohl Unkraut als auch Blumen hervorbringen. Diese Tatsache beweist zwei Rückwirkungen derselben Sonne, derselben Wasserquelle, desselben Dungbodens und derselben Obhut und Pflege. Der Unterschied liegt in dem Samen, den der Boden beherbergt und auf den die genannten Faktoren einwirken.

Der Zustrom von Liebesenergie wird daher irdische Liebe und irdisches Verlangen und tierische Lust erwecken; er wird die Habsucht im materiellen Sinne nähren, mit all den üblen Folgen, welche diese Einstellung nach sich zieht; und das Anwachsen sexueller Reizsymptome und die vielen Auswirkungen eines falsch gesteuerten Mechanismus, der auf eine unpersönliche Kraft reagiert, werden nicht zu vermeiden sein. Auf der anderen Seite wird dieser Zustrom aber auch Bruderliebe, Gruppenbewusstsein und weltweite Einigung hervorrufen und fördern; eine neue und machtvolle Tendenz, sich zusammenzuschliessen, alles auf einen Nenner zu bringen und harmonisch zu vereinigen, wird zutage treten. Alles dies wird der Geist Christi durch das Medium der Menschheit vollbringen. Die Christusliebe wird ohne Unterlass über die Erde ausgegossen werden, und dieser Einfluss wird sich während der kommenden Jahrhunderte verstärken, bis wir am Ende des Wassermannzeitalters, unterstützt durch die Wirksamkeit des siebten Strahls (der die Gegensatzpaare zu enger Zusammenarbeit bringt) die «Erweckung des Lazarus von dem Tode» erleben werden; dann wird [283] die Menschheit aus dem Grab der Materie auferstehen. Die verborgene Göttlichkeit wird offenbar werden. Alle Erscheinungsformen werden ständig unter den Einfluss des Christusgeistes kommen, und vollendete Liebe wird überall herrschen.

Diese drei Ursachen sind es, die z.Zt. ein weltweites Interesse für sexuelle Fragen erwecken, das als natürliche Folge zweierlei mit sich bringt:

Erstens, einen weltweiten Ausbruch vermehrter Sexualbeziehungen, besonders in den dichtbevölkerten Städten, der jedoch dieses Mal die Bevölkerungsziffer nicht erhöhen wird. Das ist einmal der modernen Geburtenkontrolle zuzuschreiben, zum anderen spielt hier die zunehmende Denktätigkeit der Menschheit eine Rolle, die zu Unfruchtbarkeit und einer Verkleinerung des Familienbestandes führt.

Zweitens ändern sich die gewohnten Vorstellungen und Ansichten über Heirat und Sexualbeziehungen. Die Ursache dafür ist der Zusammenbruch unserer gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation, ferner das zunehmende Interesse für medizinische Hygiene (ein Interesse, das bisher nur Spezialisten hatten) und die grössere Kenntnis der verschiedenen Hochzeitsbräuche der Nationen des Ostens und Westens, was zu vielen Fragen Anlass gab und nicht zuletzt spielt das Versagen gesetzlicher Massnahmen, welche die Familien zusammenhalten und die Beziehungen der Menschen untereinander in befriedigender Weise klären sollten, mit eine Rolle.

Von diesem allgemeinen Interessen- und Diskussionspunkt aus wollen wir nach einer Lösung und einem Ziel Ausschau halten, das bisher nur in den abstrakten Regionen und in der Ideenwelt existiert. Selbst die besten Köpfe der Menschheit haben über diese verborgenen Ideale nur eine unbestimmte und nebelhafte Vorstellung.

Der Kernpunkt der Frage ist eigentlich kein religiöser, ausser wenn man soziale Beziehungen grundsätzlich als göttliche Beziehungen anerkennt. Die Frage ist jedoch eine fundamentale, wenn man letzte Schlussfolgerungen zieht; und nach Lösung dieser [284] Frage werden wir die Gleichheit der Geschlechter verwirklicht sehen, es werden die Schranken beseitigt werden, die heute zwischen Mann und Frau bestehen, und die Familieneinheit wird gesichert sein. Dazu gehört auch der Schutz des Kindes, dem all das gegeben werden sollte, was es für das körperliche Wachstum und für eine richtige Erziehung braucht, um eine gesunde Entwicklung des Gefühls- und Gedankenlebens sicher zu stellen; so wird das Kind einmal in der Lage sein, seiner Nation, Zeit und Gruppe mit besten Kräften zu dienen. Das ist stets ein Ideal gewesen, aber es wurde bisher nie in einer befriedigenden Weise verwirklicht. Wenn das sexuelle Problem gelöst ist, werden die Gedanken der Menschen einen Druck los werden, der ein Hinderungsmoment war und eine Situation schuf, welche die Menschen ungebührlich in Anspruch nahm; anstatt dessen wird dann ihre Gedankenwelt frei und unbehindert sein, so dass sie neue Ideen und Gedankengänge aufnehmen können. Wir werden dann die Entdeckung machen, dass Laster und Tugend nichts zu tun haben mit der Fähigkeit oder Unfähigkeit des einzelnen, sich nach Gesetzen zu richten, die von Menschen geschaffen wurden, sondern dass sie aus seiner Haltung sich selbst gegenüber und aus den inneren Beziehungen zu Gott und den Mitmenschen herstammen. Tugend ist die Manifestierung des Geistes brüderlicher Zusammenarbeit, bedingt also Selbstlosigkeit, geistiges Verstehen und völliges Selbstvergessen. Untugend (oder Laster) ist die Kehrseite dieser Geisteshaltung. Diese beiden Worte bezeichnen im Grunde nichts anderes als Vollkommenheit und Unvollkommenheit, die Übereinstimmung mit dem von Gott festgesetzten Richtmass für Brüderlichkeit oder das Unvermögen, diese Norm zu erfüllen. Normen sind in ständigem Fluss und ändern sich mit der menschlichen Entfaltung zur Göttlichkeit hin. Sie ändern sich auch entsprechend dem menschlichen Schicksal, das vom jeweiligen Zeitalter, vom Lebensalter des Menschen, von seinem Wesen und seiner Umwelt beeinflusst wird. Und sie ändern sich schliesslich je nach der erreichten Entwicklungsstufe. Die Norm von heute ist nicht die von vor 1000 Jahren und in weiteren 1000 Jahren wird sich die Norm wiederum wesentlich von der heutigen unterscheiden.

Aber keine Periode in der Weltgeschichte war so kritisch wie die heutige, denn wir müssen - abgesehen von der grossen zyklischen Gelegenheit, auf die ich früher hinwies - die Tatsache berücksichtigen, dass die Menschheit selber etwas Einzigartiges erreicht hat.

Zum ersten Mal [285] in der Geschichte tritt ein wahres menschliches Wesen auf, ein Wesen, das seiner inneren Natur nach «Mensch» ist. Die Persönlichkeit hat sich in harmonischer Fülle entwickelt und funktioniert als geschlossene Einheit, die Gedankenkräfte und die Gefühlswelt sind sowohl mit dem physischen Körper als auch mit der Seele vereint und verbunden. Ferner verlagerte sich der Schwerpunkt von der physischen Seite des Lebens in die Gedankenwelt und immer häufiger sogar in das geistige Leben. Es besteht also kein wirklicher Grund zur Verzagtheit, wenn meine Angaben richtig sind. Vielerorts ist heute ein wirkliches «Aufrichten der Herzen zu Gott hin» zu beobachten, und die Augen richten sich unentwegt auf spirituelle Werte. So erklärt sich der gegenwärtige Aufruhr.

Ganz abgesehen vom Anbruch des neuen Zeitalters, also vom Einströmen des Geistes Christi mit seinen umbildenden und erneuernden Kräften, und abgesehen von der zyklischen Wiederkunft der Energien des siebten Strahls können wir feststellen, dass die Menschen zum ersten Mal auf die tieferen spirituellen Energien und neuen Möglichkeiten in einer angemessenen und harmonischen Weise reagieren. Daher nehmen die Probleme zu und deshalb ist diese Zeit für uns voller günstiger Umstände. Daher sehen wir das Wunder der Morgendämmerung, deren Lichtschein im Osten zunimmt.

Ich möchte hier das sexuelle Problem noch von einer anderen Seite beleuchten und es als grundlegendes Symbol kennzeichnen. Bekanntlich ist ein Symbol das äussere, sichtbare Zeichen einer inneren und geistigen Wirklichkeit. Was ist nun diese innere Wirklichkeit? In erster Linie ist es die Tatsache, dass ursächliche Wechselbeziehungen existieren. Es ist die Beziehung, die zwischen den fundamentalen Paaren der Gegensätze (Vater - Mutter, Geist - Materie, positiv - negativ, Leben und Form) und zwischen den grossen Dualitäten besteht, die - wenn sie im kosmischen Sinne «zusammengebracht» werden - den geoffenbarten Sohn Gottes, den kosmischen Christus, das bewusstseinserfüllte, empfindungsfähige Universum hervorbringen. Das Evangelium ist mit seinem Bericht ein dramatisches Symbol für diese Beziehung, und der historische Christus ist der Garant für diese Wahrheit und Wirklichkeit. Christus garantiert uns für die Tatsache, dass es eine Wirklichkeit gibt, die [286] innere Bedeutung besitzt und dass für alles, was jetzt ist und jemals sein wird, eine spirituelle Basis existiert. Aus der Beziehung von Licht und Dunkelheit kommt das Unsichtbare zum Vorschein und wir sind imstande, es zu sehen und zu erkennen. Christus, als Licht der Welt, offenbarte diese Wirklichkeit. Aus dem Dunkel der Zeit sprach Gott, und die Vaterschaft der Gottheit wurde offenbar.

Das Drama der Schöpfung und die Geschichte der Offenbarung sind für uns (wenn wir die Tatsachen nur richtig sehen und mit spiritueller Genauigkeit deuten könnten) in der Beziehung der beiden Geschlechter und ihrer intimen Verbindung anschaulich dargestellt. Wenn diese Beziehung aufhört eine rein körperliche zu sein, und zu einer Vereinigung von zwei getrennten Hälften auf allen drei Ebenen - der physischen, emotionalen und mentalen - wird, dann werden wir die Lösung des sexuellen Problems haben, und die Ehebeziehungen werden so sein, wie sie nach göttlicher Absicht vorgesehen waren. Heutzutage ist diese Beziehung meist nur eine Vermählung zweier physischer Körper; manchmal vereinigen sich zwei Menschen auch mit ihrer Gefühlsnatur. Wirklich selten ist eine Ehe, in der auch die Gedanken der beiden Partner eng verbunden sind. Manchmal ist die Verbindung der physischen Körper so, dass ein Partner körperlich kalt, uninteressiert und völlig unbeteiligt bleibt, aber sein Gefühlskörper angezogen wird. Ein anderes Mal ist der mentale und physische Körper in Funktion, aber der Gefühlskörper ist nicht dabei. Selten, sehr selten finden wir alle drei Teile der Persönlichkeit beider Partner in innigem Kontakt, in einer harmonisch abgestimmten Vereinigung. Wenn das der Fall ist, dann haben wir eine wahre Verbindung, eine wirkliche Ehe, die Verschmelzung zweier Seelen.

In diesem Punkt haben sich gewisse esoterische Schulen sehr geirrt. Es schlich sich in ihre Lehre die falsche Vorstellung ein, dass eine derartige Ehe für die spirituelle Befreiung unerlässlich sei und dass, wenn es nicht so weit kommt, die Seele im Gefängnis bleibe. Man lehrt, dass durch den Eheakt das Einssein mit der Seele [287] zustande käme und dass ohne eine solche Vereinigung eine spirituelle Erlösung unmöglich sei. Einswerden mit der Seele ist aber eine innere Erfahrung, die eine Erweiterung des Bewusstseins zur Folge hat, so dass der oder das Einzelne und Besondere im universalen Ganzen aufgeht. Der irrigen Auslegung liegt jedoch eine Wahrheit zugrunde.

Wo eine solche wahre Ehe mit ihren idealen sexuellen Beziehungen - auf allen drei Ebenen - besteht, dort sind die richtigen Bedingungen vorhanden, um Seelen für ihre Inkarnation das benötigte Formgehäuse bereitzustellen. Gottessöhne werden dann geeignete Körper finden, um auf Erden zu erscheinen. So wie das Niveau (in körperlicher, emotioneller und mentaler Hinsicht) des ehelichen Kontaktes ist, (wenn solch ungewöhnliche Worte hier gebraucht werden können), genau so ist der Menschentypus, der zur Wiedergeburt angezogen wird. Wenn die Eltern nur physisch und emotional aufeinander eingestellt sind, so wird des Kindes Natur nicht anders sein. Das ist die allgemeine Regel, nach der die Durchschnittswelt geboren wird. Heute streben ungezählte Menschen schneller einem höheren Entwicklungsstadium zu. Daher sind so viele mit den derzeitigen Ansichten über die Ehe unzufrieden; diese Tatsache wird zu einer Deklaration über gewisse verborgene Prinzipien führen, welche die Beziehungen der Geschlechter regeln werden; auf Grund dessen werden Männer und Frauen die Möglichkeit haben, durch einen schöpferischen Akt Jüngern und Eingeweihten die Körper zu verschaffen, deren sie bedürfen.

Das Symbol der Sexualbeziehung zeigt uns auch das wahre Wesen der Liebe, die sich manifestiert. Liebe bedeutet tatsächlich eine Beziehung; man benutzt indes das Wort «Liebe» (genau so, wie «Sexualität»), gedankenlos und ohne die eigentliche Bedeutung zu beachten. Im Grunde genommen sind Liebe und Sexualität ein und dasselbe, da beide den Sinn und die Absicht des Gesetzes der Anziehung zum Ausdruck bringen. Liebe ist identisch mit Sexualität und Sexualität mit Liebe; denn in diesen beiden Worten ist die Beziehung, Wechselwirkung und Verbindung zwischen Gott und seinem Universum, zwischen Mensch und Gott, zwischen einem Menschen und seiner Seele und zwischen Männern und Frauen untereinander in gleich treffender Weise beschrieben. Die Betonung liegt [288] auf dem Motiv und der gegenseitigen Beziehung. Aber die zwingende Folge dieser Beziehung ist ein Schöpfungswerk und das Erscheinen von Formen, deren sich die Gottheit bedient, um sich selber zu offenbaren und ihre Existenz zu beweisen. Geist und Materie kamen miteinander in Berührung und so entstand das Universum. Liebe ist stets produktiv, denn das Gesetz der Anziehung zeitigt reiche Früchte. Der Mensch kam mit Gott durch dasselbe grosse Gesetz in Berührung und so wurde der Christus geboren, - der Bürge und Zeuge für die Tatsache, dass auch die Menschheit göttlicher Abstammung ist. Auch der einzelne Mensch und seine Seele versuchen zusammen zu kommen, und wenn sich diese Vereinigung vollzogen hat, wird der Christus in der Grotte des Menschenherzens geboren und gewinnt im täglichen Leben immer mehr Macht und Einfluss. Der Mensch stirbt daher täglich, damit Christus in all seiner Herrlichkeit sichtbar werde. Für all diese wunderbaren Geschehnisse ist die Sexualbeziehung ein lebendiges Symbol.

Und weiter: zwei Mal geht das Schauspiel des grossen Sexualdramas im Menschen in Szene und spielt sich innerhalb seiner Persönlichkeit ab, ein Prozess, der eine Vereinigung und ein Ineinanderaufgehen darstellt. Ich möchte hier kurz auf diese beiden symbolischen Vorkommnisse eingehen, um esoterischen Studenten zu nützen, so dass sie das grosse Sexualthema in seiner spirituellen Bedeutung erfassen können.

Bekanntlich ist der Mensch eine Manifestation von Energien. Diese Energien spornen den physischen Körper des Menschen zur Tätigkeit an und zwar mittels gewisser Kraftzentren im ätherischen Körper.

Diese Zentren kann man für unsere Zwecke in drei Zentren unterhalb und vier oberhalb des Zwerchfelles einteilen.

I. Unterhalb des Zwerchfelles:

1. Das Zentrum am unteren Ende der Wirbelsäule.

2. Das sakrale Zentrum.

3. Das Sonnengeflecht.

II. Oberhalb des Zwerchfelles:

1. Das Herzzentrum.

2. Das Kehlzentrum.

3. Das Zentrum zwischen den Augenbrauen.

4. Das Kopfzentrum.

Wir wissen, dass [289] zwei Verschmelzungsprozesse stattfinden müssen, und diese beiden Vereinigungen sind im symbolischen Sinne dem sexuellen Zeugungsvorgang gleichzusetzen; es sind zwei symbolische Ereignisse, die ein spirituelles Geschehen äusserlich sichtbar machen und die dem Menschen sein geistiges Ziel und Gottes erhabene Absicht im Entwicklungsprozess aufzeigen.

Erstens müssen die Energien unterhalb des Zwerchfelles hinaufgehoben und mit denen oberhalb des Zwerchfelles vereinigt werden. Wie sich dieses vollzieht und welche Methoden dabei angewandt werden müssen, kann ich hier nicht auseinandersetzen; lediglich einen Punkt möchte ich behandeln, nämlich das Höherleiten der sakralen Energie zu dem Kehlzentrum, also die Umwandlung physischer Fortpflanzung in schöpferische Kraft, wie sie ein Künstler auf irgendeinem Gebiet schöpferischer Tätigkeit zum Ausdruck bringt. Wenn sich die Energien dieser beiden Zentren vereinigen, werden wir in unserer Entwicklung das Stadium erreichen, in dem wir imstande sind, Kinder unserer Kunstfertigkeit und unserer Denkkraft hervorzubringen. Wenn, mit anderen Worten, eine vollkommene Vereinigung der höheren mit den niederen Energien stattfindet, dann kommt Schönheit in die Form, ein bestimmter Wahrheitsaspekt findet seinen entsprechenden äusseren Ausdruck und so wird die Welt bereichert. Wenn diese Synthese vorhanden ist, beginnt der wahre schaffende Künstler zu wirken. Der Kehlkopf, das Organ des Wortes, bringt die Lebensfülle zum Ausdruck und offenbart die dahinter liegende Herrlichkeit und wahre Natur. Das ist eine symbolische Bedeutung der Lehre von der Verschmelzung der unteren Energien mit den höheren und dafür ist die physische Geschlechtsbeziehung ein Gleichnis. Die Menschheit ist heute dabei, schnell in das Stadium schöpferischer Fähigkeiten vorzurücken, da die Höherleitung von Energien infolge der neuen Impulse Fortschritte macht. In dem Grad, wie der Sinn für innere Reinheit zunimmt und das Gefühl für Verantwortlichkeit wächst und die Liebe zur Schönheit, zu Farben und für Ideen immer stärker wird, wird auch die Vereinigung der unteren Energien mit den höheren schneller zunehmen; infolgedessen wird die Verschönerung des Tempels des Herrn erstaunlich rasche Fortschritte machen.

Dieser Prozess wird im kommenden Wassermannzeitalter sehr wesentlich gefördert werden. Die meisten heutigen Menschen betätigen [290] die Kräfte unterhalb des Zwerchfelles, lenken diese Energien in die Aussenwelt und entwürdigen sie für materielle Zwecke. In den kommenden Jahrhunderten wird dies anders werden; die Menschen werden ihre Energien umwandeln und verfeinern, und anfangen oberhalb des Zwerchfelles zu leben. Sie werden dann die Wirkungskräfte des liebenden Herzens, des schöpferischen Kehlzentrums und des Willenszentrums im Kopf (das im Sinne göttlicher Ordnung lenkt und steuert) zum Ausdruck bringen. Auch für diese Beziehung zwischen den niederen und höheren Kräften ist die irdische Sexualbeziehung ein Symbol.

Ein anderes wunderbares symbolisches Geschehen spielt sich auch im Kopfe ab. In diesem lebendigen Organismus vollzieht sich das erregende Drama, bei dem sich das rein menschliche Wesen in die Gottheit versenkt. Der grosse Endakt der mystischen Vereinigung von Gott und Mensch und von Seele und Persönlichkeit vollzieht sich hier. Philosophen des Ostens sprechen von zwei grossen Energiezentren im menschlichen Kopf. Das eine, das Ajnazentrum zwischen den Augenbrauen verschmilzt die fünf Energiearten, die dorthin gelenkt wurden und vereinigt sich mit ihnen; es sind dies die Energien der drei Zentren unterhalb des Zwerchfelles, und die des Kehl- und Herzzentrums. Das andere Zentrum im Kopf wird durch Meditation, Dienst und geistiges Streben erweckt und durch dieses Zentrum kommt die Seele mit der Persönlichkeit in Kontakt. Dieses Kopfzentrum ist das Symbol des geistigen oder positiven, männlichen Prinzips, wogegen das Ajnazentrum das Symbol der Materie oder des negativen, weiblichen Prinzips ist. Mit diesen beiden Kraftwirbeln stehen zwei Gehirndrüsen in Zusammenhang, die Hypophyse und Epiphyse. Die Hypophyse (Hirnanhang) ist das negative, die Epiphyse (Zirbeldrüse) das positive Organ. Diese beiden Organe entsprechen in einem höheren Sinne den männlichen und weiblichen Zeugungsorganen. Wenn die Seele im geistigen und emotionalen Leben des Aspiranten kraftvoller wird, dann strömt sie mit immer grösserer Macht in das Kopfzentrum. Wenn der Mensch an seiner Persönlichkeit arbeitet, sie läutert und in den Dienst des [291] geistigen Willens stellt, dann werden die Energien der Körperzentren automatisch in das Ajnazentrum emporgehoben. Mit der Zeit nimmt die Einflussstärke der beiden Zentren zu, die Wirkungsbereiche werden immer grösser, bis sie sich mit ihren magnetischen Schwingungsfeldern berühren; und allsogleich leuchtet das Licht auf. Vater-Geist und Mutter-Materie vereinigen sich und werden eins, und so wird der Christus geboren. «Wer nicht wiedergeboren wird, kann das Reich Gottes nicht schauen», sagte Christus. Das ist die zweite Geburt, und von da an nimmt die Kraft der Vision dauernd zu.

Dies ist wiederum das grosse Drama der sexuellen Beziehung, das sich von neuem im Menschen abspielt. So erfährt er in seinem persönlichen Leben drei Mal die Bedeutung der Vereinigung:

1. Im körperlichen Verkehr, also in der Vereinigung mit dem Partner, was zur Fortpflanzung der Art führt.

2. In der Vereinigung der niederen Energien mit den höheren, was zum schöpferischen Werk führt.

3. In der Vereinigung der Energien der Persönlichkeit mit denen der Seele im Kopf, was die Geburt Christi zur Folge hat.

Gross ist des Menschen Herrlichkeit und wunderbar sind die göttlichen Funktionen, die in ihm verkörpert sind. Im Lauf der Zeit kam der Mensch so weit, dass er die niederen Energien in die höheren Zentren emporbringen kann, und dieser Übergang verursacht heute so viel Unausgeglichenheit in der Welt. Viele Menschen haben schöpferische Ideen im Bereich der Politik, Religion, Wissenschaft und Kunst, und der Einfluss ihrer geistigen Energie, ihrer Pläne und Ideen macht sich in einem wahren Wettlauf bemerkbar. Solange noch nicht die Idee, dass alle Menschen Brüder sind, die Menschheit beherrscht, werden diese Kräfte zu persönlichen Zwecken und zur Befriedigung des Ehrgeizes missbraucht, und das führt natürlich zu Unheil; und ebenso unheilbringend ist der Missbrauch der sexuellen [292] Kräfte, wenn also der Mensch diese zu persönlicher Lustbefriedigung degradiert. Einige wenige Menschen jedoch bringen ihre Energien in ein noch höheres Zentrum hinauf und übertragen sie in Begriffe der himmlischen Welt. In vielen Menschenherzen wird heute Christus geboren und immer zahlreicher werden die Gottessöhne in ihrer wahren Natur erscheinen, um die Führung der Menschheit im neuen Zeitalter in die Hand zu nehmen.

2. Das Sexualproblem im neuen Zeitalter.

Prophezeiungen sind stets ein Risiko. Eine Vorhersage jedoch, die sich auf die gegenwärtigen allgemeinen Tendenzen stützt, ist oft möglich.

Während der nächsten 200 Jahre werden die alten Einflüsse, unter denen wir bisher gelebt haben, langsam aussterben, und die neueren, stärkeren Kräfte werden sich fühlbar machen. Wie wir wissen, werden drei Faktoren das kommende Wassermannzeitalter charakterisieren, bedingt durch den Einfluss der drei Planeten, welche die drei Dekanate dieses Zeichens regieren. Zuerst ist der Saturn tätig, der die Wege trennt und denen, die davon profitieren können, eine günstige Gelegenheit verschafft. Dies wird eine Periode sein, in der Disziplin herrschen und die Menschen eine Wahl treffen werden; durch diese Entscheidungen wird die Menschheit von ihrem angestammten Recht Gebrauch machen. Dieser Aufstieg wird bereits heute stark vorempfunden.

Während des zweiten Dekanats wird durch den Einfluss des Merkur Licht einströmen, und es wird sich mentale und spirituelle Erleuchtung sowie eine richtigere Auslegung der Lehre der Abgesandten der weissen Loge bemerkbar machen. Im ersten Dekanat wird es vielen Menschen ermöglicht werden, eine Entscheidung zu treffen und Anstrengungen zu machen, um die niederen Energien in die höheren Zentren zu verpflanzen und so ihr Hauptaugenmerk aus der Region unterhalb des Zwerchfelles in diejenige oberhalb des Zwerchfelles zu verlegen. Im zweiten Dekanat werden diejenigen, die dann so weit sind, imstande sein, ihre Persönlichkeit mit der Seele zu vereinigen, und es wird in ihrem Inneren, wie früher [293] angedeutet, das Licht hervorbrechen und der Christus geboren werden.

Während des dritten Dekanats wird das Gesetz der Bruderschaft in Kraft treten und die Venus wird durch das Prinzip verstehender Liebe herrschen; die Gruppe und nicht das Individuum wird wesentliche Bedeutung haben, und Selbstlosigkeit und Zusammenarbeit aller wird an die Stelle von Absonderung und Konkurrenz treten.

In keinem anderen Lebensbereich werden sich diese kommenden Änderungen so deutlich bemerkbar machen als in der menschlichen Einstellung zum Geschlechtsleben und in der Neugestaltung der ehelichen Beziehungen. Diese neue Entwicklung wird Schritt halten mit der langsam sich entwickelnden Wissenschaft der Psychologie, die nunmehr in ihre Rechte tritt. Sobald der Mensch seine eigene dreifache Natur verstehen lernt und die Natur des Bewusstseins sowie die Tiefe des eigenen unterbewussten Lebens besser erfassen kann, wird die Beziehung des Mannes zur Frau und die Stellungnahme der Frau zu ihrem Schicksal allmählich und automatisch einen Wandel erfahren. Diese notwendige Neueinstellung wird nicht das Resultat gesetzlicher Massnahmen sein oder von Entscheidungen der Volksvertreter beeinflusst werden, die das Gebot der Stunde zu erfüllen suchen; nein, diese Änderungen werden langsam eintreten als Folge klaren Denkens und des aufrichtigen Interesses, das die nächsten drei Generationen bekunden werden . Die junge Generation, die nun zur Inkarnation kommt und diejenige des nächsten Jahrhunderts werden gut ausgerüstet sein, um das sexuelle Problem zu meistern, denn sie sehen vieles klarer als die alte Generation und denken tiefer und umfassender, als es heute der Fall ist. Diese jungen Menschen werden ein grösseres Gruppenbewusstsein mitbringen und weniger auf ihre Person und ihre eigenen Interessen eingestellt sein; sie werden sich mehr für neue Ideen als für veraltete Theologien interessieren; und sie werden weniger Vorurteile haben und toleranter sein als die Masse der wohlmeinenden Leute von heute. Die Lehre der Psychologie kommt erst jetzt zur Geltung und man fängt eben erst an, ihre Rolle zu verstehen; in 100 Jahren wird sie [294] eine dominierende Wissenschaft sein, und die neueren Erziehungssysteme, die sich auf die wissenschaftliche Psychologie stützen, werden unsere modernen Erziehungsmethoden völlig verdrängen. In der Zukunft wird man sich hauptsächlich darum kümmern, den Lebenszweck eines Menschen festzustellen. Diese Feststellung wird ermöglicht durch ein geistiges Verstehen seines Strahls, durch eine Analyse seiner Veranlagungen (dafür ist die Berufspsychologie ein schwacher erster Beginn), durch ein Studium seines Horoskops, durch einen vernünftigen Anfangsunterricht in Gedankenkontrolle und schliesslich durch eine Schulung des Gedächtnisses, um die gegebenen Unterweisungen gut zu behalten. Man wird die Methoden sorgsam auswählen, die eine Integration der Persönlichkeit ermöglichen und die aktiven Qualitäten steigern und läutern helfen und all dies nur deshalb, um den Menschen gruppenbewusst und gruppennützlich zu machen. Das ist der Faktor, der von Bedeutung ist. Harmonische Verbundenheit (Synthese), körperliche Reinheit, das Aufgeben der egoistischen Einstellung und das Wohl der Gruppe, das werden die fundamentalen Prinzipien künftiger Erziehung sein. Kontrolle der Gefühlsregungen und richtiges Denken wird eingeschärft werden, und wenn solches vorhanden ist, wird sich die Erkenntnis spiritueller Tatsachen ganz von selbst einstellen, und das persönliche Leben wird sich dann der Gruppe unterordnen. Die Beziehungen des einzelnen zu anderen werden dann verständnisvoll gelenkt, und das Verhältnis zum anderen Geschlecht wird nicht nur von Liebe und Verlangen, sondern von der wahren Bedeutung der Ehe bestimmt werden, die ein Zusammenleben in Ordnung und gegenseitigem Verstehen ist. Diese Voraussage bezieht sich auf die intelligente Majorität, die von guten Absichten beseelt ist, deren Normen sich im Lauf der Jahrzehnte so weit entwickelt haben werden, dass die Träume und Ideale der fortschrittlichen Idealisten von heute erfüllt sein werden. Es wird natürlich auch dann noch gedankenlose, müssige und törichte Menschen geben, aber die Evolution geht unaufhaltsam weiter und bringt Ordnung herein.

Welche Gesetze erlassen werden mögen, um der Allgemeinheit für das schwierige Sexualthema Richtlinien zu geben, kann ich nicht sagen; die kommenden Ehegesetze vorauszusagen liegt nicht in meiner Absicht; wie die Gesetzgeber der Nationen das Problem anfassen werden, bleibt abzuwarten. Ich selbst bin nicht auf Spekulation eingestellt.

Doch kann und will ich hier die grundlegenden Voraussetzungen [295] anführen, die den besten Überlegungen über Sexualität und Ehe in der Zukunft zu Grunde liegen werden. Es sind drei Voraussetzungen oder Prinzipien; wenn sie begriffen und erfasst, und in den Ideengehalt der Zeit einbezogen sein werden, so dass sie die Grundlage aller anerkannten Massstäbe über harmonische Lebensführung bilden, dann werden die Einzelheiten, wie, wo und wann alles zum Klappen kommt, sich von selbst einstellen.

1. Wie sich die Geschlechter zueinander und zur Ehe stellen werden, wird als Teil des Gruppenlebens angesehen werden und zum Dienste des Gruppenwohls gehören; dies wird nicht durch Gesetze erfolgen, die Eheschliessungen regeln, sondern durch Erziehung in Gruppenbeziehungen, durch Dienst an der Mitwelt und durch das Gesetz der Liebe zustande kommen, mit praktischem und nicht bloss sentimentalem Verständnis. Männer und Frauen werden sich als Zellen eines vitalen Organismus betrachten, und diese Erkenntnis wird ihr Handeln und ihre Auffassung über die Zukunft bestimmen. Man wird all das als eine natürliche Tatsache und als eine Folge vergangener Entwicklungsperiode ansehen und nicht als eine Theorie und eine Hoffnung für später betrachten, wie das heute der Fall ist. All das, was am besten der Gesamtheit dient und was notwendig ist, um die Wirksamkeit einer Zelle innerhalb dieses Organismus zu fördern, - das werden die Gesichtspunkte sein, die zur Debatte stehen. Die Menschen werden immer mehr in der Welt der Gedanken und des geistigen Verstehens leben und nicht mehr, wie früher, sich nur dem ungeregelten Verlangen und dem tierischen Instinkt hingeben; die Liebe des Mannes zur Frau und der Frau zum Mann wird stärker sein als heute, da diese Liebe nicht bloss von Gefühlsmomenten, sondern auch von Intelligenz getragen sein wird.

In dem Mass wie der schöpferische Drang aus dem Sakralzentrum nach oben in das Kehlzentrum gerichtet wird, wird der Mensch auch weniger von seinem physischen Sexualdruck geplagt werden und sich mehr im Schöpferischen betätigen. Sein physisches Leben wird sich in normalen Funktionen bewegen, doch muss sich der Mensch vor Augen halten, dass die Art und Weise, in der er bisher seinen Sexualtrieb befriedigte, abnorm und undiszipliniert ist und dass wir nunmehr auf dem Weg zu einer weisen Normalisierung sind. Das Sehnen nach persönlichem Glücksgefühl und nach [296] Befriedigung eines tierischen Dranges ist als Instinkt nicht falsch, wenn es geregelt und normal ist, wird aber verheerend und schlecht, wenn es zum Sinnenkitzel herabgewürdigt wird. Das wird sich später ändern, wenn beide Partner eine gemeinsame Entscheidung treffen werden. Diese Entscheidung wird einem natürlichen Bedürfnis entsprechen und sich in einer rechten, passenden und regulierten Art und Weise auswirken. Heute ist der eine oder andere Partner gewöhnlich ein Opfer, entweder weil er ungebührlich enthaltsam leben oder sich zu einer unziemlichen Liederlichkeit hergeben muss.

2. Die zweite Voraussetzung basiert auf der Erreichung einer bestimmten Entwicklungsstufe; dazu bedarf es einer Persönlichkeit, die völlig auf der Höhe ist. Diese allgemein gültige Norm mag folgendermassen erklärt werden:

Eine wahre Ehe und rechte Sexualbeziehung sollte eine Vereinigung aller drei Aspekte der menschlichen Natur sein; alle drei Bewusstseinsbereiche sollten sich gleichzeitig betätigen - Körper, Gefühl und Intellekt. Ein Gatte und eine Gattin sollten, um wirklich und glücklich vermählt zu sein, einander in allen drei Bereichen ihrer Natur ergänzen und alle drei sollten sich gleichzeitig vereinen. Wie selten ist das der Fall und wie selten findet man dies! Ich brauche hierüber nichts weiter zu sagen, da die Wahrheit für sich selbst spricht und oft darüber geschrieben wurde. Später - und das liegt noch in ferner Zukunft - werden Ehen geschlossen werden, die auf der gleichen Entwicklungsstufe der integrierten Persönlichkeit basieren und nur diejenigen werden sich im heiligen Ritual der Ehe zusammenfinden, die denselben Grad der Umwandlung der niederen Energien in die höheren erreicht haben; eine Ehe wird als unerwünscht erachtet werden, wenn sie aus ungleichen Partnern besteht, wenn also der eine das Leben einer geläuterten Persönlichkeit oberhalb des Zwerchfelles lebt und der andere nichts weiter ist als ein intelligentes Tier, das seine Impulse aus den Zentren unterhalb des Zwerchfelles erhält. Schliesslich werden einige wenige ihren [297] Ehepartner unter denen auswählen, in denen Christus wiedergeboren wurde und die das Christusleben in die Tat umsetzen. Doch diese Zeit ist noch fern, nur selten kommen solche Fälle vor.

3. Das dritte Leitmotiv wird in dem Verlangen zum Ausdruck kommen, gut ausgestattete, wohlgestaltete und gesunde Körper für die inkarnierenden Egos bereit zu stellen. Das ist heute noch nicht möglich, da die Praxis der körperlichen Vereinigung so ungeordnet ist. Die meisten heutigen Kinder sind Geschöpfe des Zufalls oder ein unerwünschter Familienzuwachs. Einige wenige sind natürlich einem inneren Wunsche entsprungen, doch selbst in solchen Fällen hängt dieser Wunsch meist mit Erbschaftsfragen und Eigentum, das einen Nachfolger benötigt, mit einem alten Namen, der fortbestehen soll und mit unbefriedigten ehrgeizigen Plänen zusammen; die Zeit kommt jedoch näher, in der Geburten beabsichtigt und herbeigesehnt werden und wenn es soweit ist, wird die Inkarnation von Jüngern und Eingeweihten ermöglicht und beschleunigt werden. Eine richtige innere Vorbereitung wird jeder sexuellen Befriedigung vorangehen, und Seelen werden zu ihren Eltern hingezogen werden durch deren Wunsch, durch die Reinheit ihrer Motive und durch die Kraft, sich auf ihre Aufgabe vorzubereiten.

Wenn diese drei Motive sorgsam überdacht werden und wenn Männer und Frauen ihre physischen Beziehungen zueinander auf die Verantwortung gegenüber der Gruppe einstellen, sich gleichzeitig auf allen drei Ebenen vereinigen und den inkarnierenden Seelen eine günstige Gelegenheit anbieten, dann werden wir in der Tat eine Wiederherstellung des spirituellen Aspektes der Ehe erleben. Dann wird jene Ära anbrechen, in welcher der gute Wille das markante Kennzeichen sein wird und egoistische Absichten und tierische Instinkte verblassen und in den Hintergrund treten werden.

3. Einige Ratschläge für den gegenwärtigen Zyklus.

Ich habe eine Situation aufgezeigt, die zurzeit vorherrscht, und ein Ideal angedeutet, dass vor uns liegt, aber noch nicht erfüllbar ist. Das ist an sich wertvoll, aber es lässt in unseren Gedanken eine Lücke zurück, die ausgefüllt werden muss. Es erhebt sich nun die Frage, die in folgenden Sätzen formuliert werden kann:

Angenommen, dass [298] meine Darstellung der gegenwärtigen erschreckenden Zustände zutrifft, angenommen, dass in einer fernen Zukunft eine Annäherung an das geschilderte Ideal möglich ist, welche Schritte sind denn heute möglich, um schliesslich die notwendige Umstellung im sexuellen Leben herbeizuführen? Solche Schritte sind ganz gewiss möglich und meine Antwort lautet folgendermassen:

Wenn gewisse fundamentale Forderungen, vier an der Zahl, der Einsicht des Publikums zugänglich gemacht und vor Augen gehalten werden, dann wird am Ende die öffentliche Meinung so weit erzogen werden, dass die notwendigen Massnahmen folgen können. Der erste Schritt muss jedoch der sein, dass das Publikum erzogen wird und dass es die vier Grundgesetze verstehen lernt. Jede Verbesserung gegenwärtiger Missstände erfolgt durch ein Wachstum aus dem Inneren der Menschheit selber und nicht durch den Zwang eines Gesetzes von aussen her. Das Bewusstsein des Publikums muss daher ständig weiter ausgebildet werden, denn nur so wird die Grundlage für spätere Verbesserungen geschaffen.

Ich möchte hier bemerken, dass die drei nächsten Generationen (in die ich die heutigen Knaben und Mädchen einbeziehe) eine Gruppe von Persönlichkeiten zur Inkarnation bringen werden, die gut ausgerüstet sein werden, um die Menschheit aus der gegenwärtigen Sackgasse herauszuführen. Diese Tatsache verdient Beachtung und wird oft vergessen. Es gibt in jeder Epoche der Menschheitsgeschichte Persönlichkeiten, die imstande sind, die auftretenden Probleme zu lösen und die gerade deshalb in die Welt geschickt werden. Dieses Problem der Sexualität ist letzten Endes nur ein zeitweiliges, auch wenn man das kaum glauben möchte; es entstammt einem Grundfehler; der Mensch entwürdigte gottgegebene Fähigkeiten zu selbstsüchtiger, körperlicher Befriedigung, anstatt sie Zwecken zu weihen, die Gott im Auge hat. Er wurde von seiner animalischen Instinktnatur überwältigt und verlor den Boden unter den Füssen; und nur ein klares und fehlerfreies geistiges Verstehen dessen, was die wahre Natur seines Problems bildet, wird stark [299] genug sein, um ihn ins neue Zeitalter und in die Welt richtiger Motive und rechten Handelns zu geleiten. Der Mensch muss die Tatsache erfahren und wirklich verstehen, dass nicht die Befriedigung einer Sinnesbegierde der Hauptzweck der Sexualität ist, sondern vielmehr die Beschaffung von physischen Körpern, durch die das Lebenselement Ausdruck finden soll. Er muss die symbolische Bedeutung, die der Sexualbeziehung zu Grunde liegt, verstehen und dadurch die Reichweite spiritueller Tatsachen erkennen. Das Gesetz der Sexualität ist das Gesetz, das Leben und Form zueinander in Beziehung bringt, auf dass die Absichten Gottes richtig verstanden werden. Das ist ein fundamentales Schöpfungsgesetz und es behält seine Richtigkeit, ganz gleich ob es sich um ein grosses Wesen handelt, das in einem Sonnensystem verkörpert ist oder um die Geburt eines Tieres oder um das Heraussprossen einer Pflanze aus einem Samenkorn. «Sexualität» ist das Wort, das gebraucht wird, um die Beziehung auszudrücken, die einerseits zwischen jener Energie, die wir «Leben» nennen, und andererseits der ungeheueren Menge von Krafteinheiten besteht, deren sich diese Energie bedient, um Formen zu bilden. Sexualität umfasst die Tätigkeit, die erfolgt, wenn die Paare der Gegensätze zusammenkommen; sie werden dann miteinander eins und bringen eine dritte Existenz hervor. Diese dritte Existenz ist die Folge der Beziehungen der Paare zueinander; und so kommt ein neues, in Form gebanntes Wesen ins Leben. Es sind also drei Faktoren, welche die wahre Bedeutung der Sexualität kennzeichnen: eine Wechselbeziehung, ein Einswerden und eine Geburt.

Unglücklicherweise hat der Mensch die Wahrheit mit Füssen getreten, und so ist die wirkliche Bedeutung verloren gegangen. Sexualität bedeutet heute für den Mann die Befriedigung seiner Sinneslust und seines körperlichen Verlangens durch Herabwürdigung des weiblichen Aspektes für seinen Sexualhunger. Diese eheliche Verbindung führt nicht zu den Resultaten, die beabsichtigt sind, sondern nur zu einem momentanen Genuss für Sekunden, und alles beschränkt sich auf die animalische Natur und Körperlichkeit. Ich verallgemeinere natürlich und erinnere daran, dass es Ausnahmen bei allen Verallgemeinerungen gibt. Ich möchte noch hinzufügen, dass niemand denken soll, dass ich den männlichen «Aspekt» für unser gegenwärtiges Problem verantwortlich mache, wenn ich sagte, dass der Mann die Frau für sein Vergnügen benützt. Wie sollte ich eine solche [300] Meinung vertreten, da ich ja weiss, dass jedes menschliche Wesen, in zyklischer Folge, einmal ein Mann und einmal eine Frau ist und dass die heutigen Männer in früheren Inkarnationen Frauen waren und die Frauen Männer. Es gibt keine Einteilung in Geschlechter, so weit Seelen in Frage kommen; getrennte Geschlechter existieren nur im Formleben. Der inkarnierende spirituelle Mensch nimmt nur für den Prozess der Differenzierung, um Erfahrungen zu sammeln, einmal einen männlichen Körper und dann einen weiblichen an, um so die negativen und positiven Seiten des Formlebens abzurunden. Das ganze Menschengeschlecht ist ohne Ausnahme schuldig, und ein jeder muss sich aktiv beteiligen und mithelfen, die Zustände zu verbessern und in das gegenwärtige Chaos Ordnung zu bringen.