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II. Die sieben Gesetze des Seelen- oder Gruppenlebens - Teil 4

Das Wort «abstossen» ruft bei vielen Menschen eine leidige Ideenverbindung hervor. Die Abneigung gegen dieses Wort enthüllt des Menschen angeborenes Vorurteil gegenüber spirituellen Dingen. Der Ausdruck Abstossung, der Wunsch etwas von sich zu weisen, Einstellungen, Worte und Taten, die abstossend sind, rufen in uns unerfreuliche Bilder wach. Dennoch bedeutet das Zeitwort abstossen», vom spirituellen und vom wissenschaftlichen Standpunkt aus, einfach «innerlich Stellung nehmen gegen etwas, das unerwünscht ist.» Das Bestimmen dessen, was denn «erwünscht» ist, bringt sodann den Jünger dazu, in seinem Leben Tugenden zu verwirklichen, nämlich: die Fähigkeit scharfsinnig zu unterscheiden, seine Gefühle zu beherrschen, sich in Zucht zu nehmen und die Kraft aufzubringen, sich zu dezentralisieren, sich nicht mehr in den Mittelpunkt zu stellen. Diese Tugenden charakterisieren bereits den inneren Antrieb, Unwirkliches und Unerwünschtes zu entwerten sowie die niedere Natur in Zaum zu halten, bis die Wahl nicht mehr schwer fällt und der Jünger bereitwillig all das zurückweist und abtut, was die Seele gefangen hält und ihr hinderlich ist. Die Gedanken richten sich in erster Linie darauf, den endgültigen Weg und die Methode sorgfältig zu wählen, welche die Seele aus der Formwelt befreit, so dass sie sich zuerst einmal als eigene Entität, als Seele, bewusst erkennt. Das befreit die Seele von der Täuschung der äusseren Welt, und sie kann sich dann mit der Gesamtwelt der Seelen, also mit dem Bewusstsein der Allseele identifizieren, als wesensgleich erkennen.

Ich brauche nicht näher auf die Methoden einzugehen, auf Grund deren eine solche Wahl getroffen werden soll. In den letzten zweitausend Jahren ist so viel über die Praxis richtigen Unterscheidens, über Methoden, die Leidenschaften loszuwerden und ein diszipliniertes Leben zu führen, in deutlichen und klaren Regeln gelehrt worden, und es sind viele Bücher geschrieben worden, welche die Lehren Christi und Buddhas zum Gegenstand haben. Wer sie richtig versteht, kann eine richtige Wahl treffen. Was man nicht länger mehr hegen und wünschen sollte, kann «abgewiesen» werden. Viele [162] ernsthaft Studierende wie z.B. solche, die diese Abhandlung lesen, fanden es nützlich, über die vier nachfolgenden Stichworte einen Kommentar zu schreiben, der ihr persönliches Verständnis widerspiegelt:

1. Unterscheidungsvermögen (Urteilskraft, Scharfsinn),

2. Leidenschaftslosigkeit,

3. Selbst-Disziplinierung,

4. Dezentralisierung (Hintansetzung der eigenen Person).

Jeder Begriff könnte auf einer Seite erschöpfend definiert werden, sofern der Studierende wahr und aufrichtig seine höchsten Gedanken darüber zum Ausdruck bringt. Studierende, die diese vier Tugenden (die Hauptmerkmale eines Jüngers) im Leben betätigen, werden erkennen, dass sie dadurch das Gesetz der Abstossung automatisch in Aktion versetzen, - ein Gesetz, das auf dem Pfad der Einweihung Geheimnisse offenbart und Erkenntnisse verschafft. Dieses Gesetz wirkt sich auf dem Pfad der Einweihung in solch fortgeschrittener Art aus, dass es für diejenigen keine Anwendung finden kann, die in den grundsätzlichen Unterscheidungen noch keine Erfahrungen besitzen und mit ihren Leidenschaften und Begierden noch lange nicht im reinen sind. Soll ich da noch mehr darüber sagen, wie sich dieses Gesetz im Leben eines Eingeweihten auswirkt? Ich denke nicht. Der Jünger bemüht sich, ohne Leidenschaft, Schmerz oder Leid den Unterschied zu erkennen und zu manifestieren zwischen:

1. Recht und Unrecht,

2. Gut und Böse,

3. Licht und Dunkel (im geistigen Sinn),

4. Gefängnis und Freiheit,

5. Liebe und Hass,

6. Introversion und Extraversion (nach innen gekehrtes und nach aussen gerichtetes Leben). Es lohnt sich über diese Dualität nachzudenken.

7. Wahrheit und Falschheit,

8. Mystischem und okkultem Wissen,

9. Dem Selbst und dem Nicht-Selbst,

10. Seele und Körper.

Man könnte noch [163] viele solche und andersartige Gegenüberstellungen anführen. Wenn der Jünger die Tatsache dieser Gegensatzpaare voll erfasst hat, dann steht er vor der Aufgabe, dasjenige zu entdecken, was zu keinem der beiden Gegensätze gehört. Dem Eingeweihten enthüllt sich der zentrale, in der Mitte verlaufende Weg durch das Wirken des Gesetzes der Abstossung; es befähigt ihn im okkulten Sinn «sowohl mit der rechten als der linken Hand all das von seinem Weg weit wegzustossen, was den zentralen Lichtweg stört und ausser Sicht bringt. Denn für den Menschen, der den lichtumfluteten Weg sucht, liegt weder auf der rechten noch auf der linken Seite Sicherheit.» Besagt dieser Satz wirklich etwas für die meisten von uns? Lasst uns versuchen, für uns selbst in Worte zu kleiden, welche Eigenschaften und welchen Namen dieser dritte oder zentrale Weg hat, der z.B. weder Licht noch Dunkel, weder Liebe noch Hass ist. Wir können nicht klar sehen, was für ein Weg das sein könnte, und wir werden dazu erst dann imstande sein, wenn die stärkere Anregung, die auf dem Weg der Einweihung in uns ausgelöst wird, ihre vorgeschriebene Wirkung ausübt. Eine gewisse, wenn auch unklare Vorstellung darüber, was dieser Weg bedeutet, werden wir vielleicht im dritten Abschnitt erhalten.

c) Das Gesetz der Abstossung und der Wanderer auf dem Höhenweg des Lebens.

Wir wollen unsere Ausführungen auf die früher zitierten Worte aufbauen:

«Das Gesetz der Abstossung dringt in sieben Richtungen vor und zwingt alles, womit es in Berührung kommt, in das Herz der sieben spirituellen Väter zurück.»

Wir sind endgültig zu einer Betrachtung des Abstossungsprozesses gekommen, der von diesem Gesetz bestimmt wird, das die Methode für jeden Strahltypus ist. Obwohl dasselbe Gesetz in allen sieben Fällen wirkt und sich nach sieben Richtungen hin betätigt, so werden doch die Resultate verschieden sein, weil die Eigenschaften und äusseren Erscheinungsformen, auf die das Gesetz des göttlichen Willens einwirkt, so sehr von einander verschieden sind. Daher ist das Problem so verwickelt. Die sieben Gesetze der Seele sind das Fundament [164] der verschiedenen Wahrheitslehren, die von den Weltlehrern in allen Zeitepochen verkündet worden sind. Ein Durchschnittsjünger bedarf jedoch einer beträchtlichen geistigen Einsicht, um die Analogie oder Ideenverbindung sehen zu können, die z.B. bestehen zwischen:

1. Den Seligpreisungen, die Christus verkündete und diesen sieben Gesetzen.

2. Den Stufen des edlen achtfachen Pfades und diesen Seelenkräften.

3. Den acht Wegen, die zu Yoga oder Vereinigung mit der Seele führen und diesen siebenfachen Einflüssen.

4. Den zehn Geboten der semitischen Religion und diesen sieben spirituellen Gesetzen.

Es wäre interessant, wenn Studierende ihr Verstehen prüfen und selber versuchen würden, die esoterischen Beziehungen, die zwischen diesen Gruppen von Lehrsätzen bestehen, aufzufinden und die zugrunde liegende Absicht und Bedeutung zu erkennen. Zum besseren Verständnis wollen wir zum Beispiel den sieben Gesetzen und den acht Yogamethoden nachgehen und aufzeigen, welche Beziehung zwischen ihnen besteht. An diesem Beispiel wird uns der Unterschied klar werden, wie ein durchschnittlicher Yogaschüler oder Esoteriker, und wie ein geschulter Jünger oder Eingeweihter die Wege oder Mittel zum Yoga versteht.

1. Die fünf Gebote. Der universale Pflichtenkreis. Die Kraft des zweiten Strahls. Das Gesetz des magnetischen Impulses. Einbeziehung. Anziehung.

2. Die Regeln zur Selbstschulung. Die Kraft des vierten Strahls. Das Gesetz des Opfers. «Ich sterbe täglich.»

3. Körperhaltung. Eine ausgeglichene Haltung der Welt gegenüber. Die Kraft des sechsten Strahls. Das Gesetz des Dienens. Rechte Beziehungen [165] und rechte Ideale.

4. Pranayama. Das Gesetz rhythmischen Lebens. Die Kraft des siebten Strahls. Das Gesetz des Gruppenfortschritts. Das Gesetz spiritueller Entwicklung.

5. Absonderung. Pratyahara. Ablassen vom Verlangen. Die Kraft des ersten Strahls. Das Gesetz des Abstossens. Zurückweisung von Wünschen.

6. Gespannte Aufmerksamkeit. Korrekte Orientierung. Die Kraft des dritten Strahls. Das Gesetz der zunehmenden Reaktionsfähigkeit.

7. Meditation. Richtige Anwendung des Denkvermögens. Die Kraft des fünften Strahls. Das Gesetz der niederen Vier. «Die Seele ist in tiefer Meditation.»

8. Resultat. Kontemplation. Völlige geistige Losgelöstheit.

Ein eingehendes Studium dieser Zusammenhänge wird dem Jünger Anregungen geben und dem Eingeweihten Erleuchtung bringen. Wir dürfen jedoch «Erleuchtung» nicht mit einer neuen oder gescheiten Idee verwechseln! Erleuchtung ist etwas ganz anderes. Der Unterschied ist so gross wie zwischen dem flackernden Licht eines Sterns und dem hellen Licht der aufgehenden Sonne. Das eine Licht enthüllt die Tatsache der Nacht, das andere die Helle des Tages und die Welt bewussten Seins.

d) Die sieben Richtungen des Gesetzes der Abstossung

Der Leser möge sich erinnern, dass das Gesetz der Abstossung - das Gesetz der zerstörenden Engel - sich nach sieben Richtungen hin auswirkt. Es ruft Wirkungen bei sieben verschiedenen Arten von Wesen und Menschentypen hervor, und es führt durch seine Wirksamkeit den verlorenen Sohn zurück in des Vaters Haus. Es treibt ihn dazu, «sich zu erheben und auf den Weg zu machen». Wir dürfen indes nicht übersehen, dass Christus mit diesem Gleichnis vollkommen klar machte, dass der Pilger in dem fernen Land erst dann den Drang zur Rückkehr verspürte, als er nach einem liederlichen Leben und nach Befriedigung seiner Wünsche zu sich selbst [166] und zu Verstand gekommen war. Dann war er übersättigt und wurde dieses Lebens überdrüssig. Nach vielem Leid und grosser Trübsal brach sein Wille, herumzuwandern und seinen Gelüsten zu frönen, zusammen. Die Analyse dieser Legende ist aufschlussreich. In keiner anderen Heiligen Schrift ist die Reihenfolge der Ereignisse (das Dasein und Leben des Pilgers in fernem Land, und seine Umkehr) so treffend und so schön geschildert. Nehmt die Bibel zur Hand, studiert diese Erzählung und lest daraus den Weg des Erdenpilgers.

Das Gesetz der Abstossung wirkt sich unter Jüngern aus; es zerstört, was ihnen hinderlich im Wege steht; es schickt den Erdenwanderer in eiligem Schritt und mit vollem Bewusstsein auf die Rückreise, auf einem der sieben Strahlen, die zum Lebenszentrum führen. Einzelheiten hierüber müssen wir hier beiseite lassen. Unsere derzeitige Aufgabe besteht darin, den Pfad der Bewährung oder Jüngerschaft zu gehen, Selbstdisziplin und Entsagen aller Passionen zu lernen, und die beiden anderen Tugenden - Unterscheidungsvermögen und Dezentralisation zu erwerben. Wir können dessenungeachtet das Ziel andeuten und auf die Wirkungskraft dieser Kräfte hinweisen, denen wir alle immer mehr unterworfen werden, wenn wir den Pfad akzeptierter Jüngerschaft betreten, was einzelnen von uns möglich sein wird. Wir wollen dies in Form von sieben Stanzen tun. Diese werden einem Aspiranten die Methoden andeuten, denen er unterworfen wird. Wer bereits weiter voran ist, dem werden diese Stanzen einen Auftrag geben; ein Jünger mit geistiger Innenschau wird diesem Auftrag Folge leisten, da er bereits innerlich erwacht ist. Und ein Eingeweihter wird darauf mit der Bemerkung reagieren: «Das weiss ich.»

Die Zielrichtung des ersten Strahls.

«Der Garten ist erschlossen. Seine Blumen und Bäume leben in Ordnung und Schönheit. Überall hört man das Summen der Bienen und Insekten, die auf ihren Flügeln dahinschwärmen. Die Luft ist erfüllt mit Wohlgerüchen. Die Farbenpracht wetteifert mit dem Blau des Himmels ....

Gottes Wind, sein göttlicher Atem, stürmt durch den Garten .... Die Blumen liegen tief am Boden. Die Bäume sind vom [167] Wind niedergebogen und entwurzelt. Auf die Zerstörung aller Schönheit folgt der Regen. Der Himmel ist schwarz. Zerstörung überall. Dann Tod ....

Später, ein anderer Garten! Doch scheint diese Zeit weit zurückzuliegen. Ruft nach einem Gärtner. Der Gärtner, die Seele, antwortet. Verlangt nach Regen, Wind und sengender Sonne. Ruft den Gärtner an. Dann lasst das Werk vorangehen. Ehe Schönheit regiert, muss stets Zerstörung vorangehen. Vernichtung ist der Vorläufer der Wirklichkeit. Der Garten und der Gärtner müssen erwachen! Das Werk schreitet vorwärts.»

Die Zielrichtung des zweiten Strahls.

«Der Gelehrte kennt die Wahrheit. Ihm ist alles offenkundig. Umgeben von seinen Büchern und zurückgezogen in der Welt der Gedanken, gräbt er sich wie ein Maulwurf ein und nimmt seinen Weg ins Dunkel; er erwirbt sich Kenntnisse über Dinge der Natur. Sein Einzelauge ist geschlossen. Seine beiden Augen sind weit geöffnet. Er lebt sehr zufrieden in seiner Welt.

Eine Einzelheit nach der anderen fügt er dem Inhalt seiner Gedankenwelt hinzu. Er sammelt die Goldkörner des Welt-Wissens ein, wie ein Eichhorn seine Nüsse. Nun ist die Vorratskammer gut gefüllt .... Während der Denker seinen Garten bearbeitet kommt plötzlich ein Spaten herab und verwüstet auf diese Art die Wege des Denkvermögens. Ein Zusammenbruch erfolgt, die Schatzkammer der Gedanken, die sorglose Sicherheit, die Blindheit und der Eifer befriedigter Wissbegier werden rasch zerstört. Alles wird weggefegt. Das Licht des Sommers dringt herein und in die dunklen Winkel der Gedanken kommt Licht .... Nichts bleibt übrig als Licht und das kann nicht benützt werden. Die Augen sind geblendet und das Einzelauge kann noch nicht sehen.

Langsam muss das Auge der Weisheit geöffnet werden. Langsam muss die Liebe zum Wahren, Schönen und Guten in die dunklen Gänge weltlicher Gedanken eindringen. Langsam muss die Fackel des Lichts, das Feuer des Echten und Rechten, die angehäuften Schätze der Vergangenheit verbrennen und dennoch deren grundlegende Nützlichkeit aufzeigen ....

Die sieben Lichtwege müssen des Gelehrten Aufmerksamkeit von allem weglenken, was bisher gefunden, gesammelt und benützt wurde. Er legt das alles beiseite und findet seinen Weg in die Halle der Weisheit, die auf einem Hügel erbaut ist, nicht tief im Boden. Nur das geöffnete Auge kann diesen Weg finden.»

Die Zielrichtung des dritten Strahls.

«Umgeben von einer Fülle von Fäden, vergraben hinter [168] gefalteten und angehäuften Webstücken, sitzt der Weber. Kein Licht kann dorthin dringen, wo er sitzt. Beim Schein einer kleinen Kerze, die er auf dem Scheitel seines Kopfes trägt, sieht er nur undeutlich. Er sammelt eine Handvoll von Fäden nach der anderen und versucht, den Teppich seiner Gedanken und Träume, seiner Wünsche und Ziele zu weben. Seine Füsse sind ständig in Bewegung; seine Hände arbeiten flink; seine Stimme intoniert ohne Unterlass die Worte: «Ich webe das Muster, das ich suche und das mir gefällt. Kette und Schuss meines Gewebes werden von meinen Wünschen bestimmt. Ich nehme hier einen Faden und dort eine Farbe. Und wieder wähle ich andere. Ich mische die Farben und kombiniere die Fäden. Bis jetzt kann ich das Muster noch nicht sehen, doch wird es gewiss meinem Wunsch entsprechen.»

Laute Stimmen werden hörbar und eine Unruhe regt sich draussen vor der verdunkelten Kammer, in welcher der Weber sitzt; sie nehmen an Umfang und Stärke zu. Ein Fenster zerbricht und obwohl der Weber, von dem plötzlichen Lichteinfall geblendet, laut aufschreit, scheint die Sonne herein und auf seinen gewobenen Teppich. So kommt dessen Hässlichkeit an den Tag . . .

Eine Stimme verkündet: «Blicke heraus aus dem Fenster, du Weber und erkenne die Urbilder in den Himmeln, das Modell des Plans, die Farbe und Schönheit des Ganzen. Vernichte den Teppich, an dem du seit undenklichen Zeiten gewoben hast. Er dient deinem Bedürfnis nicht . . . Dann beginne aufs neue zu weben, du Weber. Webe im Tageslicht. Webe nach dem Plan, wie du ihn siehst.»

Die Zielrichtung des vierten Strahls.

«Ich nehme und mische und vermenge. Ich bringe das, was ich wünsche, zusammen. Ich bringe Harmonie ins Ganze.»

Also sprach der Farb- und Ton-Komponist, während er in seiner verdunkelten Kammer stand. «Ich sehe klar die unsichtbare Schönheit der Welt. Ich kenne die Farben, ich kenne die Töne. Ich höre die Musik der Sphären und mit jeder Note und jedem Akkord tun sie mir ihre Gedanken kund. Die Stimmen, die ich höre, nehmen mich gefangen und ziehen mich an; ich mache mir die Quellen, aus denen diese Töne stammen, zunutze und suche damit zu wirken und zu schaffen. Ich versuche zu malen und die verschiedenen Farbstoffe zu mischen. Ich muss die Musik komponieren, die jene Menschen zu mir heranzieht, welche die Bilder die ich male, die Farben, die ich harmonisch vermenge, und die Musik, die ich hervorlocken kann, gerne haben. Man wird mich daher gern haben und sehr verehren . . . «

Doch wie mit einem Donnerschlag schwollen musikalische Laute heran, Akkorde von Tönen, die den Tonsetzer lieblicher Melodien zum Schweigen brachten. Seine eigenen Klänge erstarben inmitten des Himmelstons und nur der grosse Akkord Gottes war hörbar.

Eine Flut von Licht strömte herein. Seine Farben verblassten. [169] Um ihn herum war nichts als Finsternis, doch in weiter Ferne glühte das Licht Gottes. Er stand nun zwischen seinem irdischen Dunkel und dem blendenden Licht. Seine Welt lag ringsumher in Trümmern. Seine Freunde waren verschwunden. Anstelle von Harmonie herrschten Missklänge. Anstelle von Schönheit war Grabesdunkel getreten ....

Dann liess die Stimme die Worte ertönen: «Schaffe aufs neue, mein Kind, bilde und male und mische die Töne der Schönheit, aber diesmal für die Welt und nicht für dich.» Der Mischer von Farben und Tönen begann hierauf sein Werk aufs neue und fing wieder an zu schaffen.»

Die Zielrichtung des fünften Strahls.

«Tief in einer Pyramide, alle Seiten aus Stein gebaut, arbeitete in der Finsternis dieses wunderbaren Gebäudes ein Geist und ein Hirn (verkörpert in einem Menschen). Ausserhalb der Pyramide bildete sich Gottes Welt nach eigenem Plan. Der Himmel war blau; die Lüfte wehten ungehindert; die Bäume und Blumen öffneten sich der Sonne zu. Doch in der Pyramide, unten in ihrem düsteren Laboratorium, stand ein Arbeiter, sich abmühend mit seiner Arbeit. Er benützte seine Versuchsretorten und seine zerbrechlichen Hilfsmittel sehr geschickt. In langen Reihen standen die Schmelztiegel, die Mischretorten, die Gefässe für Kristallisierung und Scheidung unter flammenden Feuern. Die Hitze war beträchtlich. Die Arbeit mühselig ....

Düstere Gänge, an denen ständig weitergearbeitet wurde, führten hinauf bis zur Spitze. Hier stand ein weites Fenster offen und schaute in des Himmels Blau, von wo ein heller Strahl zu dem Arbeiter in der Tiefe vordrang . . . Er arbeitete und mühte sich ab. Er plagte sich, um seinen Traum erfüllt zu sehen, eine letzte Entdeckung, die er in einer Vision erschaute. Manchmal fand er das Gesuchte, manchmal nicht; doch niemals fand er die Formel, die ihm den Schlüssel zu allem übrigen geben konnte . . . In tiefer Verzweiflung rief er laut Gott an, den er vergessen hatte: «Gib mir den Schlüssel.» Ich allein kann nichts Brauchbares mehr schaffen. Gib mir den Schlüssel. Dann herrschte Schweigen . . .

Durch die Öffnung in der Spitze der Pyramide fiel aus des Himmels Blau ein Schlüssel herab. Er fiel vor die Füsse des entmutigten Arbeiters. Der Schlüssel war aus purem Gold, der Schaft aus Licht; an dem Schlüssel hing ein Zettel und in blauer Schrift standen diese Worte darauf: «Zerstöre, was du bisher geschaffen hast und gehe von neuem an die Arbeit. Doch schaffe erst dann wieder, wenn du den Gang nach oben erstiegen hast, wenn du den schmalen Gang der Trübsalsprüfung durchschritten hast und ins [170] Licht der Königskammer eingetreten bist. Schaffe von oben her und lege auf diese Weise die Werte der Tiefen offen.»

Der Arbeiter zerstörte dann, was Gegenstand seiner früheren Bemühungen gewesen war und behielt nur drei Schätze, von denen er wusste, dass sie gut seien und die das Licht ertragen konnten. Er mühte sich ab, die Königskammer zu finden. Und noch immer sucht er danach.»

Die Zielrichtung des sechsten Strahls.

«Ich liebe und lebe und liebe aufs neue», rief der wahnbefallene Fanatiker mit lauter Stimme, geblendet von seinem Verlangen, den Lehrer und die Wahrheit zu finden. Doch sah er nichts anderes als das, was unmittelbar vor seinen Augen lag. Er trug auf beiden Seiten die Scheuklappen, die jeder fanatische Abenteurer trägt, der Gott sucht. Seine Behausung war nur ein langer und enger Stollen und das war der Ort, an dem er seinen hohen Bestrebungen nachging. Er hatte keinen Weitblick, er sah nur den Raum, der vor seinen Augen lag. Er hatte keine Fernsicht - keine Höhe, keine Tiefe, keine Ausdehnung in die Weite. Er hatte nur Spielraum für einen einzigen Weg. Er ging allein auf diesem Weg oder zog jene mit sich, die ihn nach seinem Wege fragten. Er erschaute etwas, das sich verschob und verschiedene Formen annahm, wenn er sich bewegte; jedes visionäre Zukunftsbild war für ihn das Symbol seiner höchsten Träume, der Höhepunkt seiner Wünsche.

Er eilte den Gang entlang und suchte nach dem, was vor ihm lag. Er sah nicht viel, nur ein Ding auf einmal - eine Person oder eine Wahrheit, eine Bibel oder das Bild, das er sich von seinem Gott gemacht hatte, ein sehnsüchtiges Verlangen, einen Traum, aber immer nur ein einziges Ding! Manchmal umfing er die erschaute Vision mit seinen Armen und fand dann, dass es keine war. Manchmal erreichte er die Idealfigur, die er liebte und fand statt der erschauten Vollkommenheit nur einen Menschen, wie er selber war. Und so forschte er weiter. Sein Suchen machte ihn müde; dann peitschte er sich zu neuem Ansporn auf.

Die Lichtöffnung wurde dunkler. Es schien, als schlösse sicht ein Fensterladen. Die Vision, die er erschaut hatte, war verblasst und leuchtete nicht mehr. Der fanatische Schwärmer stolperte im Finstern. Das Leben hatte ein Ende und die Welt der Gedanken entschwand. . . Er schien zu schweben. Er hing im Raum, nichts war unter ihm, nichts vor -, hinter - oder über ihm. Für ihn existierte nichts.

Aus der Tiefe des Tempels seines Herzens hörte er eine Stimme; sie sprach deutlich und machtvoll: «Blicke tief in dich hinein und um dich, nach allen Seiten. Licht ist überall, in deinem Herzen, in dem Meinen, in allem, was atmet, in allem, was ist. Zerstöre deinen engen Gang, an dem du seit undenklichen Zeiten gebaut hast. Steh' frei da, unter der Obhut der ganzen Welt.» Der fanatische Idealist antwortete: «Wie soll ich meinen Gang zerstören? Wie kann ich einen Weg finden?» Keine Antwort kam ....

Da tauchte ein [171] anderer Pilger im Finstern auf, tastete umher und fand den Fanatiker. «Führe mich und andere zum Licht», rief er aus. Der Fanatiker fand keine Worte, er sah keinen erkennbaren Führer, keine Wahrheitsformeln, keine äussere Formen oder Zeremonien. Er erkannte sich selbst als einen Führer und zog andere zum Licht - zu jenem Licht, das überall schien. Er arbeitete und kämpfte für ein Ziel. Seine Hand hielt andere fest, und aus Rücksicht auf die anderen verbarg er seine Beschämung, seine Furcht, seine Hoffnungslosigkeit und seine Verzweiflung. Er sprach zuversichtliche Worte, voller Glaube an das Leben, an das Licht und an Gott, in Liebe und vollem Verstehen ....

Sein dunkler Gang verschwand. Er bemerkte den Verlust nicht. Er stand mit vielen Mitspielern auf dem Tummelplatz der Welt, weit offen für das Tageslicht. In weiter Ferne erhob sich ein blauer Berg, von dessen Gipfel eine Stimme kam und sprach: «Komm' heran auf den Gipfel des Berges und lerne auf dessen höchsten Punkt den Anruf, den ein Heiland spricht.» Für diese grosse Aufgabe setzte der Idealist - nun ein Führer - all seine Energien ein. Er ist noch immer damit beschäftigt, diesem Weg zu folgen . . «

Die Zielrichtung des siebten Strahls.

«Unter einem Gewölbe zwischen zwei Räumen stand der siebte Magier. Der eine Raum war voller Licht und Leben und Kraft; Stille herrschte hier, erfüllt von planvoller Absicht; und eine Schönheit, die endlose Weite war. Der andere Raum war ganz erfüllt von Geschäftigkeit; hier herrschte geräuschvolle Aktivität, ein Chaos ohne Form, ein Tun und Treiben ohne richtiges Ziel. Der Magier hatte seine Augen auf das Chaos gerichtet. Es gefiel ihm nicht. Er stand mit dem Rücken gegen den Raum, in dem eine lebendurchpulste Stille herrschte. Er wusste es nicht. Der Gewölbebogen über seinem Haupt erbebte . .

Er murmelte voller Verzweiflung: «Seit Ewigkeiten stand ich hier und suchte das Problem dieses Raumes zu lösen; ich wollte das Chaos neu ordnen, damit Schönheit zutage trete und das Ziel meiner Wünsche sichtbar werde. Ich versuchte, diese Farben in einen Traum von Schönheit zu weben und die mannigfachen Töne in Harmonie zu bringen. Kein Erfolg war mir beschieden. Nur meine Misserfolge sind augenfällig. Und dennoch weiss ich, dass ein Unterschied besteht zwischen dem, was ich vor meinen Augen sehen kann und dem, was ich hinter meinem Rücken zu verspüren beginne. Was soll ich tun?

Über dem Haupte des Magiers, unmittelbar hinter seinem Rücken, aber noch innerhalb des Raumes von geordneter Schönheit, begann ein riesiger Magnet zu schwingen .... er bewirkte eine Kehrtwendung des Mannes, der innerhalb des Gewölbes stand, das im Begriffe war zu wanken. Der Magnet drehte ihn herum, bis er den Schauplatz und den Raum überblicken konnte, den er vordem nicht gesehen hatte . . .

[172] Dann liess der Magnet seine Anziehungskraft durch das Herzzentrum des Mannes wirken. Der Magnet sandte seine Kraft der Abstossung hinaus: diese verminderte und verwandelte das Chaos, bis dessen Formen nicht mehr zu sehen waren. Schönheitsaspekte, die vorher nicht sichtbar waren, traten zutage. Und aus dem Raum erstrahlte ein Licht, das durch seine Kräfte und Lebensfülle den Magier zwang, ins Licht voranzuschreiten und das gefährliche Gewölbe zu verlassen.»

Solcherart sind die Gedanken, die aus einer uralten, in Versen abgefassten Schrift übersetzt sind. Sie mögen etwas Licht über die zwiespältige Natur der Persönlichkeit werfen und die Arbeit ermessen lassen, die von den menschlichen Wesen auf den sieben Strahlen geleistet werden muss. Wissen wir, wo wir hingehören? Erkennen wir, was wir zu tun haben? Wenn wir uns zutiefst bemühen, ins Licht einzugehen, dann sollte uns kein Preis zu hoch sein, um dieser grossen Offenbarung unseren Tribut zu zahlen.

Wir haben eine interessante Serie von Gesetzen studiert. Im ersten Gesetz, dem Gesetz des Opfers, finden wir die folgenden drei Hauptgedanken:

Erstens. Der ewige Pilger entschloss sich, aus freiem Willen und eigenem Antrieb, auf «okkulte Weise» zu sterben und einen Körper (oder vielmehr eine ganze Reihe von physischen Körpern) in Besitz zu nehmen, um damit die Lebenseinheiten der Formnatur, die er verkörperte, aus ihrem niedrigen Seinszustand zu erheben und auf ein höheres Niveau zu bringen. Durch diesen Prozess «starb? Er. Dies ist in dem Sinne gemeint, dass für eine Seele, die ungebunden und frei ist, Sterben und das Eingehen in eine Körperform mit dem darauf folgenden Versenken des Lebensodems in diese Form gleichbedeutende Begriffe sind.

Zweitens. Mit diesem Vorgang wiederholt die Seele in kleinerem Massstab, was der Sonnen-Logos und der Planeten-Logos getan haben und noch tun. Für die Dauer ihrer Manifestation kommen diese grossen Lebewesen unter die Satzungen der Seelengesetze, obwohl sie von den Gesetzen der natürlichen Welt (wie wir sie nennen) weder beeinflusst noch beherrscht werden. Ihr Bewusstsein bleibt losgelöst von der Welt der Erscheinungen, unser Bewusstsein dagegen identifiziert sich mit der äusseren Welt und zwar so lange, bis wir unter die Herrschaft der höheren Gesetze kommen. Diese grossen Wesen geben durch ihren okkulten «Tod» allen geringer entwickelten Lebewesen eine Seinsmöglichkeit und damit eine günstige Gelegenheit zur Entfaltung.

Drittens. Durch den Vorgang des Todes findet [173] ein grosses Einswerden statt. Im «Herabfallen eines Blattes», das mit dem Mutterboden, auf den es fällt, wesensgleich wird, haben wir ein Miniaturbild dieses grossen, ewigen Einswerdens, bewirkt durch den Vorgang des Werdens und des Sterbens als Folge des Werdeprozesses.

Im zweiten Gesetz, dem Gesetz des magnetischen Impulses, kommt derjenige, der sich opfert - wiederum aus freien Stücken und aus eigener Wahl - unter den Einfluss der Methode, durch die dieses Sterben zustande kommt. Durch den Zusammenstoss oder Ansturm der Gegensatzpaare «hängt? Er zwischen beiden und erkennt so die äussere Finsternis, wie sie Christus zuletzt erlebte, als er am Kreuz hing. Er hing, symbolisch zu verstehen, in der Schwebe zwischen Himmel und Erde, und er zog durch die Macht seiner inneren vibratorischen und magnetischen Kraft alle Menschen zu sich heran und wird fortfahren, das zu tun. Das ist der erste grosse Grundgedanke. Der zweite betrifft die Kräfte, die ins Gleichgewicht gebracht und bemeistert werden. Das Symbol der Waage ist hier am Platz und dieselbe Wahrheit kommt auch in den drei Kreuzen auf Golgatha symbolisch zum Ausdruck. Das Zeichen «Waage» regiert dieses Gesetz. Gewisse Kraftströme aus dieser Konstellation sind wahrnehmbar, sobald das Seelenbewusstsein unter den Einfluss dieses Gesetzes kommt. Diese Kraftströme ruhen, solange die Persönlichkeit im Vordergrund steht; ihre Wirkung wird nicht verspürt, obwohl sie tatsächlich vorhanden ist.

Wenn das dritte Gesetz, das Gesetz des Dienens, in Kraft tritt, kommt der Gott, der sich aufopfert und der Gott der gegensätzlichen Dualitäten unter gewisse Einflüsse, die leichter erkennbare Wirkungen hervorbringen. Wenn der Jünger «stirbt» und über die Paare der Gegensätze Sieger wurde, wird er so magnetisch und bekommt eine solche Vibrationskraft, dass er der Menschheit Dienste tun kann und zu dem wird, was er seinem Wissen nach wirklich ist. Vom Standpunkt der Persönlichkeit ist er physisch in den Gewässern irdischer Existenz untergetaucht, doch ist er gleichzeitig - in seinem Bewusstsein - anderer Zustände inne. Er weiss, dass es seine wesentliche Aufgabe ist, sein Leben für andere Lebenseinheiten hinzugeben; und er kennt auch die Methode, die er anzuwenden hat, um das Gleichgewicht zu erlangen, das ihn frei macht. Sobald seine Gedanken von diesen Ideen beherrscht werden, vermag er seinen [174] Mitmenschen zu dienen. Diese Gesetze wirken sich nur dann in der erwähnten Weise aus, wenn sie im Bewusstsein eines Menschen auftauchen, der dabei ist, die Antahkarana-Brücke zu erbauen und der in der Wissenschaft der Seelenvereinigung Fortschritte macht.

Wenn das vierte Gesetz (der Abstossung) seine Wirkung fühlbar macht, gewahrt der Jünger den Engel mit dem flammenden Schwert, der vor dem Portal der Einweihung steht. Dieses gute Omen lässt ihn wissen, dass er nun eintreten darf; aber dieses Mal nicht als armer, blinder Kandidat, sondern als einer, der in die Mysterien der Welt eingeweiht ist. Diese Wahrheit ist in einem uralten Gesang zusammengefasst, den man in den Vorhöfen der Tempel zu singen pflegte. Ein paar Sätze mögen den ungefähren Sinn wiedergeben:

«Wer die Wände des Kerkers kennen gelernt hat, darf nun frei und unbehindert eintreten. Wer sich seit Äonen im dunkeln Korridor vorwärts getastet hat, geht nun mit offenen Augen ins Licht.

Wer seit unermesslichen Zeiten vor dem fest verschlossenen Tor gestanden hat, kann nun seines Weges gehen.

Er spricht mit Macht das heilige Wort, das ihm die Pforte zum Leben weit öffnet. Er steht vor dem Engel und nimmt ihm sein Schwert aus der Hand; dadurch wird der Engel für eine höhere Aufgabe frei. Er selbst bewacht nun den Eingang zur Heiligen Stätte.

Er starb. Er ging in den Kampf. Er lernte den Weg des Dienens. Nun steht er vor dem Tor.»

                      Exoterischer                       Esoterischer                         Symbol                           Strahl-Energie
                      Name                                  Name 
Nr. 5. Das Gesetz des Gruppen-             
Das Gesetz der                   Das Gebirge und         Siebter Strahl.
          Fortschritts.                                    Erhebung.                           der Steinbock.              Energie des Fortschritts.
                                                                                                                                                       Faktor der Evolution.

Dieses Gesetz beginnt erst dann sich auszuwirken und wird erst dann im Persönlichkeits-Bewusstsein verspürt, wenn der Aspirant bestimmte klare Erkenntnisse erlangt und gewisse Ideale als Tatsachen erfahren und erlebt hat. Diese Erkenntnisse und Erlebnisse könnte man mit sehr einfachen Worten umreissen und sie würden [175] zugleich einem oberflächlich veranlagten Studierenden die bescheidensten Errungenschaften aufzeigen, die jemand auf dem Probepfad aufweisen kann. Wir würden jedoch gut tun, klar zu erfassen, dass solche einfache Formulierungen von Erfordernissen, die in des Aspiranten Bewusstsein zur Durchführung kommen müssen, sich als äussere und verschleierte Reaktionen seines Denkvermögens auf gewisse tief esoterische und kosmische Wahrheiten erweisen. Diese Feststellung enthält die Quintessenz esoterischen Wissens. Die herkömmlichen Formulierungen, was ein Leben in Liebe und täglicher, instinktiver Selbst-Aufopferung ist, leiden daran, dass sie jedem wohlbekannt sind. Und doch berühren sie - wenn wir es nur erkennen könnten - bloss den äussersten Rand der tiefsten Weltwahrheiten. Diese Formulierungen sind das A B C des esoterischen Wissens; durch sie - und nur durch sie - werden wir zu jenen Worten und Sentenzen vordringen, welche die unentbehrlichen Schlüssel zum höchsten Wissen sind.

Ein kurzes Beispiel wird das klarmachen und wir können dann einige einfache Tatsachen heranziehen, aus denen hervorgeht, dass der Aspirant beginnt, als Seele zu leben und dass er für ein bewusstes Leben im Reich Gottes reif wurde.

Von einem Jünger, der sich für diese höheren Erkenntnisse schult, verlangt man, dass er sein Unterscheidungsvermögen praktisch betätige. Dies wurde wiederholt eingeschärft. Erklärungen haben normalerweise damit zu beginnen, dem Jünger die Unterschiede der Gegensatzpaare klarzumachen, gesehen als unmittelbares Resultat aus der Praxis. Während dieses Anfangstrainings gehen dem Jünger die Augen auf, dass der Vorgang der Unterscheidung als solcher gar nichts zu tun hat mit einer Wahl zwischen dem sogenannten Übel und dem anerkannten Guten, sondern dass es sich um den viel feineren Unterscheidungsgrad von Gegensätzen handelt, wie z.B. rechtes und falsches Schweigen, rechte und unpassende Sprache, richtiges Verstehen und rechtmässige Gleichgültigkeit und deren Gegensätze. Genau so entdeckt der Mensch, der auf diese höheren Gesetze reagiert, dass auch das Unterscheidungsvermögen, das er dartun soll, wiederum viel feiner ist. Für die meisten Aspiranten in der heutigen Welt ist solch ein subtiles Differenzierungsvermögen noch ein Ziel [176] ohne jede Bedeutung. Diese Art von Unterscheidungsvermögen ist sogar noch nicht einmal wachgerufen; sie kann erst in Verbindung mit den feinsten Kontakten zutage treten. Diese sind:

1. Die Vibration, die der Seele eigen ist.

2. Die Vibration der inneren Gruppe, mit welcher der Jünger, sogar unbewusst, verbunden ist.

3. Die Vibration des Meisters als Mittelpunkt der Gruppe.

4. Die Vibration seines Strahls, die der Jünger auf dem Weg über seine Seele und mit Hilfe des Meisters wahrnimmt.

5. Die Vibration, die infolge der wechselseitigen Beeinflussung zwischen seiner Seele und seiner Persönlichkeit entsteht.

6. Die drei verschiedenen Vibrationen seines ätherischen, emotionellen und mentalen Körpers.

7. Die Vibration der Gruppe oder der Gruppen, mit denen er in der äusseren Welt zusammenarbeiten muss.

8. Die Seelenvibration anderer Menschen, mit denen er zusammenkommt.

9. Die Vibration einer Gruppe, wie die der Neuen Gruppe der Weltdiener.

Dies sind nur einige Beispiele für die besondere Art von Unterscheidungen, wie sie von einem Jünger gefordert werden. Wenn seine Entwicklung Fortschritte macht, wird er lernen, solche feine Unterscheidungen instinktiv festzustellen. Ich möchte darauf hinweisen, dass das Problem nur dann unüberwindlich zu sein scheint, wenn wir ausschliesslich verstandesmässig zu urteilen versuchen. Sobald die Herrschaft der Seele fest begründet ist und die Seele anerkannt wird, werden diese verschiedenen Identifizierungen der Vibrationen zu instinktiven Reaktionen. Intuitive Resonanz ist der Name, den wir für das Instinktleben der Seele gebrauchen, die höhere Entsprechung zu dem Instinktleben des menschlichen Körpers. Die obigen Absätze enthalten eine einfache Zusammenfassung einiger tieferer Bedeutungen, die hinter dem schlichten Gebot: «Lerne zu unterscheiden», liegen. Wie viel haben wir wirklich von dieser Ermahnung erfasst? Von der Verstandesseite aus mag unser Denkvermögen seine Zustimmung geben. In der Praxis jedoch bleibt diese Einschärfung gewöhnlich nichtssagend. Bedeuten diese Worte für uns, dass die Seele die Macht hat, Vibrationen in verschiedene Kategorien zu teilen? Hat man uns nicht gesagt, dass die Seele keine [177] Trennungen und Sonderungen kenne? Das sind scheinbare Widersprüche, wie sie dem in der esoterischen Lehre Unerfahrenen entgegentreten.

Das Gesetz des Gruppenfortschritts kann erst dann im Leben eines Jüngers eine bewusste Wirkung haben, wenn dieser sich dem Dienst gelobt hat und wenn er angenommen wurde. Erst wenn er in sich gewisse Rhythmen fest begründet hat, wenn er erfolgreich im Sinne klar erkannter Richtlinien der Gruppe arbeitet, und wenn er sich endgültig und vollbewusst für Einweihungen und deren Bewusstseinserweiterungen vorbereitet, dann beginnt dieses Gesetz ihn zu lenken; dann lernt er diesem Gesetz zu gehorchen, instinktiv, intuitiv und verstandesmässig. Gehorsam diesem Gesetz gegenüber bringt den Jünger dazu, dass er die Vorbereitung für eine Einweihung selbst anbahnt. Dieser letzte Satz ist aus dem Grund so formuliert, weil es für jeden wichtig ist, die Notwendigkeit einzusehen, dass eine Einweihung vom Jünger selbst in die Wege geleitet werden muss. Verstehen wir diese gewichtige Tatsache? Einige Auswirkungen dieses Gesetzes, die wir schon bei der einleitenden Erörterung des fünften Gesetzes erwähnt haben, mögen hier zusammengefasst werden. Wir wollen hierbei die esoterische und verhüllte Bedeutung dieser Auswirkungen nicht aus dem Auge verlieren.

1. Der Jünger wird dann lernen sich erfolgreich zu dezentralisieren, also sich selbst nicht mehr als Mittelpunkt zu betrachten. Das bedeutet:

a) Er wird nichts erstreben, was seinem niederen Selbst dient. Es ist daher leicht einzusehen, warum Aspiranten angeleitet werden, ihrem Höheren Selbst Treue zu geloben und allen Ansprüchen ihres eigenwilligen persönlichen Ich's zu entsagen. Es ist daher auch zu verstehen, warum sich so viele Menschen dagegen auflehnen. Sie sind noch nicht genügend vorbereitet. Ein derartiges Gelöbnis ist daher die treibende Kraft eines entwickelten Unterscheidungsvermögens. Diejenigen, denen der Massstab der Selbstlosigkeit zu hoch erscheint, werden es weder verstehen noch für erwünscht halten. Deshalb sind die Unfertigen voller Kritik. Später einmal werden sie ihren Standpunkt aufgeben und im Licht der Erkenntnis diese Verpflichtung auf sich nehmen.

b) Des Jüngers Augen sind dem Licht zugewandt; er hängt nicht an dem Verlangen, mit dem Meister in Berührung zu kommen. Damit wird der spirituelle Egoismus ausgemerzt, [178] der in dem angeborenen tiefen Verlangen zum Ausdruck kommt, von einem der Meister anerkannt zu werden. Erst wenn sich der Jünger von seiner Persönlichkeit distanziert oder freigemacht hat, kann der Meister es wagen, mit ihm in Kontakt zu treten und eine Verbindung aufzunehmen. Es wäre gut, darüber nachzudenken.

2. Der Jünger wird inzwischen gelernt haben, aus eigenem Instinkt heraus Dienste zu tun. Er wird vielleicht (wie es meistens der Fall ist) noch lernen müssen, beim Dienen das Unterscheidungsvermögen zu benützen; aber seine Einstellung zum Leben und zu seinen Mitmenschen ist von dem göttlichen Impuls bestimmt, zu helfen, aufzurichten, Liebe zu schenken und Beistand zu leisten.

3. Schliesslich wird er gelernt haben, sein Denken immer stärker, nach Belieben und augenblicklich nach zwei Richtungen hin zu betätigen:

a) Er kann das Scheinwerferlicht seines Denkens in die Welt der Seele lenken und dadurch jene Wahrheiten erkennen und anerkennen, die dann für ihn erlebtes Wissen werden.

b) Er kann dieses Licht auch in die Welt der Illusionen werfen und so die Verblendungen seiner Persönlichkeit zerstreuen. Wenn er dazu fähig ist, dann beginnt er auch die Weltverblendungen aufzulösen, denn er ist einer Einweihung nahe.

a) Das Band, das die Weltgruppen miteinander verbunden hält

Man könnte fortfahren, die verschiedenen Entwicklungsstufen aufzuzählen, die für die beobachtende Hierarchie ein Zeichen sind, dass ein Jünger oder eine Gruppe von Jüngern so weit ist, «mehr Licht» zu empfangen. Wichtiger ist jedoch, wie die Jünger auf das Gesetz des Gruppenfortschritts reagieren. Dieses Gesetz ist das kommende neue Gesetz, das von den Weltjüngern verspürt werden soll und dessen zunehmender Einfluss sich bereits bemerkbar macht, auch wenn die Menschheit dies noch lange nicht erkennen wird. Dieses Gesetz wird die Arbeit der Gruppen in der heutigen Welt ins Leben rufen. In der Vergangenheit wurden Gruppen gegründet, um einander zu nützen und zu stärken, um gemeinsame Interessen und [179] Studien zu pflegen. Das war ihr Ruhm, aber auch ihr Fluch. So bedeutend und gut ihre Motive auch gewesen sein mögen, so waren diese Gruppen doch im Grunde genommen egoistisch: es war eine besondere Art spiritueller Selbstsucht, die sehr schwer zu überwinden ist. Wahres Unterscheidungsvermögen - worüber ich bereits sprach - wäre da am Platz gewesen. Solche Gruppen waren seit jeher Kampfstätten, wo jene Menschen aufgesogen, genormt und unter einheitliche Kontrolle gestellt wurden, die am wenigsten befähigt und am wenigsten integriert waren. Die Stärksten unter ihnen gelangten dann an die Spitze und die Schwankenden wurden ausgestossen und zum Schweigen gebracht. Diejenige Gruppe entpuppte sich dann als die erfolgreichste, die aus verwandten Seelen bestand, die alle in gleicher Weise dachten. Der Grund hierfür war der, dass es an intuitiven Denkern mangelte und dass alle in der gleichen Gedankenrichtung geschult wurden. Oder es war so, dass in dieser Gruppe eine tonangebende Persönlichkeit alle anderen beherrschte und sie in einer Verfassung festhielt, die durch instinktgeleitetes Denken, Widerstandslosigkeit und Untätigkeit gekennzeichnet war. Ein solches Verhalten mag ein Ruhmesblatt für einen Gruppenführer und seine Organisation sein, aber es dient gewiss nicht der Grösse und Herrlichkeit Gottes.

Die neuen Gruppen, die heute nach und nach in Erscheinung treten, werden von den hier erörterten Seelengesetzen beeinflusst und beherrscht. Sie werden einen anderen Ton anschlagen und Gruppen zusammenschweissen, welche die gleiche Aspiration und das gleiche Ziel haben. Doch werden es freie Seelen sein, individuelle und entwickelte Persönlichkeiten, die keine andere Autorität als die ihrer Seele gelten lassen, und die ihre eigenen Interessen dem Vorhaben der Gruppe - als einer Einheit, die unter Seeleneinfluss steht - unterordnen. In der Vergangenheit war es immer ein einzelner Mensch, der durch seine Errungenschaften die Menschheit emporhob; in ähnlicher Weise werden jetzt die Errungenschaften von Gruppen die Menschheit noch rascher auf ein höheres Niveau bringen. Daher nennt man dieses Gesetz das Gesetz der Erhebung oder Erhöhung.

Die Zeit ist jetzt dafür reif, um diese Methode, die Menschheit «höher zu heben», zu erproben. Menschen, die gerade den Bewährungspfad betreten hatten, haben diesen Versuch gemacht, aber es war ihnen kein Erfolg beschieden. Andere, die schon den Pfad der Jüngerschaft betreten hatten, haben denselben Versuch gemacht, aber auch sie versagten. Diejenigen, welche aus eigener Kraft die [180] Phase und Illusion des Todes gemeistert haben und dadurch zu wahrem Leben erhöht wurden, können nun als Verband und Einheit versuchen, an diese Aufgabe heranzutreten. Sie werden Erfolg haben. Eine solche vereinte Tätigkeit ist sehr erwünscht und so erging der dringende Ruf, alle Anstrengungen zu machen, um den toten Körper der Menschheit zum Leben zu erwecken. Die Loge der Meister wird sehr bald in der Lage sein, etwas Wesentliches und Mögliches zu erreichen; alle Aspiranten und alle Jünger können nun zur vollen Überzeugung gebracht werden, dass Kraftströme zur Verfügung stehen und dass sich eine günstige Gelegenheit bietet.

Gerade deswegen wurde die Lehre über die Neue Gruppe der Weltdiener gegeben und veröffentlicht. Es ist der erste Versuch, eine Gruppe zu bilden, die als Gruppe zusammenarbeitet, um eine Weltaufgabe zu erfüllen. Diese Weltdiener können als Mittler zwischen der Menschheit und der Hierarchie fungieren. Sie haben ihren Platz zwischen dem «toten Meister» und dem «lebenden Meister», wie es die okkulte Lehre ausdrückt. Freimaurer werden sofort verstehen, was damit gemeint ist. Und der wahre Esoteriker versteht dieselbe Wahrheit, nur von einem anderen Gesichtspunkt aus.