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IV. Richtlinien für die Herbeiführung der Seelenherrschaft - Teil 1

Wenn wir die Regeln überdenken, auf Grund deren die Herrschaft der Seele herbeigeführt werden kann, so ist es nicht meine Absicht, die vielen Vorschriften zu wiederholen, die ein Aspirant zu beobachten hat, der sich beharrlich bemüht, den Weg zurück zu seinem Ursprung zu gehen - jenen Pfad, der nach Nirvana führt, wie die Buddhisten es nennen. Dieser Pfad ist in Wirklichkeit nur der Anfang des grösseren, höheren Weges, der zu einem unfassbaren Seinszustand führt, unfassbar selbst für die höchstrangigen Mitglieder der Hierarchie unseres Planeten. Ebensowenig scheint es mir notwendig, Einzelheiten aufzuzählen, wie der Mensch sein Leben einzurichten hat, der sich bemüht, als Seele zu leben und ihr seine Persönlichkeit unterstellt. Solche Einzelheiten wurden in allen Zeitaltern von Wissenden genügend erörtert und in entsprechende Worte gekleidet. Sie wurden ausserdem in meinem früheren Buch Eine Abhandlung über Weisse Magie und in meinen anderen Büchern besprochen. Unser nächstliegendes Problem ist die Anwendung dieser Vorschriften für den Weg der Jüngerschaft sowie [215] die Untersuchung, in welcher Weise sich diese Methoden weiter verbessern lassen. Meine gegenwärtige Aufgabe ist eine weit schwierigere, da diese Abhandlung mehr für zukünftige als derzeitige Schüler geschrieben ist. Ich suche die grundsätzlichen Richtlinien aufzuzeigen, die für die hierarchische Regierung massgebend sind und die daher die Geschicke der Welt gestalten. Wir beschäftigen uns also mit den subtilen Auswirkungen von Energien, die von der inneren Seite aus Tätigkeiten auf dem Erdenrund in Gang bringen und jene Ereignisse und Geschehnisse nach sich ziehen, die später Geschichte werden.

Die Hierarchie hat zwei Probleme, die in zwei Fragen gefasst werden können:

1. Wie lässt sich das Menschheitsbewusstsein so erweitern, dass es aus dem Keim des Eigenbewusstseins (wie die Individuation es mit sich brachte) zu vollem Gruppenbewusstsein entwickelt werden kann und jenes Einswerden erreicht, das bei der letzten Einweihung erfolgt?

2. Wie lässt sich die aus dem vierten Naturreich aufsteigende Energie mit der herabsteigenden Energie des Geistes in eine so enge Verbindung bringen, dass eine weitere grosse Wesensäusserung Gottes - das Gruppenbewusstsein - durch den Menschen in Erscheinung treten kann?

Zwei Hauptpunkte müssen hier beachtet werden: Erstens: Die Mitglieder der Hierarchie, die derzeit für die Menschheit wirken, interessieren sich nicht in einer solchen Weise für einen einzelnen Aspiranten, dass man von einer persönlichen Anteilnahme sprechen könnte. Der Aspirant erweckt ein Interesse nur insoweit, als er sich mit Fragen beschäftigt, die das Wohl der Gruppe im Auge haben. Der zweite Punkt ist wohlbekannt und in letzter Zeit oft betont worden. Wir gehen augenblicklich durch eine Periode von Krisen und günstigen Gelegenheiten hindurch, wie sie noch nicht dagewesen ist. Die Hierarchie konzentriert daher ihre Aufmerksamkeit auf [216] ein einziges Ziel, nämlich auf das Bestreben, die jetzige günstige Gelegenheit zum Wohl der Menschheit zu nützen. Hierin liegt sowohl eine grosse Verantwortung als auch begründete Hoffnung.

Die Richtlinien oder Regeln, die wir hier besprechen wollen, betreffen nicht die Gesetze der Seele oder die Gesetze, die für die einzelnen Stadien der menschlichen Höherentwicklung bestimmend sind. Ihr Spielraum ist viel umfassender. Sie beziehen sich auf einen grösseren Bereich des Entwicklungszyklus, soweit er die menschliche Familie als Ganzes betrifft und befassen sich insbesonders mit der Beziehung zu dem Beitrag, den das Menschengeschlecht zu dem Gesamtplan der Evolution beizusteuern hat. Mit Rücksicht darauf, dass es noch an geschultem Verständnis mangelt, wollen wir uns jedoch auf jene Regeln beschränken, die ausschliesslich für die Entwicklung der Menschen bestimmend sind. Was wir nach Möglichkeit klarzumachen versuchen, betrifft die Faktoren, die von der überwachenden Hierarchie und den Hütern des Planes zu berücksichtigen sind, in dem Bemühen, ihre Pläne mit den im Menschen bereits vorhandenen treibenden Kräften sowie mit den Energien in Einklang zu bringen, die auf diesem Planeten schon allgemein verwendet werden. Was darüber zu sagen ist, wird nicht gerade einfach sein, da es selbst für fortgeschrittene Jünger schwer sein wird, den Sinn und Zweck einiger dieser Faktoren zu erkennen. Was hier über diese Probleme gesagt und angedeutet wird, kann erst im kommenden Jahrhundert richtig verstanden werden. Erst müssen bestimmte Linien wissenschaftlicher und geistiger Entfaltung klar zutage treten, ehe die verborgenen Folgerungen und Auswirkungen vollständig erfasst werden können. Wem diese Hinweise einfach und klar vorkommen, der wird gut daran tun, der scheinbar klaren und leichtfasslichen Darstellung zu misstrauen. Das Thema ist dunkel und schwer verständlich. Es ist gewiss in Ordnung, über die hier dargelegten Gedanken nachzusinnen, aber man soll nicht voreilig annehmen, dass man das Gesagte versteht. Das Wirken der Hierarchie kann auf vielerlei Art und Weise zum Ausdruck gebracht werden; und je nach der besonderen Art des Denkvermögens wird auch die Deutung ausfallen.

1. Der Zweck dieser Richtlinien.

Worauf diese Richtlinien hinzielen, kann für unsere Zwecke in vier Punkten zusammengefasst werden, doch kann jeder Punkt auf verschiedene Art und Weise und mit ganz anderen Worten erklärt [217] werden. Die vier Punkte enthalten einfach die vier Hauptziele, welche die Wirkenden des Planes sich selbst gestellt haben. Wir wollen sie kurz und bündig formulieren und später etwas weiter ausarbeiten.

1. Das erste und höchste Ziel geht dahin, durch das Instrument der Menschheit einen Vorposten des Gottesbewusstseins im Sonnensystem zu errichten. Dies entspricht, makrokosmisch gesehen, der Beziehung, die zwischen einem Meister und seiner Jüngergruppe besteht. Erfasst man das zutiefst, dann mag diese Feststellung ein Schlüssel sein für die Bedeutung und Wichtigkeit unserer Arbeit auf diesem Planeten.

2. Auf dieser Erde soll, wie schon früher angedeutet, eine Kraftzentrale von solcher Stärke und ein Brennpunkt von solch grossen Energieströmen errichtet werden, dass die Menschheit - in ihrer Gesamtheit - ein bedeutsamer Faktor im Sonnensystem werden kann, so dass sie imstande ist, einzigartige Veränderungen und Geschehnisse im Leben des Planeten und seiner Lebensformen (und damit im Sonnensystem selbst) herbeizuführen und die Möglichkeit zu schaffen, mit anderen Sternen in tätigen Austausch zu kommen.

3. Durch das Instrument des vierten Naturreiches soll eine Lichtstation errichtet werden, die nicht nur diesem Planeten und unserem Sonnensystem, sondern allen sieben Sonnensystemen dienen soll, von denen das unsrige eines ist. Das Problem Licht, das ja mit den Farben der sieben Strahlen innerlich zusammenhängt, ist noch eine embryonale Wissenschaft. Es wäre vergebliche Mühe, darüber hier mehr zu sagen.

4. Im Universum soll ein magnetisches Zentrum errichtet werden, in welchem das Reich der Menschen und das Reich der Seelen - vereint und als Einheit - der Sammelpunkt eines höchst intensiven Kraftfeldes sein sollen und das den hoch entwickelten Lebewesen innerhalb des Strahlungsbereiches des Einen, über den nichts gesagt werden darf, dienen soll.

In diesen vier Aussagen wurde versucht, das zusammenzufassen, [218] was die Hierarchie heute als weitreichende Möglichkeit oder Gelegenheit ansieht. Ihre Pläne und Ziele sind für viel grössere Errungenschaften bestimmt und auf viel grössere Erfolge eingestellt, als es einem normalen Menschen heute möglich ist sich vorzustellen. Wäre dies nicht so, dann würde die Seelenentfaltung im Menschen ein Hauptziel auf dem Planeten sein. Doch dies ist nicht der Fall.

Vom Gesichtspunkt des Menschen aus gesehen mag es vielleicht so sein, falls man ihn in dem grossen kosmischen Grundplan der Evolution als eine Einheit ansieht, die ihrem Wesen nach trenn- und identifizierbar ist. Doch trifft das nicht zu, wenn man an das grössere Ganze denkt, von dem die Menschheit nur ein Teil ist. Jene grossen Gottessöhne, die höher entwickelt sind als jene Meister, die sich ausschliesslich dem Menschenreich widmen, haben noch weit grössere und umfassendere Pläne. Im Rahmen ihrer Ziele ist die Menschheit nur ein Detail in dem Plan des Grossen Lebens, «in Dem wir leben, weben und sind».

Jemand könnte (mit Recht) fragen, welchen Nutzen alle diese Aufschlüsse inmitten einer Welt voller Nöte und Verwirrungen für uns haben? Es liegt klar auf der Hand, dass ein Erschauen des grossen Planes (so nebelhaft es notwendigerweise sein muss), einen Sinn für richtige Grössenverhältnisse und ein Gefühl der Beständigkeit erweckt und verleiht. Das führt zu der so dringend notwendigen Umwertung von Werten, weil daraus erkennbar wird, dass hinter all dem schwierigen, mühsamen Geschehen des täglichen Lebens eine Absicht und ein Ziel liegt. Wenn wir den grossen Umfang des planetarischen Lebens studieren, das die Details und Endformen, den Menschen und alle Lebewesen des Planeten sowie deren Beziehung zum Kosmos umfasst, dann weitet und vertieft sich unser Bewusstsein. Das ist von weit grösserer Bedeutung als das winzige Detailbild, das der einzelne Mensch mit seiner begrenzten Fähigkeit sich über seinen Platz im grossen Weltganzen macht. Es ist für den Menschen leicht und naturgemäss, jene Gesichtspunkte des hierarchischen Wirkens hervorzuheben, die ihn selbst betreffen. Die Meister der Weisheit, die hoch genug entwickelt sind, um in grösseren Bereichen [219] des geistigen Planes zu wirken, sind oft darüber belustigt, welche Bedeutung Jünger und Aspiranten ihnen beimessen und in welcher Weise man sie überschätzt. Können wir uns nicht vorstellen, dass es in der Hierarchie Mitglieder gibt, die im Erfassen der Wahrheit und mit ihren Kenntnissen über den göttlichen Plan den uns bekannten Meistern so weit voraus sind, wie Letztere einen Vorsprung vor einem Wilden und unentwickelten Menschen haben? Es ist angezeigt, über diese Tatsache nachzudenken.

Es ist indes für Jünger und Aspiranten nicht ohne Nutzen, einen schwachen Umriss von jener Struktur, jenem Zweck und jener Bestimmung der Erde zu erhaschen, die sich aus der Vollendung und Erfüllung des grossen Plans auf Erden ergeben werden. Es soll nicht ein Gefühl erweckt werden, als wenn alles vergeblich wäre oder der Kampf kein Ende nähme und Mühen und Streben ewig währten. Zugegeben, dass der Mensch und sein Leben begrenzt ist, dass die Ausdehnung des Kosmos ungeheuer und unser Planet winzig klein ist; wenn wir ferner einräumen, dass das Universum gewaltig gross ist und wenn wir einsehen, dass es nur eine Welt unter ungezählten (wirklich ungezählten) grösseren und kleineren Welten ist, so gibt es doch im Menschen und auf unserem Planeten einen Faktor und eine Qualität, die alle diese Tatsachen sichtbar machen und als Teil eines grossen Ganzen erkennen lassen; dieser Faktor und diese Qualität erlauben es dem Menschen, sein Eigenbewusstsein hinter sich zu lassen und seinen Bewusstseinsbereich und sein Gefühl der Wesensgleichheit so zu erweitern, dass die Formaspekte des Lebens kein Hindernis mehr für seinen alles umfassenden Geist bilden. Es hat einen Sinn, auch diese Dinge niederzuschreiben und sich mit diesen Ideen zu befassen, weil jetzt jene Egos zur Inkarnation kommen werden, die all dies verstehen können und werden, wenn die heutigen Leser schon nicht mehr leben. Ich selbst und wir alle werden dann andere Arbeiten übernehmen; aber auf der Erde wird es dann jene Menschen geben, die den Plan klar erschauen können und deren Weitblick weit umfassender sein wird als unser heutiges Erschauen. Ein geistiges Zukunftsbild erfassen zu können ist eine göttliche Gabe. Expansion (Ausweitung) ist eine Lebenskraft und ein Vorrecht der Gottheit. Daher wollen wir alle Kraft zusammennehmen, um [220] das zu erfassen, was uns im gegenwärtigen Entwicklungsstadium möglich ist, und wir wollen es der Ewigkeit überlassen, ihre verborgenen Geheimnisse zu enthüllen.

Die Faktoren, welche diese besondere hierarchische Arbeit bestimmen und die daher die Hauptregeln dafür stellen, wie Gottes Leben sich in der menschlichen Familie Bahn bricht, sind sieben an der Zahl. Diese Richtlinien oder Regeln sind bestimmend für die Tätigkeit der Hierarchie - wenn wir es so ausdrücken wollen - und lassen einen weiten Spielraum für die Betätigung der einzelnen Mitarbeiter; sie geben aber die wesentliche Richtung und die Grenze an, innerhalb deren ihre wichtige Aktivität bleiben muss. Kein Mitarbeiter des Planes wird wagen, darüber hinaus zu gehen. Wir sollten darum wissen, dass es Kräfte und Energien gibt, die durch das bewusste Eingreifen der Hierarchie in Ruhe und im Hintergrund gehalten werden. Wir können wohl die Tatsache begreifen, dass es Wesen und besondere Arten von Tätigkeiten gibt, die sich (zum Glück für diesen Planeten) nicht bemerkbar machen konnten, seit die Erde eine Hierarchie erhielt. Es ist nicht immer eine Hierarchie vollkommener Seelen gewesen. Diese Feststellung eröffnet einen Ausblick in Bereiche, die von unfertigen Ausdrucksformen Zeugnis ablegen («unfertig» im Erschauen des Menschen). Dies ist genau so schwer zu verstehen, wie wenn wir mit unserer schwachen und nebelhaften Vorstellungskraft versuchen würden, über die Abteilung der Hierarchie, die sich mit menschlichen Belangen beschäftigt, hinaus zu dringen und einen flüchtigen Blick von anderen Abteilungen zu erhaschen, die sich mit viel grösseren und umfangreicheren Problemen befassen.

2. Die Sieben Richtlinien.

Die sieben Faktoren oder «Richtlinien für die Herbeiführung der Seelenherrschaft» sind folgende:

1. Die angeborene und unausrottbare Neigung, zu verschmelzen und zu einer Einheit zu verbinden. Dies ist ein Gesetz oder eine Regel des Lebens selber.

a) Diese Neigung hat auf der Formseite Zerstörung und Trümmer zur Folge, begleitet von Schmerz und Sorge. Auf der Seite des inneren Lebens bewirkt sie Freilassung, Befreiung und hernach Bewusstseinserweiterung.

b) Diese [221] Neigung ist die Ursache jeglichen Entwicklungsanstosses, sowohl für einen Menschen, als auch für eine Rasse, den Planeten und ein ganzes Weltsystem.

c) sie ist die Folge eines Willensaktes und hat ihre Ursache in dem Antrieb, der aus der erahnten und eingeborenen göttlichen Absicht herkommt. Diese Neigung gründet sich jedoch (und dieser Punkt wird oft übersehen) auf die Erkenntnis unseres planetarischen Logos, dass auch sein Plan bedingt und beeinflusst wird und ein unabtrennbarer Bestandteil eines noch grösseren Planes ist, nämlich des Planes der Sonnengottheit. Gott, der Logos des Sonnensystems, wird seinerseits wieder von einem noch höheren Lebenszweck bestimmend beeinflusst.

2. Die Eigenschaft, Verborgenes zu erschauen.

a) Diese Eigenschaft ruft auf der Formseite physisches Sehen, astrale Illusion und konkretes Wissen hervor. Auf der Seite des inneren Lebens verschafft sie Erleuchtung. Dies schliesst in sich sowohl die weitreichende Lichtstrahlung, die unser Planet in die Himmelsräume hinausreflektiert, als auch jene Strahlfähigkeit, die einen Menschen zu einem Lichtträger macht und die schliesslich die Menschheit (als Ganzes) befähigen wird, auf Erden eine Lichtstation zu bilden.

b) Diese Eigenschaft ist die Grundursache jeglicher Sinneswahrnehmung und der instinktive Drang nach Bewusstsein, in all seinen Phasen. Auf diese Eigenschaft muss die Hierarchie einzuwirken suchen, indem sie diese verstärkt und mit magnetischer Kraft erfüllt.

c) sie ist das bedeutsame Resultat des Wünschens, das seinerseits wieder zu innerst auf dem Willen beruht, einen Plan zu entwerfen und ein Ziel aufzurichten.

3. Der Instinkt, einen Plan auszuarbeiten. Dieser Instinkt regiert alle Tätigkeiten, die sich im Verlauf der Evolution (soweit sie die Menschheit betrifft) in folgenden Abstufungen ergeben: Tätigkeiten, die instinktgeleitet sind, Tätigkeiten, die vom Intellekt gelenkt werden, Tätigkeiten, die von Intuition oder einem Zweck geleitet sind, und Tätigkeiten, die eine Folge der Erleuchtung sind. Hierzu gehört jene Abteilung [222] der Hierarchie, die sich mit der Menschheit befasst. Es gibt viele und mannigfaltige höhere Phasen planbeseelter Aktivität, die alle unter dem Einfluss des dritten Strahls stehen; ihr Brennpunkt liegt derzeit in dem siebten Strahl.

a) Diese Fähigkeit des Planens führt, von der Formseite aus gesehen, zu separatistischem und selbstsüchtigem Tun. Vom inneren Leben aus gesehen führt diese Fähigkeit zu engster Zusammenarbeit, die jede Energieeinheit, in jeder Form, mit all ihren inneren vereinten Aspekten dazu bringt, an der Vereinheitlichung mitzuarbeiten. Das geht in kraftvoller Weise in der heutigen Welt vor sich. Es ist die Tendenz zum Einswerden, die den Menschen vor allem dazu bringt, seine Persönlichkeit in ein einheitliches Ganzes zu ordnen und dann diese integrierte Persönlichkeit dem Wohl der Gesamtheit unterzuordnen.

b) Der genannte Instinkt ist die Grundursache der ganzen Evolution sowohl des Menschen, des Planeten als auch eines Weltsystems.

c) Dieser Instinkt ist die Folge der Entwicklung von Manas, dem Denkvermögen und der Intelligenz. Er ist jene eigenartige Qualität oder instinktgeleitete Eigenschaft, durch welche - genährt durch Wünsche und umgewandelt zu intelligenter Tätigkeit - die Menschheit den ersten Strahl zielstrebigen Willens zum Ausdruck bringt.

4. Der Drang nach schöpferischem Leben, mit Hilfe der göttlichen Fähigkeit der Vorstellungsgabe. Dieser Drang ist, wie man leicht ersehen kann, eng mit dem vierten Strahl der Harmonie verknüpft:, der Einheit und Schönheit, gewonnen durch Konflikt, hervorbringt

a) In der äusseren Welt führt dies zu Kriegen, Kämpfen und zur Schaffung von Formen, die später wieder zerstört werden müssen. In der inneren Welt bringt dieser Drang Qualitäten und schwingungsfähige Strahlung hervor und führt dazu, dass dem Menschen die Welt der Sinngebung (oder der sinnvollen Absicht) offenbar wird.

b) Dieser Drang ist daher die Grundursache jener subtilen [223] Essenz oder göttlichen Emanation, die sich durch jede Form in allen Naturreichen kundzutun sucht. Es scheint keinen besseren Ausdruck für dieses verborgene Wunder zu geben als die Erschliessung des tieferen Sinnes der Welt. Und diese ist bereits heute im Gang.

c) Dieser Drang ist das Ergebnis der - manchmal hinreichenden, manchmal nicht hinreichenden - Fähigkeit des inneren Bewusstseins, aufzudecken, in welchem Masse es von dem Plan beherrscht wird und inwieweit es für die grösseren Absichten empfänglich ist. Mit dieser Reaktion rechnen heute die Mitglieder der Hierarchie, und deshalb bemühen sie sich, den verborgenen Sinn, die dahinter liegende Absicht in den Vordergrund des menschlichen Bewusstseins zu bringen.

5. Der Faktor der Analyse. Dieser Punkt wird jene in Erstaunen setzen, welche die Kraft zu unterscheiden, zu analysieren und zu kritisieren missbrauchen und darunter leiden. Nichtsdestoweniger handelt es sich um eine fundamentale, göttliche Qualität, die uns an dem Plan Gottes weise teilnehmen und uns geschickt handeln lässt.

a) Im äusseren Leben manifestiert sich dieser Faktor als die Tendenz, zu entzweien, abzusondern und Gegensätze zu schaffen. Im inneren Leben bewirkt er jenes Verstehen, das durch eine weit grössere Unterscheidungs- und Fassungskraft nach Identifizierung (bewusstem Erkennen der Wesensgleichheit) strebt.

b? Er ist die Grundursache und der Impuls, der schliesslich jenes Naturreich, das über dem Menschen steht und ausschliesslich der Seele gehört, hervorbringen wird. So wird das fünfte Naturreich auf Erden erscheinen, - das Reich der Götter. Dieses Wort sollte man beachten.

c) Er ist das Resultat wirksamer Tätigkeit der Gottessöhne, der Söhne des Denkvermögens; er ist ihr spezieller Beitrag zu dem Gesamtbeitrag dieses Planeten, der seinerseits wieder eine Teilleistung für den grossen Plan des Sonnensystems ist. Die Hierarchie selbst ist die äussere und innere [224] Manifestation der Opfertat der göttlichen Manasaputras (wie die Söhne des Denkvermögens in der Geheimlehre genannt werden), und ihre Mitglieder haben die Fähigkeit, auf den erschauten Gesamtplan verständnisvoll einzugehen. Die Hierarchie ist Ihrem Wesen nach der Keim oder Kern des fünften Naturreiches.

6. Die dem Menschen angeborene Eigenschaft, zu idealisieren. Diese beruht auf dem Erfolg, den der Plan selbst hat. Der Plan sah in erster Linie vor, im Menschen die folgenden Wirkungen hervorzurufen: - rechtes Verlangen, rechtes geistiges Erschauen und rechte schöpferische Tätigkeit, gegründet auf richtiger Auslegung von Idealen. Dieses dreifache Ziel verdient sorgfältige Betrachtung.

a) Auf der Formseite wirkte sie sich als materielles Verlangen aus, das schliesslich in Grausamkeit ausartet und häufig zu äusserst sadistischen Handlungen führt. Auf der Seite des inneren Lebens brachte sie Opferfreudigkeit mit sich, konzentrierte Zielstrebigkeit, Fortschritt in der seelischen Entwicklung und gläubige Hingabe.

b) Diese Qualität ist das Fundament jeder planmässigen Ordnung und Zusammenarbeit. Das Ideal, das die Hierarchie vor sich sieht, ist das klare Erkennen des Plans. Dieser wird der Menschheit in Form von Ideen nähergebracht, die mit der Zeit zu Idealen werden, die man ersehnt und für die man kämpft. Um solche Ideale in eine sichtbare Form zu kleiden, tritt die Neigung zu organisieren auf.

c) Diese Qualität ist - merkwürdig genug - das Ergebnis einer besonderen Gruppe von Weltwirkenden, die von der Menschheit als Erlöser bezeichnet und anerkannt werden. Sie sind die Schöpfer jener Weltanschauungen, durch welche die göttlichen Ideen auf allen Gebieten menschlichen Denkens zu Idealen für die Massen werden. Jeder grosse Weltführer ist notwendigerweise ein «leidender Heiland».

7. Die siebte Richtlinie oder richtungsweisende Krass, von der [225] die Hierarchie Gebrauch macht, ist die wechselseitige Wirkung der grossen Dualitäten. Infolge dieser Wechselwirkungen und der erzielten Ergebnisse (die stets einen dritten Faktor zur Folge haben) wird die ganze manifestierte Welt zwangsläufig mit der göttlichen Absicht in Einklang gebracht. Der Mensch, der in den Details des täglichen Lebens aufgeht, sieht und erkennt das nicht. Könnten die Menschen jedoch die Lebensvorgänge auf diesem Planeten mit den Augen der Meister sehen, dann würden sie das Urbild in all seiner Schönheit erblicken; die Struktur von Gottes Weltkonzept würde für sie klarere Umrisse bekommen, und sie würden, deutlicher als je zuvor, die Synthese und Schönheit der Einzelheiten wahrnehmen.

a) Auf der Formseite ruft dies das Gefühl hervor, durch den Zeitfaktor eingekerkert, ein Opfer der Hast und Eile, den unerbittlichen Kräften des tätigen Lebens ausgeliefert zu sein, die mit dem in der Form eingekerkerten Menschen ihr Spiel treiben. Auf der inneren Seite des Lebens bewirkt dies eine geregelte rhythmische Lebensführung und eine bewusste Energieanpassung an die unmittelbaren Vorhaben und Ziele.

b) Diese polaren Wechselwirkungen sind notwendigerweise die Grundursache des Auftretens und Verschwindens von menschlichen Formen und von solchen, die von Menschenhand gebildet wurden.

c) sie sind das Resultat von Integrations-Prozessen, wie sie hier auf der physischen Ebene zustande kommen, die zur Vereinigung in niederen Bereichen führen, ähnlich wie die Vorgänge des Einswerdens, die sich bisher im menschlichen Bewusstsein abspielten, zur Vereinigung mit der Seele führten. Die höheren Stufen des Einswerdens, die sich bisher auf der Mentalebene abspielten, müssen schliesslich auf der Ebene des physischen Lebens verwirklicht werden.

Wir haben in den vorstehenden einführenden Umrissen ganz kurz die Faktoren oder Richtlinien angeführt, die auf Erden jene Seelenherrschaft herbeiführen können, die das unmittelbare Ziel des Evolutions-Prozesses ist. Wir haben gesehen, dass es sich dabei nicht um einfache Übungen oder methodische Schulung handelt; wir haben uns auch nicht mit der Entwicklung der erforderlichen Haupteigenschaften [226] befasst, die dem Stadium einer regelrechten Einweihung vorauszugehen haben. Wir befassen uns tatsächlich nur mit jenen fundamentalen Neigungen und angeborenen Tendenzen, die das Bestreben haben, Göttliches zum Ausdruck zu bringen. Diese Tendenzen werden schliesslich die Allseele auf unserem Planeten zur Manifestation bringen. Wir haben ferner gesehen, dass diese Leit-Tendenzen bereits erkannt und zum Ausdruck gebracht werden, und dass in dieser Entwicklung das vierte Naturreich, das des Menschen, eine einzigartige Position einnimmt. In dem Herab- und Hinaufströmen des göttlichen Lebens, das als Drang zur Involution und Evolution zum Ausdruck kommt, stellt die Menschheit ein fundamentales «ursprüngliches Kraftzentrum» dar, das einen Vorposten göttlichen Bewusstseins bilden kann und wird, eine Ausdrucksform der göttlichen Psyche, die schliesslich die drei wesentlichen psychologischen Kennzeichen von Göttlichkeit: Licht, Energie und Magnetismus manifestieren wird. Im Menschen, der eine mikrokosmische Widerspiegelung des Makrokosmos ist, kommen diese Eigenschaften als Erleuchtung oder Weisheit, intelligente Tätigkeit und als Anziehungskraft oder Liebe zum Vorschein. Ich versuche, göttliche Wirkkräfte in leichtverständlichen Worten darzustellen und auf diese Weise anzudeuten, wie sie sich im menschlichen Formgehäuse und durch dieses zum Ausdruck bringen können.

Wir können nun auf frühere Aussagen etwas näher eingehen, um zwei Punkte noch klarer herauszuschälen:

1. Die innere Beziehung dieser göttlichen Qualitäten, soweit sie vom Menschen erfasst und entwickelt werden können.

2. Die künftige Verantwortung, die auf einer erleuchteten Menschheit ruht, die ins Neue Zeitalter vorwärts schreitet. Damit soll eine Grundlage für die Lehre geschaffen werden, die später in dieser Abhandlung gegeben wird.

Einer der Punkte, die ich in allen früheren schon veröffentlichten Schriften betont habe, ist der, dass die Gesetze des Universums, die Gesetze der Natur und jene grundlegenden Faktoren, die alles Leben und [227] alle Lebensphasen bestimmen und massgeblich beeinflussen (und die für uns festgesetzt und unabänderlich bleiben), der Ausdruck von Gottes Willen sind, - soweit ein Mensch das erfassen kann. Die Kräfte oder lebendigen Faktoren, die wir nun betrachten wollen und die (wenn richtig verstanden und befolgt) im Menschen und im Universum die Seelenherrschaft herbeiführen werden, sind ein Ausdruck der Qualität oder ureigensten Natur Gottes. Sie werden am Ende der Zeiten die volle Wesensäusserung der göttlichen Psyche herbeiführen. Diese Faktoren werden die instinktgeleitete, emotionelle Natur der Gottheit ersichtlich machen - wenn solch menschliche Worte überhaupt die göttlichen Qualitäten und Wirkungskräfte charakterisieren können.

Die Gesetze des Universums sind ein Ausdruck von Gottes Willen und führen zur Manifestation der göttlichen Absichten. Das ist Weisheit. Diese Gesetze steuern und fördern den Plan.

Die Richtlinien zur Herbeiführung von Seelenherrschaft bringen die göttliche Qualität zum Ausdruck und führen dazu, dass Gottes Natur, die Liebe ist, offenbar wird.

Die Naturgesetze oder die sogenannten physikalischen Gesetze geben Kunde von dem Stadium, in dem sich der Manifestationsprozess befindet, und sind ein Anhaltspunkt dafür, bis zu welchem Grade Göttlichkeit zum Ausdruck gekommen ist. Sie betreffen Vielgestaltigkeit oder den Qualitätsaspekt. Sie kontrollieren oder manifestieren das, was der göttliche Geist (der Wille ist, der sich durch Liebe betätigt) bereits imstande war, vermittels Materie für die Erschaffung von Formen zu vollbringen. In dem Masse, wie das allmählich zutage tritt, wird sich die Schönheit des Werdeprozesses auftun.

Die erste Kategorie, die Gesetze des Universums, wurden in der Abhandlung über Kosmisches Feuer berührt und gelegentlich in anderen Schriften erwähnt. Die moderne Wissenschaft hat viel zum Verständnis der Naturgesetze beigetragen. Wir können uns auf sie verlassen, denn die Seele treibt und drängt dazu, dass alle Dinge erkannt und offenbar werden. Was ich hier darlege und aufzeige, soll die Grundlage für die neue Wissenschaft der Psychologie bilden; ihr Fundament muss ein volles und universales Verstehen der göttlichen Psyche sein, die sich durch das manifestierte Ganze, das [228] Sonnensystem, und (was uns hier angeht) durch unseren Planeten mit allem, was darauf lebt, Ausdruck zu verschaffen sucht.

Wenn man erkennen würde, welche Kraftfülle der kosmischen Psychologie, ihren Haupt-Tendenzen und -Merkmalen innewohnt, und wenn die Schulpsychologie anstelle der peinlich genauen Erforschung der individuellen Psyche (und meistens ist es ein abnormes Individuum) ihr Augenmerk darauf richten würde, die psychologischen Attribute des grösseren Ganzen zu betrachten, von dem wir nur ein kleiner Teil sind, dann würden wir einen neuen Begriff bekommen, was die Gottheit wirklich ist und welche Beziehungen zwischen dem Mikrokosmos und Makrokosmos bestehen. Dieses Problem wurde bisher zu sehr den Philosophen überlassen, muss jetzt aber die Aufmerksamkeit der Psychologen erwecken. Dieser so sehr erwünschte Moment wird dann eintreten, wenn man einmal die wahre Bedeutung der Geschichte erfasst hat, wenn man den breiten Spielraum der menschlichen Entwicklung während der vergangenen Zeitläufe verstanden hat und erkennt, dass es die Seele ist, die sich durch alle Formen und Formteile betätigt. Zurzeit schreibt man nur dem Menschen eine Seele zu und übersieht die Seele, die in allen Dingen lebt. Der Mensch ist doch für die Naturreiche, die unter ihm stehen, ein Makrokosmos.

Die sieben Regeln, die wir nun studieren wollen, sind daher von höchster Wichtigkeit, denn mit ihren grundsätzlichen Gedanken erschliessen sie uns die Erkenntnis, dass die wirkende Gottheit die belebende Seele aller Dinge ist. Sie werden aufzeigen, in welcher Art und Weise der Kosmische Christus wirkt, und sie werden die Eigenschaften und Tendenzen andeuten, die das psychische Leben aller Formen - von einem Universum bis zum Atom - bestimmen, das in jeder sogenannten materiellen Lebensoffenbarung eingebettet ist. Wir wollen uns diese Leitgedanken beim Lesen und Studieren vor Augen halten.

Diese Regeln wirken sich in gleicher Stärke auf allen sieben Strahlen aus; sie rufen auf Erden in sämtlichen Lebensformen Bewusstsein hervor. Wir wollen uns zunächst mit dem grösseren Ganzen befassen und die Differenzierungen in Strahlen beiseite lassen. Die sieben [229] Strahlen prägen und bestimmen, wie schon oft erwähnt, die Qualität der göttlichen Instinkte und Wirkkräfte, aber das ist nicht alles; sie selbst werden von diesen Wirkkräften massgeblich beeinflusst und beherrscht. Man muss sich stets vor Augen halten, dass die Strahlen die sieben Haupt-Manifestationen der göttlichen Qualität sind, und dass diese Qualität die Absichten der Gottheit tatsächlich einschränkt und beeinträchtigt. Gott selbst hält sich an ein Vorbild, das für ihn zufolge einer noch viel weiterreichenden Vision massgeblich ist. Dieses gestellte Ziel oder dieser festgelegte Wille erhält seine Prägung durch seine instinkterfüllte Qualität oder «Psyche», genau so, wie der Lebenszweck eines Menschen begrenzt und bedingt ist durch seine seelische Ausrüstung, die er mit in die Inkarnation bringt. Ich habe schon früher erwähnt, dass wir tiefgründige und schwerverständliche Themen behandeln werden und dass vieles, was hier dargestellt wird, das derzeitige konkrete Verstehen der Leser überschreiten mag. Die obige Feststellung ist jedoch verhältnismässig einfach zu verstehen, wenn man sie im Hinblick auf den eigenen Lebenszweck und vom Standpunkt der eigenen Wesensart interpretiert.

Bevor wir unser Studium über die sieben psychologischen Tendenzen der Gottheit fortsetzen, möge noch ein besonderer Punkt Erwähnung finden.

Wir haben hier von Gott immer in Ausdrücken gesprochen, die ihn als eine Person darstellen, und daher benützten wir die Fürwörter «er» und «Sein». Soll das besagen, dass wir an eine ausserordentlich hohe Persönlichkeit denken, die wir Gott nennen, und stellen wir uns damit nicht in die Reihen jener dogmatischen Denker, die Gott vermenschlichen? Die buddhistische Lehre kennt keinen Gott und keine Person. Sind wir nun mit der Einstellung, mit der wir an diese Frage herantreten, auf einem Abweg oder nicht? Dieses Geheimnis kann sich uns nur dann enthüllen, wenn wir den Menschen als eine göttliche Wesensäusserung in Zeit und Raum verstehen.

Beide Auffassungen sind richtig und widersprechen sich in keiner Weise. Beide zusammen können die Wahrheit, wenn auch nur nebelhaft, ans Tageslicht bringen. Es gibt einen transzendenten Gott, der «nachdem er das ganze Universum mit einem Fragment seines selbst durchdrungen hat» noch immer sagen kann: «Ich verbleibe». Es gibt einen immanenten Gott, dessen Leben die Quelle aller [230] Tätigkeit, Intelligenz, Entwicklung und magnetischen Anziehungskraft aller Lebensformen in allen Naturreichen ist. Ebenso ist in jedem Menschen eine transzendente Seele, die nach einem Lebenszyklus auf Erden, nach beendeter Manifestationsperiode wieder unmanifestiert und gestaltlos wird und gleichfalls sagen kann: «Ich verbleibe». Die einzige Möglichkeit, wie ein inkarnierter Mensch die Erkenntnis zum Ausdruck bringen kann, dass Gottes Leben ihn durchflutet und prägt, ist die, Begriffe wie Person oder Individualität zu verwenden. Aus diesem Grunde sprechen wir von Gott als einer Person, von seinem Willen, seinem Wesen und seiner Gestalt.

Jenseits des manifestierten Universums befindet sich der/das Eine Gestaltlose, Das was nicht Einzelwesen ist, frei von den Begrenzungen individuellen Daseins. Daher hat der Buddhist recht, wenn er das Wesen der Gottheit als nicht-individualisiert empfindet und es ablehnt, die göttliche Urkraft zu personifizieren. Vater, Sohn und Heiliger Geist, die Dreiheit aller Lehren der christlichen Theologie, werden wieder zu dem Einen, wenn die Manifestationsperiode des Universums vorüber ist. Die drei Personen bleiben Eins, unberührt von Qualität und Lebensessenz, und undifferenziert; das ist auch so während der Manifestationsperiode.

Eine Analogie hierzu ergibt sich, wenn ein Mensch stirbt. Dann verschwinden seine drei Aspekte - Denkvermögen oder Wille, Gefühl oder Liebe, und seine physische Erscheinungsform. Er hat dann aufgehört, eine Person zu sein. Doch wenn man Unsterblichkeit als eine Tatsache annimmt, so wissen wir, dass der Mensch als bewusstes Wesen bestehen bleibt; seine Qualität, sein Ziel und sein Lebenskern sind mit seiner unsterblichen Seele vereint. Die äussere Gestalt mit ihren Differenzierungen in eine dreigeteilte Form ist dahin, um niemals, in Zeit und Raum, in der gleichen äusseren Form wiederzukehren.

Aus der wechselseitigen Einwirkung von Seele und Denkkraft entstand das manifestierte Universum, mit allem, was darinnen ist. Wenn diese Wechselbeziehung fortdauert, sei es in Gott oder beim Menschen, so gebrauchen wir Begriffe, die vom Menschen erdacht und daher begrenzt sind. Was sonst könnten wir heranziehen, um uns klar auszudrücken? Es entspricht unserem derzeitigen Stadium [231] innerer Erhellung, oder sollten wir sagen inneren Dunkels? So entstehen Vorstellungen von Individualität, Persönlichkeit und Gestalt. Wenn die Wechselwirkung aufhört und die Manifestationsperiode beendet ist, werden solche Begriffe gegenstandslos und verlieren jeden Sinn. Doch was unvergänglich ist, sei es Gott oder Mensch, bleibt bestehen.

So lebt im menschlichen Denken die von Buddha, dem grossen Lehrer des Ostens wachgehaltene Vorstellung von einer transzendenten Gottheit, frei und losgelöst von den dreifachen, zweifachen und vielfältigen Erscheinungsformen; es gibt nur Leben, ohne Gestalt, ohne Individualität, unbekannt. In der Lehre des Westens, die uns Christus gebracht und für uns formuliert hat, ist die Idee eines immanenten Gottes bewahrt, der in uns und in allen Formen lebt. Wenn wir beide Lehren, die des Ostens und Westens zusammenfassen und diese beiden grossen Geistesströmungen ineinander aufgehen lassen, dann können wir ein weniges von dem grossen und majestätischen Ganzen erahnen, - aber nur eben erahnen, nicht wissen.

a) Das Streben nach Synthese.

Der erste Faktor, der die göttliche Natur enthüllt, und der erste grosse psychologische Aspekt Gottes ist die Tendenz zur Synthese. Diese Tendenz zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Natur und alle Bewusstseinsarten, sie ist der Lebensimpuls selber. Der Drang Gottes, sein höchster Wunsch, ist darauf gerichtet; alles zu vereinen und in eine Einheit zu bringen. Es war diese Tendenz oder Eigenschaft, die Christus aufzuzeigen und der Menschheit dramatisch darzustellen suchte. Bezogen auf das vierte Naturreich, sind seine gewaltigen und gewichtigen Worte, die im XVII. Kapitel des Johannes-Evangeliums Vers II - 24 wiedergegeben sind, ein Ruf zur Synthese und ein dringender Ansporn, unserem Ziel zuzustreben.

«Ich bin nicht mehr in der Welt; sie aber sind in der Welt, und ich komme zu Dir. Heiliger Vater, erhalte durch die Kraft Deines eigenen Namens diejenigen, die Du mir anvertraut hast, auf dass sie eins werden mögen, wie wir eins sind. ...

Ich habe ihnen Deine Botschaft gebracht und dafür hat sie die Welt gehasst. Denn sie sind nicht von der Welt, wie denn auch ich [232] nicht von dieser Welt bin.

Ich bitte nicht, dass Du sie von der Welt nehmest, sondern dass Du sie vor dem Übel bewahrest.

Sie sind nicht von der Welt, gleichwie auch ich nicht von der Welt bin.

Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für diejenigen,

die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit alle Eins seien, gleich, wie Du, Vater, in mir bist und ich in Dir, damit auch sie in uns eins seien; auf dass die Welt glaube, dass Du mich gesandt hast.

Und ich habe die Herrlichkeit, die Du mir gegeben hast, auch ihnen gegeben, auf dass sie eins seien, gleichwie wir eins sind.

Vater, ich will, dass wo ich bin, auch die bei mir seien, die Du mir anvertraut hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die Du mir gegeben hast; denn Du hast mich geliebt, ehe denn die Welt gegründet ward.»

Mit diesen Worten wird uns die Synthese der Seele mit dem Geist klargemacht, und es wird auch die Synthese der Seele mit der Materie betont. So vollendet sich das Eins-Werden und das erstrebte Eins-Sein.

Aber die Synthese der Gottheit, ihre Tendenz zu vereinigen und zu verschmelzen, ist viel umfassender und universaler, als es im Menschenreich zum Ausdruck kommen kann; denn das Menschenreich ist ja nur ein kleiner Teil einer weit grösseren organischen Einheit. Der Mensch ist nicht die Summe aller möglichen Entwicklung und auch nicht die Vollendung, die in Gottes Gedanken beschlossen ist. Die Allgewalt dieses Instinkts zu einheitlichem Zusammenschluss flutet durch alle Universen, Konstellationen, Sonnensysteme, Planeten und Naturreiche, und so liegt auch derselbe Instinkt allem, was der Mensch tut und vollbringt, zugrunde. Dieser Instinkt ist das leitende Prinzip des Bewusstseins selbst, und Bewusstsein ist die Psyche oder Seele, die psychisches Leben hervorbringt. Bewusstsein ist Gewahrsein - untermenschliches, menschliches und göttliches.

Auf den Menschen bezogen sind die folgenden psychologischen Äusserungen gegeben:

1. Instinkt. Er liegt unter der Bewusstseinsschwelle, beschützt und lenkt die meisten Gewohnheiten und das Leben des Organismus. Das Gefühlsleben wird zu einem grossen Teil auf diese Weise gelenkt. Der Instinkt übt seine Kontrolle durch das [233] Sonnengeflecht und die unteren Zentren aus.

2. Intellekt. Dies ist intelligentes Eigenbewusstsein, das über den Verstand und das Gehirn die Tätigkeit der integrierten Persönlichkeit lenkt und leitet, und das durch das Kehl- und Ajnazentrum wirkt.

3. Intuition. Diese hat vorwiegend mit Gruppenbewusstsein zu tun; wenn wir als Gruppeneinheiten tätig sind, wird die Intuition schliesslich unsere Beziehungen zueinander regulieren. Sie wirkt sich über das Herz und durch das Herzzentrum aus und äussert sich als jener höhere Instinkt, der den Menschen befähigt, seine Seele zu erkennen, sich ihrer Führung zu unterwerfen und den Eindrücken zu folgen, die sie in das Leben ausstrahlt.

4. Erleuchtung. Dieses Wort sollte nur dafür verwendet werden, um das übermenschliche Bewusstsein zu kennzeichnen. Es ist ein göttlicher Instinkt, der den Menschen befähigt, das grosse Ganze zu erkennen, von dem er nur ein Teil ist. Erleuchtung wirkt sich mit Hilfe des Kopfzentrums über des Menschen Seele aus und durchflutet am Ende alle Zentren mit Licht oder Energie; auf diese Weise verbindet sie den Menschen in seinem Bewusstsein mit allen entsprechenden Teilen der göttlichen Gesamtschöpfung.

Der Zug zur Synthese ist also ein Instinkt, der dem ganzen Universum eigen ist, und dessen unmittelbare Kraftfülle der Mensch eben erst zu verspüren beginnt.

Es ist dieses göttliche Attribut im Menschen, das seinen physischen Körper zu einem unabtrennbaren Bestandteil der physischen Welt macht. Es macht ihn in seelischer Hinsicht bereit für geselliges Leben, und es macht ihn willens (nach eigener Wahl oder durch Zwang), mit seinen Mitmenschen zusammenzuleben. Eben dieses Prinzip, das sich durch das menschliche Bewusstsein auswirkt, hat unsere modernen Grossstädte entstehen lassen - Symbole einer kommenden höheren Zivilisation, die wir das Reich Gottes nennen. In diesem Gottesreich [234] werden die psychischen Beziehungen der Menschen untereinander besonders enge sein. Dieser Instinkt, eine Vereinigung zu suchen, liegt der Mystik und allen Religionen zugrunde, denn unablässig sucht der Mensch eine engere Verbindung mit Gott, und nichts kann ihn daran hindern, sich im Tempel seines Bewusstseins mit der Gottheit eins zu fühlen. Dieser Instinkt ist auch die Grundlage für sein Gefühl, unsterblich zu sein, und dieser Instinkt gibt ihm die Garantie, mit dem Gegenpol seiner Persönlichkeit, der Seele, vereint zu werden.

Da es sich um ein Attribut der Gottheit, um einen göttlichen Instinkt, und daher um einen Teil des unterbewussten Lebens von Gott Selber handelt, so ergibt sich daraus, dass, wenn wir einen transzendentalen und immanenten Gott als gegeben annehmen, wir tatsächlich keinen Grund haben, uns zu fürchten oder trüben Vorahnungen nachzuhängen. Gottes Instinkte sind stärker, vitaler und reiner als die der Menschen; sie müssen schliesslich den Sieg davontragen und zu voller Blüte kommen. Alle niederen Instinkte, mit denen der Mensch sich herumschlägt und abquält, sind nur Zerrbilder (in Zeit und Raum) der Wirklichkeit. Daher legt die okkulte Lehre besonderen Wert darauf, dass wir über das Gute, Schöne und Wahre nachdenken, weil wir dadurch unsere niederen Instinkte in höhere göttliche Qualitäten umwandeln. Gottes Instinktnatur mit ihrer Anziehungskraft, mit ihrer Fähigkeit, durch Synthese zu verbinden, zu sich heranzuziehen und mit sich zu vereinen, wirkt Hand in Hand mit den (noch unerkannten) Werdemöglichkeiten in des Menschen eigener Natur und lässt sein einstiges Einswerden mit Gott, das Einssein in seiner Lebensfülle und Absicht, zu einem unausbleiblichen und unwiderstehlichen Geschehen werden.

Diesen Instinkt oder diese Tendenz zur Synthese und Vereinheitlichung kann der Leser mit den Gesetzen des Universums und der Natur in Verbindung bringen. Er steht in enger Beziehung zu dem Gesetz der Anziehung und dem Prinzip der Kohäsion. Darüber werden später einmal viele Untersuchungen angestellt werden. Meine Lehrbücher über Okkultismus und okkulte Kräfte sollen Wegweiser sein und wie ein Leuchtfeuer den Weg zum Wissen erhellen. Sie enthalten viele Hinweise und Andeutungen, die indes von jedem Leser nach dem Grad seiner inneren Lichtstärke ausgelegt werden [235] müssen. Er soll im Lichte des Plans und der hier gegebenen Darlegungen genau studieren, was um ihn herum vorgeht. Er soll sich bemühen, den Spuren der instinktbetonten psychischen Natur der Gottheit, wie sie in dem Weltgeschehen und in seinem eigenen Leben sichtbar werden, auf eigene Faust nachzugehen; solche Spuren zeigen sich jeden Tag. Er muss sich stets vor Augen halten, dass er selbst eine psychische Natur besitzt, die ein Teil eines grösseren Ganzen ist, und dass er daher Beeindruckungen unterworfen ist, die aus göttlichen Quellen stammen. Er soll in sich das Streben nach Synthese pflegen und in seinem täglichen Leben die Worte «Ich will in meinem Bewusstsein keine separatistischen Gedanken nähren» zu seinem Leitmotiv machen.

Ein Punkt ist hier zu beachten. Dieser Instinkt, der nach Vereinigung, nach Synthese strebt (da er ja der psychischen Natur Gottes entspringt) hat mit dem physischen Sexual-Kontakt nichts zu tun; dieser wird durch andere Gesetze bestimmt und untersteht der Kontrolle des Körpers. Sagte doch H. P. B. (und zwar zu Recht), dass der physische Körper kein Entwicklungsprinzip darstellt. Diese sieben Grundzüge, die wie hier erörtern, haben einen rein psychischen oder psychologischen Charakter.

Der Mensch, der die Natur dieser zwingenden psychischen Attribute Gottes erfasst hat, sollte imstande sein, die Kraft seiner eigenen psychischen Aspiration an die Seite dieser sichtbar werdenden göttlichen Qualitäten zu stellen. Er tut dies z.B., wenn er in seinem täglichen Leben darauf hinarbeitet, mit allen Wesen eins zu werden, zum Herzen seines Bruders vorzudringen, mit dem Leben in allen Formen sich verbunden zu fühlen und alle Neigungen oder Reaktionen zurückzuweisen, die ihn von anderen absondern könnten. Er weiss ja, dass diese separatistischen Reaktionen mit der angeborenen, innewohnenden Psyche der grob- und feinstofflichen Atome zu tun haben, die seine Formnatur bilden. Diese Atome wurden mit herübergenommen, neu angeordnet und wieder in alle die Formen eingebaut, die sich in der gegenwärtigen Manifestierung Gottes vorfinden. Sie tragen aus einem früheren Universum die Samen psychischen, in der Materie ruhenden Lebens in sich. Das ist die einzige Art von «Übel», die existiert.

[236] Vieles wurde uns über die grosse Ketzerei des Separatismus, der Absonderungssucht, gesagt. Wenn ein Mensch sich dem «Streben nach Synthese» hingibt und dieser göttlichen Wirkkraft Zutritt gestattet, dann macht er diese separatistische Tendenz unwirksam, wodurch sein Verhalten entscheidend beeinflusst wird. Diese göttlichen Entwicklungs-Tendenzen sind seit dem Urbeginn der Evolution die fundamentalen, unterbewussten Antriebe gewesen. Heute kann sich die Menschheit bewusst diesen Tendenzen anpassen und dadurch das Kommen der Zeit beschleunigen, in der Wahrheit, Schönheit und Güte herrschen werden.

Die Weltjünger und die Neue Gruppe der Weltdiener sowie alle intelligenten und tätigen Aspiranten haben heute die Verantwortung und Pflicht, diese Strömungen zu erkennen, ganz besonders diesen Zug zur Vereinigung. Die derzeitige Arbeit der Hierarchie hängt ganz besonders damit zusammen, und ihre Mitglieder und wir alle müssen diese Tendenz fördern und nähren, wo immer sie anzutreffen ist. Der Versuch, Nationen zu normen und behördlich zu organisieren, ist nur eine Seite dieses Strebens nach Synthese, denn es wurde missbraucht, und es wurde aufgezwungen, ehe die Zeit reif war. Alle Bewegungen, die den nationalen- und Welt-Zusammenschluss auf ihre Fahne geschrieben haben, sind gut und richtig, doch müssen solche Schritte von intelligenten Männern und Frauen bewusst und aus freiem Willen unternommen werden, und die angewandten Methoden, die diese Vereinigung herbeiführen sollen, dürfen das Gesetz der Liebe nicht verletzen. Auch der derzeitige Zug nach religiöser Einheit ist ein Teil des schönen Ideals, das sich am Horizont zeigt. Obwohl zuerst alte Formen verschwinden müssen, (da sie Ursachen des separatistischen Geistes sind) so muss doch die innere spirituelle Synthese zur Entfaltung kommen. Ich erwähne die beiden markanten Beispiele dieses göttlichen Grundzuges, die jetzt im Bewusstsein des Menschen auftauchen, weil sie erkannt werden müssen und weil alle erwachenden Seelen auf dieses Ziel hinarbeiten sollten. Wenn Erkenntnis aufdämmert und ein Blitz des Verstehens aufleuchtet, das ist der Moment, von dem an des Menschen Verantwortung beginnt.

Wir wollen daher diesen Tendenzen in der heutigen Welt, die zeigen, dass dieser Grundzug vorhanden und aktiv ist, unsere Aufmerksamkeit widmen und ihn, wo immer wir können, fördern und vertiefen. Man wird finden, dass es eine praktische und schwere Aufgabe ist. Es wird die Kräfte eines jeden Jüngers auf die Probe stellen, wenn [237] es darum geht, dem irdischen Leben (mit seinen eigenen psychischen Gewohnheiten) ein erahntes, göttliches, psychisches Attribut aufzuerlegen. Wir sind aufgerufen, diese Arbeit zum Wohl des grösseren Ganzen in Angriff zu nehmen.

b) Die Qualität der verborgenen Vision.

Die nächste Tendenz ist besonders schwierig zu erklären. Es ist nicht einfach, die rechten Worte zu finden, um zu definieren, was damit gemeint ist. Es betrifft die Qualität der inneren Vision. Diese kann nicht ohne weiteres in Worte gekleidet werden, die der Mensch verstehen kann, und zwar deshalb, weil wir uns hier nicht auf das visionäre Bild beziehen, das der Mensch über Gott erschaut, sondern auf Gottes eigene Vision über seine eigenen Pläne und Absichten. Zu allen Zeiten haben Menschen eine Vision erlebt; sie haben sie erschaut und haben nach vielen Kämpfen und Mühen sich darin versenkt. Dann verliessen sie die Erde und gingen in die Stille des Unbekannten ein. Sowohl der Mystiker wie der Okkultist haben diese Schau bezeugt; und auch alles Schöne und Farbenprächtige in der Natur und Gedankenwelt legt dafür ein stilles Zeugnis ab. Doch was ist dieses erschaute Bild? Wie kann man es definieren? Der Mensch gibt sich nicht mehr damit zufrieden, es Gott zu nennen, und mit Recht, denn es ist letzten Endes das, worauf Gott selbst alle Seine Anstrengungen richtet.

Die Qualität und das Wesen dieser Vision, die Gottes eigenes Erschauen, Traum- und Gedankengesicht ist, hat sein Vorhaben durch Äonen von Zeiten festgehalten und alle seine Schöpfungswerke vorangetrieben. Grosse Gottessöhne kamen und gingen, und sie haben uns ermahnt, dem Licht zu folgen, die Vision der Wirklichkeit zu suchen, unsere Augen zu öffnen und die Wahrheit zu sehen, wie sie wirklich ist. In allen Zeitaltern haben Menschen danach getrachtet, diese Mahnung zu befolgen, und sie haben ihrem Suchen und Streben viele Namen gegeben - Lebenserfahrung, wissenschaftliche Erforschung, philosophische Spekulationen, Geschichte, Abenteuer, Religion, Mystik, Okkultismus und viele andere Ausdrücke, mit denen man die wagemutigen Streifzüge bezeichnet, die der menschliche Geist auf der Suche nach Wissen, nach der Wirklichkeit, nach Gott unternommen hat. Manche Sucher endeten im Irrgarten astraler Phänomene und müssen später wieder ihre Suche fortsetzen, wenn sie geläutert aus den Untiefen der [238] Grossen Illusion zurückkehren. Andere wanderten wieder zurück in die dunkle Grotte eines ausgesprochenen Materialismus und Phänomenalismus [*O1], und sie müssen ebenfalls zurückkehren und sich neu orientieren; oder sollte man lieber sagen, sie müssen den Kreis schliessen? Wer vermag zu sagen, ob Gott hier sei oder dort? Oder von welchem Punkt aus man seine Vision erschauen kann? Andere wieder verlieren sich in ihren Gedankengängen und in selbstgezüchteten Einbildungen, und die Vision bleibt hinter einem Wust von gesprochenen und geschriebenen Worten verborgen und verschleiert. Wieder andere leben in den Regionen ihrer eigenen Devotion und im Banne der eigenen Gedankenwelt; sie haben sich in verschwommene Spekulationen verloren, die aus ihrem eigenen Denken und Wünschen stammen. Sie sind an einem toten Punkt angelangt, verloren in nebelhaften Gedanken und Träumen darüber, wie die Vision sein sollte; und so entzieht sie sich ihnen.

Eine andere Gruppe - die Theologen aller Richtungen - hat versucht, die Vision mit Worten zu umreissen. Sie waren bestrebt, Gottes verborgenes Ziel und Vorhaben auf äussere Formalitäten und Riten zu reduzieren. Mit Nachdruck sagen sie: «Wir wissen». Dabei sind sie der Wirklichkeit niemals näher gekommen, und die Wahrheit ist ihnen noch unbekannt. Dass eine wahre Vision jenseits oder hinter den Schauungen des Mystikers liegt, wurde über den mit der Zeit aufgebauten Formen und Bräuchen völlig vergessen; die Symbole für die Lehren jener Gottessöhne, welche die Wirklichkeit tatsächlich gesehen haben, entschwanden dem Blick durch Riten und Zeremonien. Obwohl solche Formalitäten angebracht sind und einen Lehrwert besitzen, sollten sie jedoch nur dazu dienen, um die Wahrheit zu erschliessen, nicht aber um sie zu verdunkeln.

Die verborgene Vision steht stets vor uns und ist da. Wir können sie nicht mit Händen greifen, aber sie verfolgt uns in unseren Träumen und zeigt sich flüchtig in unseren hohen Momenten geistigen Sehens. Nur wenn sich ein Mensch als Seele betätigen und sein entwickeltes inneres Auge nach aussen in die Welt der Erscheinungen und nach innen in die Welt der Wirklichkeit richten kann, vermag er Gottes wahres Ziel und Vorhaben zu erahnen und einen kurzen, flüchtigen Blick auf jenes Seins-Urbild und jenen Arbeitsplan zu werfen, der für Gott selbst vorgezeichnet ist, dem er so willig sein eigenes Leben anpasst, und für dessen Durchführung das ewige Opfer des Kosmischen Christus unentbehrlich ist.

Mit diesen beiden göttlichen Tendenzen (zur Synthese und zur [239] Vision) ist die Hierarchie zurzeit ganz besonders beschäftigt. Ihre Losungsworte sind vereinigen und geistige Sicht. Diese Entwicklungen erbringen für die Menschheit den Zusammenschluss der Seele mit der Persönlichkeit und die Erweckung jener inneren Vision, die in des Menschen Bewusstsein einen Schimmer von der Welt der Wirklichkeit aufleuchten lässt. Es handelt sich hierbei nicht um ein Aufflammen seiner eigenen Gottnatur oder um ein Verspüren Gottes als Schöpfer, sondern um ein plötzliches Aufleuchten der Göttlichkeit, die dem ganzen Universum eigen ist, und die einen weit grösseren Plan von Evolutionen ausführt, als es die scharfsinnigsten Denker auf Erden bisher fassen oder erahnen konnten. Es betrifft jene Vision, die einem Menschen gewährt wird, wenn er Nirvana erreicht hat und die erste Stufe des endlosen Pfades betritt, der hinführt in ein Reich der Schönheit, des Verstehens und der Höherentwicklung, das bisher auch der höchsten menschlichen Einsicht unzugänglich blieb.

Wir wollen hier darauf hinweisen, dass jenseits der Erleuchtung, die von einem Menschen erlangt werden kann, eine weitere Stufe liegt, die wir die Entfaltung göttlicher Ein-Sicht nennen könnten. Es ergeben sich somit die folgenden Entfaltungen und möglichen Entwicklungsstufen, von denen jede eine Bewusstseinserweiterung darstellt. Jede Stufe gewährt dem Menschen einen näheren und deutlicheren Zugang zum Herzen und Denken Gottes.

Instinkt
Intellekt
Intuition                     
Illumination
Alle zusammen führen zur Einsicht.

Die Reihenfolge dieser Worte wird uns vielleicht die Tatsache von Gottes eigener Vision klarer machen. Mehr zu sagen ist nicht möglich, solange nicht ein jedes dieser Worte in uns zum praktischen Erlebnis geworden ist.

Diese Qualität der inneren Vision, welche die Hierarchie sich zunutze [240] zu machen und in den Menschenseelen zu entwickeln sucht, (über diesen Satz sollte man ernstlich nachdenken, weil hier eine hierarchische Tätigkeit erwähnt wird, die bisher in okkulten Büchern nicht berührt wurde) ist eine Äusserung des Prinzips der Beständigkeit, der Fortdauer, das Jünger so oft in der entstellten Wortprägung Ausdauer im Munde führen. Dieses Prinzip der Fortdauer stellt Gottes Fähigkeit dar, fortzubestehen und «zu verbleiben». Es ist eine Eigenschaft des kosmischen Strahls der Liebe, wie alle Prinzipien es sind, die wir hier in Verbindung mit den Regeln oder Faktoren der Seele betrachten - diese Grundzüge der Göttlichkeit und diese Tendenzen des göttlichen Lebensimpulses. Vergessen wir nicht, dass alle sieben Strahlen nur Unterstrahlen des Kosmischen Strahls der Liebe sind. Wir werden daher erkennen, warum diese Prinzipien die seelischen Aktivitäten bestimmen, und warum sie erst dann wirksam werden können, wenn das Reich Gottes (oder der Seelen) auf Erden sich zu verwirklichen beginnt.

Dieses Prinzip der Fortdauer beruht auf der klaren Vision der Gottheit und aus dem sich daraus ergebenden lückenlosen Fortgang von Gottes Plan und Ziel. Es ergibt sich, wenn Gott das angestrebte Ziel klar erkannt und es in einer deutlichen und richtigen Form umrissen hat. Eine Parallele hierzu ist das Fortbestehen des Menschen, der nach durchschlafener Nacht aus einem unbewussten Zustand erwacht, seine täglichen Berufsgeschäfte fortsetzt und bewusst seine geplanten Arbeiten wieder aufnimmt.

Aus den gegebenen Andeutungen kann man ersehen, dass die Arbeit der Hierarchie hinsichtlich der Menschheit in zwei Abschnitte zerfällt: - erstens, das Einwirken auf einzelne Menschen, um in ihnen Seelenbewusstsein zu erwecken, und zweitens, die Arbeit mit ihnen als Seelen, so dass sie (wenn sie sich dann als bewusste Mitglieder des Reiches Gottes auf den Ebenen der Seele betätigen) beginnen können, Gottes Eigenes Ziel visionär zu erschauen. Der zweite Abschnitt ihrer Arbeit wird erst jetzt in grösserem Umfang möglich, seit die Menschen anfangen, für die Tendenz zur Synthese Verständnis zu zeigen und auf das göttliche Prinzip der Kohärenz (oder harmonischer Verbundenheit) zu reagieren, so dass sie (unter dem inneren Antrieb ihrer Gruppe) vereint die Vision erschauen und auf [241] das Prinzip der Fortdauer reagieren können. In dem Gesagten liegt ein Hinweis, was in der Zukunft als wahres Motiv der Gruppenmeditation zu gelten hat. Mehr kann darüber nicht gesagt werden.