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Viertes Kapitel - Die dritte Einweihung….. Die Verklärung auf einem hohen Berg - Teil 2

Es ist interessant zu bemerken, dass die drei Apostel, obwohl sie von der Bedeutung des Ereignisses, an dem sie teilnahmen, überzeugt waren, nichts anderes tun konnten, als durch den Mund des Petrus ihre Ehrfurcht, Verwirrung, Erkenntnis und ihren Glauben kundzutun. Sie konnten nicht erklären noch verstehen, was sie gesehen hatten, noch finden wir irgendeinen Bericht, dass sie es jemals getan haben. Die Bedeutung der Verklärung muss sich erst im Leben auswirken, ehe sie genau bezeichnet oder erklärt werden kann. Wenn die Menschheit als ganzes lernt, das Fleisch durch die göttliche Erfahrung umzuformen, die Gefühlsnatur durch göttlichen Ausdruck zu verwandeln und das Bewusstsein aus der Welt [158] des irdischen Lebens in die Welt der transzendentalen Wirklichkeit zu übertragen, dann werden sich die wahren subjektiven Werte dieser Einweihung dem menschlichen Denken offenbaren. Dann wird ein tieferer Ausdruck dessen erfolgen, was intuitiv aufgenommen wurde. Dr. Sheldon sagt mit Recht, dass «alle der feinsten menschlichen Gedanken und Gefühle seit Generationen, möglicherweise seit Zeitaltern im intuitiven Denken getragen wurden, lange, ehe sie deutlich erkennbar werden». (Psychologie und prometheischer Wille, engl., von W. H. Sheldon, S. 116) Wir können, was diese Erfahrung anbelangt, noch nicht klar aussprechen. Wir fühlen dunkel und von fern ihr Wunder und ihre Endgültigkeit. Wir sind als Menschheit noch nicht durch die neue Geburt hindurchgegangen; die Jordan-Erfahrung ist bis jetzt nur von wenigen erlangt worden. Nur die seltene und entwickelte Seele hat den Berg der Verklärung erklommen, ist dort Gott begegnet und hat ihn gesehen in der verherrlichten Person Jesu Christi. Wir haben diese Episode durch die Augen anderer erblickt. Petrus, Jakobus und Johannes haben uns durch einen anderen Apostel, Matthäus, davon erzählt. Wir bleiben Zuschauer, aber es ist eine Erfahrung, an der wir eines Tages teilhaben werden. Dies haben wir vergessen. Wir haben für uns die Sprache des vierten grossen Ereignisses in Christi Leben angenommen, und viele von uns haben versucht, an ihr teilzuhaben und in die Bedeutung der Kreuzigung einzugehen. Wir haben auf die Verklärung geblickt, aber wir haben nicht versucht, wirklich verklärt zu werden. Doch dies muss eines Tages mit uns geschehen, und nur nach der Verklärung können wir es wagen, den Berg von Golgatha zu ersteigen. Nur wenn wir erreicht haben, dass die niedere persönliche Natur Göttliches ausdrückt, werden wir jene Würde und jenen Wert besitzen, denen unter dem göttlichen Plan erlaubt werden kann, gekreuzigt zu werden. Dies ist eine vergessene Wahrheit. Doch es ist alles ein Teil des evolutionären Vorgangs, in dem Gott durch die Menschheit offenbart wird.

Das grosse und natürliche Phänomen, das die Menschheit eines Tages durch Selbst-Ausdruck und auch unter dem Gesetz offenbaren wird, schliesst in sich die Schönheit ein, die von Christus ausstrahlte, als er verklärt vor seinen drei Freunden stand, von Gott, seinem Vater, anerkannt wurde und die Bestätigung erhielt [159] durch Moses und Elias, das Gesetz und die Propheten, die Vergangenheit und durch das, was für die Zukunft Zeugnis ablegte.

Ein Punkt sollte hier herausgestellt werden. In der Oriental Correspondence über diese fünf Krisen im Leben Jesu Christi wird diese dritte Episode die «Hütten»-Einweihung genannt, und die Worte des Petrus, als er vorschlägt, sie sollten drei «Hütten» bauen, eine für Christus, eine für Moses und eine für Elias, verbinden dieses christliche Geschehen mit seinem alten Urbild. Immer wird in diesen sich selten ereignenden Geschehnissen Gott durch Licht verherrlicht, unaussprechlich strahlend, durch die Hülle des Fleisches hindurchscheinend, und diese Bergerfahrung ist nicht allein christlich. Aber Christus hat als erster alle möglichen Erfahrungen über die Manifestation des Göttlichen in einer aufeinander folgenden Darstellung gesammelt und sie zu unserer Belehrung und Erleuchtung in seiner Lebensgeschichte und in den fünf Evangeliums-Episoden dargestellt. Immer mehr Menschen werden durch die Geburts-Grotte hindurchgehen, werden in den Strom eintreten, den Berg besteigen und so Gottes Werk für die Menschheit fördern; das Beispiel Christi trägt schnell Früchte und bringt Ergebnisse. Das Göttliche kann nicht weggeleugnet werden, und der Mensch ist göttlich. Wenn er es nicht ist, dann ist die Vaterschaft Gottes nur eine leere Wortform, Christus und seine Apostel wären im Irrtum, wenn sie, wie sie beständig taten, die Tatsache unserer Sohnschaft anerkannten. Die Göttlichkeit des Menschen kann nicht wegerklärt werden. Sie ist entweder eine Tatsache oder nicht. Gott kann entweder im Fleisch erkannt werden durch seine Kinder oder nicht. Alles ist zurückzuführen auf Gott den Vater, den Schöpfer, den Einen, in dem wir leben und uns bewegen und unser Dasein haben. Gott ist entweder innewohnend in allen seinen Geschöpfen oder nicht. Gott ist transzendent und jenseits der Manifestation, oder es besteht keine grundlegende Realität, kein Zweck oder Ursprung. Möglicherweise ist die im menschlichen Denken wachsende Erkenntnis wahr, dass er beides ist, immanent und transzendent, und wir können uns auf seine Vaterschaft einstellen, uns als göttlich erkennen, weil Christus und die Kirche zu allen Zeiten Zeugnis davon gegeben haben.

Diesmal [160] unterscheidet sich das gesprochene WORT von dem vorhergehenden. Der erste Teil der Verkündigung durch den schweigend hinter der Szene stehenden Initiator, wenn Jesus Einweihung nach Einweihung nimmt, ist praktisch der gleiche wie bei der Taufeinweihung, bis auf einen ausgesprochenen Befehl. Er sagte: «Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe», setzte aber diesmal hinzu: «Ihn sollt ihr hören!» Bei dem ersten grossen Geschehen liess Gott der Vater, dessen Symbol der Initiator ist, seine Gegenwart nicht erkennen. Die Engel sprachen das Wort und deuteten die Mission Christi in seinem Namen an. Bei der Taufe liess er ihm Anerkennung zuteilwerden, und das war alles. Bei dieser Einweihung befahl Gott der Menschheit, diesem besonderen Höhepunkt in Christi Leben Aufmerksamkeit zu zollen und auf seine Worte zu hören. Christus ist nun die Macht und das Recht zu sprechen verliehen, und es ist interessant zu bemerken, dass der grösste Teil der Lehre (wie sie im Johannes-Evangelium und in vielen Gleichnissen steht) von Christus erst nach dieser Erfahrung gegeben wurde. Wieder gab Gott Zeugnis, dass er die Messiasschaft Christi anerkannte, welches Wort die menschliche Auslegung dieser Anerkennung ist. Bei der Taufe erkannte er ihn als seinen Sohn an, vom Herzen des Vaters aus in die Welt gesandt, den Willen Gottes hinauszutragen. Das, was Christus schon als Kind im Tempel erkannt hatte, ward später von Gott gutgeheissen. Diese Anerkennung wird wiederholt und die Bestätigung verstärkt durch den Befehl an die Welt, sie möge auf die Worte des Erlösers hören, oder vielleicht vom esoterischen und geistigen Standpunkt sie möge das WORT hören, das Gott war, der Fleisch wurde.

«Es besteht in der Tat eine innere Verbindung zwischen der Taufe und der Verklärung. In beiden Fällen ist die Offenbarung des Geheimnisses der Person Jesu von einem Zustand der Ekstase begleitet. Das erste Mal war die Offenbarung für ihn allein, hier nehmen auch die Jünger teil. Es ist nicht klar, bis zu welcher Höhe sie selbst durch die Erfahrung gebracht wurden. So viel ist sicher, dass ihnen in der Verwirrung, aus der sie erst am Ende der Szene erwachten (Markus IX/8), die Gestalt Jesu in übernatürlichem Licht und von Glanz erleuchtet erschien und dass ihnen eine Stimme zu verstehen gab, er sei der Sohn Gottes. Dieses Ereignis kann nur als die Folge grosser eschatologischer Erregung erklärt [161] werden». (Das Mysterium vom Reich Gottes, von Albert Schweitzer, S. 181, 182)

Derselbe Schriftsteller fährt mit seinen Ausführungen fort: «Wir haben deshalb drei Offenbarungen des Geheimnisses der Messiasschaft, die so zusammenhängen, dass jede folgende die vorhergehende einschliesst. Auf dem Berg nahe Bethsaida wurde den Dreien das Geheimnis offenbart, das Jesus bei seiner Taufe enthüllt wurde. Das war nach der Ernte. Ein paar Wochen später ward es den Zwölfen bekannt durch die Tatsache, dass Petrus bei Cäsarea Philippi Jesu Frage beantwortete, aus dem Wissen heraus, das er auf dem Berg erlangt hatte. Einer von den Zwölfen verriet das Geheimnis dem Hohepriester. Diese letzte Offenbarung des Geheimnisses war verhängnisvoll, sie hatte den Tod Jesu zur Folge. Er ward als Messias verurteilten obwohl er niemals in dieser Rolle erschienen war». (a. a. O., S. 217, 218)

Dies ruft insgesamt die Frage nach der Art der Mission hervor, die zu fördern Christus kam, und die den Willen Gottes in sich barg, den er zu erfüllen kam. Hier sollen drei Hauptgesichtspunkte angeführt werden, wie sie orthodoxe Christen gewöhnlich vertreten.

1. Christus kam, um am Kreuz zu sterben, um den Grimm eines zornigen Gottes zu besänftigen und jenen, die an ihn glauben, möglich zu machen, in den Himmel zu kommen.

2. Er kam, um uns die wirkliche Natur der Vollkommenheit zu zeigen und, wie Göttlichkeit in menschlicher Form dargestellt werden kann.

3. Er kam, um uns ein Beispiel zu hinterlassen, damit wir seinen Fussspuren folgen sollten.

Christus selbst legte auf seinen Kreuzestod nicht den Nachdruck, als sei dieser der Gipfel seines Lebenswerkes. Er war das Ergebnis seines Lebenswerks, aber nicht das, wofür er in die Welt kam. Er kam, dass wir «das Leben und volle Genüge» haben sollten, und Johannes sagt uns in seinem Evangelium, dass die neue Geburt [162] von dem Glauben an Christus abhängt, wenn uns die Macht gegeben ist, «Söhne Gottes zu werden, nämlich jenen, die an seinen Namen glauben, welche nicht aus dem Blut, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind». (Joh. I/13)

Ist es nicht vernünftig, wenn wir aus diesen Worten schliessen, dass dann, wenn ein Mensch den Punkt des Erkennens und Glaubens an den kosmischen Christus erreicht hat, an «das Lamm, das erschlagen wird vom Anbeginn der Welt» (Offenbarung XIII/8), die neue Geburt möglich wird? Denn das Leben dieses universellen Christus, das jede Form göttlichen Ausdrucks belebt, kann dann bewusst und definitiv den Menschen zu einer neuen Darstellung des Göttlichen vorwärtstragen. Das «Blut ist das Leben» (Gen. IX/4), und es ist der lebendige Christus, der es für alle möglich macht, Bürger jenes Reichs zu werden. Es ist das Christusleben in jedem von uns, das uns zu Söhnen des Vaters macht, nicht sein Tod. Nirgendwo in der Evangeliengeschichte findet eine gegenteilige Feststellung Rückhalt. Christus gab beim Abendmahl seinen Jüngern den Kelch zu trinken und sagte dabei: «Dies ist mein Blut des Neuen Testamentes, welches vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden» (Matth. XXVI/28). Aber dies ist seine einzige Bezugnahme auf Blut in seinem heilenden Aspekt, der so stark in den Episteln betont wird, und er bringt nirgends Blut in Beziehung zur Kreuzigung. Er spricht in der gegenwärtigen Zeitform und bezieht das Blut nicht auf die neue Geburt oder die Kreuzigung oder macht es zu einem Faktor in der Ausschliesslichkeit, welche die Darstellung des Christentums in der Welt so sehr gefärbt hat.

Das Christusleben in allen Formen bringt den Drang zur Evolution hervor. Es ist das Christusleben, das in der natürlichen Welt den sich stetig entfaltenden Ausdruck der Göttlichkeit möglich macht. Es ist tief innen im Herzen eines jeden Menschen. Das Christusleben bringt ihn schliesslich zu dem Punkt, wo er das Menschenreich verlässt (wenn das Werk normaler Evolution seinen Teil getan hat), und führt ihn in das Reich des Geistes. Die Erkenntnis [163] des Christuslebens innerhalb der Form des Menschen lässt jedes menschliche Wesen zu gegebener Zeit die Rolle der Jungfrau Maria spielen für diese innewohnende Wirklichkeit. Es ist das Christusleben, das bei der neuen Geburt zu vollerem Ausdruck kommt und den sich entwickelnden Sohn Gottes von Krise zu Krise weiterführt, bis er vollendet dasteht und «das Mass der Fülle des Christus» erreicht hat. (Ephes. IV/13)

Wir werden später sehen, dass die neue Weltreligion auf der Offenbarung des auferstandenen Christus beruhen muss. Christus am Kreuz, wie wir sehen, wenn wir den nächsten Höhepunkt studieren werden, zeigte uns Liebe und Opfer in ihrem höchsten Ausdruck, aber Christus, der zu aller Zeit Lebendige und noch heute lebenskräftig Lebendige ist der Grundton des neuen Zeitalters, und auf dieser Wahrheit muss die neue Darstellung der Religion aufgebaut und später die neue Theologie errichtet werden. Die wahre Bedeutung der Auferstehung und der Himmelfahrt ist bis jetzt noch nicht begriffen worden. Als eine göttliche subjektive Wirklichkeit erwarten diese Wahrheiten noch ihre Offenbarung. Die Enthüllung dieser zwei Mysterien und unser Eintreten in ein vollkommeneres Verstehen Gottes als Leben wird die Herrlichkeit des neuen Zeitalters sein. Die wahre Kirche Christi ist die Gemeinschaft aller jener, die durch das Leben Christi leben und deren Leben eins ist mit dem seinen. Das wird zunehmend verwirklicht werden und wird das Wunder und die Herrlichkeit, die bis jetzt unoffenbart in Gott dem Vater ruhen, in ein klareres und strahlenderes Licht setzen.

Nur der Mensch, der etwas von der Bedeutung der Verklärungseinweihung und der Art der dort enthüllten Vollkommenheit verstanden hat, kann Christus zu der Vision nachfolgen, die ihm gewährt wurde, als er von jenem hohen Punkt der Zielerreichung herunterkam, und kann später mit ihm am Verstehen der Art des Weltdienstes teilhaben. Dieser Weltdienst wird vollkommen von jenen geleistet, deren innere Vollkommenheit sich der von Christus nähert und deren Leben durch die gleichen göttlichen Impulse bestimmt und derselben Vision untergeordnet wird. Diese Stufe bedeutet zugleich jene vollständige geistige Freiheit, die wir schliesslich erreichen müssen.

Nun ist die [164] Zeit für die Menschen gekommen, den Glauben aufzugeben und zu wahrem Wissen überzugehen durch das Denken, Überlegen, Experiment, die Erfahrung und Offenbarung. Das unmittelbare Problem für alle, welche dieses neue Wissen suchen und die anstelle treuer Gläubiger bewusst Wissende werden möchten, ist, dass sie es in der Welt alltäglichen Lebens erreichen sollen. Nach jeder Bewusstseinserweiterung und nach jeder Entfaltung eines vertieften Gewahrwerdens kehren wir zurück, wie Christus, zu den Ebenen des Alltagslebens und unterziehen unser Wissen der Prüfung, entdecken seine Wirklichkeit und Wahrheit und finden auch heraus, worin für uns der nächste Erweiterungspunkt liegt und welches neue Wissen erworben werden muss. Die Aufgabe des Jüngers ist das Verstehen und die Anwendung seiner Göttlichkeit. Das Wissen um den immanenten Gott, jedoch gegründet auf den Glauben an den transzendenten Gott, ist unser Bestreben.

Dies war die Erfahrung der Apostel auf dem Bergesgipfel. Es wird uns gesagt, dass «als sie ihre Augen aufhoben, sie niemand sahen als Jesus allein». (Matth. XVII/8) Das Gewohnte erschien ihnen wieder. Es ist von wirklichem Interesse, damit eine etwas ähnliche Geschichte in der Bhagavad Gita zu vergleichen, worin sich Arjuna die verherrlichte Gestalt des Herrn offenbart. Am Schluss der Offenbarung sagt Gott in der Gestalt Krishnas mit Zartheit und Verstehen zu ihm: «Lasse keine Furcht oder Verwirrung dich überkommen, wenn du mich in so schrecklicher Gestalt erblickst! Siehe meine frühere Gestalt noch einmal, deine Furcht vergeht, dein Herz kommt zur Ruhe». Und dann sagt er zu ihm: «Diese meine Gestalt, die du gesehen hast, ist in der Tat schwierig anzusehen. Selbst die Götter wünschen immer einen Anblick dieser Form. Ich kann auch nicht durch die Veden, durch Busse, Gaben und Opfer gesehen werden in der Form, die du gesehen hast. Aber ich kann so erkannt werden durch aufrichtige Liebe, Arjuna, und gesehen, wie ich wirklich bin, und man kann in mich eingehen, o Vernichter des Feindes!» (Bhagavad Gita, XI/49, 52, 53, 54)

Das Wort der Anerkennung ist hinausgegangen, und der Befehl, [165] auf Christus zu hören, ist gegeben worden. Nachdem Jesus «in seine gewöhnliche Gestalt» zurückgekehrt war, musste das Herabsteigen vom Berg folgen. Dann geschah, was als eine grosse, traurige geistige Reaktion angesehen werden könnte, unvermeidlich und schrecklich, von Christus mit folgenden Worten ausgedrückt:

«Des Menschen Sohn wird überantwortet werden in der Menschen Hände, und sie werden ihn töten, und am dritten Tag wird er wieder auferstehen». (Matth. XVII/22, 23)

Dann kommt die schlichte Bemerkung, dass die Jünger «sehr betrübt waren». Diese Vorschau Christi zerfällt, wenn wir ihr in den Berichten nachgehen, in zwei Teile: Zuerst hatte er eine Vision von dem erreichten Ziel. Das Berggipfel-Ziel, eine grosse geistige Erfahrung, lag hinter ihm. Nun hat er die Vorausschau auf eine physische Vollendung in Form des triumphalen Einzugs in Jerusalem. Doch diese ist begleitet von einer Vorahnung oder Voraussicht auf den Höhepunkt seines Lebens des Dienens auf dem Kreuz. Er sah klar, vielleicht zum ersten Mal, was vor ihm lag, und die Richtung, in die sein Dienst für die Welt ihn führte. Die «via dolorosa» eines Welterlösers dehnte sich vor ihm aus. Das Schicksal aller wegbahnenden Seelen gipfelte in seiner Erfahrung, und er sah sich geschmäht, gepeinigt und getötet, wie es vielen geringeren Söhnen Gottes geschehen war. Der Annahme durch die Welt geht immer die Ablehnung durch die Welt voraus. Enttäuschung ist eine Stufe auf dem Weg zur Wirklichkeit. Von jenen gehasst zu werden, die bis jetzt noch nicht bereit sind, die Welt geistiger Werte zu erkennen, ist immer das Schicksal derjenigen, die dazu bereit sind. Dies stand vor Christus, und dennoch «wendete er sein Angesicht, stracks nach Jerusalem zu wandern». (Lukas IX/5 1 )

Wenn wir diese Geschehnisse betrachten, so wird die besondere Prüfung, die Christus nun begegnete, in unserem Denken klar. Es war wieder eine dreifache Prüfung, wie jene nach der Taufe-Einweihung, aber diesmal war sie von weit feinerer Natur. Er wurde vor die Prüfung gestellt, ob er weltlichen Erfolg ertragen und handhaben, den triumphalen Weg seines Einzugs in die Heilige [166] Stadt weitergehen könnte, ohne von seinem Zweck abzuweichen, ohne von materiellen Zielen angezogen zu werden und indem er als König der Juden ausgerufen wurde. Erfolg stellt eine viel drastischere Schulung dar und erzeugt viel mehr Gelegenheiten, Gott und die Wirklichkeit zu vergessen, als Fehlschläge und geringschätzige Behandlung. Selbstbemitleidung, ein Gefühl des Märtyrertums und Resignation sind mächtige und wirkungsvolle Züge der Behandlung von jemandes Fehlschlag. Doch weit schwierigeren Faktoren steht man gegenüber beim Aufstieg auf den Kamm der Woge, bei öffentlicher Anerkennung und wenn es scheint, als sei das irdische Ziel erreicht. Diesem Problem stand Christus gegenüber, und er begegnete ihm mit geistigem Gleichmut und mit jener weitblickenden Weisheit, die einen richtigen Sinn für Werte und einen genauen Sinn für Massstäbe hervorbringt.

Die zweite Phase der Prüfung lag in seiner Vorschau in bezug auf sein Ende. Er wusste, dass er sterben musste, und er wusste, wie er sterben würde, und dennoch ging er, obwohl er Unheil voraussah, unbeirrbar auf dem ihm bestimmten Weg weiter. Er hatte nicht nur die Kraft des Ertragens von Erfolg, sondern auch die Kraft, dem Unheil zu begegnen, zu zeigen, indem er beide gegeneinander im Gleichgewicht hielt und in beiden einfach Gelegenheiten für den Ausdruck des Göttlichen und Gebiete für die Darlegung von Loslösung sah jenes hervorragende Merkmal eines Menschen, der wiedergeboren, geläutert und verklärt ist. Zu diesen Prüfungen kam diejenige hinzu, der er vorher in der Wüste begegnet war, die Prüfung gänzlicher Einsamkeit. Die Kraft, Erfolg zu ertragen; die Kraft, Unglück durchzustehen, die Kraft, völlig allein zu sein. Dies hatte Christus der Welt zu zeigen, und er tat es. Er stand triumphierend vor der Welt während einer Zwischenstufe auf seinem Weg zum Kreuz. Die Qual der Einsamkeit im Garten Gethsemane war vielleicht ein viel härteres Moment für ihn als die Öffentlichkeit am Hügel von Golgatha. Aber in diesen feineren Prüfungen ward die Eigenschaft Gottes selbst offenbart, und es ist Gottes Eigenschaft und Bedeutung, welche die Welt erlösen, die Eigenschaft seines Lebens, die Liebe und Weisheit und Wert und Wirklichkeit ist. Alles dieses vollendete Christus.

Unmittelbar beim Abstieg vom Bergesgipfel begann Christus [167] wieder zu dienen. Er traf, wie wir wissen, einen bedrängten Menschen, und er entsprach sofort der Notwendigkeit. Eines der hervorragendsten Merkmale jeder Einweihung ist die vermehrte Fähigkeit und Geschicklichkeit des Eingeweihten, zu dienen. Christus zeigte einen ganz neuen und einzigartigen Weg, auf dem er sowohl zu den Massen sprechen und ihnen begegnen konnte, als auch privat und persönlich seine erwählten Wenigen belehren. Seine Kraft zu heilen dauerte an, aber sein Werk ging über in ein Gebiet neuer Werte, und er sprach jene Worte und verkündete jene Wahrheiten, welche die Gründung des Glaubens jener bewiesen haben, welche die Einsicht hatten, die theologische Darstellung des Christentums zu durchdringen und darin die Wirklichkeit zu finden. Sein Dienst in dieser Zeit bestand vor allem im Lehren und Predigen. Doch die Weisheit und Schönheit seiner Darstellung der Wahrheit besteht darin, dass er das Göttliche in Formen kleidete, die der Durchschnittsmensch verstehen konnte. Er überbrückte das Alte und das Neue und brachte jene neue Wahrheit und jene besondere Offenbarung heraus, die zu der Zeit notwendig war, um die alte Weisheit und die modernere Hoffnung zu vereinigen. Keyserling hat das Wunder dessen, was der Welterlöser tut, erfasst und spricht es in folgenden Worten aus:

«... das grosse Denken ist wesentlich der Erwecker. Wenn solch ein Denken das gänzlich Neue, das Einzigartige äussert, so würde dies anderen Menschen nichts sagen. Sein sozialer Wert hängt völlig ab von seiner Fähigkeit, klar zu äussern, was alle im innersten Herzen als wahr empfinden, denn, könnte er sonst verstanden werden? und es in einer so universalen Weise zu äussern, nämlich so sehr in Übereinstimmung mit den in Frage stehenden betreffenden Gesetzen, dass seine Ideen Werkzeuge werden für andere». (Die Wiederentdeckung der Wahrheit, von Hermann Keyserling, S. 213)

Christus gab uns eine grosse Idee. Er gab uns die neue Auffassung, dass Gott Liebe ist, gleichgültig, was in der Welt des Unmittelbaren geschehen möchte. Alle grossen Ideen kommen durch die Vermittlung der grossen Erleuchteten aus der Welt des Göttlichen hervor, und die Geschichte der Menschheit ist wesentlich die Geschichte von Ideen, ihrer Hervorbringung durch einige intuitive [168] Denker, ihrer Anerkennung durch die wenigen, ihres Wachstums in Volkstümlichkeit und ihres endlichen Eingehens in die Gedankenwelt, die Welt der Vorbilder der Denker der Menschheit. Dann ist ihr Schicksal entschieden, und schliesslich wird die neue und einzigartige Idee das volkstümliche und öffentlich angenommene Vorbild menschlicher Führung. «Die Frage, ob Persönlichkeiten oder Ideen das Schicksal eines Zeitalters bestimmen, ist dahin zu beantworten, dass das Zeitalter seine Ideen von den Persönlichkeiten erhält». (Verfall und Wiederaufbau der Zivilisation, von Albert Schweitzer, S. 82) Christus verkörperte eine grosse Idee, die Idee, dass Gott Liebe und Liebe die bewegende Kraft des Universums ist. Diese schafft die Erleuchtung, die Christus als das Licht der Welt auf alle Weltereignisse ausstrahlte. Die Majestät dieser Verwirklichung kann nicht überbetont werden. Wir müssen dies viel tiefer und stärker erfassen, als wir es tun, denn es bildet den grundlegenden, fundamentalen Charakter und die Qualität aller Ereignisse, von welcher äusseren Erscheinung sie auch sein mögen. Christus erleuchtet das Leben. Dies war einer seiner wichtigsten Beiträge zum Leben, wie es heute gelebt wird. Er sagt in Wirklichkeit: Gott liebt die Welt; allem, was geschieht, liegt Liebe zugrunde. Wenn dies als Tatsache und fundamentale Wahrheit erkannt wird, erleuchtet es das ganze Leben und erleichtert jede Bürde. Ursache und Wirkung werden zusammengebracht, und Gottes Absicht und seine Methode werden als eines erkannt. Theologen haben dies oft vergessen, wenn sie um die mehr äusseren Aspekte des Christuslebens stritten. Was er in seiner Wirksamkeit als «das Licht der Welt» erleuchtete, was er an göttlichem Licht empfing und für die Welt ausgoss, was er zurückstrahlte, wird oft übersehen in dem Streit, solche Lehren zu beweisen, wie die Tatsache der unbefleckten Jungfrau Maria und der daraus hervorgehenden Geburt Christi mittels einer unbefleckten Empfängnis. Heutzutage machen sich nur wenige der jüngeren Generation etwas aus solchen Lehrsätzen. Lasst uns dies ganz nachdrücklich feststellen. Aber uns ist daran gelegen, dass die Liebe, die er ausdrückte, in der Welt zum Ausdruck kommen und dass die Erleuchtung, die er mit sich brachte, «unsere Finsternis erleuchten» sollte.

Christus liess klar die Note ertönen, welche die neue Zivilisation und die neue Ordnung einleiten kann, und ein genaues Studium der Ideale und Ideen, die heute den grossen, von den [169] verschiedenen Nationen unternommenen Experimenten ohne Ausnahme zugrundeliegen, wird zeigen, dass diese im wesentlichen auf einer entschieden christusgemässen Auffassung gegründet sind. Dass ihre Methode der Anwendung und die verwendete Technik häufig unchristlich sind, ist leider wahr, aber die grundlegenden Begriffe werden das gleiche Licht tragen, das Christus auf sie werfen kann. Die Hauptschwierigkeit ist gewesen, dass unser intellektuelles Erfassen der Begriffe von unserer persönlichen Entwicklung abhängt und deshalb unheilvoll auf deren Anwendung durch uns abfärbt. Wenn diese Grundideen von den geweihten Denkern der Menschheit in Weltideale verwandelt und in dem Geist angewendet sein werden, in dem Christus sie empfing, dann werden wir tatsächlich eine neue Weltordnung einleiten.

Es ist von höchstem Wert, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass das, was Christus wirklich tat, die Einführung in das Zeitalter des DIENENS war, selbst wenn wir heute (zweitausend Jahre, nachdem er uns ein Beispiel gab) erst beginnen, die Folgerungen dieses so weithin gebrauchten Wortes zu begreifen. Wir sind geneigt gewesen, Erlösung in Begriffen des Individuums anzusehen und sie vom Gesichtspunkt individueller Erlösung zu betrachten. Diese Haltung muss ein Ende haben, wenn wir jemals den Christusgeist verstehen wollen. Ein grosser Japaner stellte die Frage: «Was ist das primäre Ziel einer Religion, die wert ist zu bestehen?» und er sagt dann, dass es Erlösung ist, aber eine Erlösung, die «erfüllt ist von Befreiung und Wiederherstellung des Lebens und der Welt». (Moderne Richtungen in Weltreligionen, engl., herausgegeben von A. E. Haydon, Zitat Kishio Satomi, S. 75) Dienen wird immer mehr das Ziel aller menschlichen Angelegenheiten. Sogar das moderne Geschäftsleben kommt zu der Erkenntnis, dass es ein antreibendes Mittel sein muss, wenn das Geschäft, wie wir es im modernen Sinn verstehen, am Leben bleiben soll. Worauf ist diese allgemeine Ansicht begründet? Sicherlich auf unserer universellen Beziehung zur Gottheit und unserer subjektiven Verbindung zueinander, die ihre Wurzel wiederum in unserer Verbindung mit Gott hat.

Das ist natürlich die Grundlage des Dienens. Es muss, wie es bei Jesus Christus war, ein spontanes Ergebnis der Göttlichkeit sein. Eines der [170] stärksten Argumente für die göttliche Entfaltung des Menschen ist das Auftauchen dieser Neigung zu dienen in grossem Umfang. Wir sind eben dabei, eine schwache Vision dessen zu erhalten, was Christus mit Dienen meint. Er erweiterte dieses bewegende Motiv des Dienens zu dem Umfang, dass er sagte, wenn das allgemeine Gute und dein persönlicher Erfolg oder dein Wohlergehen in Konflikt kommen, du dich opfern musst, und nicht den anderen Menschen». (Moderne Richtungen in Weltreligionen, engl., von A. E. Haydon, S. 106) Die Idee des Dienens steht natürlich im vollkommenen Gegensatz zu der üblichen wetteifernden Haltung zum Leben und der allgemeinen Selbstsucht, die der Durchschnittsmensch zeigt. Aber für den Menschen, der Christus zu folgen und schliesslich den Berg der Verklärung zu erklimmen sucht, führt der Dienst unvermeidlich zu vermehrter Erleuchtung, und Erleuchtung ihrerseits muss ihren Ausdruck finden in erneutem und geweihtem Dienst. So finden wir durch Dienst an unseren Mitmenschen zu dem Weg, den Christus ging. Seinen Schritten folgend, erwerben wir schliesslich die Kraft, als Erleuchtete und als Christus ähnliche Männer und Frauen in unserer normalen täglichen Umgebung zu leben.

Was ist also das Geschenk, das jeder von uns der Welt machen kann, wenn wir das Leben Christi studieren und in Gedanken mit ihm von einer Einweihung zur anderen schreiten? Wir können nach dieser Grösse im Handeln streben, die unsere natürliche Mittelmässigkeit ablösen und das Göttliche in jedem von uns allmählich enthüllen wird. Jeder kann dastehen wie ein Leuchtfeuer und den Weg zu dem Zentrum zeigen, von dem das WORT ausgeht, und jeder kann beginnen, in seinem täglichen Leben etwas von der Eigenschaft Gottes darzustellen, die Christus so vollkommen zeigte und die ihn im Triumph vom Berg der Verklärung hinabtrug in das Tal der Pflicht und des Dienstes und ihn befähigte, mit fester Entschlossenheit vorwärts zu schreiten zu der Kreuz-Erfahrung, durch den triumphalen Weg jauchzenden Beifalls und die schweren Wege von Verlassenheit und Einsamkeit.

Es drängt mich sehr, zu schliessen mit einigen Worten Arjunas, die er lange vor der christlichen Ära zu Krishna sagte, nach der Offenbarung der unverhüllten Schönheit, zu der er zugelassen worden war. Ihre Bedeutung steht ausser Frage. Man kann sich beinahe vorstellen, dass Petrus oder Johannes sie zu Christus sagten, als sie ihre Augen öffneten und «Jesus allein sahen». Sie lassen sich vielleicht auch auf uns anwenden, wenn wir Christus und unsere Beziehung zu ihm betrachten. «Wenn ich überlege, wie ich dich so brüsk als Kameraden angeredet habe ... ohne deine Grösse zu kennen, oder wie ich nachlässig war oder durch eine Stimmung oder was immer ich getan habe, um einen unziemlichen Scherz mit dir zu machen, beim Reisen, Ruhen oder beim Sitzen, beim gemeinsamen Essen, ob allein, o, ungefallener Einer! oder in Gegenwart von anderen für all dieses bitte ich dich um Vergebung, unermesslicher Einer! Du bist der Vater der Welt, der Schöpfer aller Dinge! Du bist wert aller Ehre bist der verehrungswürdige Lehrer der Welt. Niemand ist, der dir gleicht; wie könnte etwas grösser sein? Sogar in den drei Welten ist nichts, was dir gleicht an Macht.

Indem ich niederfalle und mich vor dir neige, suche ich deine Gnade, o würdigster Herr! Wie der Vater dem Sohn, der Freund dem Freund, der Liebende dem Geliebten, so gewähre du, o Herr, mir Vergebung! Ich frohlocke, weil ich erblickt habe, was niemals zuvor gesehen wurde, und mein Herz zittert in Furcht. Zeige mir, o Herr, deine frühere Gestalt, Herr der Götter! Sei gnädig, Erhalter der Welten!» (Bhagavad Gita, XI/4145)