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Sechstes Kapitel - Die fünfte Einweihung….. Die Auferstehung und Himmelfahrt - Teil 1

Sechstes Kapitel

Die fünfte Einweihung..... Die Auferstehung und Himmelfahrt

Leitgedanke:

«Getrennt von Christus, wissen [229] wir weder, was unser Leben, noch was unser Tod ist, wissen wir weder, was Gott ist, noch was wir selbst sind». (Pascal: Pensées)

«Es gibt eine Seele über der Seele jedes einzelnen,

Eine machtvollere Seele, die dennoch zu jedem gehört.

Es besteht ein Klang, gebildet aus allem menschlichen Sprechen,

So vieltönig, wie aller Gesänge Zusammenklang.

In dieser SEELE lebt jeder, in jedem diese SEELE.

Ihre Lebenszeiten durch alle Zeitalter hindurch sind unermesslich.

Jede Seele, die stirbt, empfängt in ihrem heiligsten Ganzen Leben, das für immer dauern soll.» (Richard Watson Dixon)

Sechstes Kapitel

Die fünfte Einweihung. ... Die Auferstehung und Himmelfahrt

Diese Einweihung [231] ist zweigeteilt, und von keinem Teil wissen wir viel. Die Einzelheiten der Auferstehungs-Episode oder -Krise im Leben Christi sind von den Verfassern des Neuen Testaments nicht erzählt worden. Es war für sie nicht möglich, mehr zu wissen. Nach der Kreuzigung wird uns von Christi eigenem Leben und davon wenig gesagt, womit er sich in der Zeit zwischen seinem Auferstehen und jenem Zeitpunkt befasste, als er die Gemeinschaft der Apostel verliess und «in den Himmel auffuhr» ein symbolischer Ausdruck, der für jeden von uns sehr wenig bedeuten kann. Die entscheidende Einweihung, die von der Menschheit heute verstanden werden kann, ist die vierte. Nur, wenn wir die Bedeutung des Dienens und des Opfers erfasst haben, kann uns die Tatsache der Unsterblichkeit und ihrer wahren Bedeutung offenbart werden. Wie Christus auferstand, welchen Prozessen er sich unterzog, in was für einem Körper er genau erschien, können wir nicht sagen. Es wird uns durch die Apostel versichert, dass dieser Körper dem ähnlich war, den er vorher verwendet hatte, aber ob es derselbe Körper, wunderbar auferstanden, ob es sein geistiger Körper war, der den physischen Augen derer, die ihn liebten, als der gleiche erschien, oder ob er einen gänzlich neuen Körper aufgebaut hatte, der im allgemeinen dem vorigen entsprach, ist für uns nicht möglich zu sagen. Noch ist es möglich für uns, überzeugt zu sein, dass die Vision der Jünger übernatürlich war, oder dass, durch die Verstärkung seiner ausgestrahlten Göttlichkeit, Christus ihre innere Vision so angeregt hatte, dass sie hellsehend waren oder in einer anderen Dimension sahen. Die Hauptsache war, dass er auferstand, dass er von vielen gesehen wurde, und dass der Tatsache seiner Auferstehung im Denken seiner Freunde und für [232] die zwei oder drei Jahrhunderte nach seinem Scheiden Glauben geschenkt wurde.

Die Seelenverfassung der Jünger ist der beste Beweis für die Wirklichkeit ihrer Überzeugung, dass der Tod den Erlöser nicht halten konnte und dass er nach dem Tod unter ihnen gegenwärtig und lebendig war. Es ist schwierig für uns, diesen hohen Bewusstseinszustand zu erreichen, den sie hatten. Scheinbar war ihre Welt mit dem Kreuz zu Ende gegangen. Christus hatte sie augenscheinlich im Stich gelassen und, anstatt der göttliche Sohn Gottes und König der Juden zu sein, war er nichts als ein gewöhnlicher Mensch, des Verrats überführt und als alltäglicher Missetäter bestraft. Es ist nicht schwierig, sich vorzustellen, was sie während der drei Tage seiner Abwesenheit ertragen haben mussten: Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Verlust des Vertrauens zu sich selbst und des Ansehens unter ihren Freunden. Die gute Sache, der sich zu widmen sie so bereit gewesen waren, als sie mit Christus im Heiligen Land von Ort zu Ort wanderten, war zu Ende und zusammengebrochen. Ihr Führer war in Unehre geraten. Dann geschah etwas, was die ganze Richtung ihres Denkens änderte. Alles, was an Vertrauen, Hoffnung und Zweck verlorengegangen war, wurde wieder hergestellt, und die ersten paar Jahrhunderte der christlichen Geschichte (ehe die Theologie die Auslegung verdrehte und so das Evangelium der Liebe in einen Kult der Trennung verwandelte), offenbaren uns

«... eine Gemeinschaft von Männern und Frauen, voll von Vertrauen, Begeisterung und Mut, bereit, Verfolgung und Tod entgegenzutreten, eine Schar eifriger Missionare. Was hat ihnen diese neue Wesensart verliehen? Nicht lange vorher waren bei der ersten Drohung persönlicher Gefahr einige von ihnen voller Schrecken geflohen. Als Jesus gekreuzigt wurde, hatten sie den letzten Schimmer von Hoffnung verloren, dass er sich als der Christus erweisen möchte. Als er ins Grab gelegt wurde, war das Christentum tot und ebenfalls begraben. Nun, ein paar Wochen später, treffen wir diese Männer und Frauen, und sie sind völlig verändert. Nicht, dass da in einigen von ihnen ein schwaches Zurückkehren von Hoffnung gewesen wäre. Alle sind völlig gewiss, dass Jesus in der Tat der Christus ist. Was war geschehen, um diese Umwandlung zu verursachen? Ihre Antwort ist einstimmig: Am dritten Tag stand er von den Toten auf». (Das Tal und jenseits, engl., von Anthony C. Deane, S. 72)

«Christus ist [233] auferstanden!» rufen sie, und weil er auferstanden ist, kann das Reich Gottes auf Erden vorwärts gehen, und seine Botschaft der Liebe kann weit verbreitet werden. Nun, nach allen Widrigkeiten, wissen sie, dass er den Tod überwunden hat, und dass sie in den kommenden Jahren den Tod besiegt sehen werden. Dass sie das Reich als unmittelbar bevorstehend erwarteten, und dass sie ausschauten, um die Tatsache der Unsterblichkeit allgemein anerkannt zu sehen, ist offensichtlich aus ihren Schriften und ihrer Begeisterung. Dass sie im Irrtum waren, haben die nahezu 2000 Jahre des Christentums erwiesen. Wir sind noch nicht Bürger eines auf der Erde entschieden verwirklichten göttlichen Reichs, die Todesfurcht ist so stark wie immer, und noch ist die Tatsache der Unsterblichkeit nur eine Quelle von Vermutungen für Millionen. Doch es war ihr Zeitempfinden, das sich geirrt hatte und ihr Mangel an einem Verstehen der langsamen Vorgänge in der Natur. Die Evolution geht langsam vor sich, und erst heute stehen wir wahrhaft am Rand der Verwirklichung des Gottesreichs auf Erden. Weil dies das Ende eines Zeitalters ist, wissen wir, dass binnen kurzem die Gewalt des Todes über das menschliche Wesen und der Schrecken, den der Todesengel einflösst, verschwinden werden. Sie werden vergehen, weil wir den Tod nur als eine Stufe auf dem Weg zu Licht und Leben ansehen und uns vorstellen werden, dass, so, wie das Christusleben sich in und durch menschliche Wesen ausdrücken wird, diese sich selbst und in der Welt die Tatsache der Unsterblichkeit beweisen werden.

Der Schlüssel zur Überwindung des Todes und zur Erkenntnis von Bedeutung und Natur der Ewigkeit und der Fortdauer des Lebens kann mit Sicherheit nur dann offenbart werden, wenn Liebe das menschliche Bewusstsein beherrscht, und wo das Wohl des Ganzen und nicht das selbstsüchtige Wohl des Einzelnen zur höchsten Beachtung kommt. Nur durch Liebe (und Dienen als Ausdruck der Liebe) kann die wirkliche Botschaft Christi verstanden werden und der Mensch einer freudvollen Auferstehung entgegengehen. Liebe macht uns demütiger und zugleich weiser. Sie dringt zum Herzen der Wirklichkeit vor und hat die Fähigkeit, die in der Form verborgene Wahrheit zu entdecken. Die ersten Christen waren in dieser Weise einfach, weil sie einander liebten, weil sie [234] Christus liebten und den Christus in jedem von ihnen. Dr. Grensted führt dies in den folgenden Worten aus, in denen er eine gute Zusammenfassung der Haltung der ersten Christen und ihrer Annäherung an Christus und an das Leben in der Welt in jenen enthusiastischen Tagen gibt.

«Sie sprachen in schlichten Worten von Gott. Sie dachten bei Jesus von Nazareth nicht als an einen entscheidenden Versuch. Sie kannten ihn als Freund und Meister, und sie stürzten ihr ganzes Sein in die Begeisterung für seine Freundschaft und den Dienst. Ihre Predigten waren gute Nachrichten von Jesus. Sie setzten voraus, dass die Menschen bereits an etwas Bestimmtes dachten, wenn sie von Gott sprachen, und ohne das vom Judentum empfangene Erbe herauszufordern, setzten sie Seite an Seite damit den Jesus, den sie gekannt hatten, lebend und tot und wieder lebendig. Sie waren durch viel mehr gegangen als durch eine Zeit unerklärlicher Wunder, Heilungen und Stimmen und einer ungewöhnlichen Meisterschaft über die Natur selbst und zuletzt einer Überwindung des Todes. Wenn sie der Welt und uns allein diese Dinge gesagt hätten, würde man ihnen geglaubt haben. Solche Berichte haben immer Gehör gefunden, und die Menschen würden noch nichts mehr von der Absicht Gottes gewusst haben. Aber ihre Erfahrung war die einer solchen FREUNDSCHAFT gewesen, wie der Mensch sie bisher nicht gekannt hatte, die eines unseligen Fehlschlags und eines Vergebens, das über jedes Erwarten hinausging, und dann eines neuen, eines freien, eines schöpferischen Lebens. Sie hatten dies alles nicht von sich aus erreicht. Sie wussten, sie waren erneuerte Menschen, und sie wussten, dass die Art ihrer Erneuerung Liebe war. Dies war eine Vorsehung, eine Befreiung, grösser und bedeutender als alles, was der Jude jemals vom Schöpfer-Gott behauptete. Jedoch sie konnten darüber nicht anders denken, als dass dies sein Werk sei, weil Gott, wie ihre nationale Überlieferung lehrte, Eins ist. Das bedeutete für sie, wie wir es in unserer vorsichtigeren Weise ausdrücken möchten, die schöpferische Wirklichkeit, auf die sie mit allen Menschen mit Ungewissheit und sogar mit Furcht geblickt hatten. Hinfort wurde die zentrale Hypothese, welche die Menschen Gott nennen, als Liebe erkannt, und überall wurde er insofern offenbar gemacht, als von Christus Liebe ausgegangen war zu der Bruderschaft der christlichen Gemeinschaft». (Psychologie und Gott, engl., von L. W. Grensted, S. 237)

Christus war auferstanden, und durch seine Auferstehung hatte er bewiesen, dass die Menschheit in sich den Samen des Lebens trug und dass es keinen Tod gäbe für den Menschen, der den Fussspuren des Meisters folgen würde.

In der [235] Vergangenheit waren wir geneigt, die Tatsache der Auferstehung zu vergessen, weil wir gänzlich in der Betrachtung der Kreuzigung versunken waren. Jedoch am Ostertag bekunden überall in der Welt die Gläubigen ihren Glauben an den auferstandenen Christus und an das Leben jenseits des Grabes. Sie haben über die Möglichkeit seiner Auferstehung auf viele Arten argumentiert, ob er als Mensch oder als Sohn Gottes auferstanden sei. Sie sind tief interessiert gewesen zu beweisen, dass, weil er auferstanden ist, auch wir auferstehen werden, vorausgesetzt, dass wir an ihn glauben. Um der theologischen Notwendigkeit eines Beweises dafür zu entsprechen, dass Gott Liebe ist, haben wir einen Ort der Läuterung erfunden, der mit vielen Namen benannt wird, wie das Fegefeuer oder die bei den verschiedenen Glaubensbekenntnissen variierenden Stufen auf dem Weg der abgeschiedenen Geister zum Himmel, weil so viele Millionen sterben oder gestorben sind, ohne jemals von Christus gehört zu haben. Deshalb ist der Glaube an ihn als an eine historische Gestalt für sie nicht möglich. Wir haben solche Lehren entwickelt wie die einer bedingten Unsterblichkeit und der Sühne durch Jesu Blut, in dem Bemühen. die Persönlichkeit Jesu zu verherrlichen, die christlichen Gläubigen zu schützen und die menschliche Auslegung mit der Wahrheit in den Evangelien in Einklang zu bringen. Wir haben die Doktrin des Höllenfeuers und der ewigen Verdammnis gelehrt und dann versucht, diese in den allgemeinen Glauben, dass Gott Liebe ist, einzupassen.

Die Wahrheit jedoch ist, dass Christus starb und wieder auferstand, weil er die in einem menschlichen Körper wohnende Göttlichkeit war. Durch die Vorgänge der Evolution und Einweihung zeigte er uns die Bedeutung und den Zweck des göttlichen Lebens, das in ihm und in uns allen gegenwärtig ist. Weil Christus Mensch war, ist er auferstanden. Weil er auch göttlich war, ist er auferstanden, und in dem Auferstehungs-Drama offenbarte er uns jenen grossen Plan fortgesetzter Entfaltung, was zu offenbaren immer die Aufgabe der Mysterien aller Zeiten war.

Immer wieder haben wir gefunden, dass die drei in der Evangeliengeschichte erzählten Episoden keine isolierten Geschehnisse im Leben Jesu von Nazareth gewesen sind, sondern dass sie seit Urzeiten an den geheimen Plätzen der Mysterientempel wiederholt vollzogen wurden. Die Erlöser der Vergangenheit waren alle in der oder jener Form den Vorgängen des Todes unterworfen, [236] aber sie alle erhoben sich wieder oder wurden zur Herrlichkeit entrückt. In den Einweihungsfeierlichkeiten war dieses Begräbnis und die Auferstehung nach drei Tagen ein vertrautes Zeremoniell. Die Geschichte berichtet von vielen dieser Gottessöhne, die starben und wieder auferstanden und zuletzt in den Himmel aufstiegen. Wir finden zum Beispiel, dass «die Leichenfeierlichkeiten des Adonis in Alexandria (Ägypten) mit äusserster Prunkentfaltung vor sich gingen. Sein Bild wurde mit grosser Feierlichkeit zu einer Grabstätte getragen, um ihm die letzten Ehren zu erweisen. Vor dem Besingen seiner Rückkehr zum Leben wurden zu Ehren seines Leidens und seines Todes Trauerriten zelebriert; die grosse Wunde, die er empfing, wurde gezeigt, geradeso, wie die Wunde gezeigt wurde, die Christus durch den Stoss der Lanze zugefügt wurde. Das Fest seiner Auferstehung war auf den 25. März festgesetzt». (Ovids Metamorphosen, ins Englische übersetzt von Addison, zitiert in Taylors Diegesis, S. 148) Dieselbe Legende ist mit den Namen von Tammuz, Zoroaster, Äsculap verbunden. An den letzteren richtete Ovid folgende Worte:

«Heil, grosser Arzt der Welt! Heil Dir!

Heil, mächtiger Infant, der in den kommenden Jahren

Die Völker heilen und überflüssig machen wird die Grabstätten.

Schnell sei dein Wachstum, deine Triumphe unbegrenzt!

Mache Königreiche stark und vermehre die Menschheit!

Deine kühne Kunst soll den Tod ermuntern

Und den Donner auf dein schuldiges Haupt herabziehen.

Dann sollst du sterben, aber von dem dunklen Aufenthalt

Sollst du siegreich auferstehen und zweimal ein Gott sein».

(Ursprung des religiösen Glaubens, engl., von Dupius, S. 161)

Diese Worte hätten auch an Christus gerichtet werden können, und sie zeigen, wie alt die Mysterienlehre ist, die in ununterbrochener Fortdauer das Göttliche im Menschen offenbart und ihm den Weg eines Erlösers gezeigt hat. In alten Zeiten spielten sich die Mysterien jedoch im Geheimen ab, und die Einweihungsriten wurden [237] nur jenen zuteil, die geeignet waren, durch die fünf grossen Erfahrungen von der Geburt bis zur Auferstehung zu gehen. Die Einzigartigkeit von Christi Wirken lag in der Tatsache, dass er der erste war, der öffentlich vor der ganzen Welt die gesamten Einweihungsriten vorführte. Dadurch gab er der Menschheit eine in einer Person vereinigte Darstellung des Göttlichen, so dass alle sehen, wissen, glauben und seinen Fussspuren folgen konnten.

Dieselben Vorgänge werden von Herkules erzählt, von Baldur, von Mithra, von Bacchus und von Osiris, um nur einige aus der grossen Zahl zu erwähnen. Einer der ersten Kirchenväter, Firmicus Maternus, sagt uns, dass die Mysterien des Osiris eine grosse Ähnlichkeit mit der christlichen Lehre haben, und dass nach der Auferstehung des Osiris seine Freunde freudig zueinander sagten: «Wir haben ihn gefunden». Annie Besant führt in einem erklärenden Abschnitt aus, dass «es in den christlichen Mysterien wie in den alten ägyptischen, chaldäischen u.a. einen äusseren Symbolismus gibt, der die Stadien bezeichnete, durch die der Mensch hindurchging. Er wurde in den Einweihungsraum gebracht, mit ausgebreiteten Armen auf dem Boden ausgestreckt, manchmal auf einem Holzkreuz, manchmal nur auf dem Steinboden in der Stellung eines gekreuzigten Menschen. Er wurde dann über dem Herzen mit dem Thyrsus berührt der «Lanze» der Kreuzigung und, indem er den Körper verliess, ging er in die jenseitigen Welten. Der Körper fiel in tiefe Trance der Tod des Gekreuzigten. Er wurde in einen steinernen Sarkophag gelegt und darin unter sorgfältiger Bewachung belassen. Inzwischen hatte der Mensch selbst zuerst die fremden dunklen Regionen beschritten, die «das Herz der Erde» genannt werden, und danach den himmlischen Berg, wo er den nun völlig als ein Vehikel des Bewusstseins organisierten, vollkommenen Körper der Seligkeit anzog. In diesem kehrte er zu dem fleischlichen Körper zurück, um ihn wieder zu beleben. Das Kreuz, das diesen Körper trug, oder wenn kein Kreuz verwendet wurde der entrückte starre Körper wurde aus dem Sarkophag herausgehoben und auf eine geneigte Fläche gelegt, mit dem Gesicht nach Osten, bereit für das Aufgehen der Sonne am dritten Tag. In dem Augenblick, da die Strahlen der Sonne das Angesicht berührten, betrat der Christus, der vollkommene Eingeweihte oder Meister, wieder den Körper, verklärte ihn durch den Körper der Seligkeit, den er trug, veränderte den fleischlichen Körper durch Kontakt mit dem Körper der Seligkeit und gab ihm neue Eigenschaften, neue Kräfte, neue Fähigkeiten, indem er ihn zu seinem [238] Ebenbild verwandelte. Das war die Auferstehung des Christus, und danach war der fleischliche Körper selbst verwandelt und nahm eine neue Natur an». (Esoterisches Christentum, engl., von Annie Besant, S. 247, 248, 249)

So finden wir, dass die Auferstehungs-Geschichte sehr alt ist und dass Gott immer die Tatsache der Unsterblichkeit vor der Menschheit durch die Mysterien und durch seine erleuchteten Söhne kundgetan hat, wie vor unserer christlichen Welt durch den Tod und die Auferstehung seines geliebten Sohnes Jesus Christus.

Dieses ganze Problem des Todes und der Unsterblichkeit zieht jetzt einen grossen Teil öffentlicher Aufmerksamkeit auf sich. Der Weltkrieg brachte die Tatsache des Todes in einer neuen und fesselnden Weise vor das öffentliche Bewusstsein. Da war kaum eine Familie in über zwanzig Nationen, die nicht durch den Tod in der einen oder anderen Form beraubt worden wäre. Die Welt ist durch einen Prozess des Sterbens hindurchgegangen, und das Geheimnis der Auferstehung wird gegenwärtig im Denken der Menschen ein Thema von höchster Wichtigkeit. Der Gedanke der Auferstehung kommt näher, und seine Bedeutung ist durch die Zeitalter hindurch die Haupt-Idee der Freimaurer-Bruderschaft gewesen und bildete den Brennpunkt der Arbeit in dem erhabenen dritten Grad. In enge Beziehung zu dieser Freimaurer-»Auferstehung» kann eine wenig bekannte Predigt von Buddha gesetzt werden, in der er seine Jünger die Bedeutung der «fünf Punkte der Freundschaft» lehrt, und so diese fünf Punkte, die fünf Krisen im Leben Christi und die fünf Punkte in der Freimaurer-Legende verbindet. Alle diese Beziehungen dienen dazu, die Fortdauer der Offenbarung zu zeigen, von der die Auferstehung (mit der darauffolgenden Himmelfahrt) das höchste Ereignis für das Abendland war.

Es ist heute vordringlich notwendig, dass die Christenheit den lebendigen, auferstandenen Christus betont. Wir haben zu lange über Christi Tod diskutiert und der Welt einen eng-sektiererischen Christus aufzudrängen versucht. Wir haben die Feuer der Trennung genährt durch unsere christlichen Abgrenzungen, Kirchen, Sekten und «ismen». «Ihr Name ist Legion», und die meisten sind [239] auf irgendeiner sektiererischen Darstellung des toten Christus begründet und auf den früheren Aspekten seiner Geschichte. Wir wollen uns nun einigen auf der Grundlage des auferstandenen Christus Christus noch heute lebendig, Christus, die Quelle der Inspiration und der Gründer des Reichs Gottes; Christus, der kosmische CHRISTUS, ewig am Kreuz und dennoch ewig lebendig; Christus, der historische Erlöser, der Gründer des Christentums, der über seiner Kirche wacht; Christus, der mystische, mythische Christus, der auf dem Gewebe der Evangelien die Episoden der Entfaltung abbildet, so dass alle, die leben, erkennen und nachfolgen können; und Christus, heute lebendig in jedem menschlichen Herzen, der Garant des und das Drängen zum Göttlichen, das die Menschheit so beständig an den Tag legt. Wegen der Gegenwart Christi im Menschen scheint die Überzeugung von der Göttlichkeit und der daraus folgenden Unsterblichkeit des Menschen dem menschlichen Bewusstsein innezuwohnen. Das wird die Aufmerksamkeit des Menschen unvermeidlich immer wieder beschäftigen, bis es dargetan und erwiesen ist. Indessen ist bewiesen worden, dass jenseits des physischen Todes offensichtlich etwas besteht. Die Tatsache der Unsterblichkeit ist bis jetzt noch nicht bewiesen worden, obwohl sie den grundlegenden Glauben von Millionen bildet, und wo solch ein Glaube allgemein gefunden wird, muss zweifellos ein Grund dafür vorhanden sein.

Die ganze Frage der Unsterblichkeit ist eng verbunden mit dem Problem der Göttlichkeit und der unsichtbaren subjektiven Welt, die hinter der greifbaren und sichtbaren zu liegen scheint, und die häufig ihr Vorhandensein bemerkbar macht. Wenn wir deshalb an der Prämisse des Ungesehenen und Unsichtbaren arbeiten, ist es möglich, dass wir endlich zu ihm durchdringen und entdecken werden, dass es immer bei uns gewesen ist, dass wir aber geblendet und unfähig gewesen sind, seine Gegenwart zu erkennen. Immer haben das einige getan, und ihr Ruf klingt fort, bekräftigt unseren Glauben, stärkt unsere Hoffnung und garantiert uns die schliessliche Erfahrung.

Wie sollen wir denn Wahrheit oder Wirklichkeit erkennen, wenn wir ihr begegnen? Wie sollen wir wissen, ob eine Lehre von Gott ist oder nicht? Es ist so leicht, Fehler zu machen, zu glauben, was wir gern glauben möchten, und uns selbst zu täuschen in dem Wunsch, unsere eigenen Gedanken von anderen Denkern bestärkt zu sehen. Die Worte von Dr. Streeter klingen für uns ermutigend, [240] weil sie Erfordernisse aufzeigen, denen zu folgen uns möglich ist.

«Sogar die Selbsttäuschung, das letzte Bollwerk des Feindes, wird ihre Kraft verlieren in dem Mass, in dem der Mensch sich gewissen Bedingungen anpasst, die (der Bibel zufolge) erfüllt sein müssen, um ihn für den Empfang einer authentischen göttlichen Botschaft zu befähigen sei es auf der Ebene eines epochemachenden Propheten oder eines gewöhnlichen Menschen, der seine Alltagspflichten recht erfüllt.

Es sind hauptsächlich vier:

1. «Ich würde für die Ewige Gottheit gern das sein, was die rechte Hand für den Menschen ist». Absolute Ergebung und Hingabe des Selbstes an das Göttliche. «Hier bin ich, sende mich!» sagt Jesaja, und als Christus an seine ersten Nachfolger die Worte richtete: «Folget mir!», so wird uns gesagt, dass sie alles verliessen und ihm nachfolgten.

2. Selbsterkenntnis und das damit verbundene Eingeständnis von Fehlern. Das Versprechen: «Ich will dich führen mit meinen Augen» in dem oben angeführten Psalm wird dem Menschen gegeben, der seine Schlechtigkeit bekannt und dadurch die rechte Beziehung zu Gott geschaffen hat. Die erste Antwort des Jesaja auf den göttlichen Ruf war dieses Aufblitzen von Selbsterkenntnis, das einem Menschen die Überzeugung von Unwürdigkeit und Sünde bringt. «Ich bin ein Mensch mit unreinen Lippen».

3. «Harret aus ... bis dass ihr angetan werdet mit Kraft aus der Höhe» (Lukas XXIV/49). Aber dieses Leben der Kraft, einer Kraft erfüllt mit Liebe und Freude und Frieden, kann nur schwer ständig gelebt werden, ausser in einer Gemeinschaft, innerhalb der gegenseitiges Herausfordern, gegenseitiges Ermutigen und Bekennen des Versagens leicht sind.

4. Der Eintritt in ein solches Leben und eine solche Gemeinschaft bringt eine Menge Leiden, Opfer und Demütigung mit sich. «Wer nicht sein eigenes Kreuz trägt und mir nachfolgt, kann mein Jünger nicht sein» (Lukas XIV/27). Es ist vielleicht kein Zufall, dass bereits im Alten Testament die Verheissung «Deine Ohren sollen hören ein Wort hinter dir, welches sagt "Dies ist der Weg, gehe ihn!" nach den Worten steht, "und obwohl der Herr dir das Brot der Widerwärtigkeit und das Wasser der Trübsal gibt"». (Der Gott, der spricht, engl., von B. H. Streeter, S. 175, 176)

Es gehört Mut dazu, vor der Tatsache des Todes zu stehen und mit Entschiedenheit den Glauben an dieses Thema in eine Form zu fassen. Es ist eine statistisch erwiesene Tatsache, dass ungefähr 50 Millionen Menschen jährlich sterben. Fünfzig Millionen Menschen [241] sind mehr als die gesamte Bevölkerung Grossbritanniens. Eine so grosse Zahl menschlicher Wesen besteht das grosse Abenteuer. Wenn sich das so verhält, dann ist die Bestätigung der Wahrheit von Christi Auferstehung und der Unsterblichkeit von weit grösserer Bedeutung, als der einzelne Mensch sich vorstellen kann. Wir neigen zu sehr dazu, diese Probleme entweder vom wissenschaftlichen oder von einem rein selbstsüchtigen, individuellen Standpunkt aus zu untersuchen. Der Tod ist das einzige Ereignis das wir mit absoluter Gewissheit voraussagen können, und dennoch ist es dasjenige, über das die Mehrzahl der Menschen das Nachdenken überhaupt verweigert, bis sie unmittelbar und persönlich davorstehen. Die Menschen verhalten sich sehr verschieden dem Tod gegenüber. Die einen bringen dem Abenteuer ein Gefühl von Selbstbemitleidung entgegen und sind so beschäftigt mit dem, was sie hinter sich lassen müssen, was für sie zu Ende ist, und mit dem Aufgeben dessen, was sie im Leben zusammengerafft haben, dass die wahre Bedeutung der unvermeidlichen Zukunft ihre Aufmerksamkeit nicht fesseln kann. Andere begegnen ihm tapfer, machen das Beste aus dem Unvermeidlichen und schauen dem Tod mit mutiger Gebärde ins Antlitz, weil sie nichts anderes tun können. Ihr Stolz hilft ihnen, dem Ereignis gegenüberzutreten. Noch andere verweigern es gänzlich, die Möglichkeit zu erwägen. Sie hypnotisieren sich in einen Zustand, in welchem den Gedanken an den Tod jedes Verweilen in ihrem Bewusstsein verwehrt ist, und sie wollen seine Möglichkeit nicht bedenken, so dass, wenn er kommt, er sie unerwartet überfällt. Sie sind hilflos und unfähig mehr zu tun, als einfach zu sterben. Die Haltung der Christen ist in der Regel entschiedener ein Annehmen von Gottes Willen mit dem Entschluss, deshalb das Geschehnis als das Beste anzusehen, auch wenn es angesichts der Umgebung und der Umstände nicht so zu sein scheint. Ein standhafter Glaube an Gott und seine vorbestimmte Absicht für den einzelnen Menschen trägt sie frohlockend durch das Tor des Todes. Aber wenn ihnen jemand sagen würde, dass dies einfach eine andere Form des Fatalismus östlicher Denker sei und ein fester Glaube an ein unabänderliches Schicksal, würden sie das als unwahr ablehnen. Sie verstecken sich hinter dem Namen Gottes.

Der Tod kann jedoch mehr sein als dieses, und man kann ihm in anderer Weise begegnen. Er kann einen bestimmten Platz im Leben und Denken erhalten, und wir können uns auf ihn [242] vorbereiten wie auf etwas, dem man nicht entgehen kann, das aber einfach der Bringer von Wandlungen ist. Dadurch machen wir den Vorgang des Sterbens zu einem geplanten Teil unseres ganzen Lebenszweckes. Wir können leben mit dem Bewusstsein der Unsterblichkeit, und das wird dem Leben eine zusätzliche Tönung und Schönheit verleihen. Wir können das Gewahrwerden unseres künftigen Übergangs fördern und in der Erwartung seiner Wunder leben. Wenn der Tod so betrachtet und als Vorspiel künftiger Lebenserfahrung angesehen wird, nimmt er eine andere Bedeutung an. Er wird eine mystische Erfahrung, eine Form von Einweihung, die ihren Höhepunkt in der KREUZIGUNG findet. Alle früheren geringeren Verzichte bereiten uns für den grossen Verzicht vor. Alle früheren Tode sind nur das Vorspiel für das ungeheure Ereignis des Sterbens. Der Tod bringt uns Befreiung vielleicht zeitweise, obwohl schliesslich dauernd von der Körpernatur, von dem Dasein auf der physischen Ebene und seiner sichtbaren Erfahrung. Es ist ein Freiwerden von Begrenzung, und ob jemand glaubt (wie viele Millionen), dass der Tod nur ein Zwischenspiel in einem Leben von beständig sich häufender Erfahrung oder das Ende jeglicher Erfahrung ist (wie viele Millionen für wahr halten), so ändert das nichts an der Tatsache, dass er einen bestimmten Übergang von einem Zustand des Bewusstseins in einen anderen bezeichnet. Wenn jemand an die Unsterblichkeit und an die Seele glaubt, so würde dieser Übergang eine Vertiefung des Bewusstseins veranlassen, während er bei einem Vorherrschen des materialistischen Standpunkts das Ende des bewussten Daseins anzeigen würde. Die entscheidende Frage ist deshalb: Ist das, was wir die Seele nennen, unsterblich? Was bedeutet Unsterblichkeit?

Es ist heute vordringlich, dass wir irgendeine Form des Glaubens an die innere subjektive Welt und unsere Beziehungen zu ihr wiederentdecken. Damit muss der Erfolg des Wirkens und der Botschaft Christi steigen oder fallen. Gegenwärtig wird alles in Frage gestellt, am meisten vielleicht die Tatsache der Seele und ihrer Unsterblichkeit. Das ist ein notwendiges und wertvolles Stadium, vorausgesetzt, dass wir weiterhin auf diese Fragen Antwort suchen.

Manche mögen diesen «moralischen Aufruhr» als hoffnungsvolle Anzeichen einer Erhebung aus dem statischen Zustand in allen Bereichen menschlichen Denkens ansehen, der den ersten Teil des letzten [243] Jahrhunderts kennzeichnete, und dass wir heute am Rand einer neuen Ära von echteren, geistigen Werten stehen. Doch die neuen Konturen des Glaubens und der Führung müssen ihre Grundlagen tief in dem Besten haben, was die Vergangenheit zu geben hat. Die Ideale, die Christus verkündete, bleiben noch immer die höchsten, die in den fortgesetzten Offenbarungen gegeben wurden, und er selbst bereitete uns für das Auftauchen jener Wahrheiten vor, welche die Endzeit und das Überwältigen des letzten Feindes kennzeichnen werden, dessen Name TOD ist.

Dieses Infragestellen des Glaubens, dieses Ringen mit einer angeborenen Hoffnung muss weitergehen, bis Sicherheit gewonnen worden, aus Glauben Wissen und aus Glaubensbekenntnis Gewissheit geworden ist. Der Mensch weiss unbestreitbar, dass es ein Ziel gibt, grösser als alle seine kleinen Ziele, und dass es ein Leben gibt, das seinen weitesten Bereich umfassen und ihn befähigen wird, schliesslich sein höchstes, obwohl erst dunkel erfühltes Ideal zu erreichen. Eine Betrachtung der AUFERSTEHUNG mag eine grössere Sicherheit verleihen, vorausgesetzt, dass wir der langen Folge von Gott gegebener Offenbarungen eingedenk sind und uns klar werden, dass wir bis jetzt wenig wissen können ausser der Tatsache, das Gottessöhne gestorben und wieder auferstanden sind dass dahinter eine grundlegende Ursache liegt.

Die Tibeter sprechen vom Vorgang des Sterbens als von dem «Eintreten in das klare, kalte Licht». (Das tibetanische Totenbuch, engl., von W. Y. Evans-Wentz, S. 29) Es ist möglich, den Tod am besten als die Erfahrung anzusehen, die uns von der Illusion der Form befreit. Das bringt unserem Denken die klare Vorstellung, dass wir, wenn wir vom Tod sprechen, uns auf einen Vorgang beziehen, der die materielle Natur betrifft, den Körper mit seinen psychischen Fähigkeiten und seinen mentalen Prozessen. Dies kann zu einer Frage zusammengezogen werden, ob wir der Körper und nichts als der Körper sind, oder ob die alte indische Schrift recht hat, wenn sie sagt:

«Allem, was geboren ist, ist der Tod gewiss, und allem, was stirbt, die Geburt. Deshalb gräme dich nicht wegen einer Sache, die unvermeidlich ist. ... Der Herr des Körpers wohnt immer unsterblich im Körper [244] eines jeden». (Die Bhagavad Gita, II/26, 29) Ein moderner christlicher Dichter hat den gleichen Gedanken in folgenden schönen Worten ausgesprochen:

«Der Tod verhält sich zum Leben wie der Marmor zum Bildner.

Warte auf die Berührung, welche die Seele freiwerden lässt!

Der Tod ist jener Augenblick, da der Schwimmer

Die rasch vorübergehende Not des Untertauchens fühlt.

Lachen folgt diesem Augenblick, wenn auf den geteilten Fluten

Die Wasserperlen sprühen und die Sonne sie

In Kristall verwandelt; Leben und Licht sind eins».

(Die Modernisten, engl., von Robert Norwood, S. 57)

Es mag hier angebracht sein zu fragen, was es ist, dessen Andauern wir sehen möchten. Eine Erforschung des Verhaltens eines Menschen zu dem ganzen Problem des Todes und der Unsterblichkeit kann dazu dienen, das Denken von Unklarheit und Unbestimmtheit freizumachen, die auf Furcht, mentaler Trägheit und verwirrten Gedanken beruhen. Die folgenden Fragen kommen einem in den Sinn und rechtfertigen eine erwägende Betrachtung.

Wieso wissen wir, dass der Vorgang des Sterbens solche bestimmte Veränderungen in unserem Bewusstsein hervorbringt, dass er sich für uns als fühlende Wesen verhängnisvoll erweist und alle frühere Anstrengung des Denkens, der Entwicklung und des Verstehens wertlos macht? Das Wunder von Christi Auferstehung, soweit es seine Persönlichkeit betraf, bestand in der Tatsache, dass er, nachdem er durch Tod und Auferstehung hindurchgegangen, wesentlich die gleiche Person war, nur mit zusätzlichen Kräften. Kann es nicht genau so mit uns sein? Dieses Leben hat uns geformt und uns dazu gebracht, gewisse bestimmte Formen und Eigenschaften auszudrücken. Diese, richtig oder falsch, bilden das Selbst, dasjenige, was der wirkliche Mensch ist, vom Gesichtspunkt menschlichen Lebens aus. Da ist etwas in uns, das die endgültige Identifizierung mit der physischen Form verweigert, trotz allem, was die Wissenschaft und die Unerfahrenen uns sagen mögen. Ein intuitives, wirkliches inneres Selbst weist ständig und allgemeingültig die Vernichtung zurück und hält standhaft an dem Glauben fest, dass das Suchen und das Ziel, die erlangten Werte, für welche wir [245] kämpfen, sich irgendwo, zu irgendeiner Zeit, in irgendeiner Art als der Mühe wert erweisen müssen. Jeder andere Gesichtspunkt liesse auf den gänzlichen Mangel eines intelligenten Plans im Dasein schliessen und führte zu der Verzweiflung, die Paulus in den Worten ausdrückte: «Hoffen wir nur in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendsten von allen Menschen» (I. Korinther XV/19). Wir sind sicher auf unserem Weg zu etwas von Wert, von dynamischer Bedeutung, sonst wäre das Leben das nutzlose Geschehen eines Wanderns ohne Ziel, der Sorge für einen Körper und der Schulung eines Denkens, das keinerlei Bedeutung hätte und weder für Gott noch für die Menschen Wert besässe. Dies kann nicht der Fall sein, das wissen wir.

Diese Steigerung des Wertes dessen, was sich der Mühe lohnt, und die Fortdauer des beständigen inneren göttlichen Anreizes, vorwärts zu schreiten, zu schaffen und anderen zu nützen, scheint für jene, die den Punkt erreicht haben, an dem fortlaufendes Denken möglich ist, den Schlüssel zu dem Problem der Unsterblichkeit zu enthalten. Die ganze Geschichte von Christus beweist das. Er hatte durch sein Leben geweihten Dienstes und durch Hingabe an seine Mitmenschen bewiesen, dass er in seiner Entwicklung an den Punkt gekommen war, wo er etwas zum Wohl des Ganzen beizutragen hatte. Er hatte die Höhe der evolutionären Stufenleiter erreicht, und seine Menschlichkeit war dem Blick verlorengegangen durch die Göttlichkeit, die er ausdrückte. Er besass das, was wert war, Gott und den Menschen angeboten zu werden, und erbot es am Kreuz dar. Es kostete ihn sein Leben, seinen Beitrag zur Quelle der ganzen Körperschaft zu leisten, aber er leistete ihn. Wegen des Wertes dessen, was er erreicht hatte, und wegen der Bedeutung der Lebendigkeit seines Beitrages konnte er die Unsterblichkeit beweisen. Der unsterbliche Wert überlebt, und wo er vorhanden ist, braucht die Seele die Schule menschlicher Erfahrung nicht mehr.

Dieser Gedanke lässt die Frage auftauchen: Was ist es also, dessen Überleben wir erstreben? Welchen Teil von uns betrachten wir als für die Unsterblichkeit wünschenswert? Was in jedem von uns rechtfertigt Fortdauer? Sicherlich wird niemand von uns erstreben, dass der physische Körper aufersteht, noch sind wir begierig, wieder in dem gegenwärtigen, begrenzenden Vehikel, in dem sich die [246] meisten von uns befinden, gefesselt und eingesperrt zu sein. Sein Wert scheint unangemessen für die Erfahrung der Auferstehung und für das Geschenk der Unsterblichkeit. Auch haben wir gewiss kein Verlangen danach, dass die gleiche psychische Natur mit ihrer Zusammenballung von Launen, Empfindungen und gefühlsmässigen Reaktionen auf die Umstände der Umgebung uns wieder beherrscht. Ebenso wird niemand von uns erfreuen, an die alte Idee eines zuckersüssen Himmels zu denken, in dem wir, in weisse Gewänder gekleidet, singend und über religiöse Dinge sprechend, unsere Zeit verbringen. Wir sind über diese Gedanken hinausgewachsen, und Christus selbst ist deren Widerlegung. Er stand vom Tod auf und trat ein in ein Leben erweiterten tätigen Dienstes. Die «anderen Schafe», die er zu sammeln hatte, mussten gesucht und gehütet (Joh. X/16), seine Jünger ausgebildet und belehrt, seine Nachfolger geführt und ihnen hilfreich beigestanden werden; das Reich Gottes musste auf Erden errichtet werden, und noch immer ist der auferstandene Christus mitten unter uns, oft unerkannt, mit der Aufgabe der Welterlösung und des Dienens befasst. Es gibt keinen Himmel des Friedens, der Ruhe und der Untätigkeit für Christus, solange wir unerlöst sind, und sicherlich auch nicht für uns, die wir seinen Fussspuren zu folgen suchen.

Wenn das Leben eines Menschen Bedeutung erlangt hat, dann ist er bereit, den Pfad der Läuterung und der Erprobung zu betreten, die Vorbereitung für die Mysterien. Wie seine Bedeutung und sein Einfluss zunimmt, kann er Stufe um Stufe durch die Vorgänge der Einweihung gehen und den Pfad der Heiligkeit betreten. Er kann «zu Bethlehem geboren» werden, denn der Keim des Dynamischen und Lebendigen ist erwacht, gewinnt an Kraft und Wichtigkeit und muss deshalb in Erscheinung treten. Er kann durch die Wasser der Reinigung gehen und den Berggipfel der Verklärung erreichen, wo das, was von Wert ist, in all seinem Glanz erstrahlt. Wenn er diesen Augenblick höherer Erfahrung erreicht hat und das, was er an Wert besitzt, von Gott als die Mühe lohnend anerkannt wurde, dann und nur dann ist er bereit, sein Leben auf dem Altar des Opfers und des Dienstes anzubieten, und kann sein Angesicht gegen Jerusalem wenden, um dort gekreuzigt zu werden. Dies ist das unvermeidliche Ende dessen, was Wert hat. Es ist der dem ganzen Vorgang des Vollkommenwerdens [247] zugrundeliegende Zweck, denn da ist jetzt etwas des Anbietens wert. Wenn dies auch das Ende des physischen Ausdrucks des Wertes sein mag, so ist es im wesentlichen der Augenblick des Sieges für den wahren Wert und das Kundtun von dessen Unsterblichkeit. Denn das, was wirklich von Wert ist, die göttliche und verborgene Schönheit, die Lebenserfahrung und Einweihung zu offenbaren geholfen haben, kann nicht sterben. Sie ist ihrem Wesen nach unsterblich und muss leben. Das ist die wahre Auferstehung des Leibes. Wenn das Bewusstsein des wahren und des vergänglichen Wertes und die Erkenntnis menschlichen Erreichens sowie des Begreifens in Betracht gezogen wird, so beginnt das Leben des Dienens (das zum Tod führt) und der Auferstehung (das zur vollen Bürgerschaft im Reich Gottes führt) an Bedeutung zu gewinnen. Der Körper, den wir jetzt besitzen, ist relativ wertlos; die Gesamtsumme von Stimmungen und mentalen Reaktionen, denen wir jetzt unterworfen sind, besitzt für niemand ausser uns selbst einen Wert. Die Umgebung, in der wir leben, hat sicher nichts, was ihre endlose Fortdauer verbürgt. Kurz, eine Fortdauer des persönlichen Selbstes in irgendeinem Himmel, der die Erweiterung unseres eigenen individuellen Bewusstseins ist, und die Vorstellung einer endlosen Ewigkeit, mit sich selbst gelebt, haben für die meisten von uns keinerlei Reiz. Jedoch ein Aspekt in uns verlangt nach Unsterblichkeit und dem Empfinden der Unendlichkeit. Die «endlose Verlängerung von eines Selbstes Laufbahn in der Zeit» hat zu viel Verwirrung des Denkens geführt. Wenige von uns würden empfinden, wenn sie das Problem ernsthaft betrachten und ernsthaft eine Antwort geben sollten, dass wir als Einzelwesen Einrichtungen rechtfertigen, die für unser endloses Fortbestehen geschaffen sind. Ein Sinn für Wahrheit und Gerechtigkeit müsste uns, ehrlicherweise, zu dem Schluss führen, dass unser Wert für das Universum gleich null ist. Dennoch wissen wir, dass hinter aller unserer Lebenserfahrung eine Bedeutung und ein Grund steht, und dass die Erscheinungswelt, von der wir unzweifelhaft ein Teil sind, etwas von unendlichem Werte verhüllt und verbirgt, von dem wir auch ein Teil sind.

Wir erstreben die Sicherheit, dass jene, die wir lieben und schätzen, für uns nicht verloren sind. Wir suchen mit ihnen an einem Zustand von Glück teilzuhaben, der wahrere Werte enthalten [248] wird, als wir je auf Erden gekannt haben. Wir sehnen uns danach, in Zeit und Raum den vertrauten Zustand zu verlängern, den wir lieben und schätzen. Wir wünschen Ausgleich für das, was wir erduldet haben, und das klare Bewusstsein, dass alles einen Zweck gehabt hat und der Mühe wert war. Es ist dieses Verlangen, dieser Glaube, diese Entschlossenheit, weiter zu bestehen, die hinter allem Erreichten liegt und der Antrieb und Impuls sind, auf die wir alle Anstrengungen gründen. Sokrates wies auf dieses Grundargument für die Unsterblichkeit hin, wenn er sagte, dass «niemand weiss, was Tod ist, und ob er nicht das grösste aller guten Dinge sei. Dessenungeachtet wird er gefürchtet, als sei er das grösste Übel. ... Wenn der Tod dem Menschen naht, wird das zerstreut, was sterblich an ihm ist; das, was unsterblich und unvergänglich ist, zieht sich unversehrt zurück».

Drei Gedanken sind wichtig bei der Betrachtung dieses Problems des Wertes, den Christus so erstaunlich bezeugte und welcher der wahre Grund seiner Auferstehung war. Seine Unsterblichkeit beruhte auf seiner Göttlichkeit. Seine Göttlichkeit fand ihren Ausdruck durch die menschliche Form, und in dieser Form zeigten sich Wert, Bestimmung, Dienen und Zweck. Alles dieses stellte er vollkommen dar, und deshalb konnte ihn der Tod nicht halten, noch konnten die Fesseln des Grabes seine Befreiung verhindern.

Der erste Gedanke ist, dass Unsterblichkeit die Bürgschaft für das ist, wofür wir wirklich Sorge tragen. Der Faktor, auf den wir im täglichen Leben die Betonung legen, überlebt und wirkt auf irgendeiner Bewusstseinsebene. Wir müssen und werden schliesslich erlangen, was wir wünschen. Wenn wir für das sorgen, was ewigen Wert besitzt, erlangen wir das ewige Leben, frei von den Begrenzungen des Fleisches. Dekan Inge sagt uns, dass «wir der Unsterblichkeit sicher sind, insoweit als wir uns mit den absoluten Werten identifizieren können». Womit wir uns in unseren höchsten Augenblicken befassen, wenn wir frei sind von den Illusionen der emotionellen Natur, das bestimmt unser unsterbliches Leben.

Dann erhebt sich die Frage, was geschieht, wenn der Sinn für Werte verzerrt oder zeitweise nicht vorhanden ist. In einem Versuch, diese Frage zu lösen, haben Millionen Menschen die östliche [249] Lehre von der Wiedergeburt angenommen, welche die Welt als «das Tal der Seelenbildung», wie Keats es nennt, bezeichnet, und die lehrt, dass wir immer wieder ins physische Leben zurückkehren, bis die Zeit kommt, da unsere Werte vollkommen ausgerichtet sind und wir durch die fünf Einweihungen zur Befreiung gelangen können. Viele der Lehren, die in den okkulten und esoterischen Büchern gegeben werden, sind verzerrt und phantastisch, aber dass vieles für die Lehre der Wiedergeburt spricht, wird dem klar, der sie vorurteilslos untersucht. Letzten Endes, wenn die Vollkommenheit schliesslich erreicht werden muss, ist die Frage lediglich eine der Zeit und der Örtlichkeit. Der Christ mag an ein plötzliches Vollkommenwerden durch den Tod glauben oder an eine gedankliche Aufnahme des Todes Jesu, die er «Verwandlung» nennt. Er mag den Tod als das Tor zum Ort der Schulung und Entwicklung betrachten, den er «Fegefeuer» nennt, wo eine Läuterung vor sich geht; oder er mag glauben, dass im Himmel selbst die Anpassung vorgenommen wird und Bewusstseinserweiterungen erfolgen, die ihn zu einem ganz anderen Menschen machen als er vorher war. Der Orientale mag glauben, dass die Erde passende Gelegenheiten für Schulungs- und Entwicklungsvorgänge bietet, und dass wir immer wiederkehren, bis wir die Vollkommenheit erreicht haben. Der Zweck bleibt derselbe und das Ziel das gleiche. Die Schule befindet sich an einem anderen Ort, und das Bewusstsein wird an unterschiedlichen Örtlichkeiten entfaltet. Aber das ist alles. Plato meinte, dass

«Eingesperrt im Körper wie in einem Gefängnis die Seele ihre ursprüngliche Sphäre von reiner Vernunft sucht, dem philosophischen Leben nachgehend, das Allumfassende denkend, liebend und lebend gemäss der Einsicht. Das körperliche Leben ist nur eine Episode in der ewigen Laufbahn der Seele, die der Geburt vorausgeht und sich nach dem Tod fortsetzt. Das Leben im Fleisch ist eine Prüfung und eine Erprobung; Tod ist Freilassung und Rückkehr zur Bestimmung der Seele, zu einer anderen Bewährungszeit oder zum Reich der reinen Vernunft».

Irgendwo müssen wir lernen, bewusst und bereitwillig in die Welt der Werte einzutreten und darin zu wirken und uns so für die Bürgerschaft im Reich Gottes bereit zu machen. Die anschauliche Darstellung dessen hat Christus gegeben.

Der zweite [250] Gedanke, der betrachtet werden sollte, ist, dass die Anstrengung des Menschen, sein Kampf um das Erreichen, sein ihm angeborener und echter Sinn für Gott, sein beständiges Bemühen um bessere Bedingungen und sich selbst und die natürliche Welt zu bemeistern, ein Ziel haben muss. Sonst wäre alles das, was wir um uns herum sehen, nichtig, sinn- und zwecklos. Es war diese Herrschaft über sich und über die Elemente der Natur und die unwandelbare Richtung seiner Absicht, die Christus von Höhe zu Höhe führten und ihn befähigten, die Tür zum Reich zu öffnen und sich vom Tod zu erheben, «der Erstling unter denen, die schlafen» (1. Korinther XV/20).

Zweck muss dem Leiden zugrunde liegen. Ein Ziel muss bei aller menschlichen Tätigkeit empfunden werden. Der Idealismus der Führer der Menschheit kann nicht durchaus Täuschung sein. Die Vorstellung von Gott muss tatsächlich irgendeine Grundlage haben. Die Menschen sind überzeugt, dass die augenscheinliche Ungerechtigkeit in der Welt die gesetzmässige Sicherheit eines Nachher verlangt, wodurch die Lauterkeit der göttlichen Absicht gerechtfertigt wird. Es besteht ein grundlegender Glaube, dass in der Natur des Menschen Gut und Böse im Kampf stehen, und dass das Gute unvermeidlich siegen muss. Durch alle Zeitalter hindurch hat der Mensch das behauptet. Die Menschheit hat viele Theorien entwickelt, um den Menschen und seine Zukunft zu erklären, seine Vorbereitung für das Nach-Leben und für seinen Grund, hier auf der Erde zu sein. Mit den Einzelheiten dieser Theorien sich zu befassen, ist weder nötig noch zeitlich möglich. Sie sind in sich der Beweis für die Tatsache der Unsterblichkeit und der Göttlichkeit des Menschen. Er hat die letzte Möglichkeit innerlich erfühlt und wird nicht ruhen, bis er sie erreicht hat. Ob das eine Vielzahl von Leben auf diesem Planten ist, die zu letzter Vollkommenheit führen, oder ob es die buddhistische Theorie ist, die zu Nirvana führt, das Ziel ist das gleiche. Diese letztere Theorie ist schön zusammengefasst in einem Buch, das die Geheimlehren der tibetanischen Philosophie behandelt.

«... Wenn die Herren des Mitleids die Erde geistig entwickelt und aus ihr einen Himmel gemacht haben werden, dann wird den Pilgern der Endlose Pfad geoffenbart, der zum Herzen des Universums führt. Der Mensch, dann nicht länger Mensch, wird die Natur überschreiten und unpersönlich, jedoch bewusst, im Einssein mit all den Erleuchteten das Gesetz der Höheren Evolution zu [251] erfüllen helfen, von der Nirvana nur ein Beginn ist». (Tibetische Yoga- und Geheimlehren, engl., hrsg. von W. Y. Evans-Wentz, S. 12)

Hier haben wir den Gedanken des Gottesreiches, das auf Erden erscheint, weil die Menschheit geistig entwickelt ist, und das Erreichen der Vollkommenheit, die Christus uns einprägte.

Da ist auch die Lehre von der ewigen Wiederkehr, an welche Nietzsche und Heine glaubten, mit ihrer Betonung einer unaufhörlich wiederkehrenden irdischen Existenz jeder Krafteinheit, bis eine Seele sich entwickelt hat. Die traurige Lehre von unserem Fortleben als verewigte Einflüsse in der Rasse, zu der wir gehören, ist auch entwickelt worden und betont eine bewundernswerte Selbstlosigkeit, aber sie ist auch die Verneinung des Individuums. Es gibt drei orthodoxe christliche Lehren, und sie bestehen aus den Lehren von der ewigen Vergeltung, der allgemeinen Wiederherstellung und der bedingten Unsterblichkeit. Zu diesen müssen wir die Spekulationen der Spiritualisten mit ihren verschiedenen Sphären, entsprechend etwa den sieben feineren Welten der Theosophen und Rosenkreuzer, hinzufügen, und auch die extreme Theorie der Vernichtung, die bei geistig Gesunden wenig Anklang findet. Der Wert aller dieser Lehren besteht darin, dass sie die Aufmerksamkeit des Menschen auf das ewige Interesse am Nachher lenken und auf mancherlei Vermutungen über seine Zukunft und seine Unsterblichkeit.

Christus starb und stand wieder auf. Er lebt, und viele Menschen heute in der Welt brauchen hierfür keinen Beweis. Sie wissen, dass er lebendig ist, und weil er lebt, werden wir auch leben. In uns ist der gleiche Keim wesentlichen Lebens, der in ihm zur Vollkommenheit erblühte, indem er die dem natürlichen Menschen angeborene Neigung zum Tod überwand. So können wir sicher sagen, dass für uns Unsterblichkeit aus drei Stufen besteht.

Erstens als jene Lebendigkeit, die wir Drang zur Entwicklung, Impuls des Fortschritts, des Vorwärtsbringens, des Lebens und des Wissens um dieses Leben nennen. Das ist der Antrieb hinter der Entschiedenheit des Menschen, sich als ein Einzelwesen mit [252] eigenem Lebenszyklus, ihm eigenen angeborenen Zweck und seiner ewigen Zukunft zu erkennen.

Zweitens als jenes dynamische geistige Gewahrwerden, das sich in der Wiederausrichtung zur Ewigkeit und auf die ewigen Werte hin zeigt. Dies ist das entscheidende Merkmal des Menschen, der bereit ist, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um sein geistiges Leben kundzutun und als ein Unsterblicher tätig zu werden. Dann ist die Auferstehung, die vor ihm liegt und die Christus darstellte, als verschieden von dem anzusehen, was früher angenommen wurde. Die folgende Definition der wahren Auferstehung, wie sie vor den Augen des Menschen aufzudämmern beginnt, der zum Glanz des Herrn in seinem eigenen Herzen und in jeder Form erwacht, sei hier angeführt:

«Die Auferstehung ist nicht das Erheben der Toten aus ihren Gräbern, sondern der Übergang vom Tod der Selbstversunkenheit zu einem Leben selbstloser Liebe, der Übergang von der Dunkelheit des selbstsüchtigen Individualismus zum Licht des universellen Geistes, von der Falschheit zur Wahrheit, von der Sklaverei der Welt zur Freiheit des Ewigen. Die Schöpfung «seufzt und plagt sich», um von der Knechtschaft des vergänglichen Wesens zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes befreit zu werden». (Das höchste geistige Ideal, engl., von S. Radhakrishnan, Hibbert Journal, Oktober. 1936)

Der dritte und letzte Gedanke, der betont werden muss, ist, dass wir zum ewigen Leben wiedererweckt und zur Gemeinschaft der Unsterblichen gehören werden, wenn wir uns selbst geeignet gemacht haben, Mitarbeiter Christi im Reich zu sein. Wenn wir das Bewusstsein des abgesonderten Einzelwesens verlieren und des Ganzen göttlich gewahr werden, von dem wir ein Teil sind, dann haben wir die Endlektion unseres Lebens gelernt und brauchen «nicht mehr wiederzukehren». Es ist der Tod des Individuums, den wir fürchten und scheuen, und der Verlust des persönlichen Bewusstseins. Wir stellen uns nicht vor, dass dann, wenn wir die Vision des Reichs haben, wenn das Ganze der Schöpfung vor unseren Augen aufscheint, uns nur noch dieses GANZE angeht und wir die Sicht auf unser persönliches Selbst verlieren.

Die Auferstehung könnte deshalb als die zukünftige Fortdauer des göttlichen Aspekts erklärt werden, der zusammengefasst ist [253] mit dem Leben und Bewusstsein jenes Ganzen, das wir Gott nennen. Dieses Leben und Bewusstsein fliesst durch alle Teile von Gottes Offenbarung der natürlichen Welt. Die Naturreiche haben eines nach dem anderen sich entwickelt und dabei irgendeinen Aspekt seines Lebens zum Ausdruck gebracht, wie es seine Schöpfung belebt und beseelt. Eines nach dem anderen sind sie beständig fortgeschritten von dem trägen Bewusstsein und dem langsamen, schweren Rhythmus des Mineralreichs und haben nach und nach immer mehr von der verborgenen göttlichen Natur offenbart, bis wir zum Menschen kommen, dessen Bewusstsein von einer viel höheren Ordnung ist und dessen göttlicher Ausdruck jener der selbstbewussten, selbst-entscheidenden Gottheit ist. Von automatischen Bewusstseinsformen hat das Leben Gottes die Lebensformen durch empfindendes Bewusstsein zum instinktiven Bewusstsein des Tieres getragen. Dann ist es fortgeschritten in das Menschenreich, wo Selbstbewusstsein herrscht, bis die höheren Mitglieder dieses Reichs eine Anlage zum Göttlichen zu zeigen beginnen. Die schwachen, undeutlichen Zeichen eines noch höheren Reichs können jetzt gesehen werden, in dem Selbstbewusstsein dem Gruppenbewusstsein weichen und der Mensch sich als identisch mit dem Ganzen erkennen wird, nicht als einfach ein sich selbst genügender Einzelner. Dann kann das Leben des ganzen Körpers Gottes bewusst in und durch ihn fliessen, das Leben Gottes wird sein Leben, und er ist auferstanden in das ewige Leben.