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Achtes Kapitel - Die universale Verbreitung der Meditation

Achtes Kapitel

Die universale Verbreitung der Meditation

«Für jeden Menschen öffnet sich

Ein Weg, und Wege und ein Pfad.

Die Hohe Seele klimmt den Hohen Weg empor,

Die niedre Seele tappt im dunkeln Tal.

Dazwischen, in den nebligen Niederungen

Treiben die andern hin und her.

Doch jedem Menschen öffnet sich

Ein Hoher und ein Niedriger Weg

Und jeder Mensch bestimmt für sich allein

Den Weg, den seine Seele gehen soll».

John Oxenham.

(177)

Wir haben nun die Methode umrissen, nach welcher der Mystiker zum Erkennenden werden kann, und wir haben die Reihenfolge der Entwicklung angegeben, die schliesslich die Erleuchtung des physischen Gehirns bewirkt und zur Lebensweise eines inspirierten Lebens auf Erden führt. Wir begannen mit dem Menschen, der nachdem er die Hilfsmittel und Befriedigungen des physischen Lebens erschöpft hat und vor der Unvermeidlichkeit eines grossen Überganges zu einer anderen Lebens-Dimension steht - den Weg zu Erkenntnis und Gewissheit sucht. Wenn er unparteiisch nachforscht, entdeckt er, dass es immer und zu allen Zeiten Wissende gegeben hat, die zum innersten Mysterium des Seins vorgedrungen waren, und die - zurückgekehrt - die Gewissheit von der Unsterblichkeit der Seele und der Wirklichkeit des Reiches Gottes mitbrachten. Diese sprechen gleichfalls von einer Methode, durch die sie zu diesem Erfassen göttlicher Wahrheit gelangten, und von einer Technik, die ihnen den Übergang vom vierten in das fünfte Naturreich ermöglichte.

Wir stellten fest, dass diese erleuchteten Menschen aller Zeiten für die gleiche Wahrheit Zeugnis ablegen und dass sie von dieser universalen Methode behaupten, sie zeitige gewisse Ergebnisse, die wie folgt aufgezählt werden können:

(178) Erstens: Sie erlangen direkte Erfahrung über göttliche Wirklichkeiten, transzendentale Wahrheiten und die übernatürliche Welt. Diese Erfahrungen sind offenbar ein ebenso natürlicher Vorgang und wesentlicher Bestandteil der evolutionären Entwicklung wie jeder andere Werdegang, den die Wissenschaft der Biologie, der Physik oder Chemie bestätigt. So wie diese drei grossen Wissenschaften für den Durchschnittsschüler geheimnisvoll und praktisch unerreichbar sind, genau so ist die Höhere Metaphysik auch für den Akademiker, dem die notwendige Aufgeschlossenheit des Denkens, welche diesbezügliche Schulung und die entsprechende Ausrüstung fehlt, geheimnisvoll und unerreichbar.

Zweitens: Eine weitere Entwicklung ist die Entschleierung des Selbstes. Durch mentale und spirituelle Erziehung, die fortgeschrittene Meditationsübungen vermitteln, wird das Problem der Psychologen über das Wesen des Selbstes, der Seele, der Psyche, gelöst, und dieses Wort kann auf seine ursprüngliche Bedeutung Psyche, der Name der Seele zurückgeführt werden. Der dazu führende Vorgang bestand in einer allmählichen Entschleierung und stufenweisen Annäherung an die Seele. Die Psyche tritt in ihrem wahren Wesen hervor.

Der Materie zugrundeliegend kann ein ihr innewohnender mächtiger Faktor genannt werden, der die Kohäsion der Formnatur verursacht und die in der psychischen Welt handelnde Persönlichkeit ausmacht. Dieser Faktor kann als der Lebens-Aspekt angesehen werden, und die Schüler mühen sich fortwährend mit dem Problem des Lebens ab und versuchen, zu dessen Ursprung und Ursache vorzudringen. Noch tiefer liegt, wie man feststellen kann, der fühlende, erleidende, erlebende, emotionelle Aspekt des Selbst, der durch das Nervensystem (179) und das Gehirn wirkt und alle Aktivitäten in der Welt menschlicher Angelegenheiten sehr stark beherrscht. Dieser Aspekt empfindet Freude und Leid; er ist von Launen und emotionellen Reaktionen dem Leben gegenüber sowie von Sorgen und Wünschen aller Art völlig in Anspruch genommen. So spielt sich das gewöhnliche, persönliche Leben der meisten von uns ab, denn in diesem Stadium menschlicher Entwicklung fühlen wir mehr, als wir denken. Der Grund hierfür wird uns von Patanjali wie folgt klar gezeigt:

«Das Persönlichkeitsgefühl beruht darauf, dass sich der Erkennende mit den Werkzeugen des Erkennens identifiziert. ... Die Illusion, dass der Wahrnehmende und das, was wahrgenommen wird, ein und dasselbe sind, ist die Ursache (der schmerzbereitenden Wirkungen), die beseitigt werden muss».

An anderer Stelle sagt er uns, dass die Lebenserfahrung und der Vorgang des Lebens und Fühlens auf der physischen Ebene von der «Unfähigkeit der Seele, zwischen dem persönlichen Selbst und dem Geist zu unterscheiden», herrühren. «Die objektiven Formen dienen dem Gebrauch und der Erfahrungssammlung des geistigen Menschen. Durch Meditation darüber entsteht die intuitive Wahrnehmung des geistigen Wesens».

Durch diese lebenswichtige Erfahrung, durch den Vorgang sinnlichen Verlangens und darauffolgenden Gewahrwerdens erschöpft der Mensch diesen Aspekt seines Wesens und dringt tiefer ein, bis er bei einem dritten Faktor, dem Denkvermögen, anlangt. An diesem Punkte der Forschung steht jetzt der Mensch und die genaue Betrachtung der mentalen Vorgänge zusammen mit dem Studium der gedanklichen Reaktionen, ihrer Ursachen und Ziele beschäftigt nun die (180) Aufmerksamkeit der Psychologen in aller Welt. Darunter befinden sich viele Gedankenrichtungen, die weit auseinandergehende Ansichten vertreten; trotzdem wird die Existenz eines Etwas, Denkvermögen genannt, und dessen zunehmender Einfluss auf die menschliche Rasse jetzt allgemein anerkannt.

Wohin aber gehen wir von diesem Punkt aus? Durch alle Zeiten gab es ein stetiges Fortschreiten des evolvierenden menschlichen Bewusstseins, und ein ständig zunehmendes Wissen um die Natur und die Welt, in der die Menschen leben, sowie ein immer umfangreicheres Erfassen des Ganzen, bis die ganze Welt nunmehr durch Radio, Telegraph und Fernsehen verbunden ist. Der Mensch ist allgegenwärtig, und das Denken ist der Hauptfaktor beim Zustandebringen dieses scheinbaren Wunders. Wir haben Einsicht in die Gesetze erlangt, welche die natürliche Welt beherrschen und in einige jener Gesetze, welche die psychische Welt regieren. Die Gesetze des sogenannten spirituellen Reiches bleiben der wissenschaftlichen Entdeckung und Nutzung noch vorbehalten. Einige wenige Menschen haben diese Gesetze erkannt und darüber zur Menschheit gesprochen; nützlich angewandt aber werden sie nur von den geistigen Pionieren unserer Menschheit. Unter diesen wenigen ragen als ausserordentliche Wissende hervor der Buddha, der Christus, Plato, Aristoteles, Pythagoras, Meister Eckehart, Jakob Böhme, Spinoza die Liste ist lang. Hier können wir nun die sehr berechtigte Frage aufwerfen: Wäre es nicht möglich, dass viele Hunderte heute den Punkt erreicht haben könnten, wo sie das Gehirn, das Denkvermögen und die Seele in Übereinstimmung bringen und so durch die Pforte mentalen Gewahrwerdens in das Reich des Lichtes, der intuitiven Wahrnehmung und der Welt der Ursachen gelangen können? Wären wir jetzt vom Standpunkt der mentalen Welt, in die wir nun eingedrungen sind, nachdem wir die Schleier des physischen Körpers und der psychischen Natur hinter uns gelassen haben, nicht in der Lage, zu unserer nächsten Entwicklungs-Phase überzugehen? Können wir nicht beginnen, das Wesen der Intuition (181) zu erfassen und uns in einem anderen Naturreich mit ebensoviel Erkenntnis und Leichtigkeit zu betätigen, wie wir dies als Menschen tun, nachdem wir zu einigem Verständnis über das Wesen der Menschheit und des Denkvermögens gelangt sind? Die Wissenden sagen, dass wir dies können, und sie zeigen uns den Weg dazu.

Drittens: In der Sprache einiger Wegbereiter des spirituellen Reiches besteht das dritte Resultat der Meditation darin, dass wir Gott finden. Es ist verhältnismässig unwichtig, was wir im einzelnen mit diesem kleinen Wort «Gott» meinen. Es ist ja nur ein Symbol der Realität. Jede Weltreligion verkündet ein grosses Leben, das der Form innewohnt, und eine grosse Ursache, die alle Dinge ins Dasein gebracht hat. Jedes menschliche Wesen ist sich in seinem Innern undeutlich der Anstrengungen (die mit der Entwicklung des Intellekts ungestümer werden) bewusst, wissen und verstehen zu wollen und die Fragen über das Warum und Weshalb beantworten zu können. Die meisten Menschen, welcher Art immer auch ihre Religion sei, bestätigen ihren Glauben an den Vater aller Wesen und erkennen die Folgerungen aus dieser Vaterschaft an, wenn sie an der Pforte des Todes stehen. Wir wollen Gott als die «Hohe Unbekannte Absicht» ansehen, die als die Gesamtsumme aller Ausdrucksformen des Lebens, aller Bewusstseinszustände und als das Leben selbst erkannt werden kann; wir wollen die Gottheit als das betrachten, «worin wir leben, uns bewegen und unser Sein haben, und das durch jede Form in der Natur (einschliesslich der menschlichen) (182) Seinen allumfassenden und synthetischen Plan ausführt. Die Wissenden versichern uns, dass sich ihnen wenn sie durch eine Methode zu einem Weg gelangt und durch Verfolgung dieses Weges in einen neuen Seinszustand eingetreten sind, die göttliche Absicht und der grosse Plan enthüllen. Sie können dann aktiv daran teilnehmen und bewusste und intelligente Mitarbeiter an der Evolution werden. Sie wissen um das Geschehen, denn sie haben den Gesamtplan gesehen.

Viertens: Von allen Mysterienschulen beider Hemisphären werden diese Ergebnisse mit folgenden Worten zusammengefasst: Vereinigung mit Gott, oder Eins-Sein mit der Gottheit. Gott und Mensch sind eins. Selbst und Nicht-selbst sind vereint. Tauler drückt dies so aus:

«In dieser Vereinigung ... erreicht der Mensch Gott nicht durch bildliche Vorstellungen oder Meditationen, nicht durch höhere mentale Anstrengung, auch nicht als Wohlgeschmack oder als Licht; sondern es ist WAHRHAFTIG ER SELBST, den er innerlich und in einer Weise empfängt, die allen Wohlgeschmacks, alles Licht erschaffener Dinge, alle Vernunft, jedes Mass und jede Intelligenz übersteigt».

Alle anderen unter der spirituellen Realität liegenden Faktoren sind nur Wege zum Zentrum und müssen im kontemplativen Zustand, in dem der Mensch aus dem Formbewusstsein in das der spirituellen Realität, der Seele, hinübergleitet, gänzlich beseitigt werden. Die Seele als bewusster, untrennbarer Teil der Universalen Seele (so paradox diese Worte auch scheinen mögen) ist frei von jedem Ichgefühl (oder Empfinden des Getrenntseins); daher ist die Vereinigung mit Gott die Verwirklichung einer in der Natur seit jeher bestehenden Tatsache. (183) Die Seele erkennt sich bewusst als eins mit Gott. Wenn wir uns diesen Gedanken vor Augen halten und begreifen, welche Rolle der Intellekt gespielt hat, gewinnen die Worte des Hl. Paulus neue Klarheit, wenn er sagt «Ein jeglicher sei gesinnet, wie Jesus Christus auch war, welcher, ob er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt er's nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein».

Das Resultat dieser verwirklichten Vereinigung (verwirklicht im kontemplativen Zustand) ist Erleuchtung des Denkens und des Gehirns, vorausgesetzt, dass beide wirklich stetig und in wartendem Zustand gehalten wurden. Wenn die Erleuchtung häufiger zustande kommt und schliesslich nach Belieben herbeigeführt werden kann, bewirkt sie mit der Zeit ein Leben der Inspiration.

Wenn diese Stadien erfasst und gemeistert wurden, und wenn der intelligente Mensch sich willig der beschriebenen Technik unterwirft, werden viele als Zeugen für diese göttliche Wissenschaft auftreten. Die Worte, die ich in meinem Buch DIE SEELE UND IHR INSTRUMENT gebrauchte, werden sich als wahr erweisen: «Eine neue Menschenrasse wird erscheinen, mit neuen Eigenschaften, neuen Idealen, neuen Vorstellungen über Gott und Materie, über Leben und Geist. Diese Rasse und die Menschheit der Zukunft werden nicht nur einen Mechanismus und ein strukturelles Gefüge sehen, sondern auch eine Seele, eine Wesenheit erleben und verstehen, die durch die Benützung dieses Mechanismus ihr eigenes Wesen, das Liebe, Weisheit und Intelligenz ist, manifestieren wird».

Es ist hier interessant, die Einheitlichkeit der Lehren aller Religionen und Rassen hinsichtlich der Methode für den Eintritt in das Reich der Seele festzustellen. (184) Es scheint, als ob an einem bestimmten Punkt des Evolutionspfades alle Wege zusammenlaufen und alle Pilger zum selben Standort auf dem Weg gelangen würden. Von diesem Kreuzungspunkt an gehen sie den gleichen Weg, verwenden die gleichen Methoden und gebrauchen eine sehr ähnliche Ausdrucksweise. Dass die Zeit für eine klare Erkenntnis dieser Vorgänge gekommen ist, geht aus dem weitverbreiteten Studium vergleichender Religionswissenschaft und aus der Wechselbeziehung zwischen den einzelnen Rassen hervor. Diese beiden Faktoren reissen die alten Trennungsmauern nieder und beweisen die Einheit der menschlichen Seele.

Allgemein gesprochen, zerfällt dieser Weg fast ausnahmslos in drei Hauptteile, die z.B. bei den drei grossen Religionen, der christlichen, der buddhistischen und der Hindu-Religion zu erkennen sind. In der christlichen Kirche sprechen wir vom Probepfad, vom Pfad der Heiligkeit, und vom Pfad der Erleuchtung. Dr. Evans-Wentz von der Oxforder Universität zitiert in seiner Einleitung zu: TIBET'S GROSSER YOGI, MILAREPA, einen Hindulehrer mit folgenden Worten:

«Die drei führenden Schulen Tibet's unterscheiden - meiner Ansicht nach - drei Stadien auf dem Pfad der Erleuchtung oder des spirituellen Fortschrittes. Im ersten Stadium wird der hingebungsvolle Gläubige Vorschriften und Verboten unterworfen ... d.h. "durch Regeln gebunden". Im zweiten hält er sich an traditionelle Methoden ... wobei die gewöhnlichen Beschränkungen bis zu einem gewissen Grad erleichtert werden, obgleich der Gläubige noch nicht gänzlich frei ist. Wenn im dritten, dem Adi-Yoga-Stadium, durch Yoga-Übungen das Licht aufstrahlt, gibt es keine Beschränkungen mehr, denn der Zustand des Buddha ... ist erreicht worden. Diese drei Stadien entsprechen ungefähr dem, was die TANTRAS mit dem ... Zustand des Tier-Menschen ... dem Rang des Helden, (185) und der Rangstufe des Göttlichen oder Erleuchteten ... meinen».

Die Methode des tibetanischen Buddhismus.

Beim Studium des Lebens Milarepa's, des Heiligen von Tibet, der im elften und zwölften Jahrhundert lebte, finden wir, dass von ihm behauptet wird, dass er die Vereinigung durch die Methode der Disziplinierung, durch Meditation und praktische Übungen, und schliesslich durch Erleuchtung erlangte. Wir lesen folgendes:

«Als er in den mystischen und okkulten Wissenschaften die Meisterschaft erlangt hatte, wurden ihm die vier glückseligen Zustände ekstatischer Kommunion ununterbrochen zuteil. ...

«Als er Allwissenheit, alldurchdringenden Guten Willen und brennende Liebe erlangt und überirdische Gaben und Wirkkräfte errungen hatte, wurde er ein selbstentfalteter Buddha, der turmhoch über allen widerstreitenden Meinungen und Argumentationen der verschiedenen Sekten und Glaubensrichtungen thronte. ...

«Er war in der Meditation über den Seltenen Pfad äusserst fleissig und ausdauernd. ... Nachdem er über die inneren mentalen Zustände und Fähigkeiten volle Macht erlangt hatte, überwand er alle von den äusseren Elementen kommenden Gefahren.

«Er war in der Ausübung der vier Meditationsstadien (Analyse, gedankliche Vertiefung, Liebe und Gottseligkeit) vollkommen. Das sind die vier stufenweise fortschreitenden, mentalen Zustände, die zu vollständiger Konzentration des Denkens führen und ekstatische Erleuchtung bewirken. ...

«Er war ein in der Wissenschaft des Denkens höchst gelehrter Professor, der bewiesen hatte, dass das Denkvermögen ausser allem Zweifel der Beginn und das Ende aller sichtbaren Phänomene, sowohl der materiellen wie auch der geistigen ist, und dass dessen Strahlen, wenn sie unbehindert ihren Weg nehmen dürfen, sich wie er wusste aus eigener, freier, ihnen innewohnender Kraft zur dreifachen (186) Manifestation des Universalen Göttlichen Seins entwickeln».

Also auch hier der gleiche Vorgang mentale Aktivität, Kontemplation, Vereinigung und Erleuchtung.

Die Methode des chinesischen Buddhismus.

Einer der hauptsächlichsten Beiträge zum Vorgang der Erleuchtung ist das Verstehen der Art und Weise, wie Buddha das Licht fand. Diese Methode beweist in sehr bemerkenswerter Art die Nützlichkeit des Denkvermögens, um Unwissenheit und die daraus folgende Vergeblichkeit zu überwinden, den Menschen in die Welt des Lichtes und des geistigen Seins zu führen. Dr. Suzuki, Professor über den Zen-Buddhismus im buddhistischen College zu Kyoto teilt darüber Näheres in den folgenden aufschlussreichen Ausführungen mit: Er sagt, dass der Buddha durch «allerhöchste, vollkommene Erkenntnis» zu jener Weisheit gelangte, die ihn aus einem Bodhisattva in einen Buddha verwandelte. Diese Erkenntnis ist ...

« ... sowohl eine intellektuelle als auch eine spirituelle Fähigkeit, durch welche die Seele die Fesseln des verstandesmässigen Erfassens zu brechen vermag. Dieses letztere ist immer zweifach insofern, als es des Subjektes und des Objektes gewahr ist; im Prajna, das, in Verbindung mit der "Ein-Gedanken-Sicht" ausgeübt wird, gibt es keine Trennung zwischen Erkennendem und Erkanntem, da beide in einem einzigen Gedanken erschaut werden, woraus dann Erleuchtung entsteht. ...

«Wir können daher Erleuchtung als einen absoluten Zustand des Denkvermögens ansehen, worin keine "Unterscheidung" ... stattfindet; es erfordert jedoch eine grosse mentale Anstrengung, diesen Zustand des (187) Schauens aller Dinge "in einem einzigen Gedanken" zu verwirklichen. In der Tat, unser logisches und auch praktisches Bewusstsein gibt sich allzusehr der Analyse und Gedankenbildung hin; das heisst, wir zerlegen Realitäten in Elemente, um sie zu verstehen; wenn sie jedoch wieder zu dem ursprünglichen Ganzen zusammengesetzt werden, heben sich ihre Elemente allzudeutlich ab und wir sehen das Ganze nicht "in einem Gedanken". Da es aber nur durch Erlangung des "Ein-Gedanken-Zustandes" möglich ist, zur Erleuchtung zu kommen, müssen Anstrengungen gemacht werden, um über unser relativ empirisches Bewusstsein hinauszukommen. .... Die wichtigste, der Erfahrung der Erleuchtung zugrundeliegende Tatsache ist daher die, dass der Buddha die allergrössten Anstrengungen machte, um das Problem der Unwissenheit zu lösen; er setzte seine äusserste Willenskraft für einen erfolgreichen Ausgang dieses Ringens ein. ... Erleuchtung muss daher sowohl den Willen, als auch den Intellekt einschliessen. Sie ist ein Akt der aus dem Willen geborenen Intuition. ... Buddha gelangte zu diesem Ziel, als ihm am Ende seiner ständigen Schlussfolgerungen, die vom Verfall und Tod zur Unwissenheit, und von dieser wieder zum Verfall und Tod kreisten, eine neue Einsicht überkam. ... Aber er besass einen unbezähmbaren Willen; er wünschte mit der ganzen Macht seines Willens, zur vollen Wahrheit über die Sache zu kommen; er klopfte immer wieder an, bis die Tore der Unwissenheit nachgaben; sie sprangen auf und eröffneten einen neuen Ausblick, wie er sich seiner intellektuellen Vision niemals zuvor dargeboten hatte».

Vorher weist er darauf hin, dass die Erreichung von Nirvana schliesslich doch im Wesentlichen die Bestätigung und Verwirklichung der Vereinigung ist. Im selben Essay finden wir die Worte:

«Sie (die Buddhisten) kamen schliesslich darauf, dass Erleuchtung nicht etwas sei, das ausschliesslich dem Buddha zugehörte, sondern dass jeder sie erreichen könnte, wenn er die Unwissenheit durch Aufgabe der dualistischen Vorstellung über Leben und Welt los würde; sie schlossen weiter, dass Nirvana nicht das Entschwinden in einen Zustand absoluter (188) Nicht-Existenz sei - eine Unmöglichkeit, solange wir mit den wirklichen Tatsachen des Lebens zu rechnen haben - sondern, dass Nirvana in seiner endgültigen Bedeutung eine positive Bestätigung, eine über alle Gegensätze hinausgehende Bestätigung sei».

Der oben gebrauchte Ausdruck Praina ist sehr interessant. Er bedeutet «das Vorhandensein einer Fähigkeit in jedem Individuum. ... Er ist das Prinzip, das uns genau so wie dem Buddha Erleuchtung ermöglicht. Ohne Prajna könnte es keine Erleuchtung geben, welche die höchste spirituelle Macht ist, die uns gehört. Der Intellekt ... ist in seiner Aktivität relativ. ... Buddha war vor seiner Erleuchtung ein gewöhnlicher Sterblicher, und wir gewöhnliche Sterbliche werden in dem Augenblick Buddhas werden, da sich unsere mentalen Augen in Erleuchtung öffnen».

So haben wir also die Konzentration des Denkvermögens, das bis zu seiner äussersten Leistungsfähigkeit benutzt wird, und sodann das Aufhören seiner Funktion. Als nächstes folgt der Einsatz des Willens, um das Denkvermögen stetig im Licht zu halten, und dann die Vision, die Aufhellung, die Erleuchtung!

Die Methode im Hindu-Yoga.

Die Hindus haben den Vorgang mentaler Annäherung an die Wirklichkeit und die Rolle, die das Denkvermögen dabei spielen sollte, vielleicht klarer analysiert als irgendeine andere Denkergruppe. Shankaracharya sagt:

«Der Yogi, dessen Intellekt vollkommen ist, betrachtet alle Dinge, als ob sie in ihm, in seinem eigenen (189) "Selbst" wären, ohne einen Unterschied zwischen äusseren und inneren zu machen; durch das Auge der Erkenntnis (Inana-chaksus, ein Ausdruck der ziemlich genau mit "intellektueller Intuition" wiedergegeben werden kann) nimmt er also wahr (oder eigentlich erfasst er, nicht vernunftmässig oder logisch, sondern durch direktes Bewusstwerden und augenblickliche Zustimmung), dass alles Atma ist».

Der Yogi, oder derjenige der Vereinigung erreicht hat (denn Yoga ist die Wissenschaft der Vereinigung), erkennt sich, wie er in Wirklichkeit ist. Wenn Unwissenheit transzendentaler Bewusstheit Platz macht, begreift er, dass er mit Brahma, der Ewigen Ursache, dem Einen und Einzigen identisch ist. Über jeden Zweifel erhaben erkennt er sich als Gott; Gott immanent und Gott transzendent.

Der Seher fährt fort:

«Er ist "das höchste Brahma, ewig, rein, frei, allein (in Seiner absoluten Vollkommenheit), unaufhörlich erfüllt von Seligkeit, ohne Dualität, (absolutes) Prinzip aller Existenz, wissend (ohne dass dieses Wissen eine Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt in sich schliesst, was das Gegenteil von Nicht-Dualität wäre), und ohne Ende".

«Er ist BRAHMA, durch das alle Dinge erleuchtet werden, indem sie entsprechend ihren Wirklichkeitsgraden an Seinem Wesen teilhaben, dessen Licht die Sonne und alle leuchtenden Körper scheinen lässt, das aber nicht durch deren Licht offenbar wird.

«Das durch Meditation erleuchtete "Selbst" ... glühend, leuchtend vom Feuer der Erkenntnis, seine wesenhafte Identität mit dem Höchsten Licht erkennend, ist von allen Zufälligkeiten befreit ... und erstrahlt im eigenen Glanze wie im Feuer gereinigtes Gold.

«Wenn die Sonne geistiger Erkenntnis am Himmel des Herzens aufsteigt (das heisst im Zentrum des Seins ... ), zerstreut es die Dunkelheit (190) (der Unwissenheit, welche die einzige absolute Realität verschleiert), durchdringt alles, hüllt alles ein und erleuchtet alles».

Pater Maréchal führt aus, dass die

« ... psychologische, vom Kontemplierenden erlebte Erfahrung durch die beiden, von M. Oltramara beschriebenen und dem Sarvadarsanasangraha entsprechenden Phasen mentaler Konzentration und Unbewusstheit geht: in den zwei aufeinanderfolgenden Phasen untergräbt der Yogi im voraus die Grundlage für weitere Existenzen und löscht alle die Eindrücke aus, von denen die gegenwärtige Existenz bestimmt wird. Dies geht zuerst bewusst vor sich ... ; das Denken richtet seine Aufmerksamkeit ausschliesslich auf den geeigneten Gegenstand, und alle Veränderungen des Denkprinzips werden zeitweilig in dem Masse aufgehoben, als sie von äusseren Dingen abhängen; die dadurch erzielten Erfolge sind entweder sichtbar - Aufhören von Leiden - oder unsichtbar, unmittelbare Seinswahrnehmung, die das erstrebte Ziel der Meditation ist. ... Die zweite Yoga-Phase ist die unbewusste ... das Denken hat sich in seine Ursache aufgelöst ... das Persönlichkeitsgefühl ist verlorengegangen; der Meditierende, der Gegenstand, bei dem seine Gedanken verweilen, und der Akt der Meditation selbst, - sind eins ... ». 

Patanjali, der grösste Lehrer der Yoga-Wissenschaft der Welt hat die Endstadien in seinem vierten Buch wie folgt zusammengefasst:

«Der Zustand losgelösten Einsseins (in das wahre Wesen des Selbst zurückgezogen) ist die Belohnung für den Menschen, der zwischen dem Denk-Stoff und dem Selbst oder geistigen Menschen unterscheiden kann.

«Der Zustand losgelöster Einheit wird möglich, wenn die drei Eigenschaften der Materie (die drei Gunas oder Wirkkräfte der Natur) (191) über das Selbst keinen Einfluss mehr ausüben. Das reine, spirituelle Bewusstsein zieht sich in den EINEN zurück.

«Wenn die alleinstehende, vom Objektiven befreite geistige Intelligenz sich im Denkstoff widerspiegelt, erfolgt Gewahrwerden des Selbstes ... das Denken strebt dann ... nach zunehmender Erleuchtung .. ».

Auch hier die gleiche Idee. Der Gebrauch des Denkvermögens, die schliessliche Zurückziehung aus dem Denkbewusstsein und die Verwirklichung der Einheit. Dies führt zu ständiger Erleuchtung.

Die Methode des Sufismus.

Die Schrifttexte der Sufis sind durch gedankliche Bilder und Symbole sehr verschleiert und weisen einen vielleicht stärkeren Sinn für Dualität auf als irgendwelche andere religiöse, esoterische Systeme, mit Ausnahme der christlichen mystischen Schriften. Dass aber sogar aus ihnen die gleiche Formulierung der Wahrheit und dieselbe grundlegende Methode zutagetritt, zeigen die folgenden Auszüge aus der ältesten persischen Abhandlung über Sufismus! Es ist interessant festzustellen, dass jene Schriften, die am längsten fortbestehen und den grössten Nutzen bringen, von Wissenden stammen, weil diese Wissenden über ihre Gotteserfahrung in einer solchen Weise berichten können, dass sie sowohl lehren und beschreiben als auch behaupten und bestätigen können.

«Der erste Schritt zur Einswerdung ist das Auslöschen des Trennungsbewusstseins, denn durch dieses wird die Absonderung vom Unvollkommenen ausgedrückt, wogegen Einswerdung die Bekundung der Einheitlichkeit einer Sache ist. ... Dementsprechend besteht der erste Schritt zur Einswerdung in der Weigerung anzuerkennen, dass Gott einen Partner habe, sowie in der Beseitigung aller Beimischungen. ...

(192) «Wir haben fünf Prinzipien der Einswerdung; die Beseitigung dessen, was zur Welt der Erscheinungen gehört, die Bestätigung der Ewigkeit, das Abwenden von alten Gedanken und Gewohnheiten, die Absonderung von Glaubens-Brüdern sowie das Vergessen dessen, was bekannt und was unbekannt ist.

«Die Beseitigung dessen, was zur Erscheinungswelt gehört besteht darin, dass man den Phänomenen keinen wie immer gearteten Zusammenhang mit der Einswerdung zugesteht und dass man die Möglichkeit verneint, sie könnten bis zur heiligen Essenz Gottes gelangen; die Bestätigung der Ewigkeit liegt in der Überzeugung, dass Gott schon immer existiert hat ... ; das Abwenden von alten Gewohnheiten wiederum bedeutet für den Novizen: das Aufgeben gewohnter Freuden der niederen Seele und der Formen dieser Welt, für den Adepten: das Aufgeben hoher Aufenthaltsorte, herrlicher Zustände und erhabener Wunder; die Absonderung von Brüdern bedeutet das Abwenden von der menschlichen Gesellschaft und das Hinwenden zur Gesellschaft Gottes, denn jeder andere Gedanke als der an Gott ist Verhüllung und Unvollkommenheit; und je mehr sich ein Mensch in Gedanken mit anderem als mit Gott befasst, um so mehr verhüllt er sich vor Gott. Überall stimmt man darin überein, dass die Vereinigung in der Gedankenkonzentration besteht während die Befriedigung an anderem als an Gott ein Zeichen für Gedankenzerstreuung ist ...».

Wiederum finden wir folgende Worte:

«Einer der Scheichs sagt: "Vier Dinge sind dem Betenden nötig: Vernichtung der niederen Seele, Verlust der natürlichen Kräfte, Reinheit des innersten Herzens und vollkommene Kontemplation". Zerstörung der niederen Seele kann nur durch Gedankenkonzentration erreicht werden. Verlust der natürlichen Kräfte nur durch Bezeugung der Göttlichen Majestät, was die Vernichtung alles dessen bedingt, was nicht Gott ist; Reinheit des innersten Herzens nur durch Liebe; und vollkommene Kontemplation nur durch die Reinheit des innersten Herzens».

Also auch hier finden wir die gleiche Wahrheit.

(193)

Die Methode im Christentum.

Es ist natürlich leicht, viele Textstellen zu finden, die den Weg des christlichen Wissenden mit dem seines Bruders im Osten verbinden. Sie geben von der gleichen Wirksamkeit der Methode Zeugnis, gebrauchen ebenfalls den Intellekt bis zu einem. gewissen Grade, stellen aber dann auch wenn sich ein neuer Seinszustand bildet und ein neuer Wahrnehmungszustand hinzukommt jede Anstrengung ein. Der Hl. Augustin sagt: «So wie das unaussprechlich ist, woraus der Sohn im ersten Prozess dem Vater entspringt, genauso besteht etwas Okkultes hinter dem ersten Prozess, Intellekt und Willen». Meister Eckehart vereinigt sich mit den orientalischen Wissenden durch folgende Worte:

«Intellekt ist die höchste Macht der Seele und durch ihn erfasst die Seele das Göttlich Gute. Freier Wille ist die Macht, das Göttlich Gute, das der Intellekt ihm kundmacht, zu geniessen. Der Funke der Seele ist das Licht des göttlichen Spiegelbildes, das sich allezeit Gott zukehrt. Das Geheimnis des Denkvermögens ist gleichsam die Gesamtheit alles Göttlich-Guten und aller göttlichen Gaben im innersten Wesen der Seele, die einem unerschöpflichen Brunnen göttlicher Güte gleicht.

«Die niederen Kräfte der Seele sollten ihren höheren, und diese Gott untergeordnet werden; ihre äusseren Sinne den inneren, und diese der Vernunft; die Gedanken der Intuition, und die Intuition und alles andere der Einheit, so dass die Seele allein sein kann, von nichts anderem durchflutet als von reiner, hier in sich selbst fliessender Göttlichkeit.

«Wenn das Denken eines Menschen die Berührung mit allem verloren hat, dann, und nur dann tritt es in Berührung mit Gott.

«Aus dieser einfliessenden Gnade ersteht sogleich jenes Licht des Denkens, in das Gott einen Strahl Seiner unverhüllten Herrlichkeit sendet. In diesem machtvollen Licht steht ein Sterblicher so hoch über seinen Mitmenschen, wie (194) ein Lebender über seinem Schatten an der Mauer.

«Wenn der Seelen-Mensch über die Art und Weise der Engel hinausgelangt und vom Intellekt geleitet wird, dringt er bis zur Quelle vor, aus der die Seele entsprang. Der Intellekt selbst aber wird mit allen benannten Dingen draussen gelassen. So verschmilzt die Seele mit der reinen Einheit».

So führen alle grossen Schulen intellektueller Meditation (in den Endstadien aller Empfindung und Emotion ledig) zum gleichen Ziel. Vom Standpunkt sowohl des Buddhismus als auch des Hinduismus, des Sufismus und des Christentums besteht überall das gleiche grundlegende Ziel: Einswerdung mit der Gottheit; die gleiche Transzendenz der Sinne, dasselbe Konzentrieren des Denkvermögens an seinem höchsten Punkt, dasselbe scheinbare Unvermögen dieses Denkvermögens, den Aspiranten über diesen Punkt hinaus zum angestrebten Ziel zu bringen; das gleiche Eingehen in den Zustand der Kontemplation über die Wirklichkeit, das gleiche Aufgehen in Gott und Gewahrwerden der Identität mit Gott, und die gleiche nachfolgende Erleuchtung.

Jedes Trennungsgefühl ist verschwunden. Einheit mit dem Universum, erkannte Identität mit dem Ganzen, bewusste Wahrnehmung des Selbst und Gleichwerdung mit dem inneren und äusseren Wesen bei vollem Wachbewusstsein - dies ist das endgültige Ziel des nach Erkenntnis Suchenden.

Das Selbst, das Nicht-Selbst und die Beziehung zwischen diesen beiden werden ohne Differenzierung als Tatsache erkannt. Gott. der Vater, Gott der Sohn und Gott, der Heilige Geist werden als eine harmonisch zusammenwirkende Identität erkannt, - die Drei in Einem und der (195) Eine in Dreien. Das ist das erstrebte Ziel aller Schulen, dass der Mystiker über das Gefühl und schliesslich sogar über das Denken hinausgelangt und mit dem All vereint wird. Die Individualität verbleibt wohl dem Bewusstsein, ist aber mit der Gesamtheit so einsgeworden, dass jedes Ichgefühl verschwindet. Nichts bleibt übrig als die erkannte und verwirklicht Einheit.