Navigieren durch die Kaptitel von diesem Buch

Erster Teil - Das Wesen der Verblendung - Teil 1

Erster Teil 

Das Wesen der Verblendung

Im (26) Vorhergehenden befassten wir uns mit der Definition gewisser (oft miteinander vertauschter) Wörter, die mit Illusion und Verblendung zu tun haben. Dabei stellten wir Folgendes fest:

1. Illusion ist in der Hauptsache eine mentale Eigenschaft und kennzeichnet die Denkgewohnheit von Menschen, die mehr intellektuell als emotional (gefühlsmässig) eingestellt sind. Der Verblendung im üblichen Sinne sind sie entwachsen. Ihr Fehler liegt im Missverstehen von Ideen und Gedankenformen und in irrigen Auslegungen.

2. Verblendung ist ihrem Wesen nach astral und zurzeit von erheblich stärkerem Einfluss als Illusion, weil die überwiegende Mehrzahl der Menschen astral eingestellt ist und sich stets von ihren Gefühlen bestimmen lässt.

3. Maya ist ihrem Wesen nach vital und eine Qualität der (ätherischen) Lebenskraft. Sie ist im Grunde die Energie des Menschen, wie sie unter dem subjektiven Einfluss mentaler Illusion oder astraler Verblendung oder unter dem gemeinsamen Einfluss beider, aktiv in die Erscheinung tritt.

4. Der Hüter der Schwelle, obwohl stets vorhanden, tritt erst auf dem Pfad der Jüngerschaft aktiv in Erscheinung, wenn der Aspirant seiner selbst seines inneren Zustandes okkult gewahr wird, der durch seine eigene Illusion, seine astrale Verblendung und die sein ganzes Leben umgebende Maya verursacht wurde. In seiner nunmehr abgerundeten Persönlichkeit (und niemand, lieber Bruder, ist ein Jünger, der nicht sowohl mental als auch emotional entwickelt ist - was übereifrige Anfänger [27] vergessen) erscheinen diese drei Einflüsse (mit vorwiegender Wirkung in einem oder anderen der Körper) als ein geschlossenes Ganzes, und dieses Ganze nennt man den «Hüter der Schwelle». Er ist in Wirklichkeit eine belebte Gedankenform, in der sich mentale Kraft, astrale Kraft und vitale Energie verkörpern.

Auf dieser Stufe steht der Aspirant deshalb vor dem Problem, zunächst einmal Folgendes zu erlernen:

1. Zwischen diesen drei Aspekten innerer Illusion zu unterscheiden.

2. Herauszufinden, welche Umstände in der Umgebung oder in der eignen Verfassung diese Schwierigkeiten verursachen.

3. Methoden zu entdecken, wie die obwaltenden Verwirrungen und Täuschungen am wirksamsten zu überwinden sind.

Dabei vergesse man nicht, dass diese entstellenden Einflüsse im Innern jedes einzelnen Menschen das Mittel sind, das ihn auf die Verblendung und die Illusion der Aussenwelt einschaltet. Bisher haben esoterische Schulen besonders die Ausbildung und Befreiung des einzelnen Aspiranten betont. Sie ist natürlich notwendig, denn die Masse besteht aus Einzelnen; und dadurch, dass sich immer mehr Einzelmenschen aus den Banden dieser inneren Täuschungen befreien, wird am Ende die Klärung der menschlichen Gesamtlage erfolgen. Deshalb ist es notwendig, dass jeder für sich und an sich selbst arbeitet, und dass er lernt, jene Klarheit und Wahrheit in seiner Umgebung zu schaffen, die den uralten Rhythmus und tief eingefleischte Gewohnheit überwinden und damit die Aura zunehmend reinigen werden. Das muss aber jetzt gruppenweise geschehen, und meine jetzige Lehrgruppe ist eine der ersten, die exoterisch im Neuen Zeitalter mitzuarbeiten bestimmt ist. Durch die Tätigkeit solcher Gruppen wird die Weltverblendung zerstreut [28] werden, aber vorerst muss der Aspirant lernen, mit individueller und mit Gruppenverblendung umzugehen. Folgende drei Punkte müssen im Auge behalten werden. Meine Belehrung dieser Gruppe kann ich in kurze und technische Worte fassen, denn meine Zeit ist knapp, und die einzelnen Mitglieder besitzen hinreichende technische Kenntnisse, um das zu verstehen, wovon ich spreche.

Erstens: Die vereinigten Auras der Gruppenmitglieder bestimmen jederzeit den Gruppenzustand, die Aktivität und Verwendbarkeit der Gruppe, ihr Problem und ihre Verblendung. Daraus erhellt sich die Gruppenverantwortung und Verwendbarkeit des einzelnen. Entweder hindert er die Gruppe oder er fördert sie, je nach der Beschaffenheit seiner Aura, die sich entweder in einem Zustand von Verblendung oder Illusion befindet oder die davon relativ frei ist.

Zweitens: Der Einzelne muss zunächst einmal sein eigenes Sonderproblem feststellen. In persönlichen Unterweisungen werde ich in diesem Zusammenhange jedem Mitglied andeuten, nach welcher Richtung er besonders neigt und ob es Verblendung, Illusion oder Maya ist, der er gewöhnlich am ehesten unterliegt. Dabei werde ich keine Umschweife machen, denn ich habe die Aufrichtigkeit des Einzelnen erprobt und glaube, dass er bereit ist, die Wahrheit zu hören. Sobald jeder sich über die besondere Natur seines eigenen Problems klar geworden ist, kann er mit Entschlossenheit auf dessen Lösung hinarbeiten - mit Entschlossenheit, liebe Brüder und ohne Eile, aber mit der nötigen Sorgfalt und Vorsicht und mit rechtem Verständnis.

Drittens muss man verstehen, dass ich durch Beobachtung des einzelnen Mitgliedes gleichzeitig die Qualität der ganzen Gruppe ermessen kann. Das Mass von innerem Licht, das hindurchscheinen und seine Gegenwart in den verschiedenen Auras bemerkbar machen kann, ist mir ersichtlich und es zeigt mir die Stärke und Wirksamkeit, die Durchschlagskraft an, mit welcher der Einzelne die Gruppe beeinflusst, denn positive Auras unterwerfen die negativen. Erforderlich ist eine Kombination von positiven Auras, die sich der Gruppenarbeit unterzuordnen gewillt sind. In dem Mass [29] wie wir gegen Illusion Front machen und uns von ihrem Einfluss befreien und wie wir die astrale Verblendung zerstreuen, in der alle mehr oder weniger befangen sind, wird unser Leben an Freiheit und Nützlichkeit zunehmen. Wenn die Maya irreführender Energieströmungen den Einzelnen nicht mehr zu unerwünschter Tätigkeit hinreisst, wird das innere Licht mit grösserer Klarheit hervorstrahlen. Dann wird sich langsam aber sicher auch der Hüter der Schwelle in Nichts auflösen und den Weg zur Pforte der Einweihung frei und ungehindert lassen.

Stark mentale Typen unterliegen der Illusion. Sie ist in Wirklichkeit ein Zustand, in dem der Aspirant ganz deutlich beherrscht wird von:

1. Einer Gedankenform, die so mächtig ist, dass sie zweierlei bewirkt:

a. Sie beherrscht die Lebenstätigkeit oder Wesensäusserung.

b. Sie schaltet den Aspiranten auf die Masse der Gedankenformen ein, die ähnlich geartet sind und die von anderen unter dem Bann einer ähnlichen Illusion geschaffen werden.

Dies erzeugt im schlimmsten Fall Geisteskrankheit oder Zwangsvorstellungen, aber als weniger gefährliche und normale Erscheinung den Fanatiker. Der Fanatiker ist gewöhnlich - auch wenn er selbst es nicht weiss - ein verwirrter Mensch; er steht im Bann irgendeiner mächtigen Idee, findet aber durchaus keine Möglichkeit, sie in den Gesamtrahmen des Weltbildes einzufügen, oder jene notwendigen und oft göttlich verordneten Kompromisse zu schliessen, die der Menschheit wirklich helfen würden oder das in Raum und Zeit zu verwirklichen, wozu seine natürlichen Anlagen ihn befähigen.

2. Beim hochentwickelten Menschen gruppiert sich die mentale Illusion oft um eine bestimmte Intuition und diese Intuition verdichtet sich in seinem Denken, bis sie so wirklich erscheint, dass der Betreffende das, was für die Welt getan werden sollte, so klar erschaut, dass er fanatisch all seine Zeit darauf verwendet, auch [30] anderen seine Vision aufzuzwingen. So verrinnt sein Leben auf den Flügeln der Illusion und seine Inkarnation ist verhältnismässig wertlos. In einigen seltenen Fällen erzeugt solch eine Verbindung von Intuition und mentaler Tätigkeit ein Genie auf irgendeinem Gebiet, aber dann handelt es sich nicht um Illusion, sondern um klares Denken und gründliche Ausbildung in dem betreffenden Fach oder Unternehmen.

3. Menschen von schwächerem und mehr durchschnittlichem, mentalen Gepräge fallen dem allgemeinen Illusionsbereich und der Massenillusion zum Opfer. Die Mentalebene manifestiert eine gewisse Entstellung, die anders geartet ist, als die der astralen oder der ätherischen Ebene. Die sich entwickelnde Fähigkeit, kritisch zu unterscheiden, hat schärfere Abgrenzungslinien erzeugt und anstelle der dichten Nebelschwaden der Astralebene oder der Energiestrudel und -strömungen der ätherischen Ebene finden wir auf der Mentalebene Massen von scharfumrissenen Gedankenformen von besonderer Qualität, Note und Schwingung; und um sie herum geringere Gedankenformen, geschaffen von denen, die auf jene Formen und deren Note, Qualität und Schwingung reagieren. Dabei lassen sich vorhandene Ähnlichkeiten erkennen, die den mächtigeren Gedankenformen als Leitungswege dienen. Uralte Theologien im modernen Gewand, starre Formulierungen von Halbwahrheiten, wilde Gedankenphantasien verschiedener Weltgruppen und viele ähnliche Quellen haben - seit grauer Vorzeit - die Welt der Illusion und die Denkgewohnheiten geschaffen, welche die Menschheit in falschen Begriffen und Gedanken gefangen gehalten haben. So zahlreich sind diese Illusionen und die von ihnen erzeugten Gedanken, dass sie in der heutigen Welt eine allgemeine Spaltung der menschlichen Rasse hervorgerufen haben, eine Spaltung in verschiedene Gedankenrichtungen (in der Philosophie, Wissenschaft, Religion, Soziologie usw. usw.), in mancherlei Parteien und Gruppen mit ähnlichen Ideen, in Gruppen von Idealisten, die einander wegen ihrer Vorliebe für bestimmte Ansichten bekämpfen und in Zehntausende, die am Denken einer [31] Gruppe teilnehmen. Sie erzeugen die heutige Weltliteratur und bestimmen dadurch die Tendenz der öffentlichen Redner; sie inspirieren die leitenden Persönlichkeiten der Welt und sind für die heutigen Massenexperimente auf dem Gebiet der Regierung, der Erziehung und der Religion verantwortlich, die so viel Beunruhigung und demzufolge soviel Illusion in der Welt verursachen.

Was wir zurzeit brauchen, sind Denker, die sich in jener mentalen Einstellung und Unbeirrtheit schulen, welche die Gefahr negativer Empfänglichkeit ausschaltet und zur gleichen Zeit auf die höhere, intuitive, Inspiration reagiert. Es werden vermittelnde Ausleger von Ideen gebraucht, aber keine Medien.

Emotionale Menschen reagieren mit Leichtigkeit auf die Weltverblendung und auf die individuelle Verblendung, die sie selbst ererbt oder herbeigeführt haben. Die grosse Masse ist rein emotional mit gelegentlichen Aufblitzen wirklich mentalen Verstehens - sehr gelegentlichen, lieber Bruder, denn meist ist davon absolut nichts zu spüren. Verblendung lässt sich mit Dunst oder Nebel vergleichen, in dem der Aspirant einhergeht, der alles, was er sieht und berührt, verzerrt und ihn daran hindert, jemals das Leben in seiner wahren Gestalt zu sehen oder die ihn umgebenden Umstände ihrem wirklichen Wesen nach zu erkennen. Wenn ein Aspirant einigermassen fortgeschritten ist, so ist er sich der Verblendung gewahr und gelegentlich sieht er blitzartig die Richtung, in der für ihn die Wahrheit liegen dürfte. Bald aber senkt sich wiederum der Verblendungsnebel um ihn herum und beraubt ihn der Fähigkeit, sich zu befreien oder irgendetwas Konstruktives zu unternehmen. Sein Problem verschärft sich weiterhin dadurch, dass er darunter leidet und mit sich selbst äusserst unzufrieden wird. Er wandert stets im Nebel und sieht nichts, wie es wirklich ist. Er lässt sich von der Erscheinung täuschen und vergisst das, was die Erscheinung verschleiert. Die astralen Ausstrahlungen, auf die jeder Mensch [32] reagiert, umgeben ihn ständig von allen Seiten, und durch diesen Dunst und Nebel hindurch sieht er auf eine verzerrte Welt. Diese Reaktionen bilden die ihn umgebende Aura, und sie vermischen und vereinigen sich mit der Weltverblendung und dem Weltnebel; sie gehören zu den Ansteckungsstoffen und zu den ungesunden Emanationen, für welche die Menschenmassen seit Jahrmillionen verantwortlich sind.

An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass in den Zeiten von Lemuria Verblendung und Illusion vom menschlichen Standpunkt aus verhältnismässig unbekannt waren. Der damalige Mensch reagierte nicht mental und in nur ganz geringem Masse emotional auf seine Umgebung. Er war im grossen Ganzen nur ein instinktbegabtes Tier. Verblendung entstand erst in den Tagen von Atlantis, und ihr Niederschlag hat sich seitdem ständig vermehrt, so sehr, dass die Menschheit heute vom Gesichtspunkt der sie beobachtenden Hierarchie aus in dichten und stets wechselnden Strömungen zu wandeln scheint, die verhüllen und verzerren und die Menschensöhne umbranden, so dass sie das LICHT nicht sehen können, wie es ist. Dies fällt um so mehr auf, da doch die anderen Naturreiche von Verblendung und Illusion relativ frei sind. In unserer Rasse, der arischen, gewinnt die Weltillusion an Gewicht und taucht langsam im Erkenntnisbereich menschlichen Bewusstseins auf. Darin liegt wirklicher Fortschritt, denn was einmal erkannt ist, kann vernünftig behandelt werden, sofern ein Wille dazu vorhanden ist. Heute ist Illusion so mächtig, dass nur wenige Menschen, deren Denkkraft einigermassen entwickelt ist, nicht von diesen weitverbreiteten, illusorischen Gedankenformen beherrscht werden, die ihre Wurzeln und Lebensquelle im niederen Persönlichkeitsleben und in der Wunschnatur der Menschenmassen haben. Interessant ist dabei im Zusammenhang mit unserer arischen Rasse die bereits bekannte Feststellung, dass diese Gedankenformen ihre Lebenskraft auch aus dem Reich der Ideen schöpfen, dass aber diese Ideen intuitiv falsch aufgefasst und menschlich-egoistischen Zielen unterwürfig gemacht wurden. Ihre Formen wurden durch die stets wachsende Schöpfungskraft der Menschheit zur Wirksamkeit gebracht, und durch die einschränkende und verzerrende Macht [33] der Sprache wurden sie menschlichen Wünschen untergeordnet. Der Niederschlag von Illusion verstärkt sich ausserdem mehr, als das ohnehin der Fall wäre, durch das hingebende Bestreben vieler Idealisten, diese verzerrten Gedankenformen den Mentalkörpern der Masse aufzuzwingen. Dies bedeutet eines der Hauptprobleme, mit denen die Hierarchie sich heute beschäftigen muss; ebenso ist es einer der wichtigsten Faktoren, die ein Meister in bezug auf einen Aspiranten oder Jünger in Betracht zu ziehen hat.

Wie wir bereits festgestellt haben, ist Verblendung älteren Datums, denn sie tauchte früher auf als die Illusion. Verblendung hat nur geringen mentalen Gehalt und sie beherrscht die Mehrzahl der Menschen. Das Ziel aller Ausbildung auf dem Pfad der Jüngerschaft und hinauf bis zur dritten Einweihung liegt im Erwecken jener klaren Denkkraft, die den Jünger von der Illusion befreien und ihm jene emotionale Stetigkeit und jenes Gleichgewicht geben soll, die den Einfluss jeder Art von Weltverblendung ausschliessen. Diese Befreiung wird möglich, wenn ein Aspirant mit keiner persönlichen Verblendung mehr behaftet ist und wenn er nicht mehr absichtlich und aus freien Stücken auf die bestimmenden Einflüsse reagiert, die von altersher Verblendung hervorgerufen haben. Mit diesen Einflüssen werden wir uns später befassen.

Maya ist das Ergebnis des Zusammentreffens von Verblendung und Illusion. Wenn sie vorhanden ist, handelt es sich um eine abgeschlossene Persönlichkeit und damit um die Fähigkeit, sich sowohl auf mentale Illusion als auch astrale Verblendung einzuschalten. Wenn das der Fall ist, steht der Jünger vor einem der grössten Probleme in der Welt. Seine Hauptschwierigkeit liegt in der Tatsache, dass das Kampfgebiet seines Lebens alle Aspekte seiner Natur umfasst. Der ganze Mensch wird in Anspruch genommen. Im technischen Sinn sollte das Wort MAYA nur in zwei Fällen benutzt werden:

1. In bezug auf die vereinte Verblendung und Illusion, auf die ein Mensch reagiert, der eine abgeschlossene Persönlichkeit ist.

2. Im [34] Zusammenhang mit den Begrenzungen des planetarischen Logos unseres Planeten.

Obige Bemerkungen enthalten viel Stoff zum Nachdenken nicht nur im Hinblick auf die persönlichen Probleme (denn jeder Einzelne unterliegt diesen Bedingungen), sondern auch weil ich darin das Wesen der Verblendung angedeutet habe. Das Wort wird in allen esoterischen Büchern und Lehrgängen zur Bezeichnung von Zuständen benutzt, die sich im einzelnen unter den Begriffen Maya, Illusion und eigentlicher Verblendung differenzieren lassen. Später werde ich einige Lehren über die Ursachen von Verblendung und über die Methoden ihrer Zerstreuung bekanntgeben. Für den Augenblick habe ich jedoch genug gesagt, denn es ist mein Wunsch, dass der Schüler während der nächsten Monate über diese Ideen nachsinnt und dadurch etwas mehr über die tiefere Bedeutung dieser ihm anscheinend so geläufigen Worte ergründet. Wenn er sich selbst und sein Alltagsleben kritisch beobachtet, dann wird ihm der Unterschied zwischen Verblendung, Illusion und Maya klar werden. Dabei muss er versuchen, die Form zu entdecken, die sein individueller Hüter der Schwelle annehmen dürfte, wenn er ihm entgegentritt; und wer dasselbe in bezug auf die Mitbrüder der Gruppe und die unmittelbaren Bedürfnisse der Welt tut, der beschleunigt damit die eigene astrale Klärung und mentale Befreiung.

Diese Anweisungen empfehle ich mit besonderer Sorgfalt durchzustudieren, denn ich nehme mir die Zeit und Mühe in diesen geschäftigen Tagen, dem Bedürfnis des Schülers zu entsprechen und ihm soviel Licht zu bringen, wie das ohne Übergriff auf seinen freien Willen möglich ist; und ich möchte ihm helfen, sich für seinen Dienst freie Bahn zu schaffen.

Es empfiehlt sich ausserdem, das vielfach missverstandene Thema der Aura einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen; man sollte heraussuchen, was darüber in meinen Büchern und in den Schriften steht, die in jeder guten, okkulten Bibliothek zu finden sind. Dabei sollten nicht einfach Paragraphen abgeschrieben werden, vielmehr sollte jeder sein Wissen so klar formulieren, dass er [35] alle etwa auftauchenden Fragen klar beantworten könnte. Folgende drei Fragen sind grundsätzlich:

1. Was ist die Aura und wie entsteht sie?

2. Wie kann die Aura zum Vermittler von Licht gemacht werden und wie kann das Licht, das durch die Aura scheinen sollte, verstärkt werden?

3. Hat der Schüler festgestellt, welche Wirkung die eigene Aura auf die Umgebung ausübt und wie diese Wirkung verbessert werden könnte?

Auf diese Weise lässt sich das, was ich zu lehren versuche, praktisch anwenden. In diesem Zusammenhang darf man nicht vergessen, dass jeder, der die Welt und seine eigene Umgebung betrachtet, dabei durch die eigene Aura hindurchschaut und deshalb mit Verblendung und Illusion zu rechnen hat. Drei weitere Fragen könnte man sich vorlegen und im Licht der eigenen Seele betrachten:

1. Leide ich hauptsächlich unter Verblendung oder unter Illusion?

2. Weiss ich, welche Qualität oder Charaktereigenschaft meines Wesens mich leicht dazu verleitet, mich auf Weltverblendung oder Weltillusion einzuschalten?

3. Bin ich so weit, dass ich meinen besonderen Hüter der Schwelle erkennen kann und weiss ich, welche Gestalt er annimmt?

Dass jedermann individuell und auch im Rahmen einer Gruppe die Bedeutung wahrer Selbsterkenntnis erlernen und dadurch im geistigen Sein verharren möge, dass er immer freier werde von Verblendung und Illusion, ist das Gebet eines Freundes und Bruders, der seinen Weg zu einem grösseren Mass von Licht hindurchgefochten hat.

Während [36] der letzten sechs Monate haben vier Mitglieder meiner Schülergruppe in ihrem eigenen Leben mit Verblendung zu kämpfen gehabt und meistenteils sind sie dabei erfolgreich gewesen. Ich erwähne das deshalb, weil man in einer Versuchsgruppe wie dieser, mit so etwas rechnen muss; ein solches Ringen wird sich natürlicherweise ergeben, weil nur das, was man durch praktischen Versuch erfahren hat, zur wahren Erkenntnisausrüstung eines Jüngers zählt. Früher erwähnte ich bereits die Tatsache, dass der Plan der Hierarchie u.a. die Aufstellung kleiner Gruppen wie dieser umfasst, mit der bestimmten Aufgabe, als wirksames Mittel zu dienen, um die - heute so mächtig und tiefverwurzelte - Weltverblendung zerstreuen zu können.

Die Zeit ist noch nicht reif zu einem umfassenden Angriff auf die Weltillusion, denn die Menschenrasse ist noch nicht hinreichend mental eingestellt und die Illusion (die, wie gesagt, das Resultat falsch ausgelegter Ideen ist) hat noch nicht ihren Höhepunkt erreicht. Andererseits hat die Stunde geschlagen, in der die ersten Schritte zur Zerstreuung der Verblendung unternommen werden müssen, und ihr beherrschender Einfluss auf die Menschheit sollte sich in Zukunft merklich verringern. Daher die praktische Ausbildung, die dieser Gruppe jetzt im eigenen Leben erteilt wird; daher auch die für diese Gruppe später vorgesehenen Anweisungen (wenn sie sich der gebotenen Gelegenheit gewachsen erweist), die sie zur Mithilfe am geplanten Grossangriff auf die Weltverblendung befähigen sollen. Jeder muss deshalb seine persönlichen Probleme in diesem Sinne anpacken, liebe Brüder, denn dadurch erlangt man immer besser die Fähigkeit zu kritischem Urteil, klarem und präzisem Handeln und sicherem Verstehen.

Die Wirksamkeit unseres Bemühens, die Verblendung zu zerstreuen, hängt wesentlich von der Erkenntnis der Notwendigkeit ab, dass man dabei der Seelenenergie lediglich als Durchlass dienen muss. Wenn der Jünger die richtige Gleichschaltung und dann den Kontakt mit seiner Seele bewirken kann, so führt das zu mehr Licht. Dieses Licht strömt hernieder und durchstrahlt nicht nur das Denken, sondern auch das Gehirnbewusstsein. Er sieht die Lage [37] klarer: er erkennt die gegebenen Tatsachen im Gegensatz zu seinen «blossen Einbildungen» und so «scheint Licht auf seinem Weg». Noch ist er nicht fähig, in den grösseren Bewusstseinsbereichen klar und genau zu sehen; noch ist er gebunden durch Gruppenverblendung und natürlich auch durch das ihn verwirrende Mysterium der Weltverblendung, aber seine eigene, unmittelbare Lebensaufgabe erscheint allmählich klarer, und er ist nun verhältnismässig frei von Krankheitskeimen, die sein Gefühlsleben seit altersher verwirrten. Gleichschaltung, Fühlungnahme mit seiner Seele und dann Beharrlichkeit, das sind die Schlüssel zu seinem Erfolg.

Daraus erhellt sich, dass kleine Gruppen wie diese, wenn sie erst einmal in verschiedenen Ländern und Städten existieren und in ihrer persönlichen Betätigung Erfolg haben, eine höchst nützliche Rolle spielen könnten. Solche Gruppen müssen sich nach zwei Seiten hin bemühen. Sie werden mit Gruppenverblendung zu kämpfen haben, die sich unvermeidlich in das Leben der Gruppe durch die einzelnen Mitglieder einschleicht. Ihre vereinigten, persönlichen Verblendungen öffnen der Gruppenverblendung die Tür. Ein Beispiel hierfür ergab sich in dieser Gruppe, als durch L.T.S.K. Verblendung hineingebracht wurde und dann I.B.S. in ihren Wirbel zog. Glücklicherweise wurde sie überwunden; alle wurden dadurch sogar bereichert und einiger infolge der starken Liebe, in der die anderen Gruppenmitglieder verharrten. Ich möchte L.T.S.K. und I.B.S. daran erinnern, wieviel sie der Liebe ihrer Brüder zu verdanken haben. Die Liebe der Gruppe schützte sie. I.B.S. hat lange gebraucht, um sich von gewissen Aspekten der Verblendung freizumachen. L.T.S.K. ist ebenfalls freier als vorher, muss aber noch viel an sich arbeiten. Drittstrahligen Menschen fällt es stets schwer, die Intuition zu pflegen. Die anscheinend tiefe Weisheit der manipulierenden und Umwege machenden Wissenschaft, jene der Materie innewohnenden Intelligenz, verhindert oft das Einströmen der wahren Weisheit des erleuchteten Denkvermögens. Vor sechs Monaten hielt ich es noch für unwahrscheinlich, dass L.T.S.K. sich [38] von seiner gewohnheitsmässigen Verblendung freimachen könnte. Heute scheint etwas mehr Licht auf seinem Weg und wenn er sich auch weiterhin von den selbsterzeugten Gedankenformen befreit, erreicht er vielleicht die nötige Stufe.

Wenn Gruppenverblendung einigermassen zerstreut und die Gruppe in der Lage ist, sich frei auf dem «erleuchteten Pfad» zu bewegen, dann kommt die Zeit, sie in Gruppen-Gleichschaltung, Gruppen-Kontakt und Gruppen-Beharrlichkeit auszubilden. Dann kann sie mit der Aufgabe beginnen, entschieden und wissenschaftlich gegen Weltverblendung vorzugehen. Es dürfte diese besondere Gruppe interessieren, wenn ich sie daran erinnere, dass sich derzeit gewisse Mitglieder der Neuen Gruppe der Weltdiener gerade auch damit befassen. Dadurch, dass gewisse grundlegende Ideen wie guter Wille und gegenseitige Abhängigkeit in der Welt betont werden, geschieht schon viel, um die Verblendung zu zerstreuen, in der die Menschen dieser Welt einhergehen. Es ist nicht die Aufgabe eines jeden Dieners, sich an dem jetzt in die Wege geleiteten Massenangriff auf die Weltverblendung zu beteiligen. Jeder muss sich mit der Verblendung in seinem eigenen, persönlichen Leben befassen, im übrigen sind aber die Funktionen und Betätigungen verschieden. Meine jetzige Sondergruppe muss sich zu geschulten Beobachtern ausbilden, und diese Ausbildung nimmt viel Zeit in Anspruch. Im Augenblick merken viele Mitglieder noch gar nicht, wenn ihnen Verblendung begegnet und sie umhüllt. Nur an ihren Wirkungen erkennen sie diese schliesslich in ihrer wahren Gestalt. Mit der Zeit muss aber die Beobachtung so geschärft werden, dass Verblendung ihrem wahren Wesen nach erkannt wird, ehe sie den Einzelnen überschwemmt und in Zustände verwickelt, die ihn später fragen lassen: «Warum liess ich mich verblenden? Warum liess ich mich so irreführen?»

An dieser Stelle beabsichtige ich zweierlei: Ich möchte diese kurze Abhandlung über Verblendung etwas eingehender erörtern, damit unsere Ideen klar formuliert und in einem Lehrbuch für künftige Bezugnahme zusammengefasst werden, das dieser und ähnlichen [39] Gruppen als Leitfaden für korrekte Betätigung dienen soll. Zweitens möchte ich von dem bisher Gesagten einiges zusammenfassen, um damit das Verstehen der verschiedenen Phasen der Weltverblendung zu vertiefen. Das analytische Denken muss diese Weltverblendung in voneinander getrennte Phasen zergliedern, nämlich in Illusion, Verblendung und Maya und dazu kommt jene synthetische Gedankenform auf dem Pfad der Jüngerschaft, die von einigen esoterischen Schulen als Hüter der Schwelle bezeichnet wird.

Es ist demnach klar, liebe Brüder, dass wir uns ein umfassendes Thema vorgenommen haben, das sehr sorgfältig behandelt werden muss. Meine Aufgabe ist schwierig, weil ich für jene schreibe, die noch in den verschiedenen Aspekten der Verblendung (und gewöhnlich auch in ihren Nebenerscheinungen und in Maya) befangen sind. Die Illusion ist noch nicht ganz in Erscheinung getreten, und des Hüters ist man sich selten hinreichend gewahr. Hier möchte ich an eine bemerkenswerte okkulte Tatsache erinnern, die zu verstehen man sich bemühen sollte. Der Hüter der Schwelle taucht aus den Nebeln der Illusion und der Verblendung erst dann auf, wenn der Jünger sich den Toren des Lebens nähert. Erst wenn er gelegentlich einen schwachen Schimmer der Einweihungspforte sehen und hin und wieder ein Aufblitzen des Lichtes wahrnehmen kann, das vom Engel der Gegenwärtigkeit kommt, der neben jener Pforte wartet, erst dann kann der Jünger das Problem des Dualitätsprinzips in Angriff nehmen, das für ihn im Hüter und im Engel verkörpert ist. Versteht der Leser, wovon ich spreche? Noch deuten meine Worte symbolisch auf einen Zustand und eine Begebenheit hin, die in der Zukunft liegen. Es wird aber bestimmt der Tag kommen, wenn der Jünger in vollem Gewahrsein zwischen diesen Symbolen der Gegensatzpaare steht, den Engel zur Rechten und den Hüter zur Linken. Möge ihm dann die Kraft zuteil werden, schnurgerade vorzudringen zwischen diesen beiden Gegnern hindurch, die sich seit altersher in seinem Leben bekämpft haben; und möge er so in [40] jene Gegenwärtigkeit eingehen, in der die beiden als eins erscheinen und wo nur Leben und Göttlichkeit erkennbar ist.

Von dem, was ich über die vier Aspekte der Verblendung gesagt habe, möchte ich einiges in nachfolgender Tabelle zusammenfassen, deren sorgfältige Betrachtung ich empfehle.

Notiz:

1. Zu Zeiten von Lemuria dämmerte ein Gefühl für Maya auf, aber es gab keine wirkliche Verblendung und Illusion.

2. Verblendung tauchte in der Frühzeit von Atlantis auf.

3. Illusion entstand unter den fortgeschrittenen Menschen der späteren Atlantis und sie wird in unserer arischen Rasse zu vorherrschendem Einfluss gelangen.

4. Der Hüter der Schwelle kommt am Ende dieser Rasse, der arischen, zu voller Macht und ebenso im Leben aller Eingeweihten, bevor sie die dritte Einweihung beenden.

5. Die untermenschlichen Naturreiche sind frei von Verblendung und Illusion, aber in der Weltmaya versunken.

6. Buddha und seine 900 Arhats versetzten der Weltverblendung den ersten Schlag, als er seine Vier Edlen Wahrheiten verkündete. Christus führte den zweiten Schlag mit seiner Lehre vom Wesen persönlicher Verantwortung und Bruderschaft. Der nächste Schlag ist der Neuen Gruppe der Weltdiener vorbehalten, die unter Leitung von Christus und seinen Jüngern wirken, symbolisch beschrieben als «Christus und seine 9000 Eingeweihten.»

7. Die Vier Schlüssel zur Lösung der Verblendungsprobleme sind:

Intuition - Erleuchtung - Inspiration - Der Engel der Gegenwärtigkeit.

(41)

Name                   Ebene                  Gegensatz               Ziel                             Kampfgebiet                         Technik

Illusion                 Mentalebene        Intuition               Verscheuchung        Pfad der Einweihung          Kontemplation
                                                             Geistige                                                    Ideenwelt                              seitens der Seele
                                                             Wahrnehmung

 

Verblendung        Astralebene          Erleuchtung         Zerstreuung             Pfad der Jüngerschaft        Meditation
                                                              Durchsichtigkeit                                                                                    Das Denken
                                                              Vision                                                                                                      verharrt stetig
                                                                                                                                                                               im Licht
 

Maja                       Ätherische            Inspiration           Entzug von                Probepfad                            Okkultismus
                                Ebene                                                  Lebenskraft              Läuterung                             Handhabung
                                                                                                                                                                                von Kräften
 

Hüter der              Physisches           Engel der              Kritische                     Integrierte                            Einswerdung
Schwelle                Gehirnbewusst-  Gegenwärtigkeit  Unterscheidung       Persönlichkeit                      Ende der Dualität
                                sein

Ich [42] möchte auf die Tatsache hinweisen, dass das ganze Problem mit der richtigen oder falschen Anwendung von Kraft oder Energie zu tun hat. Dieser Gedanke wird uns viel klarer werden, wenn wir dreierlei verstehen:

1. Dass der Durchschnittsmensch im alltäglichen Leben und der Aspirant auf dem Probe- oder Läuterungspfad mit den Kräften des Lebens auf den drei Ebenen menschlichen Bemühens arbeitet und ausserdem mit dem Prinzip des Lebens selbst.

2. Dass der Jünger zwischen Kräften und Energie zu unterscheiden beginnt. Auf dem Pfad der Jüngerschaft beginnt er mit Seelenenergie zu arbeiten, die schliesslich die Kräfte beherrscht.

3. Dass der Eingeweihte auf dem Pfad der Einweihung mit Energie arbeitet und dass er zwischen der Energie des Lebens, den Seelenenergien und den Kräften der Erscheinungswelt zu unterscheiden lernt.

Weiterhin sollte betont werden, dass das Wesen dieser Kräfte und Energien ihre Anwendung und Kontrolle jederzeit in vollem Bewusstsein auf der physischen Ebene erkannt und manifestiert werden müssen. Theorie muss zur Tatsache werden, und die Kämpfe, welche auf den feineren Höhenlagen der Astral und der Mentalebene stattfinden, müssen im Gehirnbewusstsein erkannt werden. Dort finden sie praktische Anwendung. Soweit diese Wahrnehmungen und inneren Aktivitäten sich im Leben des Jüngers praktisch auswirken und er ihre Folgen in seinem Wachbewusstsein klar begreift, bilden sie mit der Zeit einen Teil seiner Wesensausrüstung. In Wirklichkeit verarbeitet er seine Erfahrung in den drei Welten zu einer Synthese, und durch bewusste Meisterung wird er zum Meister. Er erfasst die Tatsache, dass alle Erscheinungen und alles Geschehen auf den Kreislauf und die ständige Umwandlung von Kraft zurückzuführen sind. Er entdeckt dann, wie diese Kräfte in seiner eigenen Erfahrung und in seinem eigenen Wesen aufeinander [43] einwirken und erfasst damit die grundlegende Tatsache, dass nur die Kräfte, die er selbst in seinem eigenen Leben anzuwenden und zu meistern versteht, durch ihn bei seiner Gruppentätigkeit und beim Zerstreuen der Weltverblendung zur Verwendung kommen können. Zur Erläuterung liesse sich das wie folgt ausdrücken:

1. Durch Gleichschaltung und darauffolgenden Kontakt wird die Intuition hervorgerufen, erweckt und angewandt. Sie ist das grosse Werkzeug zur Verjagung der Illusion und strömt von der Ebene der Intuition (Buddhi) durch die Seele und das Gehirn zum Herzen des Jüngers hernieder.

2. Durch Gleichschaltung und darauffolgenden Kontakt wird die Energie der Seele hervorgerufen, erweckt und angewandt. Sie ist das grosse Werkzeug der Zerstreuung der Verblendung und strömt aus dem Bereich der Seele (den höheren Stufen der Mentalebene) durch das Denkprinzip zum Gehirn des Jüngers hinab; dadurch bringt sie der Astralebene Erleuchtung.

3. Diese beiden Arten von geistiger Energie wirken verschieden auf die Kräfte der Persönlichkeit ein; der Jünger muss bei seiner Tätigkeit auf der physischen Ebene den Zweck und die Aktivität dieser beiden Energiearten in seinem Gehirnbewusstsein klar erkennen.

4. Dann und nur dann kann das Licht der Intuition und das Licht der Seele durch das bewusste Bemühen und durch den dynamischen, intelligenten Willen des dienenden Jüngers auf die Astralebene zurückstrahlen. Diese Punkte sollten durchdacht werden, denn sie sind Wegweiser zu künftigem Dienst.

Damit habe ich einigermassen unsere Ideen eingeordnet und den Plan umrissen, nach dem wir dieses Thema in Angriff nehmen können. Ich formulierte gewisse Grundbegriffe und skizzierte das Thema in seiner Gesamtheit. (Siehe Inhaltsverzeichnis) Heute wollen wir mit der eigentlichen Besprechung beginnen. Es ist, wie gesagt, nicht [44] meine Absicht, eine lange und gewichtige Abhandlung über dieses Thema zu schreiben. Die diesen Jüngergruppen erteilten Unterweisungen werden zu Büchern zusammengestellt werden, die weniger umfangreich sein sollten, als die Abhandlungen über Kosmisches Feuer und Weisse Magie. Sie werden eine Reihe von verhältnismässig kurzen Bänden ausmachen, die ihr Material in gedrängter Form und ohne jede Weitläufigkeit darbieten.

Vor allem, liebe Brüder, müssen diese Anweisungen einen ganz bestimmten, praktischen Wert haben und dem Schüler die Gewissheit verschaffen, dass er die subtile Welt der Gedankenströme und der Kräfte seines Lebensraumes besser versteht; und dass er die anzuwendenden Mittel und die Methode kennt, wie er seinen Weg von Dunkelheit und Verwirrung befreien und zu Licht und Harmonie gelangen kann. Ausserdem muss unser Studium sich den jeweiligen Verhältnissen anpassen. Der Leser muss verstehen, dass er die Wahrheit nur dann unterscheiden und die für ihn ganz besonders wichtigen Aspekte der Lehre nur dann aussondern kann, wenn er das, was auf ihn zutrifft und ihm helfen könnte, auch wirklich anwendet und wenn er sich darüber klar wird, ob er das Opfer von Illusion oder Verblendung ist. Im letzten Grunde muss er wissen, wo er steht, ehe er das Nötige tun kann, um einen Schritt weiter zu kommen. Der Jünger ist das Opfer und - wir wollen hoffen - auch der Zerstreuer sowohl von Illusion als auch von Verblendung; und das erklärt die Mannigfaltigkeit seines Problems und den subtilen Charakter seiner Schwierigkeiten. Auch sollte er wissen (und daraus Kraft und Ermutigung schöpfen), dass jedes bisschen Verblendung, das er zerstreut und jede Illusion, die er erkennt und überwindet, den Weg freimacht für diejenigen, die nach ihm kommen und seinen Mitjüngern den Pfad ebnet. Das ist der Grosse Dienst, im eigentlichen Sinne und darauf möchte ich aufmerksam machen. Deshalb versuche ich, diesen Gesichtspunkt in diesen Anweisungen klarzulegen.

Eines der Probleme, denen der Aspirant gegenübersteht, ist das, eine Verblendung im Augenblick ihres Auftauchens zu erkennen, der Verblendung gewahr zu sein, mit denen der Pfad umgeben ist, und die Illusion zu bemerken, die zwischen ihm und dem Licht [45] eine Scheidewand bilden. Es ist schon viel, wenn man das Bestehen von Verblendung und Illusion überhaupt anerkennt. Die meisten Menschen wissen nichts davon. Viele guten Leute unserer Zeit sehen das nicht ein; sie vergöttern ihre Verblendungen und betrachten ihre Illusionen als geschätzte und hart erkämpfte Besitztümer.

Die Anerkenntnis an sich bringt jedoch ihre eigenen Probleme mit sich; der Durchschnittsjünger ist ausserstande, sich von den in der Vergangenheit erworbenen Fähigkeiten zur Erzeugung von Verblendung zu befreien und es fällt ihm schwer, die Wahrheiten der Mentalebene im richtigen Verhältnis und im wahren Wertmassstab zu sehen und daran festzuhalten. Eine schwer errungene Wahrheit und ein wirkliches Prinzip können erfasst werden, aber um sie herum kann dann der Jünger spielend leicht die Illusionen weben, die seinem Denken entspringen, das gerade im Begriff ist, sich selbst zu entdecken. Emotionale Verblendungen können auftauchen und sich um das Ideal sammeln, denn dieses bedarf noch der Klärung und kann leicht das anziehen, was es - rein gefühlsmässig - zu sein oder zu besitzen wähnt.

Das möchte ich von zwei Gesichtspunkten aus erklären, die beide durchaus im Bereich der Jüngerschaft liegen oder auf dem Probepfad anzutreffen sind. Wir wollen sie «Machtillusion» und «Autoritätsverblendung» nennen. Die Wahl dieser Worte deutet bereits darauf hin, dass die eine Form auf der Astral- und die andere auf der Mentalebene vorkommt.

Die Autoritätsverblendung ist in den meisten Fällen eine Massenerscheinung. Sie wurzelt in Massenpsychologie und ist eines der Anzeichen dafür, dass die Menschheit noch in den Kinderschuhen steckt; in diesem Stadium werden die Menschen vor sich selbst geschützt durch irgendwelche Vorschriften, Gesetze oder Machtworte, die von einer staatlichen Führung, von einer Oligarchie oder von der Diktatur eines Einzelnen ausgehen. Allem Anschein nach zwängt das die Menschheit in starre Formen hinein und macht ihr Leben und Wirken gleichförmig. Diese völlige Gleichschaltung wird [46] dadurch erreicht, dass man den Furchtkomplex nährt, unter dem die Menschheit zurzeit leidet; und diese Furcht ist eine der ausgiebigsten Quellen der Verblendung, die es gibt. Man könnte sie mit Recht als den Ursprung aller Verblendung auf diesem Planeten betrachten. Furcht war seit jeher die Triebfeder für die Zustände, welche die Verblendung auf der Astralebene hervorgebracht hat, jedoch nicht die Illusionen in den mentalen Bewusstseinsbereichen.

Wenn die Autoritätsverblendung sich auf das geistige Bewusstsein eines Menschen überträgt, dann ergeben sich Zustände wie z.B. die Periode der Inquisition in ihren schlimmsten Formen oder die Autorität einer Kirche, die das Hauptgewicht auf Organisation, Obrigkeit und Busse legt oder aber die unbestrittene Autorität eines Lehrers. In ihrer höchsten Ausdrucksform bedeutet sie die Anerkennung, dass der Sonnenengel (die Seele oder das Ego) das Recht hat, zu herrschen. Zwischen diesen beiden Extremen, nämlich der Kindheit der Rasse und der Seelenfreiheit einer mündig gewordenen Menschheit, liegen viele Zwischenstufen und Abarten dieser Verblendung. Was lässt sich nun im weiteren Verfolg unserer Betrachtung in bezug auf den Jünger und die besondere Art der Verblendung sagen, die ihm zu schaffen macht? Der Jünger hat sich vom Zwang orthodoxer Lehre und vom beherrschenden Einfluss eines Lehrers einigermassen freigemacht. Er ist (soweit er das beurteilen kann) frei von solcher Kontrolle. Da er aber seine wesentliche Schwäche und den Reiz der Persönlichkeit kennt, ist er vor sich selbst auf der Hut und gegen den Zwang alter Vorschriften gewappnet; er lernt mehr und mehr auf eigenen Füssen zu stehen, eigene Entschlüsse zu fassen und Wahrheit selbst zu unterscheiden. Er lernt, seinen Weg selbst zu wählen. Wie alle jedoch, die noch keine höheren Einweihungen durchgemacht haben, kann er sich (mit der Zeit) leicht in seine Freiheit verlieben und damit automatisch der Verblendung seines Freiheitsideals verfallen eines Ideales, das er selbst geschaffen hat. Er wird zum Gefangenen der Freiheit. Er verwirft jede Vorschrift ausser derjenigen, die er [47] die «Richtschnur seiner eigenen Seele» nennt, wobei er vergisst, dass sein Seelenkontakt immer noch unbeständig ist. Er beansprucht das Recht, allein zu stehen. Er schwelgt in seiner neu entdeckten Freiheit. Er vergisst dabei, dass er nach Verwerfung der Autorität einer Lehre oder eines Lehrers zunächst einmal lernen muss, die Autorität der Seele oder der Seelengruppe anzuerkennen, mit der er durch Karma, Strahl, eigene Wahl durch die unvermeidlichen Wirkungen der Einswerdung verbunden ist. Nachdem er auf den Rat eines anderen Weggenossen auf dem Pfad verzichtet hat und seine Augen teilweise geöffnet wurden, versucht er jetzt, diesen Pfad bis zum Ziel zu durchwandern, vergisst aber dabei, dass er den Pfad gemeinsam mit anderen beschreitet und dass es gewisse «Regeln für den Wanderer» gibt, die er beherrschen muss und zwar in Übereinstimmung mit anderen. Für das individuelle Gesetz hat er das Gruppengesetz eingetauscht, aber er kennt dieses Gruppengesetz noch nicht so wie er es kennen sollte. Er geht seinen Weg allein, so gut er kann und schwelgt in der Freiheit selbsterrungener Autorität. Er nimmt sich fest vor, keine Autorität oder Führung zu dulden.

Diejenigen unter uns, die ihn aus lichteren Höhen des Menschenaufstiegs beobachten können, sehen jedoch, wie er sich langsam in Nebelschwaden und in einer Verblendung verliert, die sich mehr und mehr um ihn verdichtet, während er zum «Gefangenen des Freiheitsnebels» wird und im Gefühl der Unabhängigkeit schwelgt, die er für eine Tatsache hält. Sobald er klarer sieht und sein Denkvermögen sich mehr entwickelt und entfaltet hat, wird er wissen, dass er sich dem Gesetz der Gruppe fügen wird und muss und dass lediglich die Herrschaft der niederen Natur gegen die der Seele vertauscht werden muss. Es ist die Herrschaft der Gruppe, die sich unter dem Gesetz der Gruppe auswirkt. Aus der Masse der nach dem Pfad Suchenden hat er sich zum Pfad selbst durchgekämpft. Er ist deshalb den Massen voraus, aber er ist nicht allein, selbst wenn er sich allein wähnt. Er wird viele andere entdecken, die mit ihm denselben Weg wandern und ihre Zahl wird sich im Lauf [48] der Zeit immer mehr vergrössern. Er muss lernen, sich den Regeln der Zusammenarbeit, des Zusammenwanderns und der Gruppenerkenntnis zu unterwerfen, bis er herausfindet, dass er ein Mitglied der Neuen Gruppe der Weltdiener ist und den Bedingungen und Regeln untersteht, nach denen sie arbeiten. Er lernt, mit ihnen auf dem Pfad zu reisen und dabei wird er sich allmählich der Motive und Methoden ihres gewählten Dienstes bewusst; er beginnt, ganz automatisch und natürlich, dem höheren Rhythmus zu folgen und den Gesetzen zuzustimmen, die das Gruppenleben und das Gruppenbewusstsein bestimmen. Schliesslich findet er den Eingang zu den stillen Stätten, wo die Meister der Weisheit weilen; mit Ihnen zusammen wirkt er im Gruppenrhythmus, wobei er den Gesetzen des geistigen Bereiches gehorcht, welche die subjektiven Gesetze Gottes sind.

Immer wieder wird er sich auf dem Pfad gegen eine Kontrolle auflehnen und in die Verblendung seiner vermeintlichen Freiheit zurückfallen. Tatsächlich besteht ein Freisein von der Kontrolle der Persönlichkeit. Ebenso besteht ein Freisein von der Kontrolle durch Persönlichkeiten. Es gibt aber niemals irgendein Freisein vom Gesetz des Dienens und von der ständigen wechselseitigen Einwirkung zwischen Mensch und Mensch und zwischen Seele und Seele. Wirklich frei sein heisst im klaren und ungehemmten Seelenlicht dazustehen; und das ist Gruppenbewusstsein im wahrsten und eigentlichsten Sinn.

Wenn also jemand von Ungewissheit und Unruhe geplagt wird und den Wunsch und das Verlangen hat, frei und ohne autoritären Zwang seinen Weg zu gehen, dann sehe er sich vor, dass er nicht der Verblendung unterliegt und sich etwa darnach sehnt, vom Einfluss seiner Gruppe freizuwerden; und dann prüfe er sich, ob er nicht vielleicht - als sensitive Seele - bloss einen Ausweg sucht. Ich gebrauche dabei «Ausweg» im Sinn der modernen Psychologie. Er sollte sich unbedingt erst einmal fragen: Ist meine persönliche Behaglichkeit und die Sorglosigkeit meines Denkens von solch entscheidender Bedeutung für mich und für andere, dass ich ihretwegen berechtigt bin, die Geschlossenheit der Gruppe zu opfern? [49] Ist meine eigene innere Befriedigung eine hinreichende Entschuldigung dafür, das geplante Gruppenvorhaben zu verzögern? Denn um eine Verzögerung wird es sich bestimmt handeln. Wie immer die Entscheidung ausfallen mag, sie wird ihrerseits bestimmenden Einfluss und dementsprechende Rückwirkungen auf die Gruppe haben.

Was ist dieser okkulte Gehorsam, liebe Brüder, von dem man so viel spricht? Nicht das, was viele okkulte Gruppen daraus machen. Es handelt sich nicht um die Kontrolle einer äusseren Organisation, die sich sogenannten okkulten Aufgaben widmet. Es geht auch nicht um die Befolgung von Vorschriften eines Lehrers, welchen Rang er auch einnehmen mag. Okkulter Gehorsam besteht nicht darin, dass man etwa das Gefängnis einer Ideenreihe gegen das einer anderen austauscht, die vielleicht weittragender oder bedeutsamer ist. Ein Gefängnis ist ein Gefängnis, ob es nun eine kleine Zelle ist oder eine einsame Insel von grosser Ausdehnung, von der ein Entkommen unmöglich ist.

Die Autorität, für die wir Lehrer auf der Innenseite des Lebens empfänglich sind und auf welche meine jetzigen Schüler (als Einheiten innerhalb einer Gruppe) eben zu reagieren beginnen, ist ihrem Wesen nach zweifach. Worauf reagieren sie?

1. Auf die langsam aufdämmernde Erkenntnis des «jenseitigen Lichtes», im symbolischen Sinn. Dieses Licht ist in seiner Anziehungskraft auf den Einzelnen verschieden. Trotzdem ist es EIN LICHT. Aber die Erkenntnis dieses Lichtes enthüllt neue Gesetze, neue Verantwortungen, neue Pflichten und Obliegenheiten und neue Beziehungen zu anderen. Diese sind eine unumgängliche Autorität. Keiner kann dieser Autorität entrinnen, obwohl er ihr in Zeit und Raum vorübergehend den Gehorsam verweigern darf.

2. Auf die Autorität der Vorschriften des Weges, deren Beachtung jedem obliegt, wenn er vom Probepfad auf den Pfad der Jüngerschaft übergeht. Und doch ist es EIN WEG. Auf diesem «wie eine Messerschneide schmalem Pfad» lernt man Selbstzucht und Taktgefühl und jene Wunschlosigkeit, die man gemeinsam mit seinen Mitjüngern erfährt.

Was [50] sind nun, kurz zusammengefasst, diese Wegvorschriften? Sechs der einfachsten Regeln will ich aufführen, wobei ich zu beachten bitte, dass sie nicht willkürlich von einem autoritären Direktorium aufgestellt wurden, wie etwa von mehreren Gruppenlehrern (von denen natürlich auch ich einer sein könnte), sondern dass sie vielmehr der Niederschlag von Zuständen sind, die auf dem Pfad selbst vorkommen. Sie tragen das Siegel der Vollmacht jeder individuellen Seele und sie sind das Ergebnis der Erfahrungen von Millionen von Wanderern auf diesem Pfad.

Ich will diese sechs Regeln (so wie ich sie schon einem anderen Aspiranten mitgeteilt habe) [vgl. Jüngerschaft im Neuen Zeitalter] in  altertümlicher und symbolischer Form wiedergeben; ich übersetze sie, so gut ich kann, aus den uralten Urkunden, die in der Halle der Weisheit aufbewahrt werden und allen ernsthaften Jüngern zur Verfügung stehen.

DIE SECHS REGELN DES PFADES

(Wegvorschriften)

I. Der Weg wird im vollen Licht des Tages beschritten; der Pfad wird erhellt durch das Licht jener, die wissen und führen. Nichts kann dann verborgen bleiben und bei jeder Biegung muss sich der Wanderer über sich selbst Rechenschaft ablegen.

II. Auf dem Weg enthüllt sich das Verborgene. Jeder sieht und weiss um die Gemeinheit eines jeden anderen. (Ich finde keine andere Übersetzung, lieber Bruder, für das alte Wort, das die bislang unerkannte Dummheit, Niedertracht und krasse Unwissenheit, den Egoismus bezeichnet, welche die besonderen Merkmale des Durchschnittsaspiranten bilden). Trotz dieser grossen Enthüllung gibt es jedoch kein Umkehren, keine gegenseitige Verachtung und kein Wanken auf dem Weg. [51] Der Weg geht vorwärts ins Tageslicht.

III. Auf diesem Weg wandert man nicht allein. Es gibt keine Hast, keine Eile. Und doch ist keine Zeit zu verlieren. Mit diesem Wissen bemüht sich jeder Pilger, vorwärts zu kommen und er findet sich von seinen Mitmenschen umgeben. Einige gehen ihm voraus; er folgt ihnen nach. Andere bleiben zurück; für sie ist er der Schrittmacher. Er wandert nicht allein.

IV. Dreierlei muss der Pilger vermeiden: Das Tragen einer Kapuze, eines Schleiers, der sein Gesicht vor anderen verbirgt; das Mitnehmen eines Wasserkruges, dessen Inhalt nur für den eigenen Bedarf genügt; und das Schultern eines Stabes ohne Krücke, an der andere sich festhalten können.

V. Jeder Pilger auf dem Weg muss das mit sich führen, was er braucht: einen Feuerbehälter, um damit seine Mitmenschen zu erwärmen; eine Lampe, die ihre Strahlen auf sein Herz richtet und seinen Mitmenschen das Wesen seines verborgenen Lebens anzeigt; eine Börse mit Gold, das er nicht auf dem Weg verstreut, sondern mit anderen teilt; ein versiegeltes Gefäss, in dem er all seine Bestrebungen trägt, um sie dem zu Füssen zu legen, der darauf wartet, ihn am Tor zu begrüssen - ein versiegeltes Gefäss.

VI. Der Pilger muss bei seiner Wanderung auf dem Weg das offene Ohr haben, die gebende Hand, die schweigende Zunge, das geläuterte Herz, die goldene Stimme, den eilenden Fuss und das offene Auge, welches das Licht sieht. Er weiss, er wandert nicht allein.

Die Machtillusion ist vielleicht eine der ersten und ernstesten Prüfungen, die ein Aspirant bestehen muss. Sie ist auch eines der besten Beispiele für diesen «grossen Irrtum» und deshalb weise ich [52] besonders auf diese Illusion hin mit der Bitte, sich dagegen besonders sorgfältig zu wappnen. Nur sehr selten entgeht ein Jünger den Wirkungen dieses Irrtumes der Illusion, denn merkwürdigerweise beruht er auf durchaus gesundem Erfolg und rechten Motiven. Daraus erklärt sich die leicht irreführende Natur des Problems. Man könnte es etwa so erklären:

Durch rechtes Bemühen gelingt es einem Aspiranten, mit seiner Seele oder seinem Ego Fühlung aufzunehmen. Durch Meditation, gute Absicht und richtige Technik, zusammen mit dem Wunsch, zu dienen und zu lieben, erreicht er Gleichschaltung. Er wird dann der Ergebnisse seiner erfolgreichen Arbeit gewahr. Sein Denken ist erleuchtet. Ein Gefühl der Macht fliesst durch seine Träger. Er empfindet und erkennt, wenigstens zeitweise, den Plan. Der Notstand in der Welt und die Fähigkeit der Seele, diesen Notstand zu lindern, durchfluten sein Bewusstsein. Seine selbstlose Hingabe und rechte Absicht verstärken den gelenkten Zustrom geistiger Energie. Er weiss. Er liebt. Er bemüht sich, zu dienen und er ist bei allen dreien mehr oder weniger erfolgreich. Das Ergebnis von all dem ist, dass er mehr vom Gefühl seiner Macht und von seiner Rolle als Helfer der Menschheit in Anspruch genommen wird als von dem Bestreben, nun einen gesunden Sinn für richtige Proportionen und für geistige Werte zu entwickeln. Er überschätzt seine Erfahrung und sich selbst. Anstatt seine Anstrengungen zu verdoppeln und dadurch eine engere Fühlung mit dem Reich der Seelen herzustellen und alle Wesen inniger zu lieben, lenkt er die Aufmerksamkeit allmählich auf sich selbst, auf die ihm anvertraute Mission und auf das Vertrauen, das der Meister und sogar der planetarische Logos scheinbar in ihn setzen. Er spricht von sich selbst; er gestikuliert, erregt Aufsehen und verlangt nach Anerkennung. Dadurch wird seine Gleichschaltung mehr und mehr beeinträchtigt, sein seelischer Kontakt verringert sich, und er gesellt sich zu den vielen, die der Illusion des Machtgefühls unterlagen. Diese Form von Illusion ist immer häufiger unter Jüngern anzutreffen und unter denen, welche die ersten beiden Einweihungen durchgemacht haben. Heutzutage gibt es viele Menschen in der Welt, welche die erste [53] Einweihung in einem früheren Leben erreicht haben. Wenn sie im gegenwärtigen Lebenszyklus die Ereignisse ihrer früheren Entwicklung kurz wiederholt haben, gelangen sie erneut zur damals erfahrenen Bewusstseinsstufe. Die Bedeutsamkeit ihrer Errungenschaft durchdringt sie zugleich mit dem Gefühl ihrer Verantwortung und ihres Wissens. Wiederum überschätzen sie sich und betrachten sich und ihre Mission als einzigartig unter den Menschensöhnen; dazu gesellt sich dann ihr esoterisches und subjektives Verlangen nach Anerkennung und vereitelt das, was anderenfalls eine ergiebige Dienstgelegenheit hätte sein können. Jede Betonung der Persönlichkeit kann sehr leicht das reine Seelenlicht verzerren, das durch das niedere Selbst zu strömen sucht. Jedes Streben nach äusserer Anerkennung für die Mission oder Aufgabe, die von der Persönlichkeit unternommen wurde, lenkt von dieser Mission ab und behindert den Betreffenden in seiner Aufgabe; er verzögert ihre Erfüllung bis der Jünger gelernt hat, nichts weiter zu sein als ein Durchlass für einströmende Liebe und aufstrahlendes Licht. Dieses Durchströmen und Hervorstrahlen muss sich spontan ergeben, ohne jeden Bezug auf das persönliche Ich.

Diese beiden Beispiele für Verblendung und Illusion zeigen nicht nur, wie heikel das Problem, sondern auch wie dringend nötig seine Erkennung ist. Es gibt heutzutage so viele Menschen, die diese beiden Eigenschaften der niederen Natur aufweisen.

1. Verblendung auf der Mentalebene   -  Illusion.

In diesem Abschnitt unserer Erörterung werden wir weniger Zeit auf die Betrachtung von Illusion als auf die von Verblendung und von Maya verwenden. Die Einwirkung der Illusion wird erst dann voll erkannt und überwunden, wenn der Mensch

a. den Brennpunkt seines Bewusstseins auf die Mentalebene verlegt hat,

b. ganz deutlich bestrebt war, einsichtsvoll zu dienen,

c. sich bewusst und mit Leichtigkeit auf seine Seele einschalten kann und die Technik der Fühlungnahme fest begründet ist,

d. und die erste Einweihung durchgemacht hat.

Das [54] Wort Illusion wird häufig leichthin zur Bezeichnung von mangelndem Wissen, schwankenden Ansichten, Verblendung, Missverständnissen, psychischen Verwirrungen, Vorherrschen der niederen, psychischen Fähigkeiten und vielen anderen Formen der Welt - Illusion angewandt. Jetzt ist es aber an der Zeit, dieses Wort mit klarerem kritischen Verständnis zu gebrauchen; der Jünger muss klar verstehen und begreifen, was dieser Gifthauch der Erscheinungswelt, in dem die Menschheit sich bewegt, seinem Wesen nach wirklich ist. Im Interesse der Klarheit und der genauen erkennbaren Unterscheidung zwischen den Formen der Illusion, in denen die Seele sich bewegt und von denen sie sich befreien muss, wird es notwendig sein, die Grosse Illusion (in ihren verschiedenen Aspekten) in ihre Bestandteile in Zeit und Raum zu zerlegen; ich versuchte dies bereits zum Teil, als ich die Begriffe Maya, Verblendung, Illusion und Hüter der Schwelle definierte. Diese Unterscheidungen müssen klar im Gedächtnis behalten werden; ebenso sollte die an früherer Stelle angegebene Tabelle sorgfältig studiert werden.

Illusion kann für unsere Zwecke so verstanden werden, dass sie die Reaktion eines undisziplinierten Denkens auf die neu entdeckte Welt der Ideen kennzeichnet. Diese Entdeckung ergibt sich von dem Augenblick an, wenn ein Mensch sich gleichgeschaltet und seine niedere Natur mit der höheren in Verbindung gebracht hat. Ideen erreichen uns aus der Ebene der Intuition. Die Seele erleuchtet die Mentalebene und die Intuitionsebene, so dass sich beide einander offenbaren und ihre Wechselbeziehung damit augenscheinlich wird. Das Denkprinzip im Menschen (das langsam zum Mittelpunkt seines Bewusstseins und zur hauptsächlichen Wirklichkeit seiner Existenz wird) gewahrt diese neue und bislang unentdeckte Welt der Ideen, und dann greift er eine Idee oder eine Ideengruppe heraus [55] und versucht, sie sich zu eigen zu machen. Im Anfang ist die Bewertung von Ideen bei den meisten Menschen und besonders beim Durchschnittsmystiker, eine vage und nebelhafte, und häufig stammt sie noch dazu aus zweiter Hand. Die Erleuchtung, die durch einen eben erst hergestellten und noch schwachen Seelenkontakt vermittelt wird, erscheint dem daran nicht gewöhnten Neuling als höchstes Wunder von lebenswichtiger Bedeutung. Die wahrgenommenen Ideen dünken ihm als etwas Erstaunliches, höchst Ungewöhnliches, als etwas, wessen die Menschheit dringend bedarf.