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Erster Teil - Das Wesen der Verblendung - Teil 2

Das Denken ist aber immer noch auf die eigene Person eingestellt, der Kontakt schwach und die Gleichschaltung ungewiss. Die Ideen werden deshalb nur unklar aufgenommen. Aber die Einzigartigkeit der innerhalb seines bewussten Denkinhaltes gemachten Erfahrung führt den Jünger tief in den Bereich der Illusion hinein. Die Idee oder die Ideen, mit denen er in Berührung trat, sind jedoch in Wirklichkeit nur ein Bruchteil eines weit grösseren Ganzen. Das, was er zu ihrer Auslegung mitbringt, ist unzulänglich. Die durch teilweises Erwachen seiner Intuition in seinem Bewusstsein aufgetauchte Idee wird bei ihrem Abstieg zum Gehirnbewusstsein in mehrfacher Hinsicht entstellt. Das, was er zur Verkörperung der Idee und zu ihrer Umwandlung in einen praktischen ausführbaren Plan beitragen kann, ist noch gänzlich ungeeignet. Genauigkeit lässt sich von seiner ungenügenden Ausrüstung noch nicht erwarten. Die Art, wie diese Entstellung und dieser Niederschlag einer Idee sich vollziehen, lässt sich etwa wie folgt beschreiben:

Der Übergang einer Idee von der Ebene der Intuition zum Gehirn.

I. Die Idee wird vom Denken erkannt und «unbeirrt im Licht der Seele festgehalten.»

II. Sie sinkt auf die höheren Stufen der Mentalebene herab und bekleidet sich dort mit der Substanz derselben. Vom Standpunkte des niederen Denkens aus ist sie immer noch eine abstrakte Idee. Das sollte jeder, der seine Intuition ausbilden will, sorgfältig vermerken.

III. Die Seele wirft ihr Licht nach oben und nach aussen und die [56] nebelhafte und undeutliche Idee taucht im Bewusstsein des Menschen auf. Sie steht enthüllt da, etwa so wie ein Gegenstand enthüllt wird, wenn der helle Strahl eines kräftigen Scheinwerfers darauf gerichtet wird. In dem Bestreben, in ununterbrochenem, bewussten Kontakt mit der Seele zu bleiben und in die höhere Welt vermittels des «weit geöffneten Seelenauges» hineinzuschauen, erfasst das Denken die Idee mit zunehmender Klarheit.

IV. Ist die Idee enthüllt, so wird sie für das aufmerksame Denken zu einem Ideal und schliesslich zu etwas, das erwünscht ist und verkörpert werden sollte. Die Fähigkeit des Denkens, Gedankenformen zu schaffen, tritt dann in Tätigkeit; die der Idee innewohnende und durch Anerkennung der Seele belebte Energie setzt dann den «Gedankenstoff» in Bewegung und damit unternimmt die Idee ihren ersten eigentlichen Schritt zur Verkörperung. Ein Ideal ist lediglich eine verkörperte Idee.

Dies sind die ersten Schritte zur Verkörperung. Dadurch wird äussere Gestaltung möglich. So entsteht Illusion.

V. Nun kommt es zur Entstellung. Sie ergibt sich aus verschiedenen Ursachen, die sich wie folgt aufzählen lassen:

1. Der Strahlentyp des Egos färbt des Menschen Auslegung der Idee. Er färbt die auftauchende Gedankenform. Symbolisch gesprochen wird das reine Licht in farbiges Licht umgewandelt. Die Idee ist dann «mit Farbe bekleidet und dadurch senkt sich der erste Schleier auf sie herab.»

2. Die vom betreffenden Menschen erreichte Evolutionsstufe hat ebenfalls ihre Wirkung; und dazu kommt der zwischen [57] den drei Persönlichkeitsaspekten bestehende Grad der Integration und die zwischen Seele-Denken-Gehirn erzielte Gleichschaltung. Da sie notwendigerweise unvollkommen ist, ruft sie eine gewisse Verschwommenheit der Umrisse und demzufolge auch der Endform hervor. Es ergibt sich also Folgendes:

a. Unvollkommene Integration der Persönlichkeit.

b. Verschwommenheit der beabsichtigten Gedankenform.

c. Folglich wird zum Aufbau der Gedankenform falsches Material herangezogen.

d. Schwankende Aufmerksamkeit, da das Ideal nur undeutlich erschaut wurde.

e. Unbeständige Verbindung zwischen dem Denkprinzip und der empfundenen Idee.

3. Die nächste sogenannte «Verschleierung» der Idee wird durch die Strahlen-Qualität verursacht, welche die Entwicklung des Mentalkörpers eines Jüngers bedingt. Die Idee ist bereits durch die Strahlenfärbung der Seele verändert worden und dazu kommt jetzt noch eine weitere und beträchtliche Entstellung durch den Strahlentyp des Mentalkörpers selber, der möglicherweise, ja sogar meistens, verschieden ist von dem des Seelenstrahls.

Dies sind die zweiten Schritte zur Verkörperung. Die Körpergestalt hat Qualität angenommen. So entsteht Illusion.

VI. Diese Illusion bekundet sich gewöhnlich auf sieben Arten:

1. Durch falsche Wahrnehmung einer Idee. Der Jünger kann nicht unterscheiden zwischen einer Idee und einem Ideal, zwischen einer Idee und einer Gedankenform oder zwischen einem intuitiven und einem mentalen Begriff. Dies ist einer der Gründe für Illusion, der am häufigsten unter Aspiranten anzutreffen ist. Die mentale Atmosphäre, in der wir alle leben, ist voll von Illusion. Ausserdem ist es eine Atmosphäre [58] oder ein Bereich bewusster Begegnung, worin Gedankenformen aller Art anzutreffen sind. Einige davon sind von der Hierarchie dort deponiert worden, damit der Mensch sie entdecke; einige davon sind menschliche Gedankenformen, mit denen Ideen umhüllt wurden; einige davon sind sehr alte, bereits abgelegte Ideale, die aber noch als Gedankenformen weiterbestehen; einige davon sind ganz neu und deshalb noch nicht mächtig, aber höchst anziehend. Sie alle sind vom Menschen auf der einen oder anderen Stufe seiner Einzel- und Rassenentwicklung geschaffen worden. Viele davon sind die leblosen Hüllen längst überholter Vorstellungen; andere stecken noch im Keim; einige bleiben unverändert; viele sind dabei, aus den Bereichen der Intuition herabzukommen; einige wenige sind noch vom klaren Licht der Seele erleuchtet und zur Verkörperung bereit. Eine grosse Anzahl anderer Gedankenformen sind dabei, sich aufzulösen. Einige dieser Formen oder verkörperten Ideen sind ihrem Wesen nach destruktiv und zwar wegen der Art der Materie, aus der sie gebildet wurden. Andere wiederum sind konstruktiv. Alle sind von einer Strahlenenergie gefärbt. Eine grosse Anzahl dieser Formen entstanden zwangsläufig durch die Tätigkeit der Persönlichkeitswelt; andere sind im Entstehen begriffen durch die Wirksamkeit der Seele sowohl als auch durch die gemeinsame Aktivität beider Manifestationen. Richtige Wahrnehmung ist deshalb wesentlich für die fehlerfreie Betätigung jedes einzelnen Denkers. Aspiranten müssen unterscheiden lernen:

a. zwischen einer Idee und einem Ideal.

b. zwischen dem, was bereits verkörpert ist, was sich noch im Begriff der Verkörperung befindet und was schon seiner Auflösung entgegensieht.

c. zwischen [59] dem, was konstruktiv und dem, was destruktiv ist.

d. zwischen den alten und den neuen Formen und Ideen.

e. zwischen den Strahlenideen und den Formen, die ja die höheren Darstellungen färben.

f. zwischen Ideen und Gedankenformen und zwischen solchen, die absichtlich von der Hierarchie und denen, die von der Menschheit geschaffen werden.

g. zwischen rassischen Gedankenformen und Gruppenideen.

Ich könnte noch viele weitere Unterscheidungen anführen. aber die obigen dürften genügen, um die Notwendigkeit richtiger Wahrnehmung anzuzeigen und um auf die Wurzel der obwaltenden Weltillusion hinzuweisen, die durch falsche Wahrnehmung hervorgebracht wird.

Die Ursache ist ein ungeschultes, unerleuchtetes Denken.

Die Abhilfe ist Ausbildung in der Technik von Raja Yoga.

Dadurch erlernt man die Fähigkeit, das Denken unbeirrt im Licht festzuhalten, richtig wahrzunehmen, einen rechten Ausblick zu erreichen und eine rechte mentale Einstellung zu erlangen. Diese richtigen Einstellungen hatte Buddha im Sinn, als Er den Edlen, Achtfachen Pfad verkündete. Dazu gehört, dass man die rechte mentale Höhe erreicht, nicht bloss die rechte Einstellung, liebe Brüder.

2. Durch falsche Auslegung. Die Idee, eine lebendige Wesenheit oder ein lebenskräftiger Keim, erscheint nur als Teilansicht, die durch die Unzulänglichkeit des Denkvermögens entstellt und häufig bis zur Belanglosigkeit verkleinert wird. [60] Es fehlt das Instrument zum rechten Verstehen. Obgleich der Mensch sein Höchstes und Bestes darangeben mag und obwohl er bis zu einem gewissen Grad fähig sein mag, sein Denken unbeirrt im Licht zu halten, ist doch das, was er der Idee entgegenbringt, besten Falls recht armselig. Das führt zu Illusion durch falsche Auslegung.

Die Ursache liegt in der Überschätzung der eigenen Denkkraft. Die Hauptsünde des mentalen Typs ist Hochmut und dieser färbt in den Anfangsstadien auf alles ab, was er tut.

Die Abhilfe liegt in der Entwicklung geistiger Vorsicht.

3. Durch falsche Aneignung von Ideen. Die unrechtmässige Aneignung einer Idee gründet sich auf die dramatisierende Fähigkeit und Tendenz der Persönlichkeit, dem kleinen Ich Geltung zu verschaffen. Das verführt den Menschen dazu, sich eine Idee persönlich anzueignen in dem Glauben, er habe sie selbst formuliert und ihr deshalb ungebührliche Bedeutung beizumessen, weil er sie als seine eigene betrachtet. Von da an baut er sein Leben im Sinn seiner Idee auf, misst seinen Absichten und seinen Zielen besondere Bedeutung bei und erwartet von anderen, dass sie sein Eigentumsrecht auf die Idee anerkennen. Er vergisst, dass keine einzige Idee irgend jemandem gehört, sondern dass Ideen, die ja von der Intuitionsebene herkommen, Geschenk und Gemeingut aller und nicht das Eigentum eines einzelnen Denkers sind. Sein Leben, auch als Persönlichkeit, ordnet sich ganz dem unter, was seine Vorstellung von einer Idee und sein Ideal von einer Idee ist. Die Idee wird zur dramatischen Triebfeder eines Lebenszwecks, den er sich selbst auferlegt hat und der ihn von einem Extrem zum anderen treibt. Das führt zu Illusion durch unrechtmässige Aneignung.

Die Ursache [61] liegt in der Überschätzung der Persönlichkeit und in der Art, wie diese Persönlichkeit durch ihre Reaktionen sowohl die empfundene Idee selbst als auch alle Menschen, die dieselbe Idee zu erfassen suchen, ungebührlich zu beeinflussen trachtet.

Die Abhilfe liegt im steten Bemühen, den Mittelpunkt des Lebens von der Persönlichkeit in die Seele zu verlegen.

Eines möchte ich hier klarstellen. Ideen gelangen sehr selten unmittelbar aus den intuitiven Bereichen ins Bewusstsein der Welt und ins menschliche Denken. Der heutige Stand menschlicher Entwicklung erlaubt das noch nicht. Ideen können nur dann direkt aus den Intuitionsebenen kommen, wenn ein hochentwickelter Seelenkontakt, eine starke Denkkontrolle, eine geschulte Intelligenz, ein geläuterter Gefühlskörper und (als Resultat all dieser Bedingungen) ein gesundes Drüsensystem vorhanden ist. Es empfiehlt sich, darüber nachzudenken.

Die meisten Ideen, soweit sie höherer Natur sind, werden vom Meister transformiert ins Bewusstsein seines Jüngers gebracht und ihm durch mentale Telepathie übermittelt und zwar infolge seiner Empfänglichkeit für das, was in der tibetanischen Lehre als «psychische Geschenkwellen» bezeichnet wird. Ideen werden auch durch Gedankenaustausch unter Jüngern erspürt. Wenn Jünger zusammenkommen und sich dadurch gegenseitig in ihrem Denken anregen und wenn sie ihre Aufmerksamkeit gemeinsam auf einen Brennpunkt richten, so können sie oft vereint mit der Ideenwelt in Berührung kommen (was sonst unmöglich wäre) und den neueren Begriffen Leben und Form geben. Ferner befinden sich gewisse grosse Ideen als Energieströme auf der Mentalebene, die dort durch geschulte Aufmerksamkeit von Jüngern erreicht und zur Verkörperung gezwungen werden können. Diese von einer Grundidee gefärbten Ströme mentaler Energie wurden von der Hierarchie dorthin gelenkt. Wenn der Neuling sie auf diese Weise entdeckt und erfasst hat, ist er geneigt, dies als persönliche Errungenschaft anzusehen [62] und die Idee seiner eigenen Weisheit und Macht zuzuschreiben. Daher ist es so notwendig, solche Neuentdeckungen richtig zu verstehen und richtig auszulegen.

4. Durch falsche Lenkung von Ideen. Sie ergibt sich aus der Tatsache, dass der Jünger das Gesamtbild noch nicht so sieht, wie es in Wirklichkeit ist. Sein Horizont ist beschränkt, seine Vision kurzsichtig. Ein Bruchteil irgendeiner Grundidee beeindruckt sein Bewusstsein und er legt diese Teil-Idee so aus, als ob sie zu einem Tätigkeitsbereich gehöre, mit dem sie überhaupt nichts zu tun haben mag. Er fängt daher an, sich mit der Idee zu befassen und sie in Bereiche zu lenken, wo sie gänzlich nutzlos ist; er kleidet sie von einem ganz falschen Gesichtspunkt aus in eine Form und verkörpert sie so, dass ihre Nützlichkeit zunichte gemacht wird. So hat also der Jünger vom allerersten Augenblick des Kontaktes an unter Illusion gelitten, und solange er darin verharrt, verstärkt sich die allgemeine Illusion. Dies ist eine der gewöhnlichsten Formen von Illusion, und eine der ersten Gelegenheiten, um den mentalen Hochmut eines Jüngers zu brechen. Es ist Illusion aufgrund falscher Anwendung von Anfang an, und sie führt zu falschem Gebrauch oder falscher Lenkung der Idee.

Ihre Ursache ist ein kleines und nicht umfassendes Denkvermögen.

Die Abhilfe besteht darin, das Denken so zu schulen, dass es universal, vielseitig und vom Standpunkt moderner Intelligenz wohlentwickelt ist.

5. Durch falsche Eingliederung einer Idee. Jeder Jünger hat einen Lebensplan und ein erwähltes Dienstgebiet. Andernfalls ist er kein Jünger. Es mag das Heim oder die Schule oder ein [63] grösseres Gebiet sein, jedenfalls ist es ein bestimmter Platz, wo er das zum Ausdruck bringt, was in ihm liegt. In seinem meditativen Leben und durch den Kontakt mit seinen Mitjüngern erhascht er irgendeine Idee, die wichtig, vielleicht sogar für die Welt wichtig ist. Sofort stürzt er sich darauf und versucht, sie seinem Lebenszweck und Lebensplan einzugliedern. Er mag dafür gar keine bestimmte Verwendung haben und er sollte sich damit überhaupt nicht befassen. Sein übergeschäftiges Denken ist wahrscheinlich dafür verantwortlich, dass er diese Idee aufgreift. Alle erspürten und erfassten Ideen brauchen nicht notwendigerweise Ideen zu sein, mit denen jeder Jünger sich beschäftigen sollte. Darüber ist sich der Jünger nicht immer klar. Deshalb greift er die Idee auf und versucht, sie seinen Plänen einzugliedern, wobei er sich mit Energien abgibt, die seinem Temperament nicht angepasst sind. Er zwingt seinem Mentalkörper einen Energiestrom auf, dem er nicht gewachsen ist; die Wirkung ist vernichtend. Viele gute Jünger weisen solch ein überfruchtbares, übergeschäftiges Denkvermögen auf und gelangen damit zu keinem konstruktiven Ziel und zu keinem aufbauenden Lebenswerk. Sie greifen jede Idee auf, die ihnen in den Weg kommt, und gebrauchen keinerlei kritisches Unterscheidungsvermögen. Dies ist die Illusion durch Aneignungssucht.

Die Ursache ist selbstsüchtige Bereicherung zugunsten des kleinen Ich, selbst wenn der Jünger sich dessen nicht bewusst und von der Idee der eigenen Selbstlosigkeit verblendet ist.

Die Abhilfe ist eine demütige Gesinnung.

6. Durch falsche Verkörperung von Ideen. Das bezieht sich hauptsächlich auf die Schwierigkeiten jener entwickelten Seelen, die mit der Welt der Intuition wirklich in Berührung kommen und die tatsächlich die grossen geistigen Ideen [64] intuitiv erfassen; diese Seelen haben die Aufgabe, die Ideen automatisch und ohne Umschweife in bestimmter Form zu verkörpern, wobei die Seele und das Denkvermögen in geschulte, rhythmische Funktion treten und stets engstens zusammenwirken müssen. Die Idee wird tatsächlich aufgegriffen, aber falsch in Denkstoff eingekleidet; damit wird auch ihre materielle Gestaltung in falscher Richtung angesetzt. Auf diesem Weg mag sie dann beispielsweise in eine Gruppengedankenform Eingang finden, deren Färbung, Grundton und Substanz völlig ungeeignet ist, die Idee richtig zum Ausdruck zu bringen. Das kommt weit öfter vor, als man denkt. Darauf bezieht sich im letzten Grunde der Hindu-Ausspruch: Besser das eigene Dharma als das Dharma eines anderen.

Dies ist Illusion aufgrund von falscher Auswahl und mangelnder Urteilskraft in bezug auf die Substanz.

Ihre Ursache ist Mangel an esoterischer Ausbildung in schöpferischer Tätigkeit.

Die Abhilfe besteht darin, die Methoden des fünften Strahles, d.h. Methoden der Denkebene anzuwenden.

Ein Irrtum dieser Art findet sich selten beim Durchschnitts-Aspiranten und hängt mit einer Illusion zusammen, mit der viele Eingeweihte ziemlich hohen Grades geprüft werden. Die gewöhnlichen Jünger, z.B. die in meiner Gruppe, kommen selten mit einer reinen Idee in Berührung und stehen daher selten vor der Aufgabe, sie zu verkörpern.

7. Durch falsche Anwendung von Ideen. Wie oft senkt sich diese Form von Illusion auf einen Jünger nieder! Er berührt eine Idee sowohl intuitiv als auch verstandesmässig (der hierin gemachte Unterschied ist beachtenswert) und wendet sie dann falsch an. Dies ist vielleicht ein Aspekt der synthetischen Illusion oder der Illusion der gesamten Mentalebene, soweit der [65] moderne Mensch mit ihr in Berührung kommt. Illusion verändert sich von Zeitalter zu Zeitalter, je nachdem, was die Hierarchie anstrebt und welche allgemeine Tendenz das menschliche Denken einschlägt. Der Jünger kann sich daher zu falscher Betätigung und zu falscher Anwendung von Ideen verleiten lassen, weil sein Denken von der (aus den oben erwähnten sechs Arten von Illusion erwachsenden) allgemeinen Illusion übermässig beeinflusst wird.

Ich könnte noch ausführlicher darüber berichten, wie die Illusion den ahnungslosen Jünger einfängt, aber das bisher Gesagte dürfte genügen, um den Schüler zu jener konstruktiven Analyse anzuregen, durch welche Wissen zu praktischer Weisheit wird. Wir haben festgestellt, dass Illusion hauptsächlich auf siebenerlei Art und Weise in Erscheinung tritt:

1. Durch falsche Wahrnehmung.

2. Durch falsche Auslegung.

3. Durch falsche Aneignung.

4. Durch falsche Lenkung.

5. Durch falsche Integration.

6. Durch falsche Verkörperung.

7. Durch falsche Anwendung.

Es sind dies die dritten Stufen auf dem Weg zur Darstellung. Die Form der Darstellung oder des Ausdrucks nimmt ausserdem auch die Qualität (des Strahles) an. So entstehen die sieben Arten der Illusion.

Damit habe ich die Ursachen und verschiedenen Arten der Illusion beschrieben, zu denen der Jünger neigt. In ihrer reinen Form muss dieser Illusion entgegengetreten werden und sie muss auch eines Tages überwunden werden; sie muss vom Eingeweihten herausgefunden und zerstreut werden. In seinem letzten, erfolgreichen Bemühen, dies zu tun, sah sich Jesus am Kreuz veranlasst, einen anscheinenden Notschrei auszustossen. Er zerstreute dann endgültig die Illusion der persönlichen, objektiven Gottheit. In jenem [66] Augenblick kam ihm voll zu Bewusstsein, dass er selbst Gott war und sonst nichts; dass die von ihm im 17. Kapitel des Johannes-Evangeliums aufgestellte Einheitstheorie wirklich und wahrhaftig eine unumstösslich bewiesene Tatsache in seinem eigenen Bewusstsein war. Dennoch überkam ihn in diesem unendlichen und höchsten Gewahrsein vorübergehend ein Gefühl des Verlustes und der Leere, das seiner sterbenden Persönlichkeit jene ungeheuere Äusserung entrang, die so viele verwirrt und zur gleichen Zeit getröstet hat. Sie bedeutet die Überwindung der letzten, synthetischen Illusion. Wenn sie zerstreut ist, verschwindet Illusion, soweit sie menschlich fassbar ist. Der Mensch ist frei. Die Illusion der Mentalebene kann ihn nicht länger betören. Sein Denkvermögen ist ein reines Werkzeug zur Widerspiegelung von Licht und von Wahrheit. Die Verblendungen der Astralebene halten ihn nicht mehr im Bann und der Astralkörper selber erlischt.

In meiner Abhandlung über Weisse Magie deutete ich bereits an, dass der Astralkörper selbst eine Illusion ist. Für das illusorische Denken auf der Mentalebene ist er die Definition dessen, was wir die Gesamtheit der Wunschnatur eines inkarnierten Menschen nennen. Wenn sowohl Illusion als auch Verblendung überwunden sind, erlischt der Astralkörper im menschlichen Bewusstsein. Es gibt keinen Wunsch mehr für das abgesonderte Selbst. Kama-Manas verschwindet, und der Mensch wird dann seinen wesentlichen Bestandteilen nach als Seele-Denkvermögen-Gehirn innerhalb der körperlichen Natur betrachtet. Das ist ein grosses Mysterium; seine Bedeutung wird erst dann verständlich, wenn ein Mensch sich seine Persönlichkeit dienstbar gemacht und alle Aspekte von Verblendung und von Illusion ausgeschaltet hat. Diese Vollkommenheit muss errungen werden. Diese Meisterschaft wird durch Meistern erlangt.

Diese Ausmerzung des Wünschens wird durch bewusstes Ausmerzen erreicht. Darum sage ich: An die Arbeit, liebe Brüder, dann wird die Klärung des Problems zwangsläufig erfolgen!

Der [67] Gegenpol der Illusion ist bekanntlich die Intuition. Intuition ist jene Erkenntnis der Wirklichkeit, die in dem Mass möglich wird, wie Verblendung und Illusion verschwinden. Eine intuitive Empfänglichkeit für Wahrheit stellt sich ein, wenn es dem Jünger auf einem besonderen Annäherungsweg zur Wahrheit gelungen ist, den Hang seines Denkens zur Erschaffung von Gedankenformen zu beruhigen, so dass ihm Licht aus den höheren, geistigen Welten direkt und ohne jede Umleitung zufliessen kann. Die Intuition kann erst dann ihr Vorhandensein geltend machen, wenn Verblendung den niederen Menschen nicht länger in Fesseln hält und wenn seine niederen und höheren Wünsche nicht mehr durch rein gefühlsmässige oder egozentrische Auslegung zwischen sein Gehirnbewusstsein und die Seele treten können. Flüchtige Augenblicke dieses hohen Freiseins werden allen wahren Aspiranten im Lauf ihres Lebenskampfes hin und wieder zuteil. Sie erfahren dann ein blitzartiges Aufleuchten intuitiven Verstehens. Die Umrisse der Zukunft und das Wesen der Wahrheit durchfluten in dem Augenblick ihr Bewusstsein und danach kann ihr Leben nie wieder ganz in die alten Bahnen zurückkehren. Sie haben die unvergessliche Erfahrung gemacht, dass alles Kämpfen gerechtfertigt ist und eine gebührende Belohnung einbringen wird.

Wie bereits angedeutet (siehe Tabelle), ist es die Kontemplation (und zwar notwendigerweise eine Kontemplation vonseiten der Seele), welche die Illusion verscheucht und sie durch wahre geistige und unfehlbare Wahrnehmung ersetzt. Vielleicht wird die Reihenfolge der Entwicklung etwas klarer, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der gesamte Meditationsvorgang sich wie folgt in drei Hauptteile zerlegen lässt:

1. Der Aspirant - Probepfad - Konzentration - Maya.

2. Der Jünger - Pfad der Jüngerschaft - Meditation - Verblendung.

3. Der Eingeweihte - Pfad der Einweihung - Kontemplation - Illusion.

Diese Übersicht dürfte genügen, um den Meditationsvorgang, wie er in der Arkanschule gelehrt wird, mit dem Problem in Beziehung zu bringen, das jeder Schüler für sich zu lösen hat.

Die [68] Technik, die der Eingeweihte zur Verscheuchung von Illusion verwendet, ist die der Kontemplation. Was nützt es mir aber, dies mit einem Menschen zu besprechen, der noch kein Eingeweihter ist? Könnte er überhaupt daraus lernen oder würde es nur seine Neugierde befriedigen, wenn ich das besondere Verfahren erklärte, das eine Seele in Kontemplation anwendet, um Illusion zu durchdringen und sie (durch einen geschulten Willensakt und durch erststrahlige Formeln) zu verscheuchen? Nichts, das ich mir vorstellen könnte.

Deshalb will ich meine Bemerkungen über Illusion vom Gesichtswinkel der Evolutionsstufe meiner jetzigen Schüler beenden. Verblendung ist ihr Problem, wie es das Problem der heutigen Welt ist. Einige unter ihnen, deren Mentalkörper sich schon im Stadium der Organisation befinden, mögen zwar bis zu einem gewissen Grad unter Illusion leiden, aber ihr Hauptproblem als Gruppe und als Individuen ist das der Verblendung. Ihr lebendiges Erfahrungsgebiet liegt in den höheren Bereichen der Astralebene. Ihre Aufgabe ist es, Verblendung im eigenen Leben und als Gruppe zu überwinden, als Vorbereitung auf die spätere, schwere Aufgabe, bei Zerstreuung der Weltverblendung mitzuwirken. Das sollte später möglich werden, wenn alle sich der Schulung unterwerfen und der Einzelne seine persönlichen Verblendungen versteht und meistert. Sobald meine Schüler damit einen Anfang gemacht haben, kann ich damit beginnen, sie als Gruppe zu verwenden. Ehe aber eine solche Gruppe wirksame Arbeit leisten und dazu beitragen kann, die Weltverblendung zu zerstreuen, muss jeder die Verblendungen und Illusionen seiner Persönlichkeit besser verstehen und bewältigen. Die Zeit ist jetzt für mich gekommen, um meinen Schülern wirksamer zu helfen, mit diesem Verblendungsproblem fertig zu werden und zwar im Hinblick auf den ihnen bestimmten Gruppendienst und nicht etwa auf ihre persönliche Befreiung...

Ich bitte deshalb, mit frischem Mut, mit Entschlossenheit und mit neuem Verständnis ans Werk zu gehen und es ein weiteres Jahr lang fortzusetzen. Will jeder Einzelne dieser Arbeit seine besten Kräfte widmen? Denn es handelt sich um eine mühselige Arbeit.

2. Verblendung auf der Astralebene  - Verblendung.

Ich habe [69] im Vorhergehenden das Problem der Illusion oder der Verblendung auf der Mentalebene behandelt. Dies geschah in knapper und gedrängter Form, wobei ich darauf hinwies, dass Illusion nicht das erste und hauptsächliche Problem dieser Gruppe von Aspiranten ist, sondern dass sie - in Gemeinschaft mit dem Weltaspiranten «Menschheit» - vorerst mit Verblendung beschäftigt sind. Jene Aspiranten, die in der vordersten Frontlinie der Menschheit stehen und deren Aufgabe es ist, der Weltverblendung gegenüber zu treten und durch sie hindurch eine Bresche zu schlagen, müssen lernen, Seelenenergie und wirksame Denkkraft freizusetzen. In die Reihen dieser bahnbrechenden Seelen sollten meine Schüler eintreten, im Bewusstsein der Bedeutung der sich bietenden Gelegenheit und der nahe bevorstehenden Stunde der Befreiung.

Sie stehen an der Schwelle akzeptierter Jüngerschaft. Das bedeutet, dass diese Schüler in Kürze ausser ihrem Kampf gegen Verblendung auch noch den Kampf gegen Illusion aufnehmen müssen. Sind sie dazu stark genug? Ich erinnere daran, dass ein Jünger, der nicht nur mit dem geistigen Auftrieb seines Wesens beschäftigt ist, sondern ausserdem mit den Problemen eines mental polarisierten Bewusstseins und mit den durch Seelenkontakt ausgelösten Energien zu kämpfen hat, unmittelbar im Begriff ist, eine integrierte Persönlichkeit zu werden. Seine Aufgabe ist demnach nicht leicht und verlangt eine zielklare Betätigung des Besten, was in ihm liegt. Damit meine ich die Seele und die aufwärts strebende Persönlichkeit.

Schon kämpfen diese Jünger bis zu einem gewissen Grad mit der Illusion der in meinem letzten Brief behandelten Ideen. Sie entwickeln dabei allmählich jenes kritische Unterscheidungsvermögen, das die rechte Auswahl einer Lebensaufgabe ermöglicht. In meinen heutigen Anweisungen möchte ich erstens einiges Licht auf die Verblendung lenken, welcher der Jünger individuell ausgesetzt ist und zweitens die besondere Art von Verblendung betrachten, mit der er während seiner Ausbildung zum Weltdiener rechnen muss.

Symbolisch möchte ich sagen, dass der planetarische Astralkörper (von den Ebenen der Seele aus gesehen) in tiefem Nebel versunken erscheint. Wenn man in einer klaren Nacht den Himmel [70] betrachtet, sieht man die Sterne und Sonnen und Planeten mit klarem, kalten Strahlenglanz und glitzerndem Flammenlicht leuchten, das viele Millionen von Meilen (oder sogenannte Lichtjahre) durcheilt, bis das menschliche Auge es wahrnimmt und die Existenz jener leuchtenden Sterne bemerkt. Eine Betrachtung des Astralkörpers unseres Planeten, die den meisten leider unmöglich ist, würde jedoch kein solch klares Licht ergeben, sondern bloss eine trübe anscheinend aus Dampf, Dunst und Nebel bestehende Kugel. Dieser Nebel ist von einer Stärke und Dichte, die ihn nicht nur undurchdringlich erscheinen lässt, sondern auch auf Zustände deutet die für ein Leben ungünstig sind. Dennoch gehen wir da ein und aus, wir Lehrer auf der Innenseite; und in diesem Nebel plagen sich die Menschensöhne, die alle Dinge verunstaltet und verzerrt sehen. Einige sind an den Nebel und die Dichte so gewöhnt, dass sie davon gar keine Notiz nehmen; sie finden diesen Zustand für recht und gut und betrachten ihn als unabänderlichen Schauplatz ihres täglichen Lebens. Andere haben einen flüchtigen Blick von einer helleren Welt erhascht, in der vollendetere Formen und Gestalten sichtbar werden und wo kein Nebel eine dunkel erahnte Wirklichkeit verbirgt; allerdings wissen sie nicht, was diese Wirklichkeit sein mag. Wieder andere, wie z.B. einige meiner Schüler sehen einen offenen Pfad vor sich, der in das klare Licht des Tages führt. Noch wissen sie jedoch nicht, dass sie, indem sie ihn betreten, auf dem Pfad selbst sich mit Fleiss und Einsicht mit der ihn umgebenden Verblendung befassen müssen; sie folgen den Fussstapfen derer, die sich aus den Nebelhüllen befreit haben und in eine Welt hellerer Horizonte eingegangen sind. Jünger auf dem Pfad verbringen einen grossen Teil ihrer Zeit damit, fast in zyklischer Folge in Verblendung und Nebel zu versinken, worauf dann immer wieder Stunden der Klarheit und geistigen Schau folgen.

Wer sich mit Verblendung abzugeben bemüht ist, muss sich über vier Bedingungen klar werden, über [71] vier grundlegende Erkenntnisse, deren Verständnis dazu dienen wird, seinen Weg klarer und leichter, und damit ebener zu gestalten:

1. Jedes Menschenwesen steht im Mittelpunkte einer Welt von Verblendung, die das Ergebnis folgender Ursachen ist:

a. Seine eigene Vergangenheit, mit ihrem irrtümlichen Denken, ihrem selbstsüchtigen Wünschen und ihrer Missdeutung der Lebensabsichten. Es besteht oder bestand bisher kein Verständnis für den beabsichtigten Lebenszweck, wie die Seele ihn erschaut; und dieses Verstehen ist erst dann möglich, wenn der Mentalkörper ein bestimmtes organisches Gefüge anzunehmen beginnt.

b. Das «Wunschleben» seiner Familie, sowohl das vergangene als das gegenwärtige. Diese Einwirkung steigert sich in dem Masse, wie die Evolution fortschreitet und wenn das Wunschleben der Familieneinheit besonders betont wird, entstehen daraus ererbte und ausgeprägte psychologische Neigungen und Eigenschaften.

c. Nationale Verblendung, die Summe des Wunschlebens und der Illusionen irgend einer Nation. Wir bezeichnen sie als nationale Merkmale, die so hartnäckig und ausgeprägt sind, dass sie gewöhnlich als die Verkörperung der psychologischen Charakterzüge einer Nation anerkannt werden. Diese begründen sich natürlich auf Strahleneinflüsse, geschichtliche Vergangenheit und Wechselbeziehungen zur übrigen Welt, stellen aber an sich einen Verblendungszustand dar, aus dem sich jede Nation herausarbeiten muss, während sie dem Ziel der Erkenntnis (und Identifizierung mit) höherer Realität zustrebt.

d. Eine Erweiterung obiger Idee zur sogenannten Rassenverblendung, wobei mit Rasse die ganze Menschheit gemeint ist. Das ist eine sehr alte Verblendung oder beinahe eine Kette von Verblendungen, eingewurzelten Wünschen, mächtigen Bestrebungen irgendwelcher Art und rein menschlichen Schöpfungsformen, die - ewig in Bewegung, umhüllend und voll strotzender Lebenskraft - das Bewusstsein der Menschheit [72] auf der Astralebene festzuhalten suchen. Solch ein Verblendungsbegriff ist der des Geldes und seines materiellen Wertes. Dieser eitle Wunsch danach gleicht einem dichten, weitverbreiteten Nebel, der das Erschauen der Wahrheit unterbindet und eine sehr grosse Anzahl menschlicher Werte verdreht.

2. Dieser Nebel, diese Verblendung, welche die Menschheit zurzeit umhüllt, muss unbedingt als ein Gegenstand von greifbarer Wirklichkeit erkannt und dementsprechend behandelt werden. Der Jünger oder Aspirant, der entweder in seinem eigenen Leben oder in seinem Dienst an der Welt Verblendung zu zerstreuen sucht, muss wissen, dass er es mit wirklicher Substanz zu tun hat, mit dem Zerschlagen der von ihr angenommenen Formen und mit der Zerstreuung einer materiellen, allumfassenden Substanz - materiell im gleichen Sinn, wie Gedankenformen substantielle Dinge sind, wenn auch (und das ist wichtig) weniger substantiell als die Verblendungsformen der Astralebene. Wir vergessen nicht so leicht, dass «Gedanken Dinge sind» und dass sie als Formgestalten ihr eigenes Leben führen und eigene Zwecke verfolgen. Sie sind jedoch von besonderer Art und neigen zur Trennung, sie sind klarer umrissen und leichter zu definieren. Die Verblendungsformen der Astralebene sind in noch höherem Mass substantiell, aber weniger scharf umgrenzt. Gedankenformen sind dynamisch, eindringlich, klar umrissen und abgegrenzt. Verblendungen dagegen sind lastend, unbestimmt und umwallend. Man versinkt in ihnen wie in einem Ozean oder in einem «Nebelmeer». Gedankenformen begegnet man und fasst sie ins Auge, aber man versinkt nicht darin. Fast könnte man sagen, dass der menschliche Astralkörper als Bestandteil der allgemeinen Weltverblendung entsteht; deshalb kann der Mensch schwer unterscheiden zwischen seinem eigenen Astralkörper und den Verblendungen, die ihn beeinflussen und ihn überschwemmen. Sein Problem auf der Mentalebene ist klarer umgrenzt, wenngleich ebenso schwierig.

3. Astrale [73] Verblendung ist eine Form von Energie und zwar einer Energie, die aus drei Gründen sehr wirksam ist:

a. Da sie astraler Substanz selbst innewohnt, ist ihr Rhythmus so alt, dass ein Mensch nur mit grosser Schwierigkeit ihrer gewahr wird oder sie versteht; sie ist das Resultat menschlicher Wunschbetätigung seit altersher.

b. Sie ist ein Bestandteil der natürlichen Energie eines jeden Menschen und darum die Richtung des geringsten Widerstandes; sie ist ein Teil eines grossen Weltvorganges und deshalb auch ein Teil des individuellen Lebensverlaufes; an sich ist sie nicht unrecht, sondern ein Aspekt der Wirklichkeit. Diese Erkenntnis macht es dem Menschen um so schwieriger, klar darüber nachzudenken.

c. Zudem ist sie ihrem Wesen nach ausgesprochen atlantisch, da sie in jener Rasse einen hohen Grad ihrer Entwicklung erreichte. Deshalb kann sie nur von der arischen Rasse unter Anwendung der richtigen Technik endgültig zerstreut werden. Der Einzelne, der Verblendung zu zerstreuen lernt, muss zweierlei tun:

1. In geistigem Sein verharren.

2. Sein Denken unbeirrt im Licht festhalten.

Daraus geht hervor, dass die Energie der Astralebene, wie sie sich im Gefühlsleben der menschlichen Rasse ausdrückt, die hauptsächlichen Verblendungen der Menschheit hervorruft und dass sie nur dadurch zerstreut, verscheucht und vertrieben werden kann, dass die höhere Energie eines seelisch beeinflussten Denkens gegen sie eingesetzt wird.

4. Die Verblendungen, welche die Menschheit im Bann halten, sind:

a. Die Verblendung materieller Interessen.

b. Die Verblendung der Gefühle.

c. Die Verblendung [74] der Hingabe.

d. Die Verblendung der Gegensatzpaare.

e. Die Verblendungen des Pfades.

Diese Verblendungen möchte ich jetzt im einzelnen erläutern.

Die Verblendung materieller Interessen ist die Ursache aller gegenwärtigen Bedrängnisse in der Welt, denn das sogenannte Wirtschaftsproblem ist nur das Resultat dieser besonderen Verblendung. Seit altersher hat die Menschenrasse an dieser Verblendung wachsendes Interesse genommen, bis am Ende die ganze Welt in den Rhythmus finanzieller Interessen hineingerissen wurde. Seit jeher bestand ein aus den Bereichen der Seele kommender Rhythmus, der von jenen geschaffen wurde, die sich von der Vorherrschaft materieller Anforderungen, von der Knechtschaft des Geldes und von der Liebe zum Besitz freigemacht haben. Heute ist dieser höhere Rhythmus der niederen, rhythmischen Verblendung angemessen und deshalb denkt die ganze Welt darüber nach, wie sie einen Ausweg aus der heutigen, materiellen Sackgasse finden könnte. Jene Seelen, die im Licht auf dem Berggipfel der Befreiung stehen und jene anderen, die aus den Nebeln materieller Bindungen aufwärts streben, sind jetzt zahlenmässig stark genug, um energisch an der Zerstreuung dieser Verblendung zu arbeiten. Der Einfluss ihrer Gedanken, ihrer Worte und ihres Lebens kann und wird eine Umwertung der Werte und einen neuen Lebensstandard für die Rasse zuwege bringen, gegründet auf klare Sicht, auf ein richtiges Gefühl für relative Wichtigkeit und auf eine Erkenntnis der wahren Wesensbeziehung zwischen Seele und Form, zwischen Geist und Materie. Was einem wirklichen und lebenswichtigen Bedürfnisse entspricht, ist jederzeit im göttlichen Plan vorgesehen. Was zur rechten Ausdrucksgebung der Gottnatur und zu einem vollen, segensreichen Leben unnötig ist, lässt sich wohl erringen und besitzen, aber nur durch den Verlust des Wirklicheren und durch Verneinung des Wesentlichen.

Dabei darf man allerdings nicht vergessen, dass das Notwendige sich ändert je nach der Entwicklungsstufe, die der Einzelne erreicht [75] hat. Für manche Leute mag z.B. materieller Besitz eine ebenso grosse geistige Erfahrung und wirksame Lehre im Lebensausdruck bedeuten, wie die höheren und weniger materiellen Bedürfnisse des Mystikers oder Einsiedlers. In bezug auf Betätigung und Gesichtspunkt werden wir nach unserem jeweiligen Platz auf der Evolutionsleiter eingeschätzt. Genau genommen werden wir nach unserem Gesichtspunkt und nicht nach unseren Lebensansprüchen eingeschätzt. Der geistig gesinnte Mensch und derjenige, der sich auf den Probepfad begeben hat und das nicht auszudrücken versucht, woran er glaubt, wird ebenso scharf beurteilt und muss einen ebenso hohen Preis zahlen, wie der reine Materialist - der Mensch, dessen Wünsche sich um greifbare Dinge bewegen. Das muss man bedenken und sich nicht verächtlich auf den Richterstuhl setzen.

Heute ist die Verblendung materieller Interessen merklich im Rückgang begriffen. Die Völker der Welt treten jetzt in die sogenannte «Wüstenerfahrung» ein und werden in der Wüste entdecken, wie wenig zu einem vollen Leben, zu wahrer Erfahrung und wirklichem Glück nötig ist. Der unersättliche Wunsch nach Besitztümern gilt heute nicht mehr so ehrenwert wie früher; und wer sich Reichtum ersehnt, kann sich daran nicht mehr so festklammern wie in früheren Zeiten menschlicher Geschichte. Dinge und Besitztümer entgleiten den Händen, die sich bislang fest daran angeklammert haben und erst wenn Menschen mit leeren Händen und neuen Wertmassstäben dastehen, werden sie erneut das Recht erlangen, Eigentum zu besitzen. Wenn der Mensch nichts wünscht und nichts fürs abgesonderte Selbst anstrebt, kann ihm die Verantwortung für materiellen Reichtum wiedergegeben werden, aber sein Gesichtspunkt wird dann frei sein von dieser besonderen Verblendung und die Nebel astraler Wünsche werden verringert sein. Illusion in mannigfacher Form mag immer noch vorhanden, aber die Verblendung materieller Interessen wird verschwunden sein; sie ist als erste zum Verschwinden bestimmt. Man darf nicht vergessen, dass jede Art von Besitz und alle materiellen Gegenstände, sei es Geld, ein Haus, ein Bild oder ein Automobil ihr eigenes Innenleben, eine [76] eigene Ausstrahlung und ein Tätigkeitsgebiet haben, das wesentlich ihrer eigenen, atomischen Struktur entspricht (denn ein Atom ist eine aktive Energie-Einheit). Daraus entstehen Gegenstücke in der Welt des ätherischen und astralen Lebens, aber nicht in der mentalen Welt. Diese subtileren Formen und besonderen Emanationen vergrössern die Macht des Wunschlebens in der Welt; sie tragen zur Weltverblendung bei und bilden einen Teil der grossen und mächtigen Welt des Miasma, die sich auf dem involutionären Abstieg befindet, in der aber die Menschheit in ihrem evolutionären Aufstieg trotzdem versunken ist. Deshalb halten es die Führer der Menschheit für notwendig, nichts dagegen zu tun, wenn die vom Menschen selbst angesetzten Kräfte sich daran machen, ihn zu entblössen und ihn dadurch freimachen, in der Wüste zu wandern. Dort kann er unter, wie man sagt, beschränkten Verhältnissen sein Leben neu ordnen und seine Lebensweise ändern, wobei er feststellt, dass Freiheit von materiellen Bindungen ihre eigene Freude und Schönheit, ihren eigenen Lohn und Ruhm mit sich bringt. So wird er frei gemacht zum Leben des Denkers.

Die Verblendung der Gefühle hält die guten Menschen dieser Welt in Bann und im dichten Nebel gefühlsmässiger Reaktionen. Die Rasse ist auf einem Punkt ihrer Entwicklung angelangt, wo Menschen mit guter Absicht, mit wirklichem Verständnis und mit einer gewissen Freiheit von der Liebe zum Gold (womit symbolisch die Verblendung durch materielle Interessen gemeint ist) ihre Wünsche auf ihre Pflicht, ihre Verantwortungen und ihre Einwirkungen auf andere, auf ihr sentimentales Verständnis für das Wesen der Liebe richten. Liebe ist für viele, ja sogar für die meisten keine eigentliche Liebe, sondern eine Mischung vom Wunsch zu lieben und dem Wunsch, geliebt zu werden und die Bereitwilligkeit, alles zu tun, um dieses Gefühl hervorzurufen und demzufolge sich im eigenen Innenleben wohler zu fühlen. Die Selbstsucht derer, die selbstlos zu sein wünschen, ist gross; denn viele zusätzliche Gefühle sammeln sich um das Gefühl oder den Wunsch, jene liebenswürdigen und angenehmen Eigenschaften aufzuweisen, die dementsprechende Gegenbeweise in jenem Menschen hervorrufen sollen, der [77] lieben und dienen möchte, der aber jetzt noch ganz von der Verblendung der Gefühle umgeben ist.

Gerade diese Scheinliebe, die sich hauptsächlich auf eine Theorie von Liebe und Dienst gründet, ist für so viele menschliche Beziehungen wie z.B. die zwischen Mann und Frau oder zwischen Eltern und Kindern bezeichnend. Von ihren Gefühlen verblendet und ohne viel von der Seelenliebe zu wissen, die selbst frei ist und andere ebenso frei lässt, wandern sie in einem dichten Nebel und ziehen oft diejenigen mit hinein, denen sie zu dienen wünschen, um eine Erwiderung ihrer Zuneigung zu erwecken. Das Wort «Zuneigung», lieber Bruder, sollte auf seine wahre Bedeutung hin untersucht werden. Zuneigung ist keine Liebe. Sie ist ein Wunsch, den wir durch den Einsatz des Astralkörpers ausdrücken und dieses Bestreben beeinflusst unsere Beziehungen; sie ist etwas anderes als die spontane Wunschlosigkeit der Seele, die nichts fürs abgesonderte Selbst beansprucht. Die Verblendung der Gefühle hält alle guten Menschen dieser Welt gefangen, verwirrt sie, legt ihnen Verpflichtungen auf, die gar nicht existieren und führt zu weiterer Verblendung, die am Ende durch das Einströmen wahrer und selbstloser Liebe zerstreut werden muss.

Ich erwähne diese Verblendungen nur kurz, denn der Schüler kann weitere Einzelheiten für sich selbst ausarbeiten; und dabei wird er feststellen, wo er selbst in der Welt des Nebels und der Verblendung steht. Das erlangte Wissen wird ihm dazu verhelfen, sich allmählich daraus zu befreien.

Die Verblendung der Hingabe ist die Ursache dafür, dass viele Probejünger in der Wunschwelt im Kreise herum wandern. Personen des sechsten Strahls werden hauptsächlich von dieser Verblendung betroffen, die heutzutage besonders wirksam ist, weil der sechste Strahl während des Fische-Zeitalters jahrhundertelang aktiv war. Sie ist heute eine der mächtigen Verblendungen des wirklich hingebungsvollen Aspiranten. Er gibt sich einer Sache hin, einem Lehrer, einer Glaubensrichtung, einer Person, einer Pflicht oder einer Verantwortung. Darüber sollte man nachdenken. Solche harmlose idealistische Gegenstände des Verlangens werden mit der Zeit jedoch schädlich, sowohl für den Betreffenden als auch für andere, [78] weil sie alle durch diese Verblendung der Hingabe in den Rhythmus der Weltverblendung hineinschwingen, die ihrem Wesen nach der Nebel der Wünsche ist. Wenn starkes Wünschen irgendwelcher Art die umfassendere geistige Schau auslöscht und den Menschen auf seinen winzigen Wunschbereich einengt, innerhalb dessen er sein Bedürfnis nach Hingabe befriedigt, dann wirkt solches Wünschen ebenso hemmend, wie irgend eine der anderen Verblendungsformen, ja es ist sogar gefährlicher, weil der daraus entstehende Nebel eine so schöne Färbung annimmt. Der Mensch verliert sich dann im Hochgefühl seines eigenen Nebels, der von seinem Astralkörper ausgeht und sich aus Gefühlsmalereien zusammensetzt, mit denen er eigenes Wünschen und die Hingabe an selbsterwählte Ziele ausschmückt.

Dieses Gefühl der Hingabe kann bei allen wahren Aspiranten wegen der erhöhten Wirkungskraft ihrer Schwingungen besondere Schwierigkeiten verursachen und zu längerer Versklavung führen. Ein Beispiel hierfür ist das Gefühl der Hingabe, mit denen Probejünger in verblendeter Überschwenglichkeit die Meister der Weisheit überschütten. Die Namen der Mitglieder der Hierarchie, Ihr Werk sowie das Werk der Eingeweihten und der disziplinierten Jünger (diese Bezeichnung ist beachtlich) werden mit schillerndem Blendwerk umwoben, das sie daran verhindert, den Jünger je zu erreichen oder das umgekehrt den Jünger von Ihnen fernhält. Es ist nicht möglich, die dichte Verblendung der Hingabe zu durchdringen, deren dynamische, begeisterte Lebensschwingungen von der konzentrierten Energie eines Jüngers ausgesendet werden, der immer noch durch sein Sonnengeflechts-Zentrum fungiert.

Gegen diese Verblendung gibt es einige uralte Regeln: Fühlungnahme mit dem grösseren Selbst durch Vermittlung des höheren Selbstes, wodurch man das kleine Selbst, seine Reaktionen, Wünsche und Absichten aus dem Auge verliert. Oder: Man lässt reine Seelenliebe, die in keiner Weise personifiziert ist und keinerlei Anerkennung sucht, in die Verblendungswelt hineinströmen, die den Betreffenden umgibt und die Nebel seiner Hingabe (auf die er [79] stolz ist) werden sich zerteilen.

Auf dem Probepfad kommt es zum bewusst verspürten Hin- und Herschwanken zwischen den Gegensatzpaaren, bis der auftauchende Mittelweg sichtbar wird. Dieser Prozess führt zur Verblendung der Gegensatzpaare, die ihrem Wesen nach einem dichten Nebel gleicht, der manchmal mit Freude und Seligkeit, manchmal mit Trübsinn und Niedergeschlagenheit gefärbt ist, während der Jünger zwischen den Gegenpolen hin- und herschwankt. Dieser Zustand hält nur solange an, wie das Gefühl tonangebend bleibt - ein Gefühl, das die ganze Tonleiter durchläuft zwischen mächtiger Freudigkeit, während der Mensch sich mit dem Gegenstand seiner Hingabe oder seines Strebens zu identifizieren sucht und schwärzester Verzweiflung und einem Gefühl des Unvermögens, wenn der Versuch misslingt. All das ist jedoch seinem Wesen nach astral und seiner Qualität nach nur eine Sinnesempfindung, hat also mit der Seele nichts zu tun. Aspiranten bleiben viele Jahre lang und oft für viele Inkarnationen im Gefängnis dieser Verblendung. Wenn der Jünger sich aus der Gefühlswelt loslöst und sich in der Welt des erleuchteten Denkens polarisiert, wird er diese Verblendung, die ein Teil der grossen Irrlehre vom Getrenntsein ist, zerstreuen. Sobald jemand sein Leben in Dreiheiten absondert (was unvermeidlich ist, solange er sich mit den Gegensatzpaaren abgibt und sich mit einem davon identifiziert), unterliegt er der Trennungs-Verblendung. Vielleicht wird dieser Gesichtspunkt helfen, vielleicht bleibt er ein Geheimnis, denn der Schlüssel zur Weltverblendung liegt in dem Gedanken verborgen, dass diese dreifache Absonderung das Schöpfungsgeheimnis verhüllt. Gott selbst rief die Gegensatzpaare - Geist und Materie - hervor und schuf auch den Mittelweg, nämlich den Bewusstseins- oder Seelenaspekt. Dieser Gedanke sollte tief durchdacht werden.

Diese Dreiheit der Gegensatzpaare und des engen Weges, des edlen Mittelweges, der zwischen ihnen die Schwebe hält, ist das astrale Spiegelbild der Tätigkeit von Geist, Seele und Körper, oder [80] Leben, Bewusstsein und Form, der drei Aspekte der Gottnatur die alle gleichermassen göttlich sind.

Wenn der Aspirant sich von den genannten Verblendungen freizumachen lernt, entdeckt er eine weitere Welt von Dunst und Nebel, durch die der Pfad zu führen scheint und die er durchdringen muss, um sich von den Verblendungen des Pfades zu befreien. Worin bestehen diese Verblendungen, liebe Brüder? Studiert die drei Versuchungen Jesu, wenn ihr darüber Klarheit gewinnen möchtet. Untersucht auch die Wirkung, welche die bejahenden Glaubensrichtungen, die eine (materiell angewandte) Gottnatur betonen, auf die Welt der Gedanken ausüben; untersucht die Fehlschläge von Jüngern durch Stolz, Messiaskomplexe, Dienstkomplexe und all die verschiedenen Verdrehungen der Wirklichkeit, die ein Mensch auf dem Pfad antrifft, die seinen Fortschritt behindern und den Dienst verderben, den er anderen leisten sollte. Man muss im eigenen Denken die Unmittelbarkeit des Seelenlebens betonen und sie nicht verderben durch die Verblendung hoher, aber eigennützig ausgelegter Ziele; das Bestreben, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, Selbstopferung, angriffslustige Selbstbehauptung oder persönliches Geltungsbedürfnis im geistigen Wirken - das sind einige der Verblendungen des Pfades.

Nunmehr wollen wir die Verblendung auf der ätherischen Ebene und den Hüter der Schwelle betrachten und damit den kurzen Umriss unseres Problems beenden, wofür der erste Teil dieser Abhandlung bestimmt war.

Ehe ich darauf im einzelnen eingehe, möchte ich zu unserer vorherigen Betrachtung des Verblendungsproblems etwas hinzufügen. In unserer letzten Instruktion ging ich etwas näher auf die verschiedenen Arten von Verblendung ein und betonte dabei deren grosse Bedeutung im Leben des Einzelnen. Das Kampfgebiet (für den Menschen, der sich der akzeptierten Jüngerschaft nähert oder der sich im akademischen Sinn auf dem Pfad der Jüngerschaft befindet) ist in der Hauptsache das der Verblendung. Das ist das [81] Hauptproblem und seine Lösung ist eine unmittelbare und dringende Aufgabe für alle Jünger und älteren Aspiranten. Daraus erklärt sich, warum im Arischen Zeitalter die Notwendigkeit betont worden ist, Raja Yoga zu studieren und sich seiner Disziplin zu unterwerfen. Nur durch Raja Yoga kann ein Mensch stetig im Licht verharren und nur durch Erleuchtung und durch Erlangung einer klaren Vision können die Nebel und Ansteckungsstoffe der Verblendung schliesslich zerstreut werden. Nur wenn der Jünger lernt, sein Denken «stetig im Licht» festzuhalten und nur wenn die Strahlen reinen Lichtes von der Seele her ausströmen, kann Verblendung entdeckt, unterschieden und ihrem Wesen nach erkannt und dadurch zum Verschwinden gebracht werden, gleichwie die Nebel der Erde sich in den Strahlen der aufgehenden Sonne auflösen. Deshalb möchte ich empfehlen, der Meditation angemessenere Aufmerksamkeit zu widmen, die Fähigkeit zum Nachdenken zu pflegen und während des ganzen Tages eine besinnliche Geisteshaltung zu bewahren.

Es wird sich als wirklich wertvoll herausstellen, tief darüber nachzusinnen, weshalb die Intuition gepflegt und ein erleuchtetes Denken entwickelt werden muss; und dabei sollte man sich fragen, ob diese Beweggründe ihrem Ziel nach identisch sind und ob sie zeitlich zusammenfallen. Dann dürfte man feststellen, dass ihre Ziele sich unterscheiden und dass die Wirkungen ihrer klar erkennbaren Entfaltung auf die Persönlichkeit ebenfalls verschieden sind. Verblendung wird nicht durch Intuition zerstreut und ebensowenig wird Illusion durch erleuchtetes Denken überwunden.

Die Intuition ist eine höhere Fähigkeit als das Denken; sie ist eine Fähigkeit, die in der Geistigen Triade schlummert; sie ist die Fähigkeit der reinen Vernunft, ein Ausdruck des buddhischen Prinzips, jenseits der Welt des Egos und der Form. Nur wer ein Eingeweihter ist, kann wahre Intuition normalerweise ausüben. Damit will ich sagen, dass die Intuition dann ebenso leicht in Funktion treten kann wie das Denkprinzip in einem wirklich intelligenten Menschen. In Fällen äusserster Not oder dringenden Bedarfs macht sich die Intuition jedoch schon viel früher bemerkbar.

Die Erleuchtung [82] ist es, was die meisten Aspiranten, wie die Mitglieder meiner Schülergruppe, anstreben müssen; sie müssen die Fähigkeit ausbilden, ihr Denken als Reflektor des Seelenlichtes zu gebrauchen, den sie auf die Bereiche der Verblendung einstellen, um sie damit zu zerstreuen. Die Schwierigkeit, liebe Brüder, liegt darin, dies inmitten der Nöte und Täuschungen der Verblendung zu tun. Das bedingt, dass man sein Denken und Wünschen still aus der Welt zurückzieht, in der die Persönlichkeit zu wirken gewohnt ist und dass man das Bewusstsein in die Welt der Seele verlegt, um dort schweigend und geduldig das Kommende abzuwarten in der Gewissheit, dass das Licht erscheinen und die Erleuchtung mit der Zeit stattfinden wird.

Tiefes Misstrauen gegenüber den eigenen Reaktionen auf Leben und Umstände ist dann wertvoll, wenn diese Reaktionen Kritiksucht, Absonderungstendenz oder Stolz erregen. Die hier aufgezählten Eigenschaften sind ganz bestimmt Brutstätten der Verblendung. Sie sind im okkulten Sinne die «Verblendungsmerkmale». Darüber sollte man nachdenken. Wenn jemand sich von diesen Eigenschaften frei machen kann, ist er nahe daran, alle Verblendung abzustreifen und zu zerstreuen. Ich wähle meine Worte mit Sorgfalt, um des Lesers Aufmerksamkeit zu fesseln.

Illusion wird durch bewusste Anwendung der Intuition zerstreut, abgewiesen und verworfen. Der Eingeweihte isoliert sich von der Welt der Illusion, von illusorischen Formen und von Anziehungsgelüsten persönlicher Art; durch diese Isolierung kommt er mit der Wirklichkeit aller Formen in Berührung, die bislang hinter dem Schleier der Illusion versteckt lag. Dies ist einer der Widersprüche des Pfades. Absonderung und Isolierung, von der richtigen Art und Weise, führen zu richtigen Beziehungen und zu korrekten Kontakten mit dem Wirklichen. Sie führen am Ende zur Einswerdung mit der Wirklichkeit durch Absonderung gegenüber dem Unwirklichen. Diese Idee ist es, die den Lehren des letzten [83] Buches der Yoga Sutras des Patanjali zugrunde liegt. Diese Lehren sind oft missverstanden worden; ihr Sinn und ihre Absicht wurde aus separatistischen und egoistischen Motiven verzerrt und zum Vorwand für eine Isolierung irriger Art genommen.

Die Seele selbst ist es, welche die Illusion durch die Kraft der Intuition verscheucht. Erleuchtetes Denken dagegen zerstreut die Verblendung.

Hier möchte ich darauf hinweisen, dass viele wohlmeinende Aspiranten an dieser Stelle versagen, weil sie zwei Irrtümer begehen.

1. Sie beachten nicht den Unterschied zwischen Illusion und Verblendung.

2. Sie versuchen, Verblendung auf eine Weise zu zerstreuen, die sie für die richtige halten, nämlich dadurch, dass sie die Seele anrufen, während sie es in Wirklichkeit nötig haben, ihr Denkvermögen in der richtigen Weise anzuwenden.