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Brief 11 - Das resultierende Leben des Dienstes

Brief 11

Das resultierende Leben des Dienstes

1. Motive des Dienens.

2. Methoden des Dienens.

3. Die geistige Haltung nach geleistetem Dienst.

[342]

Brief 11

Das resultierende Leben des Dienstes

16. September 1920

Zum Abschluss [343] dieser Briefserie möchte ich heute etwas bringen, was von allgemeinem Nutzen ist. Ich möchte etwas über den Dienst sagen und wie er am besten zu leisten ist. Was ich in diesem Zusammenhang bringe, könnte von wesentlichem Nutzen sein. Man darf nie vergessen, dass materieller Gewinn durch Kenntnisse dem einzelnen nur Stillstand, Hemmung, Beschwerden und Schmerz verursacht, wenn er ihn nicht mit klugem und gesundem Urteil weitergibt. Wenn die vom menschlichen Körper aufgenommene Nahrung nicht verdaut und über das System verbreitet wird, verursacht sie die gleichen Zustände. Die Analogie trifft durchaus zu. Erhebliche Belehrung wird heute vielen Menschen zuteil, aber sie ist für den Gebrauch einer bedürftigen Welt und nicht bloss für den eigenen Vorteil bestimmt.

Beim Dienen sind drei Dinge von Bedeutung:

1. Das Motiv.

2. Die Methode.

3. Die geistige Haltung nachher.

Mit falschen Motiven und Methoden gebe ich mich nicht ab. Sie sind dem Leser bekannt. Ich zeige auf die richtigen hin, und wer sein Leben als Diener meinen Weisungen anpasst, wird den richtigen Weg finden und der Inspiration teilhaftig werden. Ein Leben des Dienens steht heute vielen offen; jeder sollte zusehen, dass es den richtigen Anfang nimmt. Was richtig begonnen wurde, wird auch im weiteren Verlauf richtig bleiben und das Bestreben wesentlich erleichtern. Erfolgt in solchem Fall ein Fehlschlag, so bedarf es nur der Wiederaufnahme des richtigen Kurses. Beruht ein Fehlschlag auf anfänglich falschem Einsatz (was ihn unvermeidlich macht), so ist eine Erneuerung der inneren Triebfedern vonnöten.

1. Motive des Dienens.

Diese Beweggründe [344] sind dreifacher Art, und zwar in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit:

a. Ein Erkennen des göttlichen Evolutionsplans, ein Sinn für die erschreckende Not der Welt, ein Begreifen dessen, was gerade jetzt in der Welt errungen werden soll und ein dementsprechender Einsatz aller eigenen Mittel zur Förderung dieses Ziels.

b. Eine bestimmte persönliche Zielsetzung, irgendein grosses Ideal - wie Heiligkeit des Charakters - welches die Seele zum Einsatz all ihrer Kraft veranlasst; oder eine Erkenntnis der tatsächlichen Existenz der Meister der Weisheit, verbunden mit einer starken inneren Entschlossenheit, sie zu lieben, ihnen zu dienen und sie um jeden Preis zu erreichen. Wer auf diese Weise Gottes Plan verstandesmässig erfasst und damit den dringenden Wunsch verbindet, den Grossen zu dienen, der wird bei seiner Tätigkeit auf der physischen Ebene Wege finden, diesen Plan auszuarbeiten.

c. Weiter ein Erkennen der angeborenen oder erworbenen Fähigkeiten und deren Anpassung an das erkannte Erfordernis. Man kann auf vielerlei Art dienen, und wer es mit klugem Verständnis tut, wer sein besonderes Dienstgebiet zu finden sucht und, wenn er es gefunden hat, freudig sein Bestes zum Wohl des Ganzen einsetzt, der macht in seiner eigenen Entwicklung stetigen Fortschritt. Dessenungeachtet bleibt das Ziel des persönlichen Fortschritts Nebensache.

2. Methoden des Dienens.

Sie sind zahlreich und verschiedener Art. Ich kann nur diejenigen andeuten, die von hauptsächlicher Bedeutung sind.

Wie schon oft betont, ist da vor allem die Fähigkeit eines kritischen Unterscheidungsvermögen. Wer sich einbildet, alles anpacken zu können, wer sich nichts entgehen lässt, was ihm gerade über den Weg läuft, wer sich wild in Situationen stürzt, die Klügere [345] vermeiden, wer seinem Dienstproblem Eifer, aber keinen Verstand entgegenbringt - der verschwendet bloss Kraft; seine Betätigung ist oft verderblich, er vergeudet die Zeit klügerer und grösserer Mitmenschen, weil diese seine wohlgemeinten Irrtümer einrenken müssen, und er nützt niemandem; er dient nur seinen eigenen Wünschen. Der Lohn guter Absichten mag ihm zuteil werden, wird aber oft durch die Folgen seines unklugen Handelns aufgewogen. Wer weise im Rahmen des Ganzen seinen angemessenen Platz erkennt sei er gross oder klein, wer nüchtern seine mentale und intellektuelle Fähigkeit, seine Gefühlswerte und physischen Aktiva ausrechnet und dann all das einsetzt, um seinen Platz auszufüllen, der dient mit dem nötigen Unterscheidungsvermögen.

Kritisches Unterscheidungsvermögen im Dienst beweist derjenige, der mit Hilfe seines höheren Selbst und des Meisters das Wesen und das Ausmass des zu lösenden Problems beurteilt und sich dabei nicht von wohlgemeinten aber oft irrigen Anregungen, Vorschlägen und Forderungen seiner Dienstgenossen leiten lässt.

Kritisches Unterscheidungsvermögen im Dienst beweist derjenige, der bei seinem Handeln einen praktischen Sinn für Zeit hat und sich darüber klar ist, dass jeder Tag nur vierundzwanzig Stunden zählt, dass er gerade nur so viel und nicht mehr an eigener Kraft verausgaben kann - der also seine Leistungskraft mit der verfügbaren Zeit weise in Einklang bringt.

Danach kommt verständige Kontrolle über den physischen Träger. Ein guter Diener macht dem Meister keine Sorgen wegen physischer Gründe; man darf sich darauf verlassen, dass er mit seiner physischen Kraft so vorsichtig und sparsam umzugehen weiss, dass er jederzeit für die Anforderung des Meisters verfügbar ist. Er versagt nicht wegen physischer Untauglichkeit. Er sorgt dafür, dass sein niederer Träger genügend Ruhe und angemessenen Schlaf hat. Er steht früh auf und zieht sich zu geziemender Stunde zurück. Er gönnt sich Entspannung, so oft das möglich ist; er nimmt gesunde und hinreichende Nahrung zu sich und vermeidet jedes Übermass. Ein wenig gut ausgesuchte und gut gekaute Nahrung ist viel besser als eine schwere Mahlzeit. Die menschliche Rasse isst heute in der [346] Regel viermal soviel als notwendig. Ein guter Diener hört zu arbeiten auf, wenn (durch Unfall oder erneutes Auftreten ererbter physischer Mängel) sein Körper sich gegen die Tätigkeit aufbäumt und Pflege verlangt. Dann sucht er Ruhe, Schlaf, diätetische Vorsichtsmassregeln und, wenn nötig, ärztliche Behandlung. Er folgt allen vernünftigen Weisungen und lässt sich Zeit zur Erholung.

Der nächste Schritt liegt in stetiger Betreuung und Kontrolle des Gefühlskörpers. Wie allgemein bekannt, ist er der Körper, der von allen am schwierigsten zu behandeln ist. Keine übermässige Gefühlswallung ist erlaubt, nur starken Strömungen von Liebe zu allem was atmet darf Durchgang gewährt werden. Liebe, als das Gesetz des Sonnensystems, ist konstruktiv und ausgleichend, da sie alles in Harmonie mit dem Gesetz bringt. Angst, Kummer und Besorgnis erschüttern nicht den Gefühlskörper dessen, der allen dienen will. Er kultiviert Gelassenheit, Gleichmut und ein Gefühl sicheren Vertrauens in Gottes Gesetz. Freudige Zuversicht ist ihm zur Gewohnheit geworden. Er hegt keine Eifersucht, keine grauumwölkte Niedergeschlagenheit und keine Habgier oder Selbstbemitleidung, sondern schreitet ruhig auf seinem Weg fort, da er weiss, dass alle Menschen Brüder sind und dass alles Bestehende allen gehört.

Dann folgt die Entfaltung seines mentalen Trägers. Bei der Beherrschung seines Gefühlskörpers geht der Diener darauf aus, zu eliminieren (wegzuschaffen). Er bemüht sich, den Gefühlskörper so zu schulen, dass er jede Eigenfärbung verliert, ruhig vibriert, klar und weiss ist und durchsichtig wie ein Teich an einem stillen Sommertag. Wenn er dagegen seinen Mentalkörper zum Dienen ausrüstet, dann erstrebt er das Gegenteil von Ausscheidung; er ist vielmehr bestrebt, ihm Kenntnisse einzuverleiben, ihm Wissen und Tatsachen zuzuführen, ihn intellektuell und wissenschaftlich auszubilden, damit er sich im Lauf der Zeit als sichere Grundlage für die göttliche Weisheit erweisen kann. (347) Weisheit tritt an Stelle von Wissen, braucht Wissen aber als Vorstufe. Man darf nicht vergessen, dass der Diener durch die Halle des Lernens hindurch muss, ehe er in die Halle der Weisheit eintritt. Bei der Ausbildung seines Mentalkörpers trachtet er deshalb danach, sich methodisches Wissen anzueignen, etwa vorhandene Lücken auszufüllen, angeborene Denkfähigkeit «heranzuholen», die er in früheren nkarnationen erarbeitete und schliesslich das niedere Denken so ins Gleichgewicht zu bringen, dass das höhere die Oberhand gewinnen und die schöpferische Denkkraft durch die Stille hindurchdringen kann. Aus dem Schweigen des Absoluten wurde der Plan für das Universum hervorgebracht. Aus dem Dunkel ging Licht hervor, aus dem Subjektiven erwuchs das Objektive. Die neutrale Stille des Gefühlskörpers macht ihn empfänglich für die Beeindruckung von oben her. Die positive Stille des Mentalkörpers führt zur höheren Inspiration.

Ein jeder, der die Menschheit liebt und bestrebt war, seine Persönlichkeit in deren drei Bereichen zu beherrschen und klug einzusetzen, trachtet nach vollendetem Geschick im Handeln. Keine grossartigen Träume von Märtyrertum, keine glorreichen und doch nur vergänglichen Hirngespinste von aufsehenerregendem Dienen fesseln seine Aufmerksamkeit, sondern der augenblickliche Einsatz all seiner Kraft für die nächste Pflicht, das ist der Grundsatz seines Bestrebens. Er weiss, dass Vollendung im Vordergrund seines Lebens und in den Einzelheiten der Tagesarbeit auch in seinem Hintergrund zur Genauigkeit und zu einem Gesamtbild von seltener Schönheit führen wird. Das Leben schreitet mit kleinen Schritten voran, aber jeder Schritt zur rechten Zeit und jeder klug ausgenutzte Augenblick ergeben eine beträchtliche Gesamtstrecke und ein wohlangewandtes Leben. Die Lenker der menschlichen Familie prüfen alle Dienstanwärter in den kleinen Einzelheiten des Alltagslebens, und wer im scheinbar Unwesentlichen treu gehandelt hat, wird einem Wirkungskreis von grösserer Wichtigkeit zugeführt. Wie könnten sich die Grossen im Fall der Not oder in einer Krise auf jemanden verlassen, der in seiner Alltagsarbeit unordentlich und töricht ist?

Eine weitere Methode des Dienens liegt in der Anpassungsfähigkeit. Dazu gehört, dass man zurückzutreten bereit ist, wenn andere [348] und bedeutendere Menschen zum Ausfüllen der Lücke bestimmt werden, die man selber einnimmt; oder (umgekehrt) dass man seine augenblickliche Tätigkeit aufgeben kann, um wichtigere Aufgaben zu übernehmen, wenn ein nicht so sachkundiger Mitarbeiter diese Tätigkeit ebenso leisten kann. Es ist ein Gebot der Weisheit für alle Dienenden, sich weder zu hoch noch zu gering einzuschätzen. Ein Untüchtiger leistet schlechte Arbeit, weil er seinen Posten nicht ausfüllen kann; aber ebenso bedeutet es Zeit- und Kraftverlust, wenn geschulte Arbeiter Posten einnehmen, in denen ihr Können keinen vollen Spielraum hat, während weniger geschulte Männer und Frauen sie ebensogut ausfüllen könnten. Alle die da dienen sollten daher bereit sein, auch ein Leben lang in unbedeutender und scheinbar unwichtiger Stellung zu verbleiben denn das mag schicksalsgemäss der Platz sein, an dem sie am besten dienen können; sie sollten aber gleicherweise bereit sein, ein Arbeitsgebiet zu übernehmen, das offensichtlich von grösserem Wert ist, wenn des Meisters Weisung dazu ergeht und wenn die Umstände - und nicht des Dieners Vorhaben - darauf hindeuten, dass die Zeit gekommen ist. Dieser letzte Satz sollte durchdacht werden.

3. Die Haltung nach geleistetem Dienst.

Worin sollte diese Haltung bestehen? In äusserster Leidenschaftslosigkeit, in gänzlichem Vergessen des eigenen Selbst und in vollständiger Hingabe an die nächste Aufgabe. Derjenige ist ein vollendeter Diener, der alle seine Fähigkeiten für das einsetzt, was er für des Meisters Willen hält und für das Werk, das er als Mitarbeiter an Gottes Plan zu leisten hat. Dann, wenn er seinen Ziel beigetragen hat, kehrt er zu seiner Tagesarbeit zurück und kümmert sich nicht um den Erfolg seines Handelns. Er weiss, dass weisere Augen als die seinen das Ende von Anfang an erschauen; dass eine Einsicht, die tiefer und liebevoller ist als seine, die Frucht seines Dienens abwägt; und dass eine Urteilskraft, die tiefgründiger ist als die eigene, die Kraft und Reichweite der von ihm ausgehenden Schwingungen ermisst und jene Kraft dem Motiv entsprechend abändert. Er ist nicht stolz auf seine Leistungen, und ebensowenig leidet er unter ungebührlicher Verzagtheit über Leistungsmängel.

Er tut jederzeit [349] sein Bestes und vergeudet keine Zeit mit rückschauender Betrachtung, sondern drängt unbeirrt vorwärts zur Erfüllung seiner nächsten Pflicht. Ein Nachbrüten über vergangene Taten und eine Rückschau auf alte Errungenschaften liegt im Wesen der Involution; der Diener trachtet, mit dem Gesetz der Evolution zusammenzuarbeiten. Das zu vermerken ist wichtig. Der weise Diener kümmert sich nach getaner Tat nicht darum, was seine Dienstgefährten sagen, sofern seine Vorgesetzten (entweder inkarnierte Männer und Frauen oder die Grossen selbst) zufrieden sind oder schweigen; er macht sich nichts daraus, wenn das Resultat seinen Erwartungen nicht entspricht, vorausgesetzt dass er getreulich sein Bestes getan hat; er macht sich nichts daraus, wenn er mit Vorwürfen und Tadel angegriffen wird, sofern sein inneres Selbst ruhig bleibt und keine Anklage erhebt; er macht sich nichts aus dem Verlust von Freunden, Verwandten, Kindern, von früherer Beliebtheit und der Zustimmung nahestehender Menschen, solange das Gefühl seines inneren Kontaktes mit denen unberührt bleibt, die lenken und leiten; er macht sich nichts daraus, wenn er anscheinend im Dunkeln schaffen muss und kaum irgendeinen Erfolg seines Bemühens bemerkt, solange das innere Licht zunimmt und sein Gewissen ihm nichts vorwirft.

Das Motiv lässt sich zusammenfassend in diesen wenigen Worten ausdrücken:

Das Opfer des persönlichen Selbst zum Wohl des Einen Selbst.

Die Methode lässt sich ebenfalls kurz fassen: weise Kontrolle der Persönlichkeit und kritisches Unterscheidungsvermögen in bezug auf die Arbeit und die darauf verwandte Zeit.

Die daraus resultierende Haltung besteht in vollkommener Leidenschaftslosigkeit und wachsender Liebe des Unsichtbaren und des Wirklichen.

All dies wird durch stetige Übung okkulter Meditation vollbracht.