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DRITTER ABSCHNITT - KRÄFTE HINTER DEM EVOLUTIONÄREN FORTSCHRITT DER MENSCHHEIT - TEIL 4

a. Die Achsenmächte müssen die Lehre des Buddha, wie er sie in den vier edlen Wahrheiten verkündete, klar erfassen; sie müssen erkennen, dass die Ursache aller Sorgen und Leiden das Verlangen ist, die Gier nach materiellen Dingen.

b. Die Alliierten müssen lernen, das Gesetz der Liebe anzuwenden, wie es im Leben Christi zum Ausdruck kam; sie müssen die Wahrheit dokumentieren, dass «kein Mensch (und ebenso keine Nation) für sich allein lebt» [359] und dass das Ziel aller menschlichen Anstrengungen liebevolles Verstehen ist. Es wird notwendig sein, einen Generalstabsplan der Liebe für die Gesamtheit zu entwerfen.

Wenn die Lebensimpulse und Lehren dieser beiden grossen Avatars verstanden und erneut bezeugt würden im Leben und Denken der heutigen Menschen, im Weltgeschehen und im Alltag, dann könnte die derzeitige Weltordnung (eigentlich Unordnung) so umgestaltet und geändert werden, dass allmählich eine neue Welt und eine neue Menschheit entstünden. Verzicht und Opferwille sollten das Leitmotiv der unmittelbaren Nachkriegsperiode sein, ehe das Neue Zeitalter anbricht.

Studierende sollten beachten, dass alle Manifestationen und jeder kritische Zeitpunkt symbolisch durch den Punkt im Kreis dargestellt werden, durch ein Machtzentrum innerhalb einer Einflusssphäre. So ist es heute mit dem gesamten Problem, die Weltverblendung und Weltillusion zu beenden, die grundsätzlich die Ursache der heutigen Weltkatastrophe sind. Die Möglichkeit, diese Verblendung zu zerstreuen, besteht zweifellos bei den beiden grossen Avatars Buddha und Christus.

In der Welt der Verblendung (in der Welt der Astralebene und der Gefühle) erschien ein Lichtpunkt. Der Herr des Lichts, Buddha, unternahm es, in sich die Erleuchtung zu zentralisieren, die schliesslich die Zerstreuung der Verblendung ermöglichen würde. In der Welt der Illusion (im Denkbereich) erschien Christus, der Herr der Liebe, der in sich die Macht des anziehenden göttlichen Willens verkörperte. Er unternahm es, die Illusion dadurch zu vertreiben, dass er (durch die Macht der Liebe) die Herzen aller Menschen zu sich heranzog, und er bekräftigte diese Entschlossenheit mit den Worten: «Und ich, wenn ich erhöhet werde von der Erde, will ich sie alle zu mir ziehen.» (Joh. 12, 32) Sobald die Menschen diese Stufe erreicht haben, wird sich ihnen die Welt geistiger Wahrnehmung, die Welt der Wahrheit und der göttlichen Ideen auftun. Und die Illusion wird verschwinden.[360] Das vereinte Wirken dieser beiden grossen Gottessöhne, das sich in den Weltjüngern und ihren Eingeweihten konzentriert, muss und wird unweigerlich die Illusion zerstören und die Verblendung vertreiben: die eine durch das intuitive Erkennen der Wirklichkeit (seitens der darauf eingestellten Denker), die andere durch das einströmende Licht der Vernunft. Buddha machte den ersten planetarischen Versuch, die Weltverblendung zu zerstreuen; Christus bemühte sich als erster, die Weltillusion zu vertreiben. Die Menschheit, die weise genug ist, um ihr Dharma - zu erkennen, muss nun das Werk dieser beiden Avatars fortsetzen. Die Menschen befreien sich jetzt immer mehr von ihren Wahnvorstellungen und fangen daher an, immer klarer zu sehen. Auch die Weltverblendung nimmt langsam, aber unaufhaltsam ab. Diese beiden Entwicklungen kamen durch neuhereingekommene Ideen zustande, die von Intuitiven erfasst und von den Denkern der Weltöffentlichkeit dargestellt wurden. Auch der Umstand trug viel dazu bei, dass die grosse Masse die wahre Bedeutung dieser vier edlen Wahrheiten zwar fast unbewusst, aber dennoch tatsächlich erkannt hat. Enttäuscht und ernüchtert erwartet die Menschheit die kommende Offenbarung, die durch die vereinten Bemühungen des Buddha und des Christus erfolgen wird. Hinsichtlich dieser Offenbarung kann man höchstens nur das voraussehen oder voraussagen, dass sich durch die Vereinigung von Licht und Liebe und durch die Reaktion «erleuchteter Substanz auf die Anziehungskraft der Liebe» äusserst wirksame und weitreichende Folgen einstellen werden. Damit habe ich denen, die ein genügendes Verständnis besitzen, einen bedeutsamen und nützlichen Wink dafür gegeben, welche Methoden am Juni-Vollmond 1942 angewandt und welche Ziele erstrebt werden. Ich habe auch einen Schlüssel zum richtigen Verstehen des Werkes dieser Avatars gegeben, das bisher gar nicht richtig erkannt wurde. Wer den Sinn der Worte «Verklärung eines Menschen» erfasst, wird auch die Wahrheit erkennen, dass «wenn der Körper von Licht erfüllt ist» wir dann «in diesem Licht das grössere Licht sehen werden».. Das heisst: Wenn die Persönlichkeit einen bestimmten Grad der Reinheit, des hingebungsvollen Dienstes und der Erleuchtung erreicht hat, kann die Anziehungskraft der Seele (deren Wesen Liebe und Verstehen sind) wirksam werden; dann kommt es zur Vereinigung oder Verschmelzung von [361] Seele und Persönlichkeit. Das war das, was Christus bezeugt und bewiesen hat.

Wenn in der integrierten Persönlichkeit des strebenden Jüngers das Werk des Buddha (oder des verkörperten buddhischen Prinzips) vollbracht ist, kann auch das Wirken Christi (das verkörperte Prinzip der Liebe) voll zum Ausdruck kommen; dann werden beide Wirkkräfte - Licht und Liebe - im verklärten Jünger ihren strahlenden Ausdruck finden. Was für den einzelnen gilt, trifft auch für die Gesamtmenschheit zu. Da die Menschheit die Reife erlangt hat, kann sie «zur Erkenntnis kommen» und sich an dem Werk der Aufklärung beteiligen und sich geistig und liebevoll betätigen. Für das Alltagsleben wird sich das so auswirken, dass die Verblendung abnehmen und der menschliche Geist von der Knechtschaft der Materie frei werden wird; die Illusion wird zerstört, die Wahrheit dagegen so erkannt werden, wie sie im Bewusstsein derer besteht, die im «Gewahrsein Christi» verwurzelt sind.

Diese Entwicklung verläuft naturgemäss nur langsam, aber geordnet und systematisch; sie wird verhältnismässig langsam in Gang kommen und nur zögernd Fortschritte machen, aber der Enderfolg ist sicher. Eingeleitet wurde diese Entwicklung auf der Astralebene von Buddha, und auf der Mentalebene von Christus, als er auf Erden weilte. Das war ein Anzeichen dafür, dass die Menschheit allmählich zur Reife kam. Diese Entwicklung wurde dadurch verstärkt, dass diese beiden grossen Avatars im Lauf der beiden letzten Jahrtausende Jünger und Eingeweihte um sich scharten. Und sie erreichte einen Höhepunkt, als die Verbindung zwischen Shamballa und der Hierarchie geschaffen und erweitert wurde und als sich der Kontakt zwischen diesen beiden grossen Zentren und der Menschheit festigte.

Am Juni-Vollmondtag 1942 wird die direkte Verbindung zwischen drei Zentren zum erstenmal erprobt werden, nämlich zwischen Shamballa, der Hierarchie und der erwartungsvollen Menschheit. Für diesen Test werden die vereinten Anstrengungen Christi, Buddhas und all derer eingesetzt, die auf den gemeinsamen Einfluss [362] dieser beiden Avatars reagieren können. Dieser Versuch muss gerade in der Zeit gemacht werden, da die Mächte des Bösen die heftigsten Angriffe unternehmen; er wird sich über zwei Wochen erstrecken, nämlich vom 30. Mai (Vollmondtag) bis zum 15. Juni 1942. Während dieser Zeit werden sich die geistigen Kräfte stärkstens konzentrieren und eine besondere Invokation benützen, von der die Menschheit selbst keinen Gebrauch machen darf; aber der Erfolg oder Misserfolg dieses Versuchs hängt letzten Endes von der Menschheit ab.

Ihr mögt (irrtümlicherweise) das Gefühl haben, dass nicht genügend Leute wissen oder verstehen, welcher Art diese günstige Gelegenheit ist oder was da vor sich geht. Aber der Erfolg eines solchen Versuches hängt nicht vom esoterischen Wissen einiger Leute ab, die von diesen Tatsachen teilweise Kenntnis erhielten. Er beruht auch auf der inneren Einstellung der vielen Menschen, die unbewusst auf die geistigen Wirklichkeiten hinarbeiten, die für alle eine neue und bessere Lebensweise anstreben, die das Wohl der Gesamtheit wünschen und sich danach sehnen, unter den Menschen wahre Güte, rechte gegenseitige Beziehungen und geistigen Unternehmungsgeist zu erleben. Solche Menschen gibt es sehr viele und in jeder Nation.

Wenn der Wille Gottes, der sich in Shamballa manifestiert und in Buddha konzentriert, wenn die Liebe Gottes, die sich in der Hierarchie manifestiert und in Christus konzentriert, und wenn auch noch das intelligente Verlangen der Menschheit, das durch die Weltjünger, die Weltaspiranten und die Menschen guten Willens intensiv zum Ausdruck kommt, alle miteinander übereinstimmen, sei es bewusst oder unbewusst, dann kann und wird eine grosse Neuorientierung erfolgen. Ein solches Ereignis kann eintreten.

Die ersten Auswirkungen werden die Erhellung der Astralebene und der Anfang einer Entwicklung sein, welche die Verblendung zerstreuen wird. Sodann werden die Durchstrahlung der Mentalebene, die Zerstörung aller früheren Illusionen und die schrittweise Enthüllung der neuen Wahrheiten folgen, wofür die alten Ideale und sogenannten Wahrheitsformulierungen lediglich als Wegweiser dienten. Denkt darüber nach. Der Wegweiser zeigt uns nur den Weg, den [363] wir gehen sollen, aber nicht das Ziel; er ist nur ein Hinweis, aber kein Abschluss. So ist es mit allen bisherigen Wahrheiten.

Es werden daher Wissende benötigt, Leute mit hellem Kopf und offenem Herzen; es müssen Menschen sein, die frei sind von vorgefassten Meinungen, an denen fanatisch festgehalten wird, und frei von uralten Idealismen, die man nur als Hinweis auf einzelne Aspekte grosser, nicht verwirklichter Wahrheiten sehen muss. Diese Wahrheiten können zum erstenmal weitgehend verwirklicht werden, wenn die Lektionen der gegenwärtigen Situation in der Welt und der Katastrophe des Krieges richtig verstanden werden, und wenn der Wille, Opfer zu bringen, hinzukommt.

Ich habe dieses Beispiel für die praktische Anwendung der Lehre über Verblendung, Illusion und Maya deshalb gegeben, weil sich dieses Weltproblem jetzt zugespitzt hat und weil die Klärung dieses Problems das bedeutsamste Thema für jeden Fortschritt (auf erzieherischem, religiösem, und volkswirtschaftlichem Gebiet) bis zum Jahr 2025 bleiben wird.

In der heutigen Zeit, da die Menschheit die Offenbarung erwartet, welche die Gedanken, Träume und konstruktiven Ziele des Neuen Zeitalters verkörpert, geht das Verlangen zum erstenmal von einer grossen Gruppe von Menschen aus, die intuitiv eingestellt sind. Ich sagte nicht «Intuitive», meine Brüder. Diese Gruppe ist jetzt so gross, ihr Wollen ist so real und ihre Forderung so dringend, dass es ihr gelingen wird, das Verlangen der Massen darauf zu konzentrieren.

Daher wird jedwede, in naher Zukunft gegebene Offenbarung «vom Geist des Verstehens» besser geschützt sein als jede frühere. Das ist die Bedeutung der Worte im Neuen Testament: «Jedes Auge wird ihn sehen.» die Gesamtmenschheit wird den Offenbarer erkennen. In vergangenen Zeiten erfuhren nur wenige Leute vom Dasein eines göttlichen Sendboten, und nur wenige Menschen erkannten ihn; es brauchte Jahrzehnte und oft auch Jahrhunderte, bis seine Botschaft in die Herzen der Menschen drang.

Der Druck und die Spannung der Zeit, ein entwickelter Sinn für richtige Grössen- und Wertverhältnisse, und eine erzwungene Rückkehr zum einfachen Leben mögen die kommende Offenbarung davor bewahren, allzurasch im Feuer der Grossen Illusion unterzugehen.

Die Zeit zwischen Krieg und Frieden

August 1942

Viele Tausende, die [364] bisher meine Flugblätter und Artikel gelesen haben, dringen beharrlich darauf, ich möchte doch auch etwas über die kommende Rehabilitierung und darüber schreiben, wie man sich schon jetzt (bis zum Kriegsende) auf eine nützliche Betätigung in der Nachkriegszeit vorbereiten könnte.

Als der Krieg ausbrach, veröffentlichte ich den Artikel «Die jetzige Weltkrise». Ich versuchte darin, die Ursprünge des Konflikts und die Triebfedern zu skizzieren, welche diese Katastrophe ermöglicht haben. Später erschien der Artikel «Die kommende Weltordnung». Darin versuchte ich, der leidenden Welt ein materielles und geistiges Zukunftsbild aufzuzeigen, nach welchem die Herzen der Menschen schon lange verlangten. Ich habe mich also in diesen beiden Artikeln sowohl mit der Vergangenheit als auch mit der Zukunft befasst.

Mehr war damals nicht möglich, da die Nationen, die heutigen Alliierten, uneinig waren. Bei den damals neutralen Nationen mangelte es an Verständnis, denn sie waren nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Vor allem anderen aber war da die Tatsache, dass die entscheidenden Fragen von der Menschheit selbst geklärt werden mussten, und damals konnte man unmöglich genau voraussagen, was die Menschheit tun würde. Auch die erleuchtetsten Menschen und die geistigen Führer konnten nicht wissen, welche Richtung die Menschheit einschlagen würde, oder ob es genügend klar denkende Leute in der Welt geben würde, die imstande wären, die Massen zu einem wirksamen Widerstand gegen die Achsenmächte anzufeuern. Die Frage lautete: Werden die weltweite Angst und Selbstsucht dominieren? Oder werden der Geist der Freiheit und die Liebe zur Freiheit stark genug sein, um die freien Nationen zu einer unerschütterlichen Gemeinschaft zusammenzuschweissen?

Heute ist der Ausgang des Krieges klar, und das Ende unausbleiblich. Die freien Nationen und die besiegten und versklavten kleinen Nationen sind geistig und praktisch geeint und aufs äusserste entschlossen, den Krieg zu gewinnen. Das Schicksal der Achsenmächte ist daher unwiderruflich besiegelt, auch wenn sie [365] derzeit noch auf allen Fronten siegreich zu sein scheinen. Nur der Zeitpunkt des endgültigen Sieges des Rechts über die Macht ist ungewiss, weil die Angreifer ungeheure Vorbereitungen getroffen haben, die Demokratien aber nicht; aber die letzteren sorgen jetzt für eine rasche Abhilfe.

Mit diesem Artikel möchte ich die Probleme (und vielleicht auch einige Lösungen) andeuten, die in der Nachkriegszeit (bis zur Errichtung einer neuen Weltordnung) auftauchen werden. Man kann dieses Thema nur in grossen allgemeinen Zügen behandeln, denn es ist zu umfangreich, als dass man vernünftigerweise ins einzelne gehen könnte. Wir können indes überlegen, was wir sofort nach Beendigung des Krieges tun könnten und welche Massnahmen ergriffen werden sollten, um nach dem Krieg einen vernünftigen Wiederaufbau in die Wege zu leiten. Diese Periode der Rehabilitierung und des Wiederaufbaus sollte jetzt für diejenigen, die ihre Mitmenschen lieben, eine Angelegenheit tiefen Nachdenkens sein.

Nach Ansicht mancher Leute ist es verfrüht, schon jetzt über den späteren Wiederaufbau nachzudenken; sie meinen (mit Recht), dass unsere erste Sorge die sein sollte, den Krieg zu gewinnen. Auch ich bin dieser Ansicht. Der Wille zum Sieg ist das erste und wichtigste Erfordernis; denn wenn die Achsenmächte triumphieren sollten, gäbe es auch keinen wahren Wiederaufbau. Es gibt indes viele Menschen, die nicht unmittelbar am Kampf teilnehmen, sondern gezwungen sind, zivile Aufgaben im Leben der Nation zu erfüllen. Diese Menschen können in Vorbereitung auf die Zukunft denken, sprechen und handeln. Wieder andere sind der Ansicht, dass nur geschulte Politiker und Wirtschaftsfachleute in der Lage sind, dieses schwierige Problem so anzupacken, dass man von ihnen einen nützlichen Beitrag erhoffen kann. Andere wiederum sagen, dass allein der Friede wichtig ist, dem eine lange Periode mentaler Stille in jedem Land folgen sollte; sie glauben, dass die Menschen viel zu erschöpft und unglücklich sind, als dass sie schon bereit wären, einen Wiederaufbau in Angriff zu nehmen. Wieder andere sind derart pessimistisch, dass sie die Hoffnung auf eine Wiedergesundung der Welt völlig aufgegeben haben. In düsterer Erwartung sehen sie einem Zusammenbruch aller zivilisierten Lebensvorgänge entgegen. An allen diesen Meinungen ist etwas Wahres [366] dran. Wohl werden die Fachleute dringend notwendig sein, aber ihre Arbeit ist ohne das verständnisvolle Interesse und die tragende Kraft derer, die in ihrem Herzen von Liebe entflammt sind, unmöglich. Private und staatliche Institutionen, finanzielle wirtschaftliche Hilfe und Fürsorge allein werden nicht genügen; die Lösung muss vor allem anderen darin gefunden werden, in den Menschenherzen den guten Willen zu wecken. Das wird den rechten mitfühlenden Antrieb geben. Sicherlich kann die Welt aufgrund von rein kaufmännischen und egoistischen Überlegungen wieder saniert werden, denn Handelsbeziehungen, Güteraustausch und finanzielle Stabilität spielen dabei eine wichtige Rolle. Aber das sind nicht die grundsätzlichen Motive, die den Menschen wieder die Selbstachtung und ein gesichertes Leben verschaffen können. Sie würden für viele Menschen und Gruppen die Antriebskraft, aber nicht der Beweggrund sein, der zum wahren fortschrittlichen Wiederaufbau der Struktur des menschlichen Lebens führen kann.

Der Wiederaufbau wird das Werk der intelligenten Menschen guten Willens sein, und sie werden die Aufgabe haben, der Menschheit wieder neues Leben und Glück zu bringen. Für diese Menschen schreibe ich; beachtet das wohl. Ich schreibe nicht für technische Fachleute und geschulte Regierungsberater, sondern für jene, die in ihrem Herzen gegenüber allen Menschen guten Willen haben und die demzufolge ihren Teil beitragen möchten, der Welt Ruhe und Frieden zu bringen, einen Frieden, der auf sichereren Werten als den vergangenen, und auf klügeren Planungen beruht. Im Grunde genommen arbeiten die Menschen guten Willens nicht für den Frieden, sondern für die Entfaltung und Stärkung des Geistes brüderlichen Verstehens und der Zusammenarbeit; das allein wird stark genug sein, um Rassenschranken niederzureissen, die Wunden des Krieges zu heilen und eine neue Welt aufzubauen, die den intelligenten Erfordernissen der Massen entspricht.

In meinen früheren Flugblättern versuchte ich (im Verein mit vielen anderen Denkern) die Massnahmen zu umreissen, die ergriffen werden könnten, um die drohende Katastrophe abzuwenden. Als eine der wichtigsten Massnahmen bezeichnete ich ausdrücklich die Zunahme des guten Willens in der Welt, denn guter Wille ist das wirksam tätige Friedensprinzip. Ich wies auch nachdrücklich auf die Notwendigkeit einer internationalen Verständigung hin und betonte, dass die Bodenschätze dieses Planeten allen zugute kommen müssten und dass die Völker zugeben sollten, dass [367] sie erwiesenermassen alle am Krieg mitschuldig seien; ausserdem gab ich bekannt, welche Ideen verwirklicht werden müssten, wenn die Ära des Separatismus ein Ende finden soll.

Trotz aller Anstrengungen der Menschen guten Willens und der Friedensorganisationen, trotz der Aufklärungsarbeit der Denker, Erzieher und führenden Persönlichkeiten traten zwei Ereignisse ein, von denen man gehofft hatte, dass sie abgewendet werden könnten. Das erste war, dass der Geist des Bösen und des Materialismus in konzentrierter Form durch die Achsenmächte in Erscheinung trat; den Anfang machte Japan mit seinem Angriff, und dann wirkte sich dieser Geist des Bösen mit voller Kraft durch Deutschland aus. Das zweite Ereignis war die Tatsache, dass die neutralen Nationen im Anfangsstadium des Krieges die nötigen Massnahmen versäumten, sich aktiv am Kampf gegen die Diktatoren zu beteiligen; sie waren unfähig, das ganze Ausmass an Grausamkeiten zu erkennen, die der Menschheit bevorstanden. Der Egoismus in der Menschheit war tiefer verwurzelt, als es den Anschein hatte. Die Alliierten kamen erst nach zwei Jahren Krieg zu einer richtigen Zusammenarbeit, und inzwischen war eine Reihe neutraler Nationen planmässig besetzt und ausgeplündert worden. Die Blindheit der neutralen Nationen machte die Kalkulation der weitsichtigen Männer, die für das Wohl der Welt arbeiteten, zunichte; dadurch wurde das Ende des Krieges ernstlich verzögert.

Der kritische Punkt ist jetzt überwunden. Die Tatsache, dass man jetzt weiss, was für die Menschheit auf dem Spiel steht, und dass die Alliierten völlig einig sind, garantieren den unausbleiblichen Sieg über die Achsenmächte. Es gibt auch noch andere Faktoren, die den endgültigen Sieg der Kräfte, die für Recht und Freiheit in der Welt kämpfen, sichern. Ich kann nicht in Einzelheiten gehen, aber ich möchte diese Faktoren aufzählen, damit die Völker sehen, dass dadurch der Triumph der freien Welt garantiert ist. Es sind folgende Faktoren:

1. Der Wille zum Sieg wird immer stärker; im selben Masse nehmen Schlichtungsversuche, Pazifismus und Ungewissheit ab.

2. Die durch den Angriff der Achsenmächte geschaffene missliche Lage trägt entschieden dazu bei, die öffentliche Meinung zu festigen in dem unabänderlichen Entschluss, dem Übel ein Ende zu machen, das von Deutschland und Japan verursacht wurde und von Italien nur unwillig unterstützt wird.

3. Die Alliierten [368] sind jetzt dabei, ungeheure Hilfsquellen zu mobilisieren; das Erzeugungspotential und der Masseneinsatz dieser Reserven sind praktisch unerschöpflich. Die menschlichen und materiellen Reserven Deutschlands und seiner Verbündeten sind ausgeschöpft; im Augenblick sind sie zwar noch ausserordentlich machtvoll, doch ist bereits eine ständige Abnahme für die Zukunft zu erkennen.

4. Die Kernfragen, um die es in diesem Krieg geht, werden immer klarer erkannt. Sogar die unwissenden und voreingenommenen Menschen sehen jetzt ein, dass es um drei grundsätzliche Stellungnahmen geht und dass sie sich für eine davon entscheiden können.

a. Der demokratische Standpunkt, der die «Vier Freiheiten» und die Atlantik-Charta betont, der rechte menschliche Beziehungen und das Ende der Angriffe gewährleistet.

b. Die totalitäre Position, die unbedingt die Weltdiktatur anstrebt und die eroberten Länder versklaven möchte, die den Rassenhass schürt, Grausamkeiten verübt und dröhnenden Schrecken verbreitet.

c. Die Einstellung der Pazifisten und jener Leute, die schlichten und besänftigen möchten; es sind Idealisten und Schwärmer, denen Gandhi als Vorbild dient. Er personifiziert den kompromisslosen, aber weltfremden Fanatiker, der gewillt ist, Menschenleben, Nationen und die Zukunft der Menschheit zu opfern, um das erstrebte Ziel zu erreichen. Wenn Gandhi jetzt Erfolg hätte, würde er in Indien einen Bürgerkrieg entfesseln und jegliche Hoffnung auf eine baldige Befreiung des Landes zunichte machen; er würde dadurch den Japanern eine leichte Eroberung dieses grossen Landes ermöglichen und ein Blutbad ungeheuren Ausmasses verursachen. Deutschland könnte sich dann quer durch Asien mit Japan vereinigen, was wahrscheinlich den Sieg der totalitären Mächte zur Folge hätte. Und das wäre entsetzlich.

Diese drei Standpunkte werden heute von allen Menschen klar erkannt, so dass sie sich jetzt in Selbstverantwortung für einen dieser drei Standpunkte entscheiden können.

5. Überall triumphiert der Geist der Freiheit (sogar zur grössten [369] Bestürzung Deutschlands auch in den besetzten Ländern), und überall tritt die Schönheit des menschlichen Geistes zutage, sowohl in den eroberten Gebieten als auch bei den Nationen, die - an die Wand gedrückt - für menschliche Freiheit kämpfen.

6. Überall ist ein starkes Interesse für die Situation nach dem Krieg festzustellen. Ein Beweis dafür sind die Artikel, Flugblätter, Bücher und Vorträge von leitenden Persönlichkeiten, Politikern und geistig eingestellten Menschen, die sich mit Plänen für die neue Weltordnung befassen. Die Kräfte der Rehabilitierung und des guten Willens verstärken sich zusehends; sie bilden in allen Nationen eine grosse unsichtbare Armee, bei der zwar hinsichtlich der Methoden und der Art des Vorgehens noch Unsicherheit herrscht, die sich aber für die Ziele und Prinzipien völlig klar ist.

Diese sechs Faktoren sichern den Sieg der Lichtkräfte über die Kräfte des Übels; wir können also mit Optimismus das Ende des Krieges und die Demobilisierung der Armeen erwarten und mit Zuversicht auf die Zeit hoffen, da die Schiffe wieder friedlich über die sieben Meere fahren können und die Angst vorbei ist.

Welche Gefahren wird es dann geben, die man abwenden soll?

Worauf müssen wir uns vorbereiten, wenn wir vor der Aufgabe des Wiederaufbaus stehen? Es könnte nützlich sein, einige der Gefahren aufzuzählen, auf die wir uns vorbereiten müssen. Wir wollen sie in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit betrachten.

1. Die Gefahr eines zu schnellen Friedensvertrages. Lasst uns gehörig auf einen langen Waffenstillstand hinarbeiten, damit inzwischen die Hitze des Kampfes und die Feuer der Rache verlöschen können, damit die Qual der Menschheit gelindert und Zeit für eine ruhige und leidenschaftslose Planung gewonnen werden kann.

2. Die Gefahr, zu einem sogenannten normalen Leben zurückzukehren. Es wäre eine Katastrophe, wenn die Menschheit dann zu den Zuständen der Vorkriegszeit zurückkehren und das altvertraute Leben weiterführen würde. Es war eine Welt des (staatlichen oder finanziellen) Imperialismus, des Nationalismus, der unglücklichen, ausgebeuteten Minderheiten, der abscheulichen Unterschiede und trennenden Schranken [370] zwischen arm und reich, zwischen Osten und Westen und zwischen Kasten und Klassen - überall ohne Ausnahme.

3. Die Gefahren, die sich bei der Neuordnung der Nationen ergeben. Wenn die Neuordnung auf der Grundlage geschichtlicher Überlieferung und der alten Grenzen erfolgt, dann würde dies nur einem neuen Krieg Vorschub leisten. Diese Massnahmen müssten auf der Menschheit selbst beruhen; der Wille der freien Völker muss der bestimmende Faktor sein, nicht der Wille von Technikern oder Politikern oder von einer herrschenden Klasse oder Gruppe. In der kommenden Welt wird die Gleichstellung der Menschen eine überragende Bedeutung erlangen. Die Menschen werden, soweit es an ihnen liegt, ihr Schicksal selbst bestimmen, und sie werden ihren freien Willen geltend machen, um die Art von Welt zu schaffen, in der sie zu leben wünschen. Sie werden selbst entscheiden, welchem Land sie als Bürger angehören und unter welcher Regierungsform sie leben möchten. Das braucht natürlich Zeit und darf nicht übereilt werden. Es bedarf der planvollen Massenerziehung in jedem Land; man muss die Massen über die Prinzipien der Freiheit belehren und ihnen den Unterschied zwischen Freiheit und Zügellosigkeit behutsam, aber deutlich klarmachen. Eine neue Weltordnung, die auf der Wiederherstellung historischer Landesgrenzen beruht, hat keinerlei Aussicht, dem Streit, der Angriffslust und Furcht ein Ende zu machen. Dagegen kann eine neue Weltordnung, die auf menschlichen Werten und auf rechten gegenseitigen Beziehungen beruht (langsam natürlich, aber unausbleiblich), jene neue Zivilisation einleiten, die von den Menschen guten Willens für die gesamte Menschheit verlangt wird.

4. Gefahren, die aus Hass und infolge erlittener Schmerzen entstehen können. Die Vermeidung dieser Gefahren ist am schwierigsten. Der Hass gegen das Naziregime (und gegen die deutsche Nation, die es gutheisst) nimmt ständig zu; das ist fast unvermeidlich, denn die Untaten dieses Regimes schreien zum Himmel. Nach dem Krieg werden die Alliierten notgedrungen auch die Aufgabe haben, das deutsche Volk vor dem Hass jener zu schützen, die von Deutschen in solch erschreckender Weise missbraucht und misshandelt wurden. Das wird eine schwierige Sache sein. Vergeltung und Rache sollten nicht erlaubt werden, aber andererseits kann und sollte [371] den Deutschen eine gerechte Zahlung für ihre Übeltaten nicht erspart bleiben. Ewig gilt das Gesetz, das besagt, dass ein Mensch oder eine Nation das erntet, was er (oder sie) gesät hat. Deutschland hat in der zivilisierten Welt Böses gesät und wird daher eine Zeitlang ein hartes Los ertragen und sich unter Tränen und Schweiss abmühen müssen, um für seine Übeltaten zu zahlen. Aber diese Zahlung sollte ein Teil der Rehabilitierung, keine rachsüchtige Erpressung sein; und wenn das beachtet wird, wird es auch keine schweren Fehler geben. Das deutsche Volk muss rastlos und angestrengt dafür arbeiten, das zugeführte Übel wiedergutzumachen; aber die nächste Generation, die heute in der Wiege liegt oder zur Schule geht, darf nicht bestraft werden. Die Säuglinge und kleinen Kinder, die an den üblen Aktionen ihrer Väter und Brüder keine Schuld haben, sollten nicht in die auferlegten Strafmassnahmen einbezogen werden.

Die jungen Männer im heutigen Deutschland müssen mit ihrer Hände Arbeit und im Schweisse ihres Angesichtes das wiederaufbauen, was sie in so rücksichtsloser Weise zerstört haben; die zwar kraftlosen, aber unbescholtenen älteren Leute, die kleinen Kinder und die heranwachsenden Jungen und Mädchen müssen von diesen Massnahmen verschont und zu Bürgern eines besseren und erfreulicheren Deutschland erzogen werden - eines Deutschland, das ein konstruktiver Teil des Ganzen, nicht eine Drohung und ein Schrecken für alle rechtlich denkenden Menschen ist. Die einzige Möglichkeit, diese steigende Flut des Hasses einzudämmen, ist die, die Menschen guten Willens aufzurütteln - Menschen, welche die Menschheit als einheitliches Ganzes und alle Menschen als Brüder ansehen. Dieser Hass wird nicht dadurch zurückgedrängt werden, dass man denen, die unter der Herrschaft der Achsenmächte gelitten haben, sagt, dass sie nicht hassen dürfen; oder dass man Leute, die Opfer von Verrätern wurden, ermahnt, solchen Menschen wie Quisling oder Laval nicht zu grollen und Böses zu wünschen. Dieser Hass kann nur unwirksam gemacht werden, wenn die Alliierten in handgreiflicher und grosszügiger Weise Liebe und Verständnis beweisen - eine Liebe, die sich in der Weise auswirkt, dass sie die Hungernden sättigt, die Kranken pflegt, die zerstörten Städte wiederaufbaut und die «verbrannte Erde» wiederherstellt. Die freien Nationen werden ausserordentlich klug und geschickt vorgehen müssen, um die aus Hass und Rachsucht resultierenden Probleme zu bewältigen.

5. Die Gefahr, die [372] für die Menschheit in den Auswirkungen des Krieges auf die Kinder und Jugendlichen aller Nationen liegt. Die Kinder von heute sind die Eltern der nächsten Generation, und sie haben erschütternde seelische Erlebnisse durchgemacht, die kaum wieder ganz gutzumachen sind. Sie haben unvorstellbare Grausamkeiten, Verruchtheit, Schmerzen, Terror und Ungewissheit erlebt. Sie wurden bombardiert und mit Maschinengewehren beschossen, es gab für sie keine Sicherheit; und heute sehen sie einer ungewissen Zukunft entgegen. Millionen Kinder blieben ohne elterliche Aufsicht; durch den Krieg wurden sie von ihren Eltern getrennt, ja sie kennen oft nicht einmal ihren Namen. Auch wenn die Familieneinheit erhalten blieb, so mussten dennoch die meisten Väter Kriegsdienst leisten, in der Heimat oder in anderen Ländern; und die Mütter mussten in Fabriken oder in der Landwirtschaft arbeiten. Die Kinder kannten daher weder ein Familienleben noch die Obhut des Elternhauses. Mangelhafte Ernährung schwächte ihre Widerstandskraft, und das überhandnehmende Übel unterminierte ihre Moral und Wertnormen. Vom menschlichen und geistigen Standpunkt aus wird das Hauptproblem nach dem Krieg das sein, den Kindern in der Welt Glück und Sicherheit wiederzugeben, die richtigen Massstäbe für ihr Leben und Verhalten zu zeigen und sie in verständnisvoller Weise zu leiten. Das ist vor allem ein Erziehungsproblem. Überall müssen weitschauende Eltern, Lehrer und Psychologen mobilisiert werden, um für die Kinder die «künftige Wegrichtung» zu bestimmen. Das sollte auf internationaler Ebene und mit der Weisheit erfolgen, die sich aus der Erkenntnis der Sofortmassnahmen und der Erfordernisse auf weite Sicht ergibt.

6. Die Gefahr, dass der nationalistische Geist wieder in Erscheinung tritt. Übertriebener Nationalismus war eine der Hauptursachen dieses Krieges, und keine Nation ist frei von diesem Geist des Nationalstolzes und von dieser nationalistischen und separatistischen Einstellung. Die Gründe für den Kriegseintritt einer Nation waren egoistische Interessen; individuelle Sicherheit war sogar für die demokratischsten Nationen der Beweggrund, in den Krieg einzutreten. Allerdings ist es wahr, dass für diesen Entschluss auch die Not in der Welt und die Freiheitsliebe mitbestimmend waren, aber damit wurden die [373] egoistischen Motive nicht ausgeschaltet. Es ist ebenso wahr, dass ihnen der Instinkt der Selbsterhaltung keine andere Wahl liess, aber die Tatsache bleibt, dass es keinen Krieg gegeben hätte, wenn die demokratischen Nationen der bestimmende Faktor gewesen wären. Schon diese Tatsache allein wirft Fragen auf. Warum erlaubten letzten Endes die mächtigen Demokratien diesen Krieg, wenn sie ihn - vereint und einmütig - gleich im Anfangsstadium hätten aufhalten können? Ferner: Wenn schon die Demokratien gezwungen wurden, den Kampf mit der Aggression aus gemeinsamen eigennützigen Interessen aufzunehmen, dann hätte doch gerade dieser Eigennutz sie zu Massnahmen veranlassen sollen, die den Frieden gesichert hätten. Nationale Eigenarten und Interessen, Kulturen und Zivilisationen bestehen nebeneinander. Aber anstatt darin den Beitrag zu einem grösseren Ganzen zu sehen, war jede Nation eifersüchtig darauf bedacht, diese Unterschiede als besondere, nur dem Wohl der eigenen Nation dienende Vorrechte anzusehen. In Zukunft muss das integrierende Element im Leben betont und entwickelt werden; das Wohl der gesamten Völkerfamilie muss den Vorrang erhalten vor dem Wohl einer einzelnen Nation oder Völkergruppe. Die Erziehung der Weltöffentlichkeit zu diesem Ideal bedingt keineswegs den Verlust nationaler Eigenart oder Kultur. Diese muss bestehen bleiben und zum höchsten geistigen Ziel entfaltet werden, denn sie bereichert das gemeinsame Gut aller; man braucht nur den Beweggrund für die Betonung einer spezifisch rassischen oder nationalen Kultur zu ändern.

Jede Nation sollte bei allem, was sie unternimmt, darauf bedacht sein, die Völkerfamilie als Einheit zu sehen und die gegenseitigen Bestrebungen in der richtigen Weise zu pflegen; und sie sollte bereit sein, die Verantwortung für die einzelne (oder schwache) Nation oder Person zu übernehmen. Die Reichtümer dieses Planeten müssen miteinander geteilt werden. Die Nationen müssen immer mehr zu der Erkenntnis kommen, dass die Schätze und Früchte der Erde sowie das intellektuelle Erbe der Völker der gesamten Menschheit gehören, nicht einer bestimmten Nation allein. Keine Nation kann für sich allein leben, und erst recht nicht [374] ein Einzelmensch; die Nation oder Person, die so zu leben versucht, muss zwangsläufig von der Erdoberfläche verschwinden. Alle Nationen haben diesen egoistischen Versuch unternommen, wie uns die Geschichte der Vergangenheit und Gegenwart beweist. Tradition, Hilfsquellen, der nationale Genius, die geschichtliche Vergangenheit, die Bodenschätze und landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die strategische Position auf dem Planeten - all das musste zum Nutzen der Nation, die darauf Anspruch erhob, herhalten, all das diente der Machtverstärkung dieser Nation, auch wenn andere Nationen darunter litten. Genau das ist die Sünde, die das heutige Deutschland begeht, unterstützt von Japan und in geringerem Grade von Italien. Machtpolitik, Ausbeutung der Schwachen, Angriffsgeist, wirtschaftlicher Egoismus, Ideale, die rein auf Handelsgeist beruhen, materialistische und territoriale Ziele - das zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Menschheit, und das sind auch die prinzipiellen Ursachen des jetzigen Krieges.

Einige Nationen, besonders die grossen Demokratien wie das englische Commonwealth und die USA, kommen jetzt zu der Erkenntnis, dass solche Denk- und Handlungsweisen aufhören müssen und dass die Hoffnung der Welt auf der Ausweitung rechter menschlicher Beziehungen zueinander, auf wirtschaftlichem Güteraustausch, auf einer breitangelegten internationalen Politik und auf zunehmender Zusammenarbeit beruht. Sie glauben unerschütterlich (und grundsätzlich als nationale Politik) an die Rechte des Einzelmenschen und daran, dass der Staat zum Wohl des Einzelmenschen da ist; dazu kommt die Überzeugung, dass der Staat auch zum Nutzen anderer Staaten und der Gesamtmenschheit besteht. Andere Nationen wieder, wie z.B. die Achsenmächte, halten starrsinnig an alten Anschauungen fest, betonen die schlimmsten Aspekte einer alten und üblen Ordnung und bereichern sich an allem, was sie in ihrer Raffgier erbeuten können. Der Einzelmensch hat für sie keinen Wert, denn er existiert nach ihrer Ansicht nur zum Nutzen des Staates; allein der Staat ist wichtig, im besonderen ihr Staat. Sie teilen die Völkerfamilie in zwei Superstaaten auf, von denen der eine Europa, der andere Asien beherrscht; alle übrigen Staaten gelten als Sklavenstaaten. Sie möchten die uralten Übel der Gewalt und des Krieges verewigen und greifen zu unerhörten Grausamkeiten, um ihren Staat zu grösster Macht und Bedeutung zu erheben.

Das ist [375] die alte Ordnung, die verschwinden muss, aber man muss ihre Gefahren erkennen. Für die Abschaffung dieser alten Ordnung kämpfen die Alliierten, aber sie haben damit viele Schwierigkeiten, auch wenn die geistige Kraft aller guten Menschen auf ihrer Seite steht und die Lichtkräfte ihnen zu helfen suchen. Der nationalistische Geist lebt noch immer in jedem Land, und man muss alles tun, um ihn auszurotten. Minderheiten, die zwar eine historische Tradition, aber keine territorialen Rechte haben, verlangen mit viel Geschrei ein Land, um einen eigenen Staat zu gründen. Kleine Nationen fragen sich angsterfüllt, welcher Platz ihnen wohl in der Völkerfamilie eingeräumt werden wird und ob nach den üblen Plänen der Deutschen irgendwelche Bürger verschont bleiben würden, um am Ende noch eine Nation zu bilden. Das Verlangen nach nationaler Anerkennung ist weit verbreitet, aber von dem viel wichtigeren Erfordernis, nämlich von der Einheit der Menschheit, ist kaum etwas zu hören.

Jene Nationen, die auf ihre sogenannte «glorreiche Vergangenheit» mit den damaligen Staatsgrenzen zurückblicken und an die einstige nationale oder Weltherrschaft über die Schwachen zurückdenken, halten den Fortschritt auf. Das ist ein hartes Wort, aber der nationalistische Geist ist eine grosse Gefahr für die Welt. Wenn dieser Geist in irgendeiner Form weiterbestehen bleibt (ausser zum Wohl der Gesamtmenschheit), dann wird er die Welt (nach dem Krieg) in finstere Zeiten zurückwerfen; die Menschen würden dann nicht besser dran sein als sie es vorher waren, selbst wenn sie zwanzig Jahre lang schwer gearbeitet und seelische Qualen erlitten haben.

Wir könnten eine Nation nach der anderen hernehmen und feststellen, wie dieser nationalistische und separatistische Geist die jetzige weltweite Krise und Spaltung hervorgebracht und zum Zusammenstoss globaler Interessen und Ideale geführt hat. Dieser separatistische Geist ergab und entwickelte sich aus einer historischen Vergangenheit, aus rassischen Komplexen, aus der geographischen Lage, aus Revolten und aus dem Besitz materieller Güter und Bodenschätze. Aber eine solche Betrachtung wäre nutzlos. Der intelligente, von nationalen Vorurteilen unbeschwerte Geschichtsforscher kennt ja die Tatsachen, und er interessiert sich stark für die Entwicklung, die herbeigeführt werden muss, um diesen weltweiten Kampf zu beenden. Er weiss, dass die Anstrengungen, die gemacht werden, um nationale Verherrlichung, einen Platz an der Sonne, Lebensraum, finanzielle Vormachtstellung und [376] wirtschaftliche Vorherrschaft zu gewinnen, aufhören müssen. Andererseits ist ihm klar, dass gewisse grundsätzliche Werte erhalten bleiben müssen, wenn die Menschheit diese üblen Produkte des Egoismus loswerden will. Vergangene und gegenwärtige Kulturen und Zivilisationen sind sehr wertvoll; der Genius einer jeden Nation muss wachgerufen werden, damit er die gesamte Menschheit bereichere. Die neue Zivilisation muss in der Vergangenheit wurzeln und aus ihr sich entwickeln; neue Ideale müssen zum Vorschein kommen und erkannt werden. Und darauf haben die Ereignisse und die Lehren der Vergangenheit die Menschen vorbereitet. Das Ziel allen Sinnens und Trachtens sollte die Menschheit selbst sein, nicht ein besonderes Volk oder Reich. Das alles sollte in einer praktischen und realistischen Art und Weise verwirklicht werden, frei von mystischen und unerreichbaren Wunschträumen.

Und jede diesbezügliche Aktivität muss auf der einen grundsätzlichen Erkenntnis beruhen, dass die Menschheit eine brüderliche Gemeinschaft ist, die in rechten menschlichen Beziehungen zum Ausdruck kommt.

Die so weit verbreitete Abneigung gegen die «vagen Zukunftsbilder» humanitärer Idealisten beruht auf der Tatsache, dass in dem Sammelsurium von Worten und in den vielen Plänen kaum etwas zu finden ist, was praktischen Wert hat, und nichts, was überzeugend und wirksam genug wäre, um den alten und greulichen Lebensgewohnheiten ein Ende zu machen. Vor dem Krieg ist nichts Wirksames getan worden, um die offensichtlichen und zum Himmel schreienden Übelstände zu beseitigen. Um des Friedens willen wurden lindernde Massnahmen versuchsweise getroffen und Zugeständnisse gemacht; aber die Grundübel, nämlich nationaler Ehrgeiz, ungleichartige wirtschaftliche Bedingungen und arge (vererbte oder finanzielle) Klassenunterschiede, blieben weiterbestehen. Religiöse Differenzen und Rassenhass nahmen zu, die wirtschaftlichen und politischen Systeme blieben verderbt und bestechlich und nährten den Parteihader, die soziale und nationale Zwietracht.

Jetzt hat das Gewitter des Krieges die Luft gereinigt. Die entscheidenden Fragen sind geklärt, und wir wissen wenigstens, was falsch war. Die Achsenmächte haben durch ihren beispiellosen Egoismus und nationalen Ehrgeiz, durch ihren Rassenhass und durch ihre barbarischen Grausamkeiten, denen jegliches menschliche Empfinden fehlte, der Menschheit insofern einen Dienst erwiesen, als sie uns zeigten, was nicht mehr erlaubt werden darf und was niemals erlaubt sein soll. Die Demokratien sind sich auch ihrer Schwächen bewusst geworden und sehen ein, dass es noch keine wahre Demokratie gibt, da einerseits überall politische Korruption herrscht und da andererseits die grossen Massen unwissend und [377] daher für eine wirkliche Selbstregierung noch nicht reif sind. Die imperialistischen Mächte, wie z.B. Grossbritannien, verwerfen offen die alten Anschauungen und treten mutig für den Wiederaufbau der Welt ein. Die konservativen Reaktionäre sind nicht mehr beliebt. Die kleinen Nationen sind sich ihrer Hilflosigkeit und ihrer völligen Abhängigkeit von den grossen Nachbarn bewusst, und diese wiederum erkennen ihre Verantwortung gegenüber den Schwachen und kleinen Nationen. Die Völker aller Länder wachen auf und beginnen zu denken, und sie können niemals mehr in den früheren Zustand der Dumpfheit und Trägheit zurücksinken. Überall besteht die Hoffnung, dass eine neue und bessere Weltordnung möglich, ja sogar wahrscheinlich ist.

Wie könnte man klar und einfach Ziel und Zweck dieser neuen Weltordnung umreissen und in knappen Worten angeben, welches Ziel jede Person oder Nation sich vor Augen halten sollte, wenn der Krieg zu Ende ist und alle Möglichkeiten offenstehen? Sicherlich sollten alle Nationen, grosse und kleine (wobei den Minderheiten im Verhältnis gleiche Rechte gegeben werden sollten), ihre eigene Kultur weiterpflegen und ihre Erlösung oder Befreiung anstreben, so, wie es ihnen am besten erscheint; aber sie alle sollten ebenso klar erkennen, dass sie organische Teile eines zusammengehörigen Ganzen sind und dass sie dazu mit allem, was sie sind und haben, ihren Teil beitragen müssen. Diese Vorstellung besteht bereits in den Herzen zahlloser Menschen und bringt eine grosse Verantwortung mit sich. Die verständige Entwicklung und kluge Handhabung dieser Erkenntnisse werden zu rechten menschlichen Beziehungen, zu wirtschaftlicher Stabilität (die auf der Bereitschaft, miteinander zu teilen, beruht) und zu einer neuen Einstellung führen, und zwar des Einzelmenschen gegenüber dem Mitmenschen, einer Nation gegenüber einer anderen und aller Menschen gegenüber jener höchsten Macht, die wir «Gott» nennen.

Das ist das Zukunftsbild, das zahllose Menschen unbeirrt auf dem Weg der Pflicht leitet, und für das zu arbeiten viele in jeder Nation bereit sind. Trotz der unglücklichen Vergangenheit, trotz des jetzigen Blutbades in der Welt, trotz der fast überwältigenden Probleme, vor denen die Menschheit steht, trotz politischer Umtriebe und durchtriebener Diplomatie, trotz der Unwahrscheinlichkeit, rasch irgendeinen Erfolg zu erzielen, sind Tausende bereit, mit den Vorbereitungsarbeiten zu beginnen. Die Anzahl der Männer und Frauen [378] mit visionärem Weitblick und gutem Willen ist jetzt so gross (besonders unter den verbündeten Nationen), dass tatsächlich eine Aussicht auf Erfolg besteht und die Arbeit beginnen kann. Die Umrisse des künftigen Weltgefüges zeichnen sich bereits einigermassen ab; das völlige, offensichtliche und nicht wiedergutzumachende Versagen der alten Lebens- und Weltordnung wird überall klar erkannt. Der Wille zum Guten nimmt zu. Es ist interessant und bemerkenswert, dass «der Mann auf der Strasse» und die Intelligenzkreise dieses Zukunftsbild klarer erschauen als die exklusiven Gesellschaftsklassen.

Die schwierigen materiellen Lebensbedingungen und das Nachdenken darüber brachten die Menschen zur Erkenntnis, dass die jetzigen Zustände geändert werden müssen, und dass es keine andere Möglichkeit gibt.

Die zukünftige Aufgabe besteht aus zwei Teilen. Erstens müssen das Denken und die Energien der Massen in die richtigen Bahnen gelenkt werden, damit durch gute Leitgedanken und kluge Aktionen die ersehnte Ara rechter menschlicher Beziehungen und schliesslich des Friedens eingeleitet werden kann. Zweitens muss man jene Menschen aufklären und belehren, die durch Teilnahmslosigkeit und Mangel an Weitblick den Fortschritt behindern. Diese letzte Entwicklung ist bereits im Gang, denn eine zwar kleine, aber mächtige Gruppe führender Männer in der Welt verkündet bestimmte allgemeine Thesen oder Leitsätze, die man für die Wiederherstellung der Weltordnung als zwingend notwendig ansehen muss. Sie fordern neue Leitprinzipien in der Politik und im Erziehungswesen, die auf allgemein anerkannten menschlichen Rechten und auf der Notwendigkeit beruhen, geistige Einheit hervorzubringen und alle separatistischen theologischen Denkweisen und Dogmen in jedem Denkbereich über Bord zu werfen. Immer stärker wird der Ruf nicht nur nach internationaler Verständigungsbereitschaft und Zusammenarbeit, sondern auch nach gegenseitigem Verstehen der Gesellschaftsklassen. Diese Forderungen werden vom Rednerpult und von der Kanzel, durch Wort und Schrift überall erhoben, ausser in jenen beklagenswerten Ländern, wo die Freiheit der Rede nicht erlaubt ist.

Der Durchschnittsmensch, der all dies beobachtet, ist oft überwältigt von der Grösse der zutage tretenden Aufgabe, von den verschiedenen Meinungsäusserungen, von den vielen Vorschlägen und Projekten für eine Verbesserung der Weltsituation; und angesichts dieses gigantischen menschlichen Vorhabens beschleicht ihn ein Gefühl äusserster Ohnmacht und persönlicher Unwichtigkeit. Er fragt sich: Wie kann ich von Nutzen sein? Und was könnte ich tun? Wie kann meine kleine Stimme gehört werden? Und wenn sie gehört wird, was nützt sie? Welche Rolle kann ich in der [379] ungeheuren Weltarena spielen? Wie kann ich mich nützlich machen und aufbauen helfen? Wie kann ich meine Unwissenheit über Geschichte und Gesellschaft, über politische und wirtschaftliche Probleme meines eigenen Landes beseitigen, von der Unwissenheit über andere Länder ganz zu schweigen?

Gegenüber der Gesamtmenschheit mit ihren vielen Rassen kommt sich der Einzelmensch ganz hilflos und unbedeutend vor. Er besitzt weder eine akademische noch eine derart umfassende Bildung, dass es ihm möglich wäre, die Probleme wirklich zu erfassen oder zu ihrer Lösung beizutragen. Welchen Beitrag kann also der Mann auf der Strasse, der Geschäftsmann im Büro, die Frau im Heim und der Durchschnittsbürger jetzt und in Zukunft leisten, um der Welt zu helfen? Gerade für diesen Personenkreis schreibe ich.

Erstens möchte ich die grosse Öffentlichkeit an die wichtige Tatsache erinnern, dass die einmütige, entschlossene öffentliche Meinung die stärkste Kraft in der Welt ist. Obwohl sie nicht ihresgleichen hat, wurde von ihr nur wenig Gebrauch gemacht. Der Durchschnittsbürger ist leichtgläubig und bereit, das anzunehmen, was ihm mit genügender Lautstärke plausibel gemacht wird. Das ist eine wohlbekannte Tatsache. Die schöngedrechselten Phrasen des geschulten Politikers, der seine egoistischen Ziele verfolgt, die Argumente des redegewandten Demagogen, der irgendeine Lieblingstheorie auf Kosten der Allgemeinheit missbraucht, und die schwülstigen Reden des Mannes, der mit irgendeiner Sache oder Theorie Privatinteressen verfolgt - sie alle finden willige Zuhörer. Massenpsychologie und Entscheidungen des Pöbels sind seit jeher missbraucht worden, denn die nicht denkenden und emotionellen Massen lassen sich leicht in irgendeine Richtung lenken. Und das machten sich bisher die Demagogen zunutze, denen am Wohl der Menschheit meistens nichts liegt. Die negative und hilflose Verhaltensweise des deutschen Volkes unter der Naziführung ist ein charakteristisches Beispiel für das Gesagte.

Aber diese negative Empfänglichkeit (die nicht die Bezeichnung «öffentliche Meinung» verdient) kann genau so leicht für gute Zwecke nutzbar gemacht werden wie für üble, für konstruktive wie für destruktive. So können und werden also ein bisschen planvolle Lenkung und ein klug abgefasstes Programm die notwendige Änderung herbeiführen und bewirken, dass eine wohlbegründete, [380] vernünftige öffentliche Meinung ein wesentlicher Faktor beim Wiederaufbau der Welt sein wird. Eine höchst interessante und bemerkenswerte Erscheinung dieses Krieges ist die Tatsache, dass einige führende Persönlichkeiten den Kontakt mit dem Mann auf der Strasse und mit der Hausfrau aufgenommen haben; Beispiele dafür sind Reden von Roosevelt und Churchill. Die von den Führern der Achsenmächte gehaltenen Reden sind von völlig anderer Art, denn sie sind an die männliche Jugend und an die Männer in Uniform gerichtet. Nur die untergeordneten Führerkräfte sprechen (wie z.B. in Deutschland) zu den Menschen daheim, aber auch nur, um ihnen Befehle zu erteilen, den Hass zu schüren und die Wahrheit zu entstellen. Immerhin wird in allen diesen Fällen der Wert der Massenmeinung erkannt wie auch die Notwendigkeit, das Denken der grossen Massen zu lenken; diese Beeinflussung erfolgt entweder in der Weise, dass die Volksmeinung dem Willen des Führers (z.B. Hitlers) unterworfen wird, oder so, dass das Volk über jene Grundsätze belehrt wird, die dem Wohl der Gesamtheit dienen.

Zweitens muss sich der Durchschnittsbürger dessen bewusst werden und eingedenk sein, dass die Masse aus Einzelmenschen besteht; ein jeder von uns ist ein wesentlicher und integrierender Bestandteil des Ganzen. Das ist eine grundsätzliche und wichtige Tatsache, die mit unserem Thema zusammenhängt. Die erste Massnahme beim künftigen Wiederaufbau sollte also darin bestehen, den Einzelmenschen anzusprechen und ihm seine Bedeutung klarzumachen; man muss ihn auf seinen ureigensten Einflussbereich hinweisen und dazu bringen, in diesem Bereich und mit dem, was er hat, ans Werk zu gehen. Auf diese Weise wird sein naturgemässes Gefühl der Ohnmacht oder Wertlosigkeit verschwinden, und er wird allmählich erkennen, dass er gebraucht wird und dass er viel tun kann. Wenn er einmal das begriffen hat, kann er dann versuchen, diese positive Denkweise auch auf seine Mitbürger zu übertragen, und diese können dann dasselbe tun.

Ich möchte hier darauf hinweisen, dass der Wert des Einzelmenschen zweifellos auf der essentiellen Göttlichkeit des menschlichen Geistes und der Unversehrtheit des Ganzen beruht. Er basiert auch auf dem Wissen (der Grundlage für jede zukünftige Aufbauarbeit), dass im Herzen des Universums eine göttliche Macht existiert (ganz gleich, wie man sie nennt) sowie auf dem Glauben, dass Liebe das Lebensgesetz schlechthin ist, auch wenn alle gegenwärtigen und vergangenen Ereignisse dem zu widersprechen scheinen.

Wir müssen dieses Thema von der praktischen Seite her [381] angehen und dürfen nur solche Massnahmen in Betracht ziehen, die für den Durchschnittsmenschen möglich sind.

Die erste praktische Massnahme muss darin bestehen, den Hass auszurotten, denn er ist ein Unheilstifter und Hemmschuh; er trübt den klaren Blick und das Urteilsvermögen, er nährt nur Furcht und Schrecken. Aber die Liebe, die von uns verlangt wird, ist weder emotionell noch sentimental; sie ist für das praktische Leben äusserst nützlich und brauchbar, denn sie äussert sich in Dienstbereitschaft und Zusammenarbeit; sie sucht jene Bewegungen zu unterstützen, die der Menschheit nützen und den Erfordernissen der neuen Ära entsprechen. Viele Leute meinen, dass eine Gefühlserregung und ein Schrei der Entrüstung wegen eines Geschehens, das die Welt aus der Fassung gebracht hat, Liebe und geistige Sensitivität andeute. Es ist sehr wahrscheinlich eher ein Anzeichen für Ich-Bezogenheit und persönliches Unbehagen. Wahre Liebe hat keine Zeit für solche Reaktionen, weil sie völlig in dem Bestreben, die Not ihrer Mitmenschen zu lindern, aufgeht. Wer seine Mitmenschen liebt, ist gedanklich ausgeglichen und wirkt verständig; er mobilisiert alle seine Kräfte für den Dienst der Stunde. Ein wahrhaft mitfühlendes Herz ist nicht von Emotionen beherrscht.

Sobald wir unsere persönliche Verantwortung erkannt haben, besteht also unsere zweite Massnahme darin, Emotionen durch praktische Liebe zu ersetzen, die in selbstlosem Dienst zum Ausdruck kommt. Drittens müssen wir unser Leben so umgestalten, dass wir für den Dienst die notwendige Zeit haben. Viele Leute sind nicht imstande, aus dem Alltagsleben das Beste und Höchste herauszuholen, und zwar aus mehreren Gründen. Oft wollen sie gar nicht wirkliche Opfer bringen, die ein solcher Dienst verlangt. Oft leben sie in der Selbsttäuschung, dass ihre Dienstleistungen bereits das Äusserste sind, was ihnen möglich ist. Oft bilden sie sich ein, dass eine Mehrleistung ihrer Gesundheit schaden würde oder dass sie die Zeit für sich selber brauchen oder dass sie wertvolle Stunden für Dinge verschwenden, die keine handgreiflichen Ergebnisse bringen. Wenn jedoch die jetzige Not so gross ist, wie wir mit Fug und Recht annehmen, wenn dies die Zeit äusserster Bedrängnis ist, wenn es um so wesentliche Dinge geht, dass die ganze Zukunft der Menschheit vom Ausgang und Ergebnis des Krieges abhängt, dann gibt es für den Menschen nur eines, worauf es wirklich ankommt, nämlich seinen Teil beizutragen, seine Zeit und alles, was er hat, bereitzustellen und jene äusserste Anstrengung zu machen, die bewirkt, dass Kräfte und Energien frei werden, damit der [382] Krieg ehestmöglich gewonnen werden und die Aufbauarbeit Erfolg haben kann. Das muss er um jeden Preis, selbst den des Lebens, tun. Dabei ergibt sich ein geistiger Widerspruch. Einerseits ist die Einzelperson von höchster Bedeutung, andererseits ist das, was ihm im Dienst und beim Kampf für die menschliche Freiheit zustösst, völlig belanglos. Jetzt sind zeitlich begrenzte planvolle Anstrengungen - und am Ende der Tod - weitaus nützlicher als nichtige Dinge zu tun, die einer in gemächlicher Weise tun möchte, und dann die Jahre schwächlich und inhaltslos dahinzuleben.

Wer also in der Zeit des Wiederaufbaus aktiv mithelfen will, muss als Vorbereitung darauf einen Sinn für persönliche Verantwortung entwickeln, im Dienst für andere echte Liebe dokumentieren und seine Lebensweise so einrichten, dass er aus jedem Tag das Äusserste herausholt.

Wenn er das nach besten Kräften getan hat (viele haben bereits einen guten Anfang gemacht), muss er den Geist guten Willens in sich entwickeln und bei anderen erwecken. Dieser Wille zum Guten ist sofort wirksam, denn er bestimmt massgeblich das Verhältnis eines Menschen zu seiner Familie, zu Mitarbeitern, Freunden und Bekannten sowie zu allen Menschen, mit denen er in Berührung kommt. Dieser Wille zum Guten befähigt ihn, die Wiederaufbauarbeit genau dort anzufangen, wo er steht, und in vertrauter Umgebung rechte menschliche Beziehungen zu pflegen. Es ist eine wichtige und starke Wirkkraft, die den sonst unbedeutenden Menschen zu einem Brennpunkt schöpferischen Ansporns machen kann. Er wird daraufhin entdecken, dass sich sein konstruktiver Einflussbereich ständig vergrössert.

Das sind die ersten vier Massnahmen, wahrscheinlich die schwierigsten, denn sie sind ganz undramatisch und beinahe geistige Binsenwahrheiten. Aber es sind wesentliche und unvermeidbare Vorbedingungen für jene, die später weise, nützlich und intuitiv arbeiten wollen.

Er kann dann noch ein übriges tun und folgende Vorschläge in sein Arbeitsprogramm aufnehmen:

1. Studieren und überdenken Sie die vielen Vorschläge, die von führenden Persönlichkeiten und Denkern über die künftige Rehabilitierung in der Welt gemacht werden. Machen Sie [383] sich einen Plan für die Lektüre, damit Sie über die aktuellen Themen stets im Bilde sind. Kultivieren Sie eine intelligente, auf gutem Willen beruhende Meinung, die das zum Ausdruck bringt, was aufgrund Ihrer Studien Ihrer Ansicht nach getan werden sollte. Dann erörtern Sie die Ideen - furchtlos und sachlich - zu Hause, mit Freunden und im Bekanntenkreise. Das wird Ihnen leichter fallen, wenn Sie solche Diskussionen als einen Dienst ansehen und davon überzeugt sind, dass Ihr Interesse und Ihr Enthusiasmus unbedingt eine Wirkung haben müssen.

2. Wenn es Ihnen möglich ist, scharen Sie Leute um sich, um mit ihnen die künftige neue Weltordnung zu erörtern; oder beteiligen Sie sich an solchen Diskussionen. Betrachten Sie solche Zusammenkünfte als einen positiven Beitrag zur Bildung der öffentlichen Meinung und als eine Methode, ein Sammelbecken aus Gedankenkräften zu schaffen, die für jene Menschen von Nutzen sein können, deren Aufgabe der Wiederaufbau ist. Auch wenn dabei nur zwei Leute mit Ihnen zusammenarbeiten, so ist Ihr Bemühen dennoch nicht vergeblich oder verloren, weil sie dadurch beitragen, die Gedanken anderer Menschen zu beeinflussen und zu ändern, auch wenn Sie es nicht wissen.