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ZWEITER ABSCHNITT - DAS ALLGEMEINE WELTBILD - TEIL 3

Ich möchte noch bemerken, dass selbst die Hierarchie mit all ihren Kenntnissen und Hilfsmitteln, mit ihrer visionären Schau und Erkenntnis nicht erzwingen oder voraussagen kann, was die Menschheit tun wird. Die Hierarchie kann zur richtigen Aktion anspornen und tut es auch; sie weist auf Möglichkeiten und Verantwortungen hin; sie entsendet Lehrer und Jünger, um die Menschen zu erziehen und zu leiten. Aber nirgends und niemals befiehlt sie oder übt Gewalt. Sie kann aus Bösem Gutes herausbringen (und tut dies auch), indem sie Situationen erhellt und die Lösungen von Problemen andeutet, aber darüber hinaus kann sie nicht gehen. Würde sie sich autoritäre Gewalt anmassen, dann würden menschliche Automaten entwickelt, nicht aber verantwortungsbewusste, strebende und ihr Schicksal selbst bestimmende Menschen. Das ist euch doch sicher klar, und das könnte auch als Antwort auf die Frage dienen, die heute bei nicht denkenden Okkultisten an erster Stelle steht: Warum konnte die Hierarchie diese Katastrophe nicht verhindern? Zweifellos hätten die Meister der Weisheit mit ihrem Wissen und ihrer Kräftebeherrschung eingreifen können, aber damit würden sie ein okkultes Gesetz gebrochen und die wahre Entwicklung der Menschheit behindert haben. Das werden sie niemals tun. Der Mensch muss um jeden Preis lernen, auf eigenen Füssen zu stehen und zu handeln. Nachdem die Meister alles getan haben, was ihnen erlaubt war, stehen sie jetzt an der Seite der leidenden und bestürzten Menschheit und werden den Menschen mit tiefster Anteilnahme und Liebe helfen, die von ihnen verschuldeten Fehler wieder gutzumachen, die notwendigen Lektionen zu lernen und diese selbstverursachte Krise zu überwinden, bereichert und durch das Unglück geläutert. Das sind keine leeren Redensarten, sondern ewige Wahrheiten.

Diese Weltkrise, mit all ihren Schrecken und Leiden, ist letzten Endes das Ergebnis eines erfolgreichen Entwicklungsprozesses. Wenn die Lebensrunde eines Menschen abgelaufen ist und er die [114] Lektionen gelernt hat, die er bestimmungsgemäss hätte lernen sollen, dann beginnen der physische Körper und die inneren Formaspekte (welche die gesamte Ausdrucksform seiner Persönlichkeit ausmachen) unbrauchbar zu werden und sich zu verschlechtern; die zerstörenden Kräfte in der Form werden wirksam, und schliesslich tritt der Tod ein, der das innewohnende Leben befreit, damit eine neue und bessere Form erbaut werden kann. Wir erkennen dies entweder blind oder verständnisvoll als einen natürlichen und unvermeidlichen, aber normalen Vorgang an. Wir vergessen aber allzuleicht, dass das, was für den Einzelmenschen gilt, auch für die ganze Menschheit zutrifft. Zivilisationszyklen, wie z.B. unsere moderne Zivilisation, gleichen einer individuellen menschlichen Inkarnation: Anfang, fortschreitendes Wachstum, Reife mit nützlicher Betätigung, sodann Verfall und Niedergang, schliesslich Tod und Dahinschwinden der Form.

Formen sind ständig Angriffen ausgesetzt. Ein starkes subjektives Leben und geistiges Losgelöstsein sind zwei schützende Massnahmen. Wenn die Form stärker als das Leben ist, dann droht unmittelbare Gefahr; dort, wo eine Fesselung oder Bindung mit dem materiellen Element oder Gefüge besteht, sind spirituelle Werte verloren.

Heute erleben wir das Sterben einer Zivilisation, den Tod eines Inkarnationszyklus der Menschheit. In allen Bereichen menschlichen Denkens und Wirkens traten Erstarrung und Verfall ein. Überlebte religiöse Dogmen und die Macht der Theologie und der orthodoxen Kirchen genügten nicht mehr, um das starke innere geistige Leben in Hörigkeit zu halten. Die Menschheit ist tief geistig und von Natur aus religiös, aber sie braucht jetzt eine neue Form, in die sie die uralten Wahrheiten kleiden kann. Alte politische Schulen und Denkweisen entsprechen nicht mehr der Wirklichkeit, und die neuen Ideologien geben Zeugnis für die Stärke des Lebens, das angemessenen und wirksamen Ausdruck sucht. Es bricht sich rasch die Erkenntnis Bahn, dass die Erziehungssysteme, die ihre Schuldigkeit getan haben, jetzt nicht mehr geeignet sind, um den Anforderungen des menschlichen Lebens gerecht zu werden. Von überallher kommt der Ruf nach Änderung und nach jenen neuen Formen im religiösen, politischen, pädagogischen und wirtschaftlichen Leben, die eine freiere und bessere geistige Wesensäusserung gestatten. Eine solche Änderung ist im raschen Kommen und wird von manchen als Tod angesehen, als etwas Schreckliches, das man [115] nach Möglichkeit vermeiden müsse. Es ist tatsächlich ein Tod, aber er ist wohltätig und notwendig. Gerade diese Erkenntnis, dass eine Zivilisation entschwindet, gibt Anlass zu dem immer wiederkehrenden und ahnungsvollen Aufschrei: «Das ist der Tod der Zivilisation, das darf nicht sein.» «Das ist das Ende der alten Ordnung, und diese muss erhalten bleiben.» «Das ist die Zerstörung der alten und geliebten Werte, das darf nicht zugelassen werden.»

Dass die Menschheit diese notwendige Änderung auf eine Art und Weise herbeiführt, die grausam, schmerzlich und gar nicht notwendig ist, entspricht den Tatsachen; aber ebenso richtig ist die Tatsache, dass die Menschen heutzutage durch unrichtiges Denken, törichte Lebensgewohnheiten und unerwünschte Gefühlszustände den physischen Zusammenbruch und schliesslich den Tod beschleunigt herbeiführen. Dessen ungeachtet ist der Tod für den Fortschritt der Seele des einzelnen und der gesamten Menschheit unvermeidlich, gut und notwendig; Sterben ist eine alltägliche Sache, mit der wir aus eigenem Erleben und durch Beobachtung an anderen wohlvertraut sind. Wir müssen uns aber vor Augen halten, dass der schlimmste aller Tode (soweit die Menschheit in Betracht kommt) der wäre, wenn Zivilisations- oder Körperformen ewig beharrend und feststehend blieben. Es wäre wahrhaftig eine Katastrophe, wenn die alte Ordnung niemals geändert würde und wenn die alten Werte niemals in höhere und bessere umgewandelt würden.

Wir dürfen auch nicht übersehen, dass es zwei zerstörende und todbringende Kräfte gibt: erstens das rasch hervortretende und sich entfaltende Leben, das nach mehr Raum für Wesensäusserung und für volleres Erleben verlangt und geistig nach Änderung und Fortschritt strebt; zweitens die reaktionären Kräfte und die konservative Denkweise, die an dem Wohlvertrauten und Bekannten hängen, die das Neue, Unerprobte und Unbekannte hassen. Diese beiden Faktoren bewirken den grossen und göttlichen Übergang aus der Vergangenheit in die Zukunft, vom Alten ins Neue, von der Lebenserfahrung zur Reife und dann wieder zu neuem Erleben. Die Wirklichkeiten sind ewig und unsterblich; die Formen sind unbeständig und kurzlebig; die Seele ist unsterblich und unvergänglich; die Form ist veränderlich und zum Untergang bestimmt. Der Evolutionsprozess hat bewiesen und wird auch in Zukunft beweisen, dass er imstande ist, Formen zu erschaffen, zur Reife zu bringen und absterben zu lassen.

Aber die Menschheit ist [116] sich heute zum ersten Male dieses Vorgangs bewusst, und das ist das Interessante und Bedeutsame daran. Zum ersten Male zieht sie es vor, verständnisvoll das Geschehen zu beobachten und es mit der Erfahrung und der Umwelt in Beziehung zu bringen. Das ist schon an sich ein Kennzeichen für eine rechte und sehr erwünschte Entwicklung. Überall und häufig werden heutzutage Gedanken logisch erörtert, Untersuchungen angestellt und verschiedene Gesichtspunkte vorgetragen; je nach Temperament, Tradition, Entwicklung und Schulung sind auch die Ergebnisse unterschiedlich.

Wenn der Esoteriker die beiden deutlich erkennbaren Phasen des Weltkrieges - 1914 bis 1918 und 1939 bis 1942 - studiert, kann er auch leicht das gleichzeitige Sterben und Werden begreifen. Wenn ihr die Situation sehen könntet, wie sie wirklich ist, dann würdet ihr ganz klar erkennen, dass das Stadium des Todes zuerst kam. Das zweite Stadium, in dem wir uns jetzt befinden, ist buchstäblich das des Werdens, der Geburtswehen der neuen Ordnung und Zivilisation, durch die der Menschen Sinn für das Leben zum Ausdruck kommen kann. Die Mutter stirbt, damit das Kind am Leben bleiben kann; die Form wird dem Leben geopfert. Gegenwärtig stirbt bewusst der Formaspekt (der Mutter- oder Materieaspekt), und ebenso bewusst kommt das Kind, die junge Zivilisation, ins Dasein. Das ist das Neue, das wir alle miterleben. Die Persönlichkeit der Menschheit stirbt und ihre Seele kommt zum Vorschein.

Ein solches Absterben ist immer ein schmerzlicher Vorgang. Schmerz als Läuterungsmittel wurde seit jeher von den Herren des Karma angewendet, um eine Befreiung zu erreichen. Der vervielfachte Schmerz des gegenwärtigen Krieges und der noch aus der ersten Periode (die 1914 begann) vorhandene Schmerz bewirken ein heilsames und umgestaltendes Weltbewusstsein. Der Herr des Schmerzes ist von seinem Thron herabgestiegen und wandelt jetzt auf Erden; er bringt Trübsal, Seelenpein und Schrecken all denen, die seine Absichten und erstrebten Ziele nicht deuten können. Er stimuliert aber auch den Instinkt der Selbsterhaltung, dessen höherer Aspekt der Instinkt der Unsterblichkeit ist; dieser Instinkt ist bestrebt, das Augenmerk der Menschheit auf den Lebensaspekt und nicht auf die Form zu richten. Die Namen der Herren des Karma bedeuten symbolisch und dem inneren Sinn nach: ursächliche gegenseitige Beziehung oder Verkettung, Aufklärung (Erleuchtung), Schmerz und Rückkehr. Denkt darüber nach. Alle diese [117] Bedeutungen sind jetzt besonders aktuell, und in deren Wirksamkeit liegt die Hoffnung der Menschheit.

Uralte karmische Ereignisse

Es ist nicht meine Absicht, das Thema «Karma» zu erläutern oder auszuarbeiten. Dieses okkulte und dennoch grundsätzlich exoterische Thema findet unter der Bezeichnung «Gesetz von Ursache und Wirkung» allgemeine Anerkenntnis. Wenn man es das Gesetz des Karma nennt, dann wird es sogleich als etwas Mysteriöses, Orientalisches, Neues angesehen. Manchmal wird es auch das Gesetz der Vergeltung genannt - eine ganz und gar irrige Bezeichnung. Jetzt erfährt und erlebt die Menschheit ihr Karma. Ich möchte indes darauf hinweisen, dass die ständige Betonung des ungünstigen Karma-Aspektes einen falschen Eindruck vermittelt und das volle Erfassen der Wahrheit erschwert. Es gibt genausoviel gutes wie böses Karma. Sogar in der heutigen Weltsituation gleicht das gute, aus der Seele der Menschheit kommende Karma das üble, aus dem materiellen Aspekt kommende und ständig überbetonte Karma aus. Der Gegensatz zwischen den Rhythmen der Materie und der Seele ist die eigentliche Ursache des derzeitigen Konfliktes sowohl im Leben der Menschen als auch in der Weltsituation. Wenn ihr das richtig erfasst, dann wird in eurem Denken und Fühlen das wahre Bild klarer hervortreten.

In dem Bestreben, euch ein klares Bild zu geben, muss ich manche wichtige Einzelheiten übergehen. Ich werde auch in die anfechtbare Lage kommen, Behauptungen aufzustellen, die nicht nachgeprüft werden können und deren Beweisführung (für den durchschnittlichen Denker) lediglich darin liegt, von den Wirkungen auf die Ursachen zu schliessen, die dem in okkulten Dingen nicht Bewanderten verborgen sind. In Zukunft wird der Mensch eine Einstellung und Denkweise entwickeln, welche die Ursachen für wichtiger halten wird als die Wirkungen. Er wird lernen, die Massnahmen, die irgendeine neue Aktion einleiten, sehr sorgfältig zu erwägen; er wird, bevor er sich zu irgendeiner Handlung entschliesst, gründlich darüber nachdenken und die voraussichtlichen Auswirkungen abschätzen. Dieses heilsame Stadium wird nur durch Schmerz und Irrtum erreicht, wofür er natürlich den Preis zahlen muss.

Alles heutige Geschehen [118] ist in erster Linie auf die im menschlichen Wesen bestehende Dualität zurückzuführen. Die zweite Ursache liegt in bestimmten grossen Zwiespältigkeiten, die in der Frühgeschichte der Menschheit durch diese im innersten Wesen vorhandene Dualität hervorgerufen wurden. Die dritte Ursache ist das ständig zunehmende Streben nach Synthese, das durch die jetzt einströmende Shamballa-Kraft entfaltet wird. Es ist mir nicht möglich, dieses vielschichtige Problem noch einfacher darzustellen. In grossen allgemeinen Umrissen behandle ich die Vergangenheit, kennzeichne die jetzt spürbar werdenden Auswirkungen und sage die Zukunft voraus.

Die treibende Ursache des derzeitigen Konfliktes geht darauf zurück, dass seinerzeit geistig eigenbewusste Menschen inkarnierten, einen Körper annahmen. Wären die Söhne Gottes «nicht zu den Töchtern der Menschen gekommen» (wie es in der Bibel heisst, um auf symbolische Weise die grosse gegenseitige Beziehung auszudrücken, die im Menschenreich zwischen Geist und Materie geschaffen wurde), hätten die geistigen Wesenheiten (die Menschheit selbst) sich nicht in stoffliche Formen gekleidet und hätte sich das positive geistige Element nicht an den negativen materiellen Aspekt geheftet, dann wäre es nicht zum gegenwärtigen Weltkonflikt gekommen. Der göttliche Evolutionsplan gründete sich jedoch darauf, dass diese primäre Beziehung oder Verkettung zwischen dem geistig bewussten Menschen und dem Formaspekt geschaffen wurde. Auf diese Weise trat das grosse Gesetz der Dualität in Kraft, das den «Fall der Engel» mit sich brachte. Diese stiegen aus ihrem sündenlosen, unbeschwert freien Daseinszustand herab, um durch materielle Inkarnation und den Gebrauch des Denkprinzips volles göttliches Bewusstwerden auf Erden zu entfalten. Das war der aus dem Denken Gottes kommende Plan, der durch einen Akt seines Willens Gestalt annahm und schrittweise zur Durchführung kam. Damals, im Anbeginn, fand der ursprüngliche «Krieg in den Himmeln» statt, als die Söhne Gottes, die dem göttlichen Antrieb, Erfahrungen zu sammeln, zu dienen und Opfer zu bringen, Folge leisteten, sich von jenen Söhnen Gottes trennten, welche dieser Inspiration nicht folgten, sondern es vorzogen, in ihrem ursprünglichen hohen Daseinszustand weiter zu verbleiben. Christus selbst bezeugte und bestätigte diese Wahrheit in der Parabel [119] vom «Verlorenen Sohn» und dessen Verhältnis zu seinem älteren Bruder, der das Vaterhaus nicht verlassen hatte. Aus diesem Gleichnis geht doch klar hervor, welcher Seite der Vater seine Zustimmung gab. Ein gründliches Studium dieser Erzählung und ein intuitives Erkennen der sich daraus ergebenden Folgerungen mögen eines Tages einen Widerhall auf die sogenannte «Sünde des Erlebens» wecken und zum geistigen Verstehen der beiden Hauptgesetze führen, die den Evolutionsprozess bestimmen, nämlich: das Gesetz der Evolution und das Gesetz der Wiedergeburt. Hier liegt die fundamentale Ursache für alles heutige Geschehen.

Die zweite Ursache ergab sich nach und nach aus der ersten. Materie und Geist, die sich in der Menschheit verdichtet hatten und die nun ihre grundlegenden Qualitäten und ihre wesenhafte Natur zum Ausdruck bringen, stehen ewig miteinander in Widerstreit. In den frühen Stadien und während des langen Lemurischen Zeitalters entfaltete sich ständig die junge Menschheit; trotzdem wurden die Trennungslinien nicht erkannt, obwohl sie bereits bestanden. Der latente Gedankenfunke diente nur dazu, um die Wahrnehmungsfähigkeit der fünf Sinne einigermassen zu entwickeln und rein physisch anzuwenden. Das physische Leben war stark und robust, das deduktive Leben, die Selbstwahrnehmung war praktisch Null. Das damalige Leben der Menschheit konzentrierte sich im physischen Körper; es stärkte und stimulierte auf diese Weise die animalische Natur und baute durch Weiterentwicklung der fünf Sinne den physischen Organismus und die inneren Organe auf. Der Mensch wurde damals hauptsächlich ein egoistisches und kämpferisches Tier, das indes zu Zeiten einen unklaren Zug zu etwas hin verspürte, was es als besser empfand; es traten auch Augenblicke hochgradigen Verlangens auf, das aber nicht Aspiration und Drang nach Fortschritt (im heutigen Sinn), sondern nur deren keimhafte Form war.

Für den heutigen Menschen ist es unmöglich, einen solchen Bewusstseinszustand zu verstehen oder sich vorzustellen, denn er hat ihn seit undenklicher Zeit hinter sich gelassen. Die Lebenskraft war damals in den Nebennieren konzentriert und erzeugte tierischen Mut und Widerstandskraft gegen Schicksalsschläge jeder Art. Aber der Dualismus der menschlichen Wesensart war nach wie vor da, und allmählich zeigten sich die ersten Trennungslinien. Einige wenige Pionierseelen verlagerten nach und nach ihr Bewusstsein in den Solarplexus, so dass ein Verlangen nach materiellen Dingen [120] geweckt und die Fähigkeit zu Gefühlsregungen entwickelt wurde. Bis zu dieser Zeit waren in der lemurischen Ära Verlangen und Instinkt identisch. Denkt über diese interessante Tatsache nach, denn es handelt sich um einen Bewusstseinszustand, von dem der heutige Mensch praktisch nichts weiss. Im Atlantischen Zeitalter begann das - noch immer materialistische - Streben nach erreichbaren Dingen die Vorherrschaft über die rein animalische Natur zu gewinnen; die Trennungslinien zwischen dem instinktiven Tier und dem auf Erwerb bedachten Menschen zeichneten sich immer deutlicher ab.

Allmählich entwickelte sich bei diesen bahnbrechenden Menschen das mentale Element, genauso, wie sich heute bei den mentalen Menschentypen das intuitive Element entfaltet. Die Menschen begannen, sich eine Art mentaler Wahrnehmung anzueignen und ihr geringes Denkvermögen für die Vermehrung ihres materiellen Besitzes nutzbar zu machen. Damals begann das Stadium der Zivilisation, die im Grunde genommen eine Anerkenntnis der Gruppenbeziehung ist. An die Stelle eines ausschliesslich nomadischen und Ackerbau treibenden Daseins trat ein städtisches Leben. Die Leute kamen zusammen, um für sich mehr materiellen Komfort und grösseren Schutz zu erlangen, die Stadien der Verdichtung und der weltweiten Ausbreitung begannen. Diese Zyklen ähneln dem Ein- und Ausatmen des menschlichen Organismus. Eines Tages wird man diese beiden grundsätzlichen und bestimmenden Faktoren studieren und nach den Ursachen forschen, warum die Menschen einerseits sich absondern und andererseits das Gemeinschaftsleben (die Ausdrucksform des Herdeninstinkts auf einer höheren Daseinsebene) suchen. In den letzten Jahrhunderten entstand ein grosses Problem dadurch, dass die Menschen immer mehr dazu neigten, in die Städte zu ziehen und sich dort in grossen Massen anzusammeln. Die ländlichen Gebiete werden entvölkert, und dadurch entstehen ernste Probleme der Ernährung und Gesundheit, ja auch der Kriminalität. Gerade jetzt sind wir Zeugen dessen, wie sich dieser Rhythmus zu ändern beginnt, und damit findet ein ernstes Problem seine Lösung. Städte werden evakuiert, Männer und Frauen müssen aus verschiedenen Gründen in ländliche Gebiete übersiedeln. Die Herren der Evolution brechen den Rhythmus der Zentralisierung und setzen an dessen Stelle den Rhythmus der Zerstreuung. Das [121] ist gut für die Menschheit, und das wird die Entwicklung einer subjektiven Synthese erleichtern, was wiederum die Menschheit bereichern und ihr neue Lebenswerte bringen wird.

Im Atlantischen Zeitalter wurden die Trennungslinien zwischen der animalischen instinktiven Natur und irgendeiner Form des Verlangens (keimhafter Aspiration) immer deutlicher. Diese frühe Zivilisation begann ihre Eigenart zu prägen und zu bekunden, und sie bestimmte mit zunehmender städtischer Entwicklung immer mehr den Standard materiellen Komforts und egoistischer Vorherrschaft. Es fällt uns vielleicht die Vorstellung schwer, dass es damals eine ebenso Dicht bevölkerte Welt gab wie heute; aber so war es. Da die animalische Natur vorherrschte, richtete sich das Streben auf sexuelle Beziehungen und auf die Gründung grosser Familien. Die gleiche Tendenz zeigt sich auch heute noch bei den unteren Gesellschaftsschichten, denn die Landleute und die Bewohner der Elendsviertel zeugen mehr Kinder als die Intelligenzkreise. In jenen längst vergangenen Zeiten besassen nur die Jünger und Eingeweihten wirkliche Intelligenz; sie leiteten und behüteten die junge Menschheit, so, wie die heutigen Eltern ihre Kinder leiten und behüten und so, wie der Staat die Verantwortung für das Wohl der Nation trägt. Die Mitglieder der Hierarchie weilten in jenen Zeiten auf Erden als Priesterkönige, die wie Magnete wirkten; sie zogen alle jene zu sich heran, bei denen die immateriellen Werte langsam zur Vorherrschaft kamen. Dadurch wurden die Trennungslinien zwischen Materialismus und Geistigkeit noch klarer und deutlicher.

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Geistigkeit jener Zeit qualitativ etwas ganz anderes war, als was wir heute darunter verstehen. Sie war gleichsam ein Streben nach einer erahnten künftigen Daseinsform, nach Stillung des Schönheitsdurstes und Bereicherung des Gefühlslebens. Bei dieser Geisteshaltung gab es kein Denken in unserem heutigen Sinn, sondern nur ein Streben und Sehnen nach einem erahnten Unerreichbaren und nach allem, was an Wünschen noch unerfüllt war. Die Hierarchie nährte dieses Streben, indem sie den Menschen verschiedene Erfindungen schenkte und die instinktgeleiteten Massen dazu benützte, um grosse und schöne Städte zu bauen und gewaltige Bauwerke zu errichten, deren Reste noch [122] heute bestehen. Dies erfolgte unter der fachmännischen Leitung von Eingeweihten und Adepten, die ihre Kenntnisse über das Wesen der Materie und der Energie dazu benutzten, um vieles hervorzubringen, wonach die heutigen Menschen tastend streben und was sie entdecken und ermöglichen möchten. Die Errungenschaften der modernen Zivilisation und noch viel mehr als all das, was in der Bezeichnung «wissenschaftliche Entdeckungen» inbegriffen ist, waren den alten Atlantiern bekannt; aber sie hatten das nicht selbst entwickelt und entdeckt, sondern es wurde ihnen freiwillig geschenkt, so, wie man heutzutage einem Kind schöne und wunderbare Sachen schenkt, das sie benutzt und sich daran erfreut, aber nicht im mindesten versteht. Überall gab es grosse und schöne Städte mit vielen Tempeln und monumentalen Bauwerken; die Ruinen in Chaldäa und Babylonien sind nur entartete Überbleibsel, und die modernen Wolkenkratzer im Vergleich dazu Zwerge. Fast alle Kenntnisse der heutigen Wissenschaftler waren diesen Priesterkönigen bekannt, und in den Augen der erstaunten Massen war dies eine Art wundervoller Magie. Sanitätswesen, Hygiene, Transportmittel und Flugmaschinen wurden entwickelt und waren ganz ausgezeichnet. Alle diese Dinge waren aber nicht menschliche Errungenschaften, sondern Gaben der Hierarchie, die unter weiser Anleitung geschaffen und entwickelt wurden. Luft und Wasser wurden beherrscht, weil die Menschheitsführer wussten, wie die Kräfte der Natur und der Elemente beherrscht und bemeistert werden müssen; aber all das war nicht das Ergebnis menschlichen Verstehens, Wissens oder Bemühens. Das Denkvermögen der damaligen Menschen war noch nicht entwickelt, denn es war für solche Aufgaben genausowenig ausreichend wie das eines kleinen Kindes.

Die Spaltung zwischen diesen beiden Gruppen (von denen die eine die materialistischen Kräfte und die andere die Lichtenergie manifestierte) nahm immer mehr zu, so dass am Ende des Atlantischen Zeitalters die Trennungslinien zwischen diesen beiden Lebens- und Denkrichtungen so deutlich waren, dass die damalige zivilisierte Welt in eine Krise gestürzt wurde; der gegenwärtige Konflikt ist eine ganz deutliche Auswirkung jener Krise. Lasst uns hoffen, dass dieser Konflikt einen Höhepunkt darstellt, der sich niemals mehr wiederholen wird. Dann begann der grosse Krieg zwischen den Herren der Form und den Herren des Seins, zwischen den Kräften der Materie und der Grossen Weissen Loge. Ein genaues Studium [123] des zweiten Bandes der Geheimlehre wird Studierenden vieles klar werden lassen, besonders die Seiten 275-466 (der englischen Ausgabe). Für unser Verständnis mag dieser Bericht vielleicht unklar und dunkel erscheinen, aber damals war der Sachverhalt oder Ausgang klar. Die Kräfte des Lichtes triumphierten, weil die Hierarchie gezwungen wurde, machtvoll einzugreifen und weil grosse Wesenheiten (nicht von diesem Planeten) Hilfe leisteten. Sie brachten die atlantische Zivilisation nach einem lange währenden Chaos und Unheil zu einem jähen Ende. Das fand seinen Höhepunkt in einer Katastrophe, bei der Hunderttausende von Menschen von der Erde weggefegt wurden. Dieses historische Ereignis ist uns in der weltweit bekannten Legende von der Sintflut überliefert worden.

In der Bibel werden die Überlebenden dieser Katastrophe symbolisch als jene bezeichnet, die in der Arche Noah gerettet wurden. In den uralten Schriften wird dies wie folgt beschrieben:

«So wie eine Drachenschlange langsam ihren Körper entrollt, so öffneten die von den Söhnen der Weisheit geführten Menschensöhne ihre Pferche und verbreiteten sich wie ein Strom fliessender süsser Wässer... Viele Kleinmütige gingen dabei zugrunde. Aber die meisten wurden gerettet.»

Ein genaues Studium der in der Geheimlehre wiedergegebenen Erzählung zeigt uns, wie unreif und unentwickelt (im Vergleich zu heute) die damalige Menschheit war und dass der Schwerpunkt ihres Bewusstseins grundsätzlich im physischen und emotionellen Leben lag; es zeigt uns aber auch die magische Fähigkeit des Menschen, die untermenschlichen Naturreiche und die Elementarkräfte des Planeten zu unterwerfen und zu beherrschen. Diese beiden Gesichtspunkte wurden bisher nur wenig beachtet.

Mit Recht wurde jedoch das göttliche Eingreifen betont; so gelang es, eine ethisch («geistig» kann man kaum sagen) gesunde Minderheit zu retten und jene zu vernichten, die eine falsche Einstellung hatten und sich einem Leben materieller Bestrebungen und Vorstellungen hingaben.

Diese gerettete Minderheit [124] wurde zur Kerngruppe unserer jetzigen arischen Rasse. Das ganze Thema des Alten Testaments behandelt die Entfaltung und Zunahme dieser Kerngruppe. Symbolisch gesprochen: die Bewohner der Arche und ihre Nachkommen sowie die jüdische Rasse repräsentieren den Rest der Menschheit, der dennoch und trotz ungeheurer Schwierigkeiten von der Grossen Weissen Loge gerettet wurde.

Zwei Punkte verdienen hier Beachtung. Der erste, vom Standpunkt der Seele weniger bedeutsame Punkt ist der, dass fast alle Zeichen der wunderbaren atlantischen Zivilisation von der Erde verschwunden sind; einige Ausnahmen bilden die wenigen archäologischen Schätze, die das Interesse der heutigen Forscher erregen sowie jene dunklen Erinnerungen an uralte wissenschaftliche Errungenschaften, die den heutigen Wissenschaftler zu Erforschung und Erfindung führen und die ihn zur Entdeckung und Erschaffung all dessen anspornen, was wir den Triumph der modernen Wissenschaft nennen.

Der zweite Punkt ist für das Wohl der Menschheit bedeutsam die Hierarchie zog sich in den Hintergrund zurück und überliess es dem Menschen, den richtigen Weg, der aus Täuschung und Illusion herausführt, selbst zu finden und die uralten Spaltungen endgültig zu beseitigen. Mit Krieg muss endgültig Schluss gemacht werden, damit er endlich einmal aufhört, ein Mittel zur Erreichung erwünschter Ziele zu sein.

Die neue Epoche
 

Ich möchte an dieser Stelle innehalten und euch an ein oder zwei Punkte erinnern, die jetzt Anerkennung finden sollten, da wir uns einer neuen Epoche nähern, in der diese Auswirkungen ihren Höhepunkt finden. Ich will sie kurz und klar angeben.

Die Trennungslinien zwischen Materialismus und Geistigkeit (im heutigen Sinn) sind immer deutlicher geworden. Zwei Faktoren haben dazu beigetragen. Erstens die Verkündigung der Zehn Gebote. Obwohl diese der Form nach negativ und in der Denkweise dogmatisch waren, haben sie dennoch die entscheidenden Fragen und die erforderlichen Standpunkte genügend geklärt. Zu [125] der Zeit, als die Gebote verkündet wurden (viel früher, als man annimmt, denn die Zeitangabe in der Bibel ist nicht richtig), befand sich die Menschheit im allgemeinen auf einer verhältnismässig niederen Intelligenzstufe. Die Zehn Gebote wurden daher in der Formulierung «Du sollst nicht» verkündet, um den Menschen eine Richtschnur zu geben, wie sie den materiellen Aspekt ihrer Tendenzen zum Ausdruck bringen und sublimieren sollten. In Zukunft werden die Zehn Gebote in umgekehrter Form, also aus geistiger Sicht, formuliert werden; den Ansatz dazu finden wir in der Bergpredigt und in den Seligpreisungen.

Zweitens zog sich die Hierarchie zurück, damit die Menschheit nicht durch Zwang und übermässige Hilfeleistung beeinträchtigt und behindert würde, zur Reife und Mündigkeit zu kommen; sie sollte vielmehr aus eigener Kraft die wesentlichen göttlichen Eigenschaften zum Ausdruck bringen. Von diesen sind der freie Wille und das unterscheidende Denkvermögen die wichtigsten. In den Zeiten von Atlantis gab es keinen freien Willen. Heutzutage besteht ein Zug oder Hang zum freien Willen (beachtet diesen Ausdruck), und wir nennen ihn Freiheit und Unabhängigkeit; die Freiheit des Denkens und das Recht eines jeden Menschen, alle jene Kernfragen zu entscheiden, die für die Gruppe (deren Teil er ist) bestimmend sind oder sein sollten. Das sind zwar Merkmale und Eigenschaften eines freien Willens, aber nicht das göttliche Prinzip des freien Willens an sich. Von diesem wissen wir bis jetzt nur wenig. Nur die Weltjünger und Eingeweihten kennen die wahre Bedeutung und Tragweite freien Wählens sowie den rechten Gebrauch des Willens, weil sie sich vom Wohl der Gruppe und von den Bedürfnissen der Menschheit leiten lassen.

Die Prüfung, der die Menschheit unterworfen wurde und die heute der massgebliche Faktor ist, sollte der Feststellung dienen, ob die Menschheit bei entsprechender Entwicklung die gewonnenen Kenntnisse, die wissenschaftlichen und mentalen Errungenschaften für das Wohl der Gruppe- oder aber für egoistische Ziele, für geistige Impulse - oder für materielle Zwecke einsetzen würde. Dieser uralte Widerstreit ist seither in einen anderen Bereich menschlichen Wirkens hineingetragen worden, nämlich in den des Denkens. In dem Mass, in dem die Menschheit Fortschritte gemacht und die «Persönlichkeit» der Menschen eine hohe Stufe der Integration und Vollendung erreicht hat, ist auch dieser Streit oder Gegensatz heftiger geworden; die Sachlage ist jetzt klarer, und die beiden gegensätzlichen Lager haben sich jetzt so vollständig formiert, dass der Endkampf beginnen kann.

Die grosse Masse [126] der intelligenten Bevölkerung dieses Planeten schätzt jetzt die Situation richtig ein und kann im allgemeinen die zugrunde liegenden Faktoren dem Denkvermögen aufzeigen. Obgleich die Gesichtspunkte natürlicherweise durch nationale Traditionen, herkömmliche Ideen und Richtlinien sowie durch Umwelteinflüsse und Vorurteile gefärbt sind, so ist die Menschheit dennoch den langen Weg weitergegangen, hin zu ihrer endgültigen Emanzipation. Es ist daher in gewissem Grad ein freier Wille erkennbar, und dieser völlig neue Faktor spricht für eine höchst befriedigende Entwicklung. Ich möchte indes auf einen sehr wichtigen Punkt hinweisen: die breiten Massen, die Mittelklassen, das Bürgertum und das Proletariat (in der heute allgemein üblichen Bedeutung) sind noch immer Opfer von Autorität und Macht, und sie bleiben vergleichsweise im Zustand nicht denkender Kinder. Das bedeutet, dass der Kampf eigentlich nur innerhalb einer kleinen Minderheit ausgetragen wird, die sich über den Sachverhalt und die entscheidenden Fragen völlig im klaren ist und die sich eindeutig auf die eine oder die andere Seite der kämpfenden Kräfte gestellt hat. Ein paar Menschen, direkte Nachkommen - oder besser gesagt Wiederverkörperungen - der Führer im uralten atlantischen Konflikt, sind jetzt auf der Erde; sie lenken die Kräfte des Lichtes oder der Finsternis, und sie bringen Millionen von Menschen in kämpferische Organisationen, die ihren Führern blindlings gehorchen.

Die Trennungslinien haben sich ständig erweitert. Auf der einen Seite sehen wir eine Menschheit, deren Streben auf höhere geistige und altruistische Werte gerichtet ist, deren Leitgedanken Opferbereitschaft, das Wohl der Gruppe und weltweite Verständigung sind. Auf der anderen Seite stehen jene Menschen, die hauptsächlich materielle Dinge erstreben, egoistische Ziele verfolgen, ehrgeizig und vom Geist der Gewinnsucht erfüllt sind.

Eben diese klare akute Situation und die universale starke Spaltung veranlassten die beobachtende Hierarchie, trotz der damit verbundenen Risiken, die Shamballa-Kraft direkt in die Welt einströmen zu lassen. Ihr Ziel war, den freien Willen der Massen zu stimulieren. Die Wirkung war relativ befriedigend. Die grossen Weltideologien traten mit ihren Programmen hervor: der Faschismus, die [127] Demokratie und der Kommunismus. Dazu kam noch diese eigentümliche verzerrte Mischung von Faschismus und Kommunismus: Hitlers Nationalsozialismus. Alle diese Ideologien werden von dem dringenden Verlangen der Massen in den betreffenden Ländern genährt, ihre derzeitige Lage zu verbessern. All dies wurde durch die Kraft des Shamballa-Einflusses hervorgerufen, verschärft und zur Auswirkung gebracht. Aber dieser Zustrom des Willens zur Macht hatte auch noch eine andere Auswirkung: Er stimulierte in vielen Ländern gewisse Gruppen hervorragender Persönlichkeiten, welche die Macht über die Massen an sich gerissen haben und auf diese Weise den religiösen, politischen und sozialen Kurs sowie die Programme und Methoden bestimmen. In jeder Nation entscheidet eine verhältnismässig kleine Gruppe über alle wichtigen Fragen und bestimmt alle grösseren nationalen Aktionen. Das erfolgt entweder durch Gewalt, Terror und Täuschung oder durch Überredung mit ehrlichen freundlichen Worten und durch Anwendung ideologischer Leitgedanken. Die Herren des Karma machen von dieser Situation Gebrauch, um den uralten Streit zu beenden und so die Menschheit zu befähigen, verhältnismässig frei und mit einem klaren Verstehen der rechten menschlichen Ziele und Beziehungen und der vorbestimmten Zukunft in das Wassermann-Zeitalter zu kommen.

Es dürfte keinen Zweck haben, der Beziehung zwischen dem derzeitigen Weltkonflikt und den jetzigen Weltführern einerseits und dem Konflikt und den Führern der atlantischen Epoche andererseits nachzuspüren. Es mag der Hinweis genügen, dass viele damalige Persönlichkeiten jetzt (auf einer höheren Windung der Spirale) wieder ihre (verschiedenen) Rollen in dem grossen Drama spielen. Ebensowenig würde es euch und eurem mentalen Verstehen der Situation etwas nützen, zu Einzelheiten des damaligen grossen Krieges die heutigen Parallelen anzuführen. Es hat auch für mich keinen Wert, Vergleiche darüber anzustellen, mit welchen Methoden damals und heute der Kampf um die Vormachtstellung auf beiden Seiten geführt wurde. Ihr seid nicht in der Lage, meine Aussagen und Behauptungen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Es ist jedoch sehr wichtig, dass ihr klar versteht, was auf dem Spiel steht, dass ihr die Bedeutung all dessen richtig einschätzt und begreift, von welchen Idealen sich die beiden gegensätzlichen Gruppen leiten lassen.

Es wurde behauptet, dass in der atlantischen Ära der Kampf [128] zwischen den Kräften der Finsternis (der sogenannten «Schwarzen Loge der Adepten») und den Kräften des Lichtes (der sogenannten Grossen Weissen Loge, der Hierarchie der Meister) geführt wurde. Das entsprach damals ungefähr der Wahrheit, denn der Kampf spielte sich nur zwischen zwei kleinen Gruppen ab; die grossen Massen waren nur die blinden und unglücklichen Opfer des Kampfes und der Situation.

Heute ist eine solch klare Unterscheidung zwischen den beteiligten Kräften nicht möglich und eigentlich auch nicht zulässig. Man kann keine Nation oder Gruppe von Nationen verallgemeinernd in schwarze oder weisse Klassen einordnen. Das müsst ihr bedenken und beachten. Nur intolerante und voreingenommene Menschen, denen es an geistiger Schau mangelt, werden in dieser Weise sprechen. In jeder Nation gibt es viele Tausende Menschen, die sich von den Kräften des Lichtes beeinflussen und leiten lassen, die daher normalerweise leicht empfänglich sind für die Grundidee des guten Willens, für den Wunsch nach rechten Beziehungen zwischen allen Menschen und für das Ideal wahrer internationaler Verständigung. Andererseits gibt es auch in jeder Nation Menschen, bei denen solche Gedanken keinen Anklang finden, die noch im dunkeln leben, blind für den wahren Sachverhalt. Dies ist eine Tatsache. Jene Menschen, die bestrebt sind, guten Willen und gegenseitige Verständigung anzubahnen, sind wohl in der Mehrheit, aber ihr Einfluss reicht bis jetzt nicht aus, um die Situation zu beherrschen oder ihre Führer zu zwingen, dem Willen zum Guten der Massen zu folgen. Diese Menschen werden von der Hierarchie entweder inspiriert oder geschützt; nach Beendigung des Krieges wird es ihre Aufgabe sein, die freie Bezeigung dieses guten Willens zu stimulieren.

Die andere Gruppe besteht aus jenen Menschen, die aus Neigung oder infolge uralten Karmas die Nachfolger der Herren der Finsternis sind; ihre Aktionen und Ideale ermöglichen die Wirksamkeit der materialistischen Kräfte. Bitte beachtet diese Formulierung. Sogar die gefährlichsten von ihnen sind sich irgendeiner Form von Idealismus bewusst, aber sie sind irregeleitet, und ihr ganzes Interesse gilt nur dem Willen zur Macht (Macht auf der physischen Ebene vermittels der Wirksamkeit von Formen). Dieser Wille wurde durch die einströmende Shamballa-Energie stimuliert. Wegen dieser Reaktionen und Tendenzen bilden sie Brennpunkte [129] für jene Wesenheiten und Energien, die der Materie selbst innewohnen und deren Einfluss und Wirken der Erhaltung der Form und alles Bestehenden gilt. Sie sind ständig bemüht, das Neue unwirksam zu machen und die Evolution sowie die Entfaltung des menschlichen Bewusstseins zurückzuhalten. Vergesst nicht, dass das wirkliche Problem im Bereich des Bewusstseins liegt; es ist ein Kampf zwischen Form und dem Leben in der Form, zwischen Fortschritt, der zur Befreiung des menschlichen Geistes führt, und der reaktionären Tätigkeit, die zur Einkerkerung des menschlichen Bewusstseins führt und dessen freie Wesensäusserung einschränkt.

Ich möchte hier innehalten und euch feierlich bitten, die Trennungslinien nicht dadurch zu erweitern, dass ihr euch und alle jene Menschen, die eurer Ideologie folgen, mit den Kräften des Lichtes identifiziert, und alle anderen Leute und deren Ideologien, mit denen ihr vielleicht nicht einverstanden seid, den Kräften der Finsternis zuordnet. Letzten Endes geht es um das Recht, den Willen zum Guten zu bezeigen, und die menschliche Verbundenheit, unbehindert von Grenzen und nationalen Denkgewohnheiten zum Ausdruck zu bringen. Das bedingt das Recht und die empfundene Notwendigkeit, allen Wesen Liebe zu erweisen und auf diese Weise Hass und Separatismus auszurotten. Dazu gehört ferner das Recht aller Nationen, untereinander und mit ihren Nachbarn in Frieden und Eintracht zu leben und die wahre innere Synthese der Menschheit zum Ausdruck zu bringen; nationale Besitztümer, Grenzen, Kultur, Macht und Ehrgeiz müssen zurückstehen vor dem Wohl der Allgemeinheit und dem irdischen Wohlergehen der Menschen. Das ist das Entscheidende und der Kern der ganzen Sache. Alle nationalen und patriotischen Appelle und Aufrufe sind nur die Versuche der führenden Männer, ihre Völker in einer bestimmten Richtung des Denkens und Handelns zu halten. Diese Führer begründen ihre Standpunkte mit verschiedenen Argumenten, wie z. B.: Wir müssen die Demokratie in der Welt schützen und erhalten; wir brauchen Lebensraum; wir müssen die Rechte der kleinen Nationen verteidigen; wir müssen das Gleichgewicht der Mächte erhalten; wir müssen der Gewalt mit Gewalt entgegen treten; wir müssen die alten historischen Grenzen wiederherstellen; wir müssen mit Nachdruck eine höhere Kulturstufe anstreben; wir müssen den wirtschaftlichen Ruin verhindern; wir müssen die nationalen Belange und Interessen wahren. Aber die wahre Tendenz ist eine andere: Der Bevölkerung soll, ohne dass sie es merkt, eine bestimmte Denkweise und Denkrichtung aufgezwungen werden.

Welchen Weg wird [130] die Menschheit gehen? Wird sie den Weg der Selbstlosigkeit gehen, der in der Bereitschaft zum Ausdruck kommt, stets im Interesse aller zu handeln und dadurch die gegenseitige Verständigung und Einigung in der Welt zu fördern? Oder wird sie den Weg der Selbstsucht und Angriffslust gehen, der in einem übertriebenen Nationalismus zum Ausdruck kommt und damit die wahren und umfassenderen Werte, nämlich Freiheit, Unabhängigkeit und uneingeschränktes Denken, aufgibt? Diese Selbstsucht kann sich durch aktive Aggression oder durch eine aktive Neutralität zeigen. Jene Nationen, die in keiner Weise an diesem Kampf teilnehmen, werden viel verlieren. Dadurch, dass sie ihren eigenen egoistischen Kampf steigern und den wahren Sachverhalt mit schönen Worten bemänteln, tragen sie dazu bei, den Kampf zu verlängern und das eigene Volk von einer nützlichen Gelegenheit zurückzuhalten.

Ich möchte auch noch auf folgenden Punkt hinweisen: So wie es in allen Familien, Geschäftsunternehmen und Organisationen massgebende, mit Autorität ausgestattete Menschen gibt, die Pläne und Aktionen ausdenken, genauso verhält es sich mit der organisierten Gemeinschaft, die wir die Menschheit nennen; auch hier gibt es Brennpunkte der Autorität, Menschen, die planen, lenken und das äussere Geschehen bewirken. Diese führenden Menschen befinden sich jetzt in dem Stadium, in dem sie ihre Persönlichkeit zur Reife bringen und vollenden. Nach erlangter Integration, wobei Gefühl, Wahrnehmung und Denkvermögen vereint zum Ausdruck kommen, erleben sie jetzt eine Zeitspanne, in der sie auf der physischen Ebene höchst wirksam und erfolgreich tätig sind.

Diese führenden Persönlichkeiten werden benützt, um in der Welt zwei grosse Veränderungen herbeizuführen. Die erste ist die Verschmelzung von Völkerschaften und Minderheiten, so dass koordinierte Reiche und Kulturnationen in Erscheinung treten. Zweitens werden Grenzen und Siedlungsbezirke geändert, so dass eine vollständige Berichtigung der Landkarten für Asien, Europa und Afrika erfolgen kann.

Bei dieser Fusion sind drei hauptsächliche Methoden erkennbar. Grossbritannien, die USA und die UdSSR verwirklichen das Prinzip des Staatenbundes, der Bündnisse und des Zusammenschlusses von Völkern zu Gemeinschaften; sie alle reagieren auf dieselbe Inspiration, verwenden aber verschiedene Methoden, um die erwünschten Ziele zu erreichen. Seid nicht erstaunt, dass ich da auch [131] Russland miteinbezogen habe. Die Ideologie dieses Landes ist grundsätzlich genauso gesund und vernünftig wie die der anderen Gruppen; der Unterschied liegt nur in den Faktoren der Persönlichkeit und der Anwendungsweise der Ideologie. Die Vorherrschaft mächtiger und gefährlicher Persönlichkeiten sowie die Anwendung von Gewalt und Grausamkeit sind bisher nur in den beiden erstgenannten Völkergruppen vermieden worden; der Grund dafür ist der, dass die Inspirationen aus verschiedenen Quellen stammen und daher verschiedene Wirkungen hervorbringen. Ein weiterer Grund ist auch darin zu finden, dass Macht in die Hände derer gelegt wurde, die entweder geschichtlich zum Führer oder Herrscher nicht vorbereitet sind oder in den bisherigen Inkarnationen erst die der Kinderstube vergleichbare Entwicklungsstufe erreicht haben.

Dessen ungeachtet kann man bei diesen drei Arten von Gemeinschaften viel Interessantes feststellen. Grossbritannien stellt eine Verschmelzung dar, deren Grundlagen in einer langen historischen Vergangenheit geschaffen wurden- als Vorbereitung auf diese Staatsführung. Die USA repräsentieren eine Verschmelzung, die in der Gegenwart stattfindet und Fortschritte macht; die Experimente für diese Verschmelzung sind neu, obwohl dabei die Leitgedanken vieler europäischer Nationen zur Anwendung kommen. Die UdSSR wiederum verkörpert eine in Bildung begriffene Verschmelzung oder zukünftige Synthese. Diese drei Völkergruppen sind interessante und unmittelbare Erscheinungsformen der drei göttlichen Aspekte, von denen jeder die keimhafte Zivilisation inspiriert und beeinflusst. Grossbritannien bringt den Willen zur Macht zum Ausdruck, aber aufgrund jahrhundertealter teuer erkaufter Erfahrungen ist dieser Wille jetzt durch Gerechtigkeit und ein wachsendes Verständnis für menschliche Not gereift und abgeklärt. Das wiederum ergab sich dadurch, dass viele Jahrhunderte lang die Herrschaft in den Händen der Aristokratie lag mit ihrem Paternalismus, Konservatismus und langsamen Reformen. Die USA bringen den Willen zur Liebe zum Ausdruck, der sich in der Fähigkeit bekundet, ganz verschiedenartige Elemente in sich aufzunehmen und dennoch allen Bürgern gleiche Chancen zu bieten. Das ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Macht in diesem Staatenbund in den Händen des Bürgertums liegt, das finanzielle Ziele verfolgt und das Talent hat, die Lebensbedingungen zu bestimmen, und das einen raschen und sympathischen Kontakt zum Leben gewinnt. Die angewandte Methode besteht nicht in langsamer Reformierung, sondern in schneller Assimilierung. Überdies ist die Bevölkerung der USA für den Einfluss der [132] Hierarchie sehr empfänglich. In der UdSSR äussert sich der Wille zu erschaffen, neue Bedingungen und eine neue Ordnung herbeizuführen - alles bedacht, geplant und im voraus festgesetzt. Sehr oft wurde dies durch grausame Methoden erreicht, auch durch Kompromisse und durch die Bereitschaft, das ursprüngliche Ideal zu ändern oder abzuschwächen. Das wiederum resultiert aus der Aktivität des Proletariats, das für eine Staatsführung unfähig ist, das den Wunsch hat, Vergeltung zu üben, und das weder Tradition noch überlieferte Handlungsweise kennt.

In diesen drei Gruppen mit ihren untereinander zusammenhängenden Elementen und ganz verschiedenen nationalen Idealen manifestieren sich daher höchstinteressante Experimente. Die UdSSR wird schliesslich ihr Hauptaugenmerk dem asiatischen Kontinent (bis zum Pazifik) zuwenden und dort sehr viel verändern. Grossbritannien, welches das Prinzip loser Staatenbündnisse erfolgreich demonstriert hat, kann in Europa entscheidende Veränderungen herbeiführen, wenn es zu klarer Einsicht kommt, echte und mitfühlende Gerechtigkeit bekundet und weise Geduld übt. Die USA haben für Nord- und Südamerika eine ähnliche Aufgabe, die hohe staatsmännische Kunst und einen Geist einsichtsvollen Verstehens erfordert.

Wenn ihr die obigen Hinweise richtig verstanden habt, dann wird euch klar sein, dass die Shamballa-Energie durch die Gemeinschaft verbündeter Nationen, die wir das Britische Weltreich nennen, wirkt und den Willen zur Synthese sowie den Willen zu gerechter und legaler Handlungsweise zum Ausdruck bringt. Die Kraft der Hierarchie kann in den USA immer stärker zum Ausdruck kommen, denn ein intuitives Erkennen der subjektiven Wirklichkeiten und ein echter Sinn für höhere Werte bestimmen und steuern häufig die Impulse dieses Staatenbundes. Der in der Menschheit vorhandene Wille zu sein, der die menschlichen Werte fast übertrieben in den Vordergrund stellt sowie der Wille, schöpferisch zu herrschen, das ist der Beitrag der grossen Föderation der UdSSR. Wir sehen also, wie sich der Einfluss der drei grossen Weltzentren (über die ich weiter oben geschrieben habe) durch diese drei Gruppen von Nationen auswirkt. Gleichzeitig jedoch ist die Shamballa-Kraft in allen drei Gruppen wirksam, denn sie entwickelt Zusammenschluss und Synthese. Dieser föderalistische Geist bekundete sich zum erstenmal im 18. und 19. Jahrhundert. Damals [133] bildeten sich aus vielen kleineren Staaten, Herzogtümern und Königreichen die Staaten Italien und Deutschland. Ein Studium der historischen Tendenz zum Zusammenschluss in der neueren Zeit würde sich als höchst aufschlussreich erweisen. Man würde feststellen, dass die ersten schwachen Anzeichen bereits um 1575 n. Chr. erkennbar waren. Das kam daher, dass das Einströmen dieser integrierenden Kraft, das die Hierarchie auf ihrer Jahrhundert-Konferenz im Jahr 1425 verlangt hatte, erlaubt wurde. (Ich berichtete über diese Konferenz in meinem Buch «Eine Abhandlung über Weisse Magie», S. 434-469 sowie im 1. Band «Eine Abhandlung über die Sieben Strahlen», S. 198-219).

In der zweiten Gruppe von Nationen, die ihre Ideologien änderten und auf die Nöte der Massen reagierten, sind Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Portugal zu finden; sie alle änderten ihren alten politischen Kurs und ihre Regierungsform, und sie reagierten langsam und allmählich auf die Shamballa-Kraft. Diese Reaktionen erfolgten indes durch grosse und hervorragende Persönlichkeiten, die für den Willen zur Macht und den Willen zu ändern besonders empfänglich waren; sie änderten während der letzten 150 Jahre die Sinnes- und Wesensart ihrer Nationen und betonten immer stärker die umfassenderen menschlichen Werte. Zu diesen Persönlichkeiten gehören die Männer, die den Anstoss zur Französischen Revolution gaben: der grosse Eroberer Napoleon; Bismarck, der Schöpfer einer Nation; Mussolini, der Erneuerer seines Volkes; Hitler, der die Verantwortung für ein unglückliches Volk auf sich nahm; Lenin, der Idealist, Stalin und Franco. Sie alle sind Manifestationen der Shamballa-Kraft und gewisser, wenig verstandener Energien. Sie haben zu ihrer Zeit das Bild Europas wesentlich verändert, zogen infolgedessen Asien in Mitleidenschaft und beeinflussten bestimmend die Geisteshaltung und Politik in Amerika.

Auch wenn die Auswirkungen gefährlich und schrecklich waren, so führten sie dennoch dazu, dass sich in der Menschheit zwei sehr wesentliche Charakterzüge entwickelten. Erstens eine umfassende Zunahme des Unterscheidungsvermögens und zweitens die Tendenz [134] zur Ausbreitung, wodurch die Weltseele mit Zivilisations- und Kulturwerten sowie mit den mannigfaltigen Gaben der vielen Völker beschenkt wurde. Der Trieb in England, in die Kolonien zu gehen, der Drang vieler Menschen aus Europa, nach Nord- und Südamerika auszuwandern, die Zerstreuung innerhalb der nationalen Grenzen wegen eines Krieges oder weil es ratsam war (wie z.B. Die Evakuierung von Städten), der Abtransport von Menschen aus Italien und von Volksgruppen innerhalb Russlands, das ständige Weiterziehen der wandernden Juden - all das sind Anzeichen dafür, dass in weltweitem Massstab die Grenzen zusammenbrechen und ein Vermischungs- und Verschmelzungsprozess eingesetzt hat, wie ihn die Welt bis jetzt noch nicht gesehen hat. Es ist aber auch ein Erziehungsprozess von unschätzbarem Wert, der ständig dazu nötigt, Ansichten aufs neue zu überprüfen, Lebensweisen zu ändern, untereinander zu heiraten und sogenannte unerlaubte Beziehungen einzugehen. Der äussere Wechsel bewirkt eine innere Synthese und eine äussere Zerstreuung, und die Spaltungen wirken sich innerlich als engere Beziehungen und als zunehmend toleranter Geist der Verständigung aus. Infolge der vielen umwälzenden Ereignisse, der vielen sich ändernden Situationen und der vielen Ansichten und Theorien über Regierung und Religion entwickelt sich überall und in allen Gesellschaftsklassen die Fähigkeit, gründlich nachzudenken, zu wählen und zu unterscheiden. Das ergibt sich naturgemäss aus neuen Kontakten und aus der schnellen Berichterstattung durch Presse und Rundfunk.

Gerade das ist vom Standpunkt der Evolution und des zunehmenden Weltbewusstseins von Bedeutung. Die Ereignisse in der äusseren Welt sind nur damit verbundene Folgeerscheinungen, die keinen dauernden Einfluss ausüben.

Die einander folgenden Ereignisse und kritischen Situationen kommen durch Energiebrennpunkte zustande. Das sind die Diktatoren, Staatsmänner und sonstigen hervorragenden Persönlichkeiten in aller Welt. Ebenso tragen auch Gruppen dazu bei, die nur für ihre eigenen Ziele arbeiten oder die (was noch häufiger der Fall ist) sich von einem Ideal oder von der Weisheit einer Gruppe leiten lassen, gleichzeitig aber auch persönliche Ambitionen verfolgen, den Willen zur Macht bekunden und danach streben, [135] Mittelpunkt persönlicher Verherrlichung zu werden. Wir nennen diese Leute Diktatoren, Demagogen, inspirierte Führer oder gerechte und weise Menschen entsprechend unserer Ideologie, Tradition, Einstellung zu unseren Mitmenschen und unserer politischen, wirtschaftlichen und religiösen Ausbildung. Aber alle diese Führer sind auch nur Menschen, so, wie alle anderen: idealistische und irrende Menschen, Patrioten, Egoisten, Streber, beeinflussbare, törichte, verschlagene, machthungrige, ehrgeizige Menschen, die klar ein Zukunftsbild erschauen und dennoch kurzsichtig reagieren, grausam oder weise je nachdem - aber letzten Endes hochentwickelte Persönlichkeiten. Sie werden benützt, um grosse und notwendige Veränderungen herbeizuführen und die Zivilisation umzubilden. An den falschen Methoden und bösen Taten ist die gesamte Menschheit schuld, ebenso an den falschen Denkgewohnheiten, welche die Menschheit selbstsüchtig und grausam gemacht und diesen grossen und weltweiten Lebensimpuls, den Willen nach Änderung, dazu gebracht haben, sich in so machtvoller und grausamer Weise zu manifestieren.

Gebt nicht die Schuld den beteiligten Persönlichkeiten oder den Männern, welche diese Ereignisse bewirken, Ereignisse, die uns bestürzen und entsetzen. Sie sind nur das Produkt der Vergangenheit und die Opfer der Gegenwart. Gleichzeitig sind sie die Vollzugsorgane des Schicksals, die Schöpfer der neuen Ordnung, die Wegbereiter der neuen Zivilisation; sie zerstören das, was zerstört werden muss, bevor die Menschheit auf dem erleuchteten Weg weitergehen kann. Sie verkörpern die Persönlichkeit der Menschheit. Schreibt euch daher selbst die Schuld zu für das, was heute geschieht; versucht nicht, euch der Verantwortung dadurch zu entziehen, dass ihr diese auf die exponierten Menschen, auf irgendwelche Staatsmänner, Diktatoren oder Gruppen abwälzt. Schaut nicht auf eine einzige Person oder Gruppe, und klagt sie nicht an, die Ursache der gegenwärtigen Weltsituation zu sein. Richtet aber auch nicht den Blick auf eine einzige Person oder Gruppe in der Erwartung, dass sie Befreiung bringen oder eine Lösung für das Weltproblem finden würde. Das ist Sache der Menschheit selbst; sie muss und wird Schritte unternehmen, wenn die Zeit dafür reif ist. Die Anerkenntnis gemeinsamer Verantwortung, gemeinsam begangener Fehler, alter irrtümlicher Ansichten, falscher Standpunkte und Denkgewohnheiten, weltweiter egoistischer Absichten und Bestrebungen, eines allgemein bestehenden Angriffsgeistes, der viele [136] Jahrhunderte lang eine Nation nach der anderen beeinflusst hat, die Tendenz im letzten Jahrhundert, zu verhärten und zu erstarren, die reaktionären Kräfte überall - das sind die Eigenschaften und Merkmale, die überall in der Welt anzutreffen sind. Keine einzige Nation oder Rasse ist frei von Schuld, keine einzige hat ganz saubere Hände. Ebensowenig ist irgendeine einzige nationale Gruppe absolut schlecht und böse oder ausschliesslich gut und selbstlos. Überall gibt es gemischte Motive. Dem Nationalismus, der Angriffslust, der Selbstsucht und der Grausamkeit stehen in allen Ländern der Wunsch nach weltweiter Verständigung und nach friedlichen Beziehungen sowie der Geist der Selbstlosigkeit und Wohltätigkeit gegenüber. Die Kräfte des Lichts haben in jedem Land ihre Anhänger und Mitarbeiter, obwohl einige von diesen in der Ausdrucksmöglichkeit stärker behindert sind als andere. Das gleiche gilt für die Kräfte des Materialismus. Und zwischen diesen beiden grossen Gruppen stehen die Massen - in Erwartung günstiger Gelegenheiten und neuer Enthüllungen.

Die Tatsache, dass diese Zustände überall in der Welt bestehen und dass die Sachlage absolut klar ist, gibt dieser Epoche eine weltweite Chance und die Möglichkeit einer planetarischen Initiation. Initiation besteht im wesentlichen darin, sich der Macht alter Bindungen zu entziehen und sich der Kontrolle mehr geistiger und zunehmend höherer Werte zu unterwerfen. Initiation ist eine Bewusstseinserweiterung, die zu einem immer grösser werdenden Erkennen der inneren Wirklichkeiten führt. Initiation ist das bewusste Erkennen eines erneuerten Sinnes für die Notwendigkeit von Änderungen und für deren weise Durchführung, so dass ein wirklicher Fortschritt erzielt wird; das Bewusstsein erfährt eine Erweiterung, es wird edelmütiger und in höherem Grad weltweit. Die Herrschaft der Seele wird in dem Masse stärker und wirksamer, wie sie die Leitung des Lebens eines Einzelmenschen, einer Nation und der Welt übernimmt.

Letzten Endes und vom Standpunkt der Hierarchie aus ist der jetzige Konflikt zwischen der Persönlichkeit der Menschheit (bei der die materiellen Werte die alles beherrschenden Faktoren in der Lebenserfahrung sind) und der Seele der Menschheit (deren bestimmende Wirkkräfte die geistigen Werte sind) identisch mit dem Konflikt, in den ein Mensch gerät, der die Stufe der Jüngerschaft erreicht hat und vor dem Problem der Gegensatzpaare steht. Dieser Widerstreit äussert sich auf verschiedene Art und Weise, je nach [137] dem Gesichtspunkt, der Herkunft und Erziehung. Man kann ihn den Kampf zwischen Christ und Antichrist nennen, aber nicht in dem Sinn, wie dieser Gegensatz meistens dargestellt oder verstanden wird. Es gibt keine einzige Nation, die entweder nur den Geist des Antichristen oder den Geist Christi manifestiert. Christ und Antichrist sind die Dualität Geistigkeit und Materialismus sowohl beim Einzelmenschen als auch in der gesamten Menschheit. Man kann diesen Gegensatz auch durch die Worte Gott und Teufel kennzeichnen - mit den gleichen grundsätzlichen Folgerungen. Was ist denn der Mensch anderes als eine Manifestation der Gottnatur (Gottes) in einer materiellen Form (des Teufels)? Und was ist denn die Materie anderes als doch nur das Medium, durch das sich die Gottnatur schliesslich in all ihrer Herrlichkeit manifestieren muss? Aber wenn es einmal so weit sein wird, dann wird die Materie nicht mehr der beherrschende Faktor, sondern lediglich ein Ausdrucksmittel sein.

Der Kampf wird also zwischen der Formseite des Lebens und der Seele ausgefochten. Der Hüter der Schwelle (der Schwelle zur Gottnatur, meine Brüder) ist die Menschheit selbst mit ihren alten eingefahrenen Denkgewohnheiten, mit ihrer Selbstsucht und Gier. Die Menschheit steht heute von Angesicht zu Angesicht dem Engel der Gegenwart gegenüber, der Seele, deren ganzes Wesen Liebe, Licht und allumfassendes Verstehen ist. Die grosse Frage ist jetzt die: Wer von diesen beiden wird aus dem Kampf als Sieger hervorgehen? Wer von diesen beiden grossen Wirkkräften des Lebens wird die Zukunft der Menschheit bestimmen und den Weg anzeigen, den zu gehen die Menschheit entscheiden wird?

Die Folgen, die auf dem Spiel stehen, sind für alle rechtdenkenden Menschen klar. Unduldsamkeit, übertriebener Nationalstolz und hochgradige Selbstzufriedenheit können die Menschen für die bestehenden Tatsachen blind machen; es gibt heute aber auch genug denkende Menschen, so dass (mehr als je zuvor in der Menschheitsgeschichte) die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie die richtige Entscheidung für die Zukunft treffen werden.