Navigieren durch die Kaptitel von diesem Buch

3. Buch - Die erreichte Vereinigung und ihre Resultate - Teil 1

3. Buch - Die erreichte Vereinigung und ihre Resultate

a. Die Meditation und ihre Stufen.

b. Dreiundzwanzig Ergebnisse der Meditation.

Hauptthema: Die Kräfte und Fähigkeiten der Seele.

DIE YOGA-LEHRSPRÜCHE VON PATANJALI

3. Buch
Die erreichte Vereinigung und ihre Resultate.

1. Konzentration ist das Festlegen des Chitta (der Denksubstanz) auf ein bestimmtes Objekt. Das ist Dharana.

2. Anhaltende Konzentration (Dharana) ist Meditation (Dhyana).

3. Wenn das Denken ganz in der Wirklichkeit (oder in der in der Form verkörperten Idee) aufgeht und sich eines Abgesondertseins oder des persönlichen Selbstes nicht mehr bewusst ist, dann ist das Kontemplation oder Samadhi.

4. Wenn Konzentration, Meditation und Kontemplation in der Aufeinanderfolge zu einem einzigen, zusammenhängenden Vorgang werden, dann ist Sanyama erreicht.

5. Sanyama bewirkt das Aufleuchten des Lichts.

6. Die Erleuchtung kommt allmählich; sie wird stufenweise entwickelt.

7. Diese letzten drei Yogamittel haben eine viel grössere innere Wirkung als die vorhergehenden.

8. Aber selbst diese drei sind nur Vorstufen zur wahren Meditation ohne Saatgedanken (Samadhi), die sich auf kein Objekt stützt. Sie wird von den Einwirkungen des noch Unterschiede wahrnehmenden Chitta (oder Denkstoffes) nicht mehr beeinträchtigt.

9. Die Aufeinanderfolge der mentalen Zustände ist folgende: Zuerst reagiert das Denken auf das, was gesehen wird; hierauf folgt der Augenblick, in dem die Gedanken beherrscht werden. Auf diese beiden Faktoren reagiert dann das Chitta (Denksubstanz). Schliesslich verschwinden auch diese beiden, und das wahrnehmende Bewusstsein herrscht uneingeschränkt.

10. Die Pflege dieser Denkgewohnheit bewirkt eine stete und unbehinderte geistige Wahrnehmung.

11. Wer die Gewohnheit fest gegründet hat und das Denken davon abhält, Gedankenformen zu bilden, erlangt schliesslich die Fähigkeit zu beständiger Kontemplation.

12. Wenn die Beherrschung des Denkens und der beherrschende Faktor im Gleichgewicht sind, folgt der Zustand höchster Konzentration.

13. Durch diesen Vorgang werden die Aspekte eines jeden Objekts erkannt: seine charakteristischen Merkmale (oder Form), seine Symbolik und der besondere Verwendungszweck unter zeitlichen Bedingungen (Entwicklungsstufe).

14. Die charakteristischen Merkmale eines Objekts sind entweder bereits erworben worden oder es sind solche, die sich jetzt manifestieren, oder solche, die noch der Entfaltung harren.

15. Die Entwicklungsstufe ist bestimmend für die verschiedenen Modifikationen der unbeständigen psychischen Natur und des Denkprinzips.

16. Durch konzentriertes Meditieren über die dreifache Natur einer jeden Form offenbart sich das, was gewesen ist und das, was sein wird.

17. Der Ton (oder das Wort), das, was er andeutet (das Objekt), und der darin enthaltene geistige Wesenskern (oder die Idee) werden vom Wahrnehmenden gewöhnlich nicht auseinandergehalten. Durch konzentriertes Meditieren über diese drei Aspekte kommt man zu einem (intuitiven) Verstehen des Tones, den alle Lebensformen aussenden.

18. Ein Wissen um frühere Leben wird möglich, wenn man die Fähigkeit erlangt, Gedankenbilder zu sehen.

19. Durch konzentriertes Meditieren werden die Gedankenbilder im Denken anderer Menschen erkennbar.

20. Da jedoch dem Wahrnehmenden nicht das Objekt dieser Gedanken offenbar wird, sieht er nur die Gedanken und nicht das Objekt. Seine Meditation richtet sich nicht auf das Greifbare.

21. Durch konzentriertes Meditieren über den Unterschied zwischen Form und Körper werden jene Attribute des Körpers, die ihn dem menschlichen Auge sichtbar machen, unwirksam gemacht (oder entzogen) und der Yogi kann sich dadurch unsichtbar machen.

22. Es gibt zwei Arten von Karma (oder Wirkungen): Jetzt wirkendes Karma und zukünftiges Karma. Durch vollkommen konzentriertes Meditieren darüber erfährt der Yogi den Zeitpunkt, wann sein Erleben in den drei Welten ein Ende hat. Dieses Wissen kommt ihm auch durch Vorzeichen.

23. Durch konzentriertes Meditieren über die drei Zustände des Empfindens - Mitgefühl, Güte und Leidenschaftslosigkeit - kann harmonisches Einssein mit anderen Menschen erreicht werden.

24. Die Meditation, die einzig auf die Kraft des Elefanten gerichtet ist. wird diese Kraft - oder dieses Licht - wecken.

25. Vollkommen konzentriertes Meditieren über das erweckte Licht lässt das bewusstwerden, was feinstofflich und verborgen ist oder was noch in weiter Ferne liegt.

26. Durch konzentriertes Meditieren über die Sonne wird ein Bewusstsein (oder Wissen) von den sieben Welten erlangt.

27. Ein Wissen um alle lunaren Formen entsteht durch konzentriertes Meditieren über den Mond.

28. Konzentration auf den Polarstern bringt ein Wissen um die Bahnen der Planeten und der Sterne.

29. Wenn man die Aufmerksamkeit auf das Zentrum konzentriert, das Sonnengeflecht genannt wird, kommt man zu einem vollkommenen Wissen über den Zustand des Körpers.

30.- 31. Durch Konzentration auf das Kehlzentrum werden Hunger und Durst aufhören. Durch Konzentration auf die Grube oder den Nerv unterhalb des Kehlzentrums wird Gleichgewicht erreicht.

32. Wenn man das Licht im Kopf in einem Brennpunkt sammelt, kann man jene Wesen sehen und mit ihnen in Verbindung treten, welche die Meisterschaft über ihr Selbst erlangt haben. Diese Fähigkeit wird durch konzentriertes Meditieren entwickelt.

33. Durch das lebendige Licht der Intuition kann man ein Wissen über alle Dinge erlangen.

34. Durch konzentriertes Meditieren über das Herz-Zentrum lernt man das Denk-Bewusstsein verstehen.

35. Zur Erfahrung (der Gegensatzpaare) kommt es deswegen, weil die Seele nicht unterscheiden kann zwischen dem persönlichen Selbst und dem Purusha (oder Geist). Die objektiven Formen sind dafür da, damit der geistige Mensch sie benutzen und dadurch Erfahrungen sammeln kann. Durch Meditation darüber kommt man zur intuitiven Wahrnehmung des geistigen Wesens.

36. Als Folge dieser Erfahrung und der Meditation entwickeln sich die Fähigkeiten des höheren Hörens, Fühlens, Sehens, Schmeckens und Riechens, die intuitives Wissen hervorrufen.

37. Diese Fähigkeiten sind Hindernisse für die höchste geistige Erkenntnis. Aber als magische Kräfte können sie in den objektiven Welten gute Dienste leisten.

38. Wer die Ursachen der Bindung entkräftet und dadurch die Befreiung erlangt hat, und wer die Methode kennt, wie man die Denksubstanz (Chitta) übertragen (zurückziehen oder eintreten lassen) kann, der kann mit seinem Chitta in einen anderen Körper eingehen.

39. Die Beherrschung des aufwärts strömenden Lebensäthers (des Udana) macht den Menschen frei vom Wasser, vom dornigen Weg und vom Schlamm, und er erlangt dadurch die Kraft des Aufsteigens.

40. Durch Beherrschung des Samana wird der Funke zur Flamme.

41. Durch konzentrierte Meditation über die Beziehung zwischen Akasha und Ton wird ein Organ für geistiges Hören entwickelt.

42. Durch konzentrierte Meditation über die Beziehung zwischen dem Körper und der Akasha wird die Fähigkeit erlangt, aus der Materie (den drei Welten) aufzusteigen und sich im Raum zu bewegen.

43. Wenn das, was das Licht verhüllt, beseitigt ist, tritt der Seinszustand ein, der körperlos genannt wird, der frei ist von den Modifikationen des Denkprinzips. Das ist der Zustand der Erleuchtung.

44. Konzentriertes Meditieren über die fünf Formen eines jeden Elements führt zur Beherrschung der Elemente. Die fünf Formen sind: Die grobstoffliche Form, der arteigene Zustand, die Qualität, das Wesenhafte, der primäre Zweck.

45. Durch diese Meisterung werden die Fähigkeit, sich mit dem kleinsten Teilchen zu identifizieren, und die übrigen Siddhis (oder Kräfte) erlangt, dazu noch körperliche Vollkommenheit und Freisein von allen Behinderungen.

46. Ebenmass der Form, Schönheit der Farbe, Stärke, und die diamantene Festigkeit gehören zur körperlichen Vollkommenheit.

47. Meisterung der Sinne wird erreicht durch konzentriertes Meditieren über ihr Wesen, ihre besonderen Attribute, ihre Ich-Bezogenheit, ihre Durchdringungsfähigkeit und ihre Zweckdienlichkeit.

48. Als Ergebnis dieser Vollkommenheit wird das Handeln so schnell wie das Denken; die Wahrnehmung erfolgt unabhängig von den Organen, und die Ursubstanz wird beherrscht.

49. Der Mensch, der den Unterschied zwischen Seele und Geist erkannt hat, wird Herr über alle Seinszustände und wird allwissend.

50. Durch eine gleichmässige Geisteshaltung gegenüber dieser Errungenschaft und gegenüber allen seelischen Kräften und Fähigkeiten erreicht der Mensch, der frei ist von der Saat der Unfreiheit, den Zustand des losgelösten Eins-Seins.

51. Die Verlockungen aller Daseinsformen, auch der himmlischen, müssen abgewiesen werden, denn dadurch können wieder Bindungen entstehen, die vom Übel sind.

52. Intuitives Erkennen wird entwickelt durch Unterscheidungskraft und konzentriertes Meditieren über die winzigen Zeitspannen eines Augenblicks und deren kontinuierliche Aufeinanderfolge.

53. Aus diesem intuitiven Wissen erwächst die Fähigkeit, alle Wesen zu unterscheiden und ihre Gattung, ihre Qualitäten und ihren Platz im Raum zu erkennen.

54. Dieses intuitive Wissen, der grosse Befreier, ist allgegenwärtig und allwissend und umschliesst Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im ewigen Jetzt.

55. Wenn die objektiven Formen und die Seele gleich rein geworden sind, ist die Einswerdung erreicht, welche die Befreiung zur Folge hat.

DIE YOGA LEHRSPRÜCHE VON PATANJALI

3. Buch

Die erreichte Vereinigung und ihre Resultate

1. Konzentration ist [243] das Festlegen des Chitta (der Denksubstanz) auf ein bestimmtes Objekt. Das ist Dharana

Wir haben nun den Teil der Yoga-Lehrsprüche erreicht, der sich speziell mit der Gedankenbeherrschung und den Ergebnissen dieser Beherrschung befasst. Die ersten fünfzehn Lehrsprüche beziehen sich auf die Beherrschung des Denkens und der Mittel und Wege, wie sie erreicht werden kann; und die übrigen vierzig Sätze betreffen die Ergebnisse, die sich nach dem Erreichen dieser Beherrschung zeigen. Es werden vierundzwanzig Ergebnisse aufgezählt, bei denen es sich um Bewusstseinserweiterungen und das Hervortreten niederer und höherer psychischer Fähigkeiten handelt.

Der erste Schritt zu dieser Entfaltung ist Konzentration, oder das Vermögen, das Denken unverwandt und ohne Ablenkung darauf gerichtet zu halten, was der Aspirant gewählt hat. Das ist eines der [244] schwierigsten Stadien des Meditationsvorgangs und bedingt das unablässige Bemühen des Aspiranten, seine Gedanken immer wieder auf das «Objekt» zu richten, auf das er sich konzentrieren will. Die Stufen der Konzentration sind an sich sehr gut zu unterscheiden und können wie folgt angegeben werden:

1. Die Wahl eines «Objekts», auf das man sich konzentrieren will.

2. Das Zurückziehen des Denk-Bewusstseins von der Peripherie des Körpers, so dass die Organe für äussere Wahrnehmung und Empfänglichkeit (die fünf Sinne) still werden und das Bewusstsein sich nicht mehr nach aussen richtet.

3. Das Sammeln und Festhalten des Bewusstseins an einem Punkt im Kopf, der zwischen den Augenbrauen liegt.

4. Dann wird das ganze Augenmerk auf das gewählte Objekt der Konzentration gerichtet.

5. Dann folgt die innere bildhafte Vorstellung dieses Objekts, dessen gedankliche Durchdringung mit Hilfe der Imagination, und das logische Nachdenken und Urteilen darüber.

6. Die Ausweitung der gedanklichen Begriffe, vom Speziellen und Besonderen auf das Allgemeine und Universale oder Kosmische.

7. Der Versuch, zu dem zu gelangen, was hinter der betrachteten Form liegt, oder die Idee zu erkennen, die das Entstehen dieser Form verursacht hat.

Dieser Werdegang erhöht das Bewusstsein stufenweise und ermöglicht es dem Aspiranten, statt der Formseite den Lebensaspekt der Manifestation zu erkennen. Er beginnt jedoch mit der Form oder dem «Objekt». Es gibt vier Arten von Objekten, auf die man sich konzentrieren kann:

1. Äussere [245] Objekte, wie z.B. sakrale Kunstwerke, Bilder und Formen in der Natur.

2. Innere Objekte, wie z.B. die Zentren im Ätherkörper.

3. Qualitäten, wie z.B. verschiedene schätzenswerte Eigenschaften, auf die man sich konzentrieren kann in der Absicht, das Verlangen nach diesen wertvollen Eigenschaften zu wecken und sie so zu einem Bestandteil des persönlichen Lebens zu machen.

4. Mentale Vorstellungen, welche die Ideale verkörpern, die allen belebten Formen zugrundeliegen. Diese können die Form von Symbolen oder Worten annehmen.

In einer der Puranas (alten Schriften) wird der in der Konzentration enthaltene Gedanke sehr schön dargestellt. Wenn der Aspirant die ersten fünf Yogamittel befolgt hat, (wie im Buch II beschrieben), wird ihm gesagt, «er solle seine Gedanken auf einen glückverkündenden Beistand oder Halt konzentrieren», und als ein Beispiel dafür folgt die Beschreibung, wie man seine Aufmerksamkeit auf eine Form Gottes gerichtet halten soll.

«Die inkarnierte Form des Erhabenen lässt kein Verlangen nach einem anderen Halt aufkommen. Das muss als unverwandte Aufmerksamkeit verstanden werden, mit der die Gedanken auf diese Form gerichtet sind. Dadurch wird uns offenbar, was diese inkarnierte Form Gottes ist, über die man nachsinnt. Unverwandte Aufmerksamkeit ist nicht möglich ohne ein Objekt, auf das man sie richtet».

(Vishnu-Purana VI. 7. 75-85)

Dann folgt eine Beschreibung der inkarnierten Form des Erhabenen, und diese Beschreibung schliesst mit den Worten:

«... über IHN muss der Yogi nachsinnen und so darin versunken sein, dass sein Denken nur noch auf ihn gerichtet ist.

Wenn er diese oder eine andere beliebige Übung durchführen kann, ohne dass seine Gedanken abgelenkt werden, ist seine Konzentration vollkommen».

(Naradiya-Purana LXVII. 54-62).

Die Erkenntnis, dass [246] für die Konzentration «Objekte» nötig sind, führte zum Verlangen nach Bildwerken, nach Skulpturen und Heiligenbildern. Alle diese Objekte verlangen die Betätigung des konkreten Denkens, und das ist die notwendige Vorstufe. Dadurch wird das Denken in einen kontrollierten Zustand versetzt, so dass der Aspirant damit machen kann, was er will. Die genannten vier Arten von Objekten führen den Aspiranten schrittweise nach innen und machen ihn fähig, sein Bewusstsein von der physischen Ebene in den ätherischen Bereich zu verlegen, von da in die Welt des Verlangens oder der Empfindungen, und so in die Welt mentaler Ideen und Vorstellungen. Dieser Prozess, der im Gehirn vor sich geht, bringt den ganzen niederen Menschen in einen Zustand der Konzentration auf ein einziges Ziel; alle Teile seines Wesens sind auf das Erreichen äusserster Aufmerksamkeit gerichtet, auf die Konzentration aller mentalen Fähigkeiten. Das Denken schweift nicht mehr umher, ist nicht mehr unstet und nach aussen gehend, sondern es ist ganz «unverwandte Aufmerksamkeit». Vivekananda übersetzt «Dharana» als «Festhalten des Denkens an einen Gedanken für zwölf Sekunden».

Diese klare, konzentrierte, ruhige Wahrnehmung eines Objektes, bei der kein anderes Objekt, kein anderer Gedanke in das Bewusstsein eintritt, ist sehr schwer zu erreichen; und wenn sie für die Dauer von zwölf Sekunden durchgeführt werden kann, ist richtige Konzentration erreicht.

2. Anhaltende [247] Konzentration (Dharana) ist Meditation (Dhyana).

Meditation ist verlängerte Konzentration; sie erwächst aus der Gewandtheit, mit der ein Mensch willentlich «das Denken festhält» an einem bestimmten Objekt. Für die Meditation gelten dieselben Regeln und Bedingungen wie für die Konzentration. Der einzige Unterschied zwischen den beiden besteht im Zeit-Element.

Wenn der Aspirant die Befähigung erlangt hat, das Denken ohne Ablenkung auf ein Objekt zu richten, dann folgt als nächster Schritt die Entwicklung der Kraft, die Denksubstanz (das Chitta) für eine längere Zeitspanne nur mit diesem Objekt oder Gedanken zu beschäftigen. In dem bereits erwähnten Purana heisst es weiter:

«Eine ununterbrochene Aufeinanderfolge von Gedanken, die sich nur auf SEINE Form beziehen und auf nichts anderes, das, o König, ist Kontemplation. Sie wird durch die ersten sechs Yogamittel erreicht».

Das Wort Kontemplation ist hier gleichbedeutend mit Meditation. Es ist noch die Meditation über einen Saatgedanken oder ein Objekt.

Dvidedi sagt in seiner Erläuterung dieses Lehrspruchs:

« ... Dhyana ist das völlige Festhalten des Denkens am Objekt, über welches nachgedacht wird (bis Denken und Objekt eins sind). In der Tat sollte das Denken dann nur seiner selbst und des Objekts bewusst sein». Der Mensch ist dann so konzentriert, dass sein physischer Körper, seine Empfindungen, seine Umgebung, jedes Geräusch und alles, was in seinen Gesichtskreis kommt, vergessen wird; das Gehirn ist sich nur des Objekts, welches das Thema oder der Saatgedanke der Meditation ist, und der Gedanken bewusst, die das Denkvermögen im Zusammenhang mit diesem Objekt formuliert.

3. Wenn das Denken [248] ganz in der Wirklichkeit (oder in der in der Form verkörperten Idee) aufgeht und sich eines Abgesondertseins oder des persönlichen Selbstes nicht mehr bewusst ist, dann ist das Kontemplation oder Samadhi.

Der einfachste Weg zum Verstehen dieses Lehrspruchs ist die Erkenntnis, dass jede Form oder jedes Objekt ein manifestiertes Leben irgendwelcher Art ist. In den ersten Stadien des Meditationsvorganges wird sich der Übende der Natur (oder Beschaffenheit) der Form und seiner Beziehung zu ihr bewusst. Die zwei Stadien, in denen er sich seiner selbst und des Objekts der Meditation bewusst ist, sind gänzlich mentale Zustände; sie bestehen in seinem Denken.

Diesem Zustand folgt ein anderer; sein nach Erkenntnis strebender Blick richtet sich nach innen auf die seelische Ebene, und er nimmt das Wesen des Lebens wahr, das sich durch die Form zum Ausdruck bringt. Eigenschaften und innere Beziehungen nehmen dann seine Aufmerksamkeit in Anspruch, und der Form-Aspekt bleibt unbeachtet, aber es besteht immer noch das Gefühl des Gesondertseins oder der Dualität. Er identifiziert sich noch mit seiner Person, dem Nicht-Selbst. Er erkennt jedoch gleiche Eigenschaften und reagiert auf ähnliche Schwingungen.

In den beiden Stadien von Dharana und Dhyana, von Konzentration und Meditation, ist das Denken der wichtigste Faktor und der Erzeuger von Vorstellungen im Hirnbewusstsein. Ein grosser Hindu-Lehrer, Kecidhvaja, drückt diesen Gedanken mit folgenden Worten aus:

«Die Seele hat das Mittel, nämlich das Denken, das unbeseelt ist. Wenn das Denken seine Aufgabe, (den Menschen) zu befreien erfüllt hat, hat es getan, was es zu tun hatte, und es hört auf». (Vishnu-Purana VI. 7:90)

Die Wahrhaftigkeit [249] dieser Aussage macht jede Beschreibung oder Erklärung des hohen Zustandes des Samadhi oder der Kontemplation ausserordentlich schwierig, denn Worte sind nur die Bemühungen des Denkvermögens, dem Gehirn einen Vorgang so zu formulieren, dass der Mensch ihn erkennen und begreifen kann.

In der Kontemplation entschwinden dem Yogi:

1. Sein Gehirnbewusstsein oder die Begriffe der physischen Ebene von Zeit und Raum.

2. Seine gefühlsmässigen Reaktionen auf den Gegenstand seiner Meditation.

3. Seine mentalen Aktivitäten, so dass alle «Modifikationen» des Denkvorgangs, alle gefühlsbedingten Reaktionen des kama-manasischen Trägers überwunden sind und der Yogi sie nicht mehr wahrnimmt. Er ist jedoch sehr lebendig und wachsam, positiv und wach, denn er ist Herr über das Gehirn und das Denkvermögen, die er zwar benutzt, dabei aber nicht duldet, dass sie störend einwirken.

Das bedeutet buchstäblich, dass das unabhängige Leben dieser Formen, durch die das wirkliche Selbst wirkt, still, beruhigt und beherrscht ist, und dass der wahre, auf seiner eigenen Ebene wache Mensch in der Lage ist, sich zu betätigen, und zwar unter voller Nutzung des Gehirns, der Hüllen und der Denkkraft des niederen Selbstes, seines Trägers oder Instruments. Er ruht in seinem Mittelpunkt, im Seelen-Aspekt. Jedes Gefühl des Gesondertseins oder des niederen persönlichen Ich's ist verschwunden, und er wird eins mit der Seele derjenigen Form, die das Objekt seiner Meditation ist.

Unbehindert durch [250] Gedanken und Gefühle «geht er ein» in den Zustand, der vier charakteristische Merkmale hat:

1. Versunken im Seelenbewusstsein nimmt er die Seele aller Dinge wahr. Er sieht nicht mehr die Form, sondern die Wirklichkeit, die von allen Formen verhüllt wird.

2. Frei von den drei Welten sinnlicher Wahrnehmung erlebt und verspürt er nur noch das, was frei ist von Form, vom Verlangen und von der Substanz des niederen konkreten Denkens.

3. Bewusstes Innewerden des Eins-Seins mit allen Seelen im untermenschlichen, menschlichen und übermenschlichen Bereich. Das Wort Gruppenbewusstsein drückt in etwa diesen Zustand aus, so wie das abgesonderte Bewusstsein oder das Empfinden des persönlichen Ich's das Bewusstsein in den drei Welten kennzeichnet.

4. Erleuchtung oder die Wahrnehmung des Licht-Aspekts der Manifestation. Durch Meditation erkennt sich der Yogi als Licht, als einen Punkt feuriger Essenz. Durch die in der Meditation erreichte Übung kann er dieses Licht auf jedes von ihm gewählte Objekt richten und mit dem Licht in Verbindung kommen, das durch diese Form verhüllt wird. Er erkennt dann, dass dieses Licht dem Wesen nach eins ist mit dem Licht in seinem eigenen Innern, und so werden umfassendes Verstehen, Verbundensein und Bewusstwerden der Wesensgleichheit möglich.

4. Wenn Konzentration, Meditation und Kontemplation in der Aufeinanderfolge zu einem einzigen, zusammenhängenden Vorgang werden, dann ist Sanyama erreicht.

Das Sanskritwort «Sanyama» ist sehr schwer zu übersetzen, da wir in unserer [251] Sprache keinen entsprechenden Ausdruck dafür haben. Es ist die Synthese der drei Stadien des Meditationsvorgangs, die nur dem Menschen möglich ist, der die drei Stufen der Gedankenbeherrschung gelernt und gemeistert hat. Durch diese vollkommene Gedankenbeherrschung hat er folgendes erreicht:

1. Er hat sich frei gemacht von den drei Welten des Denkens, der Empfindungen und des Daseins auf der physischen Ebene; sie fesseln ihn nicht mehr und sie stehen nicht mehr im Mittelpunkt seines Denkens und Sinnens.

2. Er kann seine Aufmerksamkeit auf einen beliebigen Brennpunkt richten, und während er in der mentalen Welt intensiv tätig ist, kann er, wenn er will, sein Denken unbegrenzt dort halten.

3. Er kann sich in das Bewusstsein des Egos (der Seele oder des geistigen Menschen) versenken, und er weiss, dass er abgetrennt ist vom Denken, von Empfindungen, Wünschen, Gefühlen und der Form, die den niederen Menschen ausmachen.

4. Er hat gelernt, diesen niederen Menschen (die Gesamtsumme von Denkzuständen, Empfindungen und physischen Atomen) nur als sein Werkzeug anzusehen, vermittels dessen er sich nach Belieben mit den drei niederen Ebenen in Verbindung bringen kann.

5. Er hat die Fähigkeit der Kontemplation erlangt, also die Einstellung der wirklichen Identität zum Reich der Seele, und er kann auf dieses Reich hinblicken in einer Weise, die dem Sehen mit den Augen auf der physischen Ebene entspricht.

6. Er kann dem Gehirn - über die beherrschte Denkfähigkeit - das übermitteln, was er sieht, und kann so das Wissen der Seele und ihres Reiches dem Menschen auf der physischen Ebene mitteilen.

Das ist vollkommen konzentrierte Meditation; und die Fähigkeit, so [252] meditieren zu können, wird in diesem Lehrspruch Sanyama genannt. Das Erlangen dieser Fähigkeit ist der Zweck und das Ziel des Raja-Yoga. Durch diese Errungenschaft hat der Yogi gelernt, zwischen dem Objekt und dem zu unterscheiden, was das Objekt verhüllt oder verbirgt. Er hat gelernt, durch alle Hüllen hindurchzudringen und die Wirklichkeit zu erreichen, die dahinter liegt. Er hat ein praktisches Wissen von der Dualität erlangt.

Es gibt ein noch höheres Bewusstsein als dieses, nämlich jene Erkenntnis, die man mit dem Begriff Einheit zusammenfasst, aber noch lebt er nicht in diesem Bewusstsein. Sanyama ist jedoch eine sehr hohe Stufe, die im physischen Menschen erstaunliche Wirkungen hervorruft und ihn mit verschiedenartigen Phänomenen bekannt macht.

5. Sanyama bewirkt das Aufleuchten des Lichts.

Die verschiedenen Erläuterer und Übersetzer haben hier mehrere Ausdrücke gebraucht, und es könnte interessant sein, einige davon zu betrachten, denn aus den verschiedenen Deutungen wird sich ein volles Verstehen der Sanskritworte ergeben.

Der darin enthaltene Gedanke beruht kurz gesagt auf der Vorstellung, dass das Wesen der Seele Licht ist; und dieses Licht ist der grosse Offenbarer. Der Yogi hat durch ständige Übung in der Meditation den Punkt erreicht, wo er das Licht, das von seinem innersten Wesen ausstrahlt, nach Belieben in jede Richtung senden und jedes Objekt beleuchten kann. Nichts kann ihm daher verborgen bleiben, und alles Wissen steht ihm zur Verfügung. Diese Fähigkeit wird darum bezeichnet als:

1. Erleuchtung der Wahrnehmung. Das Licht [253] der Seele leuchtet auf, und der Mensch auf der physischen Ebene ist dadurch in der Lage, in seinem Gehirnbewusstsein das zu erkennen, was vorher dunkel und ihm verborgen war. Der Vorgang kann technisch mit folgenden Worten beschrieben werden:

a. Meditation.

b. Versenkung in das Bewusstsein des Egos oder der Seele.

c. Kontemplation, oder das Einstellen des Lichts der Seele auf das, was erkannt und untersucht werden soll.

d. Das darauffolgende Herabströmen des gewonnenen Wissens in einem «Strom der Erleuchtung» in das Gehirn über das Sutratma, den Silberfaden oder das magnetische Bindeglied. Dieser Faden durchläuft das Denken und erleuchtet es. Die Gedanken, die durch automatische Reaktion der Denksubstanz auf das übermittelte Wissen erzeugt werden, werden dann auf das Gehirn übertragen, und der Mensch wird sich in seinem physischen Bewusstsein dessen bewusst, was die Seele weiss. Er wird erleuchtet.

Wenn dieser Vorgang öfter stattfindet und beständiger wird, vollzieht sich ein Wandel im physischen Menschen. Er kommt immer mehr in Übereinstimmung mit der Seele. Das Zeitelement tritt bei der Übertragung in den Hintergrund; die durch das Licht der Seele und durch die Aufhellung des physischen Gehirns gewonnene Erleuchtung über ein Wissensgebiet stellt sich augenblicklich ein.

Das Licht im Kopf nimmt in gleichem Mass zu, und das dritte Auge entfaltet sich und sieht. Auf der Astral- und Mentalebene [254] entwickelt sich ein entsprechendes «Auge», und so kann das Ego oder die Seele sowohl die drei Ebenen in den drei Welten als auch ihr eigenes Reich erhellen.

2. Bewusstseinsklarheit. Der Mensch wird klar sehend. Er ist sich einer wachsenden Kraft oder Fähigkeit bewusst, die es ihm ermöglicht, nicht nur alle Probleme zu klären und zu lösen, sondern auch «klar zu sprechen» und so eine der lehrenden Kräfte der Welt zu werden. Alles Wissen, das sich ein Mensch durch Selbst-Erleuchtung erworben hat, muss rein und klar an andere Menschen weitergegeben werden. Das ist die natürliche Folge der Erleuchtung.

3. Alles durchdringende Einsicht. Das ist ein neuer und sehr wichtiger Aspekt. Es ist die Fähigkeit, in eine Form «hinein zu sehen», zur inneren Wirklichkeit vorzudringen, welche die äussere Hülle zu dem gemacht hat, was sie ist. Diese Einsicht ist mehr als Verständnis, Mitgefühl oder Begreifen. Das sind nur die Auswirkungen der Einsicht. Sie ist das Vermögen, durch alle Formen hindurch zu dringen und das zu erkennen, was sie verhüllen, denn diese Wirklichkeit ist identisch mit der Wirklichkeit im Menschen selbst.

4. Die Erleuchtung des Intellekts. Ehe nicht die Denkfähigkeit (oder der Intellekt) das verstehen und übermitteln kann, was die Seele weiss, bleiben die Geheimnisse dem physischen Gehirn unverständlich; und so bleibt das Wissen, das die Seele besitzt, lediglich eine schöne und unerreichbare Vision. Wenn aber der Intellekt erleuchtet ist, kann er dem Gehirn jene verborgenen Dinge mitteilen und einprägen, die nur den Gottessöhnen auf ihrer eigenen Ebene [255] bekannt sind. Das ist der Grund, weshalb Raja-Yoga oder die Wissenschaft der Vereinigung durch Gedankenbeherrschung und Entwicklung, so notwendig ist.

6. Die Erleuchtung kommt allmählich; sie wird stufenweise entwickelt.

Hier wird die naturgemässe Art, zu wachsen und sich zu entfalten, behandelt; der Aspirant wird daran erinnert, dass nichts auf einmal, sondern nur nach langem und ausdauerndem Bemühen erreicht werden kann.

Jeder nach Erkenntnis strebende Mensch sollte bedenken, dass alles Werden und Wachsen - so wie jeder natürliche Prozess - nur allmählich und relativ langsam vor sich geht; und diese Seelenentfaltung ist letzten Endes nur einer der grossen Entwicklungsprozesse in der Natur. Der Mensch hat lediglich für die richtigen Bedingungen oder Voraussetzungen zu sorgen. Die Weiterentwicklung wird dann von selbst normal verlaufen. Stete Beharrlichkeit, geduldige Ausdauer, täglich ein wenig weiter kommen, das ist für den Strebenden viel wertvoller als ungestümes Vorwärtsdrängen und das begeisterte Bestreben eines gefühlsbetonten und temperamentvollen Menschen. Die gewaltsame Beschleunigung der eigenen Entwicklung ist mit ganz bestimmten Gefahren verbunden. Diese werden vermieden, wenn der Mensch begreift, dass der Weg lang ist, und dass ein intelligentes Verstehen eines jeden Abschnitts auf dem Weg für ihn von grösserem Wert ist als die Resultate, die durch ein vorzeitiges Erwecken der psychischen Natur erzielt werden. Der nachdrückliche Hinweis, dass der Mensch so wachsen soll, wie die Blume wächst, enthält eine grosse verborgene Wahrheit. Prediger Salomon VII, 16 weist auf diesen Gedanken hin, wenn er sagt: «Sei nicht allzu gerecht ... dass du nicht sterbest zur Unzeit».

7. Diese letzten drei [256] Yogamittel haben eine viel grössere innere Wirkung als die vorhergehenden.

Die ersten fünf Yogamittel dienen vorwiegend der Vorbereitung des angehenden Yogi. Dadurch, dass der Aspirant die Gebote und Regeln befolgt, Ausgeglichenheit und rhythmische Beherrschung der Energien des Körpers erlangt hat und sein Bewusstsein zurückziehen und im Kopf konzentrieren kann, ist er in der Lage, die Kräfte der Konzentration, Meditation und Kontemplation voll zu nutzen und ohne Gefahr zu entwickeln.

Nachdem er sich seines innersten Wesens bewusst geworden ist, kann er darangehen, die speziell inneren Mittel anzuwenden.

Alle acht Yogamittel dienen nur dazu, den Menschen auf jenen Zustand geistigen Bewusstseins vorzubereiten, der alles Denken übersteigt, der von allen Saatgedanken losgelöst und ohne Form ist, und der nur (ganz unzulänglich) mit Worten wie Vereinigung, klare Erkenntnis, Bewusstheit der Wesensgleichheit, nirvanisches Bewusstsein, etc. beschrieben werden kann.

Es ist für den Neuling nutzlos zu versuchen, das zu verstehen, bevor er das innere Instrument des Verstehens entwickelt hat; es ist vergeblich für den weltlich gesinnten Menschen, zu zweifeln und den Beweis sehen zu wollen, wenn er nicht gleichzeitig willens ist, (wie bei der Aneignung jeden Wissens) das ABC zu lernen und stufenweise die jeweiligen Ziele zu erreichen. Johnston [257] sagt in seiner Erläuterung:

« ... Die vorher beschriebenen Mittel zur Höherentwicklung waren dazu bestimmt, den Menschen von psychischen Fesseln und Verhüllungen freizumachen; diese dreifache Wirkkraft hingegen ist vom geistigen Menschen anzuwenden, der nun befreit ist, der auf eigenen Füssen steht und das Leben mit offenen Augen sieht».

8. Aber selbst diese drei sind nur Vorstufen zur wahren Meditation ohne Saatgedanken (Samadhi), die sich auf kein Objekt stützt. Sie wird von den Einwirkungen des noch Unterschiede wahrnehmenden Chitta (oder Denkstoffes) nicht mehr beeinträchtigt.

In allen vorhergehenden Stadien ist sich der Denker seiner selbst, des Erkennenden, und des Erkenntnisbereichs bewusst gewesen. In den ersten Stadien war er sich einer Dreiheit bewusst, denn das Werkzeug des Erkennens wurde ebenfalls wahrgenommen; später wurde es ausgeschaltet und vergessen. Nun kommt das letzte Stadium, das erstrebte Ziel aller Yoga-Übungen, wo die Einheit erlebt und sogar die Dualität als Begrenzung erkannt wird. Es bleibt allein die Bewusstheit des Selbstes, jenes allwissenden, allmächtigen Selbstes, das eins ist mit dem All, und dessen innerstes Wesen Bewusstheit und Energie ist. Es ist treffend gesagt worden:

«Es gibt daher zwei Arten von Wahrnehmung: die der lebenden Dinge und die des Lebens; die der Werke der Seele und die der Seele selbst».

Der Erklärer des Yoga beschreibt nun die Resultate der Meditation (einige im Bereich der höheren, einige auf der Linie der niederen Seelenkräfte). Die nächsten sieben Lehrsätze befassen sich daher [258] mit der Natur der gesehenen Objekte und der Kontrolle des Denkens, wobei der wirkliche Mensch versucht, den erleuchtenden Strahl seines Denkens auf diese Objekte zu richten.

Beim Studium dieser Resultate der Meditation im psychischen Bereich sollte man sich darüber klar sein, dass die acht Yogamittel ganz bestimmte Wirkungen in der niederen Natur auslösen, und dass dadurch gewisse Entfaltungen und Erlebnisse verursacht werden. Diese bringen den Menschen in eine in höherem Grad bewusste Verbindung mit den inneren Ebenen der drei Welten. Das ist ein gefahrloser und notwendiger Vorgang, vorausgesetzt, dass er das Ergebnis des Erwachens des Menschen auf seiner eigenen Ebene ist, und dass sich das Auge der Seele - über das Denken und das dritte Auge - auf diese Ebenen richtet. Das Vorhandensein der niederen psychischen Kraft kann jedoch bedeuten, dass die Seele (vom Standpunkt der physischen Ebene aus gesehen) schläft und nicht in der Lage ist, ihr Instrument zu benutzen, und dass diese Erlebnisse also nur der Tätigkeit des Solar Plexus zuzuschreiben sind, was ein Gewahrwerden der Astralebene bewirkt. Diese Art von psychischer Fähigkeit ist ein Rückfall in den animalischen Zustand und in das Kindheitsstadium der Menschheit; sie ist unerwünscht und gefährlich.

9. Die Aufeinanderfolge der mentalen Zustände ist folgende: zuerst reagiert das Denken auf das, was gesehen wird; hierauf folgt der Augenblick, in dem die Gedanken beherrscht werden, Auf diese beiden Faktoren reagiert dann das Chitta (Denksubstanz). Schliesslich verschwinden auch diese beiden, und das wahrnehmende Bewusstsein herrscht uneingeschränkt.

Wenn der Leser sich auch andere [259] Übersetzungen dieses Lehrspruchs ansieht, wird er finden, dass diese Übersetzungen sehr voneinander abweichen, und dass die meisten sehr unklar sind. Ein Beispiel dafür ist die Wiedergabe von Tatya:

«Wenn von zwei sich bildenden Gedankengängen, die aus Vyutthana und Nirodha entstehen, das erste unterdrückt wird und das zweite hervortritt, und wenn im Augenblick des Hervortretens das innere Organ (Chitta) mit beiden Gedankengängen beschäftigt ist, dann nimmt es die Form von Nirodha an».

Die anderen Übersetzungen sind noch unklarer, ausgenommen die von Johnston, die den darin enthaltenen Gedanken ziemlich klar macht:

«Eines der aufsteigenden Stadien ist die Entfaltung der (Gedanken-) Kontrolle. Zuerst wird der gedankliche Eindruck der Erregung überwunden. Dann manifestiert sich das Bestreben, diesen Eindruck zu beherrschen. Gleich darauf folgt das wahrnehmende Bewusstsein. Das ist die Entwicklung der Kontrolle».

Vielleicht ist das am leichtesten zu verstehen, wenn man klar erkennt, dass der Mensch, der darangeht zu meditieren, in seinem physischen Gehirn drei Faktoren wahrnimmt:

1. Das Objekt der Meditation. Dieses erregt oder beeindruckt sein Denken und setzt die «Modifikationen des Denkprinzips» in Bewegung. Es stimuliert die Neigung des Denkvermögens, Gedankenformen zu bilden, und bringt das Chitta (oder die Denksubstanz) in Formen, die dem gesehenen Objekt entsprechen.

2. Dann wird [260] er sich der Notwendigkeit bewusst, diese Neigung zu unterdrücken, und so bringt er die Wirksamkeit des Willens hinein und festigt und kontrolliert die Denksubstanz, so dass sie aufhört, sich zu wandeln und Form anzunehmen.

Durch beständiges, ausdauerndes Bemühen gehen diese beiden Bewusstseinszustände allmählich ineinander über und treten mit der Zeit gleichzeitig ein. Die Wahrnehmung eines Objekts und die sofortige Beherrschung der reagierenden Denksubstanz erfolgen blitzartig. Der technische Ausdruck für diesen Zustand ist «Nirodha». Hier muss an einen Ausspruch Vivekanandas erinnert werden, der sagt:

«Wenn eine Modifikation besteht, die das Denken antreibt, durch die Sinne nach aussen zu schlüpfen, und wenn der Yogi versucht, diese Modifikation zu zügeln, so ist gerade diese Zügelung selbst eine Modifikation».

Der Einfluss des Willens auf das Denken wird natürlicherweise dazu führen, dass das Denken die Form annimmt, durch die sie beherrscht wird; und es wird in eine Modifikation hineingebracht, die weitgehend abhängt von der erreichten Entwicklungsstufe des Aspiranten, von der Grundtendenz seiner täglichen Gedanken und davon, bis zu welchem Grad er den Kontakt mit seinem Ego erlangt hat. Das ist nicht die wirkliche und höchste Form der Kontemplation; sie ist nur eine der ersten Stufen, die aber viel höher ist als Konzentration und Meditation mit einem Saatgedanken im üblichen Sinn, denn ihr folgt unvermeidlich die dritte Stufe, die von grossem Interesse ist.

3. Er gleitet dann plötzlich aus dem niederen Bewusstseinszustand hinaus und erkennt klar seine Wesensgleichheit mit dem Wahrnehmenden, dem Denker auf seiner eigenen Ebene; und da das Denken beherrscht wird und das gesehene Objekt keine Reaktion [261] auslöst, ist die wahre Wesensgleichheit fähig, das zu sehen, was bisher verhüllt war.

Es ist jedoch so, dass der Wahrnehmende auf seiner eigenen Ebene immer um das weiss, was jetzt erkannt wird. Der Unterschied besteht darin, dass das Instrument, das Denken, jetzt in einem Zustand des Beherrschtseins ist. Es ist dem Denkenden daher möglich, über die kontrollierte Denkfähigkeit das Gehirn mit dem zu beeindrucken, was wahrgenommen wird. Der Mensch auf der physischen Ebene nimmt nun gleichzeitig auch wahr, und so wird zum ersten Mal echte Meditation und Kontemplation möglich. Zuerst wird dieser Zustand nur einen Moment lang dauern. Ein Blitz intuitiver Wahrnehmung, eine flüchtige Vision und Erleuchtung, und alles ist vorüber. Das Denken fängt wieder an, sich zu modifizieren und tätig zu sein, die Vision entschwindet, der hohe Augenblick ist vorbei, und die Tür zum Reich der Seele scheint sich plötzlich zu schliessen. Aber der Aspirant hat Gewissheit gewonnen, sein Gehirn hat die flüchtig erschaute Wirklichkeit festgehalten; und diese Tatsache gibt ihm die absolute Gewissheit, dass er auch in Zukunft diesen Zustand wieder erreichen wird.

10. Die Pflege dieser Denkgewohnheit bewirkt eine stete und unbehinderte geistige Wahrnehmung.

Das Gleichgewicht zwischen der Erregung des Denkens und dessen Beherrschung kann durch ständige Wiederholung immer häufiger erreicht werden, bis schliesslich die Stabilisierung des Denkens zur Gewohnheit geworden ist. Wenn das erreicht ist, geschieht zweierlei:

1. Die augenblickliche [262] Beherrschung der Gedanken nach Belieben; sie bewirkt:

a. Ein regungsloses, von Gedankenformen freies Denken.

b. Ein ruhiges, empfängliches Gehirn.

2. Ein Herabströmen des Bewusstseins des Wahrnehmenden, der Seele, in das physische Gehirn.

Dieser Vorgang wird im Laufe der Zeit immer klarer, erkenntnisreicher und weniger behindert, bis schliesslich eine rhythmische Resonanz zwischen der Seele und dem Menschen auf der physischen Ebene hergestellt ist. Die Denkfähigkeit und das Gehirn sind der Seele völlig untertan.

Hier sollte beachtet werden, dass sich die Denkfähigkeit und das Gehirn dabei nicht in einem negativen, sondern in einem positiven Zustand befinden.

11. Wer diese Gewohnheit fest gegründet hat und das Denken davon abhält, Gedankenformen zu bilden, erlangt schliesslich die Fähigkeit zu beständiger Kontemplation.

Dieser Lehrspruch ist so klar, dass kaum etwas zu seiner Erklärung gesagt werden muss. Er ist eine Summierung der vorhergehenden Lehrsprüche.

Er besagt, dass es dem Menschen möglich ist, einen dauernden Zustand der Meditation zu erreichen. Obwohl es, besonders in den ersten Stadien der Seelenentfaltung, von grossem Wert ist, bestimmte Übungen zu festgesetzten Tageszeiten auszuführen, so ist doch der Idealzustand der, das ganze Leben zu einer einzigen Meditation zu machen. Die Fähigkeit, jederzeit aus der Schatzkammer des Ego schöpfen zu können, die dauernde Bewusstheit, dass man ein auf der physischen Ebene inkarniertes Kind Gottes ist, und [263] die Fähigkeit, wenn nötig, die Macht und Kraft der Seele herunterzuholen - all das wird schliesslich von jedem Aspiranten erreicht werden. Aber ehe dieser wünschenswerte Zustand eintreten kann, muss die innere Sammlung zur Gewohnheit geworden und die Fähigkeit erlangt sein, die Modifikationen des Denkprinzips zu zügeln.

12. Wenn die Beherrschung des Denkens und der beherrschende Faktor im Gleichgewicht sind, folgt der Zustand höchster Konzentration.

Eine genaue Wiedergabe des hier gebrauchten Sanskritausdrucks ist schwierig. Worte wie: scharfe, unverwandte, gespannte, zusammengefasste, vollkommene Konzentration, sie alle geben uns eine Vorstellung von dem hier gemeinten Denkzustand.

Der Aspirant hat nun absichtlich alle Bewusstseinszustände ausgeschaltet, die sich auf die drei Welten beziehen. Seine Aufmerksamkeit ist auf ein einziges Objekt gerichtet, vor allem auf die Wirklichkeit oder das innere Leben, das durch die Form des Objekts verhüllt wird. Er ist sich auch seiner selbst, des Denkenden und Wissenden, nicht bewusst, und er erkennt im wahren Sinn des Wortes nur das, was er kontemplativ betrachtet. Das ist der negative Aspekt.

Man darf aber nicht vergessen, dass dies ein sehr aktiver Denkzustand ist, denn das wahrnehmende Bewusstsein erkennt das Objekt in einer höchst umfassenden Weise. Alle Qualitäten, Aspekte und Schwingungen werden ihm offenbar, auch die essentielle zentrale Energie, die dieses besondere Objekt ins Dasein gerufen hat. Er [264] erkennt das alles, weil das erhellende Licht des Denkens unverwandt auf dieses Objekt gerichtet ist. Das wahrnehmende Bewusstsein erkennt dabei auch seine Wesensgleichheit mit der Wirklichkeit hinter der Form. Das ist die wahre okkulte Erkenntnis; aber sie ist weniger die Erkenntnis des Objekts, sondern mehr das Erkennen der Einheit oder Wesensgleichheit mit dem Leben, das es verbirgt.

Das ist an sich ein dualer Zustand, aber nicht im gewöhnlich verstandenen Sinn. Es gibt aber einen noch höheren Zustand des Bewusstseins, in dem die Einheit des Lebens in allen Formen, und nicht nur das Einssein mit dem Leben in einem bestimmten Objekt erkannt wird.

13. Durch diesen Vorgang werden die Aspekte eines jeden Objekts erkannt: seine charakteristischen Merkmale (oder Form), seine Symbolik und der besondere Verwendungszweck unter zeitlichen Bedingungen (Entwicklungsstufe).

Man muss bedenken, dass jede Form göttlicher Manifestation drei Aspekte hat und daher wirklich nach dem Bilde Gottes gemacht ist mit allen göttlichen Möglichkeiten. Dass das auf den Menschen zutrifft, ist erkannt worden, es gilt aber ebenso für alle Formen. Diese dreifache Natur wird vom richtig konzentrierten Yogi verstanden. Die drei Aspekte werden so gesehen, wie sie sind, und doch als ein zusammengehöriges Ganzes erkannt. Johnston gibt uns in seinem Kommentar die folgende Beschreibung:

« ... wir betrachten dieses Objekt in zweifacher Hinsicht: wir sehen sofort alle seine charakteristischen Merkmale, sein essentielles [265] Wesen, seine Eigentümlichkeit und seine Gattung; wir sehen das Objekt in Beziehung zu sich selbst und mit bezug auf das Ewige».

Seltsamerweise enthalten diese drei Aspekte die drei Aspekte der Zeit-Gleichung oder der Beziehung des Objekts zu seiner Umgebung.

1. Die charakteristischen Merkmale der Form. Damit sind die greifbaren, äusseren Aspekte der Form gemeint. Die materielle Seite des in Erscheinung tretenden Gedankens, also das, was durch die Sinne erfasst werden kann, wird zuerst betrachtet und abgetan. Diese Form ist das Ergebnis der Vergangenheit; die der Entwicklungsstufe angemessenen Begrenzungen werden erkannt. Jede Form trägt die Zeichen vorhergegangener Zeitenrunden an sich; sie sind zu erkennen an:

a. ihrer Schwingungsfrequenz,

b. der Art ihres Rhythmus,

c. der Lichtmenge, die durch die Form in Erscheinung tritt, d. ihrer okkulten Farbe.

2. Die Symbolik. Jedes Objekt ist nur das Symbol einer Wirklichkeit. Der Unterschied in der Entwicklung der Formen, die diese Wirklichkeit symbolisieren (oder verkörpern), ist die Garantie dafür, dass zu einem künftigen Zeitpunkt alle Symbole die Erfüllung ihrer Mission erreichen werden. Ein Symbol ist ein verkörperter Gedanke, die Manifestation eines Lebens in äusserer Daseinsform. Das ist der Bewusstseinsaspekt, und in jedem Symbol (oder jeder Form) sind zwei Offenbarungen latent enthalten.

a. Die Offenbarung [266] des vollen Bewusstseins, oder das Hervorströmen jenes Reagierens auf Kontakte, welches jetzt in allen Formen nur potentiell oder in verschiedenen Graden vorhanden ist, welches aber zur vollen Flut bewussten Erkennens kommen kann und kommen wird.

b. Die Offenbarung dessen, was durch den Bewusstseinsaspekt (den zweiten Aspekt) seinerseits verhüllt wird. Die Enthüllung der Seele führt zum Offenbarwerden des einen Lebens. Das Offenbarwerden des Gottessohnes führt zu einer Erkenntnis des Vaters. Das Hervorscheinen des höheren Selbstes vermittels des niederen Selbstes führt zur Offenbarung des göttlichen oder geistigen Selbstes. Die Matrix enthält den Diamanten, und wenn sie ihren verborgenen Edelstein enthüllt, und wenn das Werk des Schneidens und Schleifens vollendet ist, wird die ganze Schönheit des Juwels zu sehen sein. Wenn die Lotospflanze voll entwickelt ist, kommt die Blüte zur Reife, und im Zentrum ihres Blütenkelches ist das «Kleinod in der Lotosblüte» (Om Mani Padme Hum) zu sehen.

Diesen symbolischen Aspekt haben alle Formen, ganz gleich, ob dieses Symbol ein Atom der Materie, ein Mineral, ein Baum, ein Tier oder die «Form eines Gottessohnes» ist, das Kleinod des ersten Aspekts ist darin verborgen. Es wird sein Vorhandensein durch die Qualität des Bewusstseins kundtun, die sich in so vielen Graden manifestiert.

3. Der besondere Verwendungszweck unter zeitlichen Bedingungen. Wenn sich der Yogi ganz auf die Form oder das Objekt konzentriert, wenn er über die Qualität (den inneren Aspekt oder die Symbolik) meditiert, wenn er über das durch die Form verhüllte Leben tief nachdenkt, das sich aber durch den Faktor «Bewusstsein» kundtut, dann erkennt er den gegenwärtigen Stand der [267] Entwicklung, und es enthüllen sich seiner Intuition die Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart.

Es dürfte daher jedem Leser klar sein, dass, wenn die Meditation in den drei genannten Stufen richtig durchgeführt wird, dem Yogi alle Erkenntnis zuteil werden kann. Das Ewige Jetzt wird als eine Tatsache der Natur erkannt, und einsichtsvolles Zusammenwirken mit dem Entwicklungsplan wird möglich. Dienen beruht dann auf völligem Verstehen.

14. Die charakteristischen Merkmale eines Objekts sind entweder bereits erworben worden, oder es sind solche, die sich jetzt manifestieren, oder solche, die noch der Entfaltung harren.

In diesem Lehrspruch ist viel von dem enthalten, was schon im vorhergehenden Satz ausgesagt wurde. In Zeit und Raum haben alle Wesensmerkmale relativen Wert. Das Ziel ist das gleiche; der Ursprung ist der gleiche, aber infolge der verschiedenen Schwingungsgrade der sieben grossen Ausatmungen (oder göttlichen Energieströme) ist jedes dadurch hervorgebrachte Leben vom anderen unterschieden. Die Entwicklungsstufe der sieben Herren der Strahlen ist nicht die gleiche. Die Entfaltung des Lebens der sieben planetarischen Logoi verläuft nicht einheitlich, und die Atome in ihren Körpern (oder die Monaden, aus denen ihre Bewusstseinsträger bestehen) sind deshalb nicht gleichmässig entwickelt.

Das ist ein umfangreiches Thema, das hier nur angedeutet werden kann. Es wird für den Leser von Interesse sein, die verschiedenen Darstellungen der einen Wahrheit zu vergleichen, die sich auf die grossen Lebensträger beziehen, in denen wir «leben, wirken und unser Dasein haben».

Sie haben [268] folgende Bezeichnungen, unter denen sie studiert werden können:

1. die sieben Strahlen,

2. die sieben Geister vor dem Throne,

3. die sieben planetarischen Logoi,

4. die sieben grossen Herren,

5. die sieben Äonen,