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Sechstes Kapitel - Die neue Weltreligion

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Sechstes Kapitel

Die neue Weltreligion

Die heutige Welt ist für geistige Dinge aufgeschlossener denn je zuvor. Diese Feststellung erfolgt in voller Erkenntnis der allgemein verbreiteten Vorstellung, dass sich das Menschengeschlecht in geistiger Hinsicht festgefahren hat, und dass das geistige Leben der menschlichen Familie noch niemals einen solchen Tiefstand aufzuweisen hatte. Diese Vorstellung stützt sich auf die Tatsache, dass sich die heutige Menschheit für die orthodoxe Darstellung der Wahrheit nicht besonders interessiert; die Kirchen bleiben ziemlich leer, und man wirft ihnen öffentlich vor, dass sie darin versagt haben, die Menschen eine richtige Lebensweise zu lehren. Diese Behauptungen sind leider allzu wahr, und doch besteht weiter die Tatsache, dass die Menschen überall nach geistiger Freiheit und Wahrheit Ausschau halten, und dass der echte religiöse Geist stärker und elementarer lebendig ist als zu irgendeiner früheren Zeit. Das trifft besonders für jene Länder zu, die im letzten Weltkrieg (1914-1945) am meisten gelitten haben. Solche Gebiete wie die Vereinigten Staaten von Nordamerika oder die neutralen Länder zeigen bis jetzt noch keinerlei Zeichen wirklicher geistiger Erneuerung. Die anderen Länder sind in geistiger Hinsicht wach und lebendig, - allerdings nicht in orthodoxem Sinn, sondern in echtem Streben und lebendigem Verlangen nach Licht.

Der religiöse Geist in der Menschheit konzentriert sich heute mehr auf das wahre Wesen der Dinge als je zuvor. Die orthodoxen Weltreligionen treten immer mehr in den Hintergrund menschlichen Interesses, trotzdem wir zweifelsohne dem Kernpunkt geistiger Wirklichkeit immer näher kommen. Die Lehren über Gott, wie sie jetzt in den kirchlichen Organisationen (im Osten und im Westen) (138) gehandhabt werden, sind versteinert und verhältnismässig von geringem Wert. Priester und Geistliche, Lehrer und buchstabengetreue Bibelgläubige (meist fanatische, doch aufrichtige Menschen) versuchen das zu verewigen, was veraltet ist, was früher einmal den Fragestellern vollauf genügt hat, was sie aber heute nicht mehr befriedigen kann. Religiöse Persönlichkeiten, die gutherzig, aber kein grosses Licht sind, beklagen das Abrücken der Jugend von der einseitig-starren Einstellung in Glaubensfragen. Gleichzeitig verlangen sie, so wie alle Sucher, neue Enthüllungen; sie suchen nach etwas Neuem und Interessantem, was die grossen Massen anziehen und zu Gott zurückbringen könnte; sie fürchten, dass sie etwas aufgeben und neue Auslegungen alter Wahrheiten finden müssten, doch mangelt es ihnen völlig an der Einsicht, dass eine neue Anschauung der Wahrheit (wie sie in Christus lebt) nötig ist. Sie spüren, dass neue geistige Enthüllungen bevorstehen, schrecken aber leicht davor zurück, wenn sie an die Rückwirkungen und Umwälzungen denken. Sie stellen sich selbst viele Fragen und sind von starken und störenden Zweifeln befallen. Es ist hier die Feststellung interessant, dass die Antworten auf diese Fragen aus zwei Quellen kommen (und in zunehmendem Mass kommen werden): Erstens, von den denkenden Massen, deren wachsende, intellektuelle Aufnahmefähigkeit die Ursache für das Abrücken von der orthodoxen Religion ist; zweitens, aus dem überschattenden Quell der Wahrheit und des Lichts, von wo aus seit jeher untrügliche Offenbarungen kamen. Die Antworten werden uns nicht von irgendwelchen religiösen Organisationen gegeben werden, weder von den östlichen noch von den westlichen.

Einige dieser Fragen können folgendermassen in Worte gefasst werden:

Warum war die Kirche nicht imstande, wie es der letzte Weltkrieg gezeigt hat, der überwältigenden Macht des Übels Einhalt zu gebieten?

Warum hat sich die Religion für die Bedürfnisse der Menschheit als unzulänglich erwiesen?

Warum haben sich die sogenannten geistigen Führer der religiösen Welt als unfähig erwiesen, ihren Teil zur Lösung der Weltprobleme beizutragen?

Warum (139) waren christliche Lehrer, als Repräsentanten des Gottes der Liebe, unfähig, das beispiellose Anwachsen von Hass in der heutigen Welt aufzuhalten?

Warum waren die meisten dieser Lehrer bei ihrem Suchen und Forschen nach Wahrheit so sektiererisch, separatistisch und konfessionell? Immerhin besteht da eine geistige, unvoreingenommene Gruppe, die aber in der Minderheit ist.

Warum weigern sich die jungen Menschen, zur Kirche zu gehen,. und zeigen kein Interesse, die Lehren anzunehmen, die ihnen als Glaubensüberzeugung dargelegt werden?

Warum stolziert der Tod durch die heutige Welt und nicht das Leben?

Warum tauchen so viele neue Kulte auf, welche die Menschen von den orthodoxen religiösen Organisationen weglocken und auf ein Nebengeleis bringen?

Warum fühlen sich die Anhänger der «Mental science» (Wissenschaft vom Geist), der «Unity movement» (Einheits-Bewegung) und der «New Thought Presentation» (Neu-Geist Bewegung) von diesen Doktrinen so angezogen, dass sie die besser fundierten Organisationen verlassen? Man beachte den Ausdruck «Organisationen»; hier liegt der Schlüssel zum Problem.

Warum wächst ständig der Einfluss östlicher Gotteslehre, der verschiedenen Yoga-Systeme, der buddhistischen Lehre und orientalischer Bekenntnisse?

Warum finden Lehrgebiete wie Astrologie, Numerologie und die verschiedenen magischen Rituale so viele Anhänger, während die Kirchen leer bleiben oder nur von alten Leuten besucht werden, von Konservativen und Reaktionären, oder von solchen, die aus Gewohnheit hingehen, oder weil sie verzweifelt und unglücklich sind?

Was also ist falsch an unserer Darstellung der geistigen Wirklichkeiten und an den Wahrheiten der Zeitepochen?

Darauf kann man viele Antworten geben. Eine der bedeutsamsten Antworten ist die, dass die Darstellung der göttlichen Wahrheit, wie sie von den Kirchen im Westen und von den Lehrern im Osten gegeben wird, mit der intellektuellem Entfaltung des menschlichen Geistes nicht Schritt gehalten hat. Immer noch werden die altmodischen Worte und Vorstellungen dem wissbegierigen Frager aufgetischt; sie befriedigen weder sein Denken und Grübeln (140) noch seine praktischen Bedürfnisse in einer höchst schwierigen Welt. Man verlangt von dem Suchenden blinden Glauben ohne wirkliches Verstehen. Man sagt ihm, dass er nicht imstande sei, alles zu begreifen, aber auf der anderen Seite verlangt man von ihm, die Auslegungen und Behauptungen anderer Köpfe anzunehmen, die den Anspruch erheben, dass sie es besser verstehen, und dass sie im Besitz der Wahrheit seien. Der Frager glaubt nicht daran, dass ihr Verstand und ihre Auslegungen einen Deut besser seien als seine eigenen. Dieselben alten Formulierungen, dieselben theologischen Konzepte und dieselben alten Textauslegungen erachtet man als angemessen und hinreichend, um den Bedürfnissen und Fragestellungen eines modernen Menschen Genüge zu tun. Sie genügen nicht.

Die Kirche von heute ist Christi Grab; man rollte den Stein der Theologie vor den Eingang zur Grabstätte.

Aber wohlgemerkt, das ist keine Spitze gegen das Christentum. Das Christentum ist unangreifbar; es ist in seiner Essenz - wenn auch jetzt noch nicht voll verwirklicht - ein Ausdruck der Liebe zu Gott, die seinem erschaffenen Universum innewohnt. Aber das Kirchentum ist es, das den Angriffen Tür und Tor öffnete, und die Massen der denkenden Menschen wissen das; bedauerlicherweise sind diese einsichtigen Persönlichkeiten nur eine kleine Minderheit. Dessenungeachtet wird gerade diese Minderheit von Denkern, wenn sie einmal zur Majorität angewachsen ist (und sie nimmt rasch zu), den Kirchen zum Verhängnis werden, denn diese Denker werden die Verbreitung der wahren Lehre Christi gutheissen und unterstützen. Es ist unmöglich, dass Christus an den grossen, von den Geistlichen erbauten Steintempeln einen Gefallen finden kann, während seine Schutzbefohlenen ohne Führung und ohne vernünftige Aufklärung über das Weltgeschehen bleiben. Zweifellos empfindet er mit wehem Herzen, dass die von ihm gelehrte Einfachheit und der von ihm nachdrücklich betonte einfache Weg zu Gott in den Nebel der (von Paulus eingeführten) Theologie sowie in den endlosen Diskussionen der Geistlichen in all den Jahrhunderten verloren ging. Die Menschen haben sich vom einfachen Leben im Geiste, wie es die ersten Christen gelebt haben, weit entfernt. Ist es nicht sehr wohl (141) möglich, dass Christus das eigenbrötlerische Leben der Kirchen und die Anmassung der Theologen als irrig und unerwünscht ansieht, wenn sie (wie sie es getan haben) die Welt in Gläubige und Ungläubige, in Christen und Heiden, in sogenannte Erleuchtete und Unwissende teilen? Steht das nicht in Gegensatz zu all dem, was er selbst für wahr und richtig hielt, wenn er sagte: «Ich habe auch noch andere Schafe, die nicht zu dieser Hürde gehören (Joh. 10/16).

Es ist nicht das heutzutage in der Welt überhandnehmende Übel, das neue Enthüllungen verhindert und die Entfaltung des geistigen Lebens hemmt. Dieses Übel ist die Folge von Missverständnissen und falscher Orientierung im Denken der Menschen, die Folge davon, dass materiellen Dingen eine allzu grosse Bedeutung beigelegt wurde, was der emsige Wettbewerb im Lauf der Jahrhunderte mit sich brachte. Das Übel beruht ferner auf dem Versagen der religiösen Organisationen in der ganzen Welt, die Wahrheit in ihrer Reinheit zu erhalten; sie blieben bei der fanatischen Idee, dass die persönliche Meinung von irgendjemandem darüber, was Wahrheit ist und was nicht, unbedingt die einzige und richtige Erklärung der Wahrheit sei. Theologen haben sich (mit aufrichtiger Absicht) für Wortformulierungen eingesetzt, die sie für die einzig richtige und irrtumsfreie Darstellung einer göttlichen Idee hielten. Aber hinter all ihren Worten wurde Christus vergessen! Geistliche haben viel Mühe aufgewandt und praktische Fähigkeiten bewiesen, um Gelder zum Bau steinerner Prachtbauten aufzubringen, derweil sich Kinder Gottes in der weiten Welt hungrig und zerlumpt umherschleppten und so den Gedanken an einen Gott der Liebe verloren.

Wie kann das Bedürfnis der Menschheit nach geistiger Führung befriedigt werden, wenn sich die Kirchenfürsten nur mit zeitlichen Dingen beschäftigen, wenn in der römisch-katholischen, in der griechisch-orthodoxen und in der protestantischen Kirche besonderer Wert auf Pomp und Zeremonien, auf grosse Kirchen und steinerne Kathedralen, auf Gold- und Silbergeräte für Abendmahlszwecke auf scharlachfarbene Baretts, auf schmuckbesetzte Gewänder und auf die sonstige Ausstattung gelegt wird, die von kirchlich eingestellten Personen so geschätzt wird? Wie können die hungernden Kinder (142) in der Welt - besonders in Europa - gerettet werden, wenn Päpste und Bischöfe Geldsammlungen wärmstens befürworten, um neue Dome und noch mehr Kirchen zu errichten, wenn die vorhandenen Kirchen jetzt leer stehen? Wie soll Licht das Denken der Menschen erhellen, wenn Geistliche das Volk in Furcht halten, falls es nicht die veralteten theologischen Auslegungen und die altgewohnte Art, sich an Gott zu wenden, gutheisst? Wie können die geistigen und intellektuellen Bedürfnisse der Menge befriedigt werden, wenn die theologischen Seminare ihren Studenten nichts Neues bringen, was unseren Tagen und unserem Zeitalter angepasst ist? Junge Leute, die nur nach alten Lehrmeinungen unterrichtet wurden, werden in die Welt hinausgeschickt, um Menschen zu führen. Diese jungen Leute beginnen ihre religiöse Schulung und ihre Vorbereitung auf das geistliche Amt mit grossen Hoffnungen und einem hochgeistigen Zukunftsbild; sie verlassen das Seminar mit geringen Hoffnungen, mit nicht besonders grosser Glaubenskraft, aber mit der festen Absicht, «ihr Bestes zu geben» und sich zu einer geachteten Stellung in der Kirche emporzuarbeiten.

Hier erhebt sich die Frage: Würde sich Christus, wenn er wieder unter Menschen wandelte, in den Kirchen «zu Hause» fühlen? Die Rituale und Zeremonien, der Pomp und die Prunkgewänder, die Kerzen, das Gold und das Silber, die Rangordnung der Päpste, Kardinäle, Erzbischöfe, Domherren, Pfarrer, Pastoren und der sonstigen Geistlichkeit würden dem einfachen Gottessohn gewiss zu wenig Interesse abgewinnen, der - als er auf Erden weilte - nicht wusste, wohin er sein Haupt legen sollte.

Die Art und Weise, wie in der Vergangenheit religiöse Wahrheit dargestellt wurde, hat die Entwicklung des religiösen Geistes blockiert; die Theologie hat die Menschheit bis an die Grenzen der Verzweiflung getrieben. Die zarte Blume des Christus-Lebens konnte in den dunklen Räumen menschlichen Denkens nicht weiter wachsen und verkümmerte. Fanatisches Anklammern an - von Menschen erdachten - Auslegungen trat an die Stelle eines Lebens im christlichen Sinn. Millionen von Büchern haben die lebendigen Worte Christi entwertet und verwischt. Die Argumente und Diskussionen der Priester löschten das Licht aus, das Buddha gebracht hatte; in dem Streit um Meinungen, Phrasen und Worte vergass man die (143) Liebe Gottes, wie sie durch das Leben Christi offenbar wurde. Unterdessen haben Menschen mit dem Tod gerungen, gehungert und gelitten, um Hilfe und Unterstützung gefleht - und haben zuletzt in tiefer Enttäuschung den Glauben verloren.

Allerorten sind heute die Menschen reif für mehr Licht; sie erwarten neue Offenbarungen und eine neue Religionsordnung. Die Menschheit ist auf dem Weg der Evolution so weit vorangeschritten, dass ihre Wünsche und Erwartungen nicht nur auf materielle Verbesserungen gerichtet sind, sondern auch geistige Schau, echte Werte und rechte menschliche Beziehungen umfassen. Die Menschen beanspruchen nicht nur die notwendige Nahrung und Kleidung, das Recht auf Arbeit und ein Leben in Freiheit, sie verlangen auch Belehrung und geistige Hilfe; sie sehen in grossen Gebieten der Erde den Hunger wüten, und doch verspüren sie mit gleicher Bestürzung den seelischen Hunger.

Wir irren uns bestimmt nicht in der Schlussfolgerung, dass diese geistige Bestürzung und diese geistige Not im Bewusstsein Christi einen ganz besonderen Platz einnimmt. Wenn er wiederkommt und mit ihm seine bisher unsichtbare Kirche, - was können sie tun, um diesem fordernden Ruf und dieser verstärkten geistigen Aufnahmefähigkeit, mit der man sie begrüssen wird, Genüge zu tun? Diese Grossen sehen das ganze Bild. Die Bitten der Christen um geistige Hilfe, der seelische Aufschrei der Buddhisten nach geistiger Erleuchtung und der laute Ruf der Hindus nach geistigem Verstehen, dazu des Flehen all derer, die einen Glauben haben oder glaubenslos sind, - all diese verdienen Hilfe. Das drängende Flehen der Menschheit steigt zu ihnen empor; Christus und seine Jünger kennen keine sektiererischen Bedenken, dessen können wir gewiss sein. Man kann unmöglich annehmen, dass sie an dem Standpunkt der Fundamentalisten (buchstabengetreue Bibelgläubige) oder an den theologischen Theorien über die Geburt der Jungfrau, über die stellvertretende Entsühnung oder die Unfehlbarkeit des (144) Papstes ein Interesse hätten. Die Menschheit ist in verzweifelter Not, und dieser Not muss man abhelfen. Nur grosse und wohlfundierte Lebens-Prinzipien, die der Vergangenheit und Gegenwart Rechnung tragen und eine Grundlage für die Zukunft bilden, können dem dringenden Ruf der Menschheit wirklich Rechnung tragen. Christus und die geistige Hierarchie wollen keinesfalls das, was die Menschheit bisher für die «Rettung als notwendig» erachtet hat, und was dem geistigen Verlangen Genüge tat, zerstören. Wenn Christus wiederkommt, werden die unwesentlichen Dinge gewiss verschwinden; die wesentlichen Grundlagen des Glaubens bleiben, auf denen er die neue Weltreligion, die von allen Menschen erwartet wird, aufbauen kann. Die neue Weltreligion muss auf jenen Grund-Wahrheiten ruhen, die in den Zeitläufen ihre Probe bestanden und allen Menschen Zuversicht und Trost gebracht haben; es sind dies zweifelsohne die folgenden:

1. Gott ist eine Tatsache

Zu allererst muss die Tatsache der Existenz Gottes anerkannt werden. Dieser wirklich existierenden Wesenheit kann der Mensch irgendeinen Namen geben, den er je nach seiner geistigen und emotionellen Neigung, nach Überlieferung und Erbgut wählen mag; denn Gott kann weder definiert noch durch Namen bestimmt werden. Die Menschen verwenden notgedrungen und immer Namen oder Bezeichnungen, um das, was sie wahrnehmen, fühlen und wissen (sei es sichtbar oder unsichtbar), in Worten auszudrücken. Bewusst oder unbewusst erkennen alle Menschen den «Gott in der Höhe» und den «Gott im Innern» an; sie haben das lebendige Empfinden, dass Gott der Schöpfer und das innere Leben aller Dinge ist.

Die Glaubensrichtungen des Ostens haben immer den «Immanenten Gott» betont, den Gott tief im Menschenherzen, der «näher ist als Hände und Füsse», das Selbst, den Einen, den Atman (den universalen Geist), der kleiner als das Kleinste ist und doch alles in sich einschliesst. Die westlichen Bekenntnisse haben den «Transzendenten Gott», den «Gott in der Höhe» dargestellt, jenseits seines Universums, - einen Zuschauer. Der jenseitige Gott bestimmte zuerst und am stärksten die menschliche Vorstellung von Gott, denn die Tätigkeit dieses transzendenten Gottes zeigte sich deutlich im Leben der Natur. Später, in der jüdischen (145) Religionsordnung erschien Gott als der Stammesgott Jehova, als die (ziemlich unerfreuliche) Seele einer Nation. Sodann sah man in Gott den vollkommenen Menschen, und der vollendete Gottmensch wandelte in der Person Christi auf Erden. Heute gewinnt immer mehr die Auffassung an Boden, dass Gott im Herzen eines jeden Menschen und in jeder erschaffenen Form wohnt. Die Kirchen sollten jetzt diese beiden Ideen zu einer Synthese verbinden, wie sie uns in der Bhagavad Gita durch Sri Krishna verkündet wird: «Nachdem ich das ganze Universum mit einem Bruchteil Meiner Selbst durchdrungen habe, verbleibe Ich.» Gott, grösser als die erschaffene Welt, ist gleichwohl in jedem Teil gegenwärtig. Der transzendente Gott ist der Garant für den Plan für unsere Welt; er ist Ziel und Zweck, der alle Leben bestimmt, vom winzigsten Atom durch alle Naturreiche bis hinauf zum Menschen.

2. Die Beziehungen des Menschen zu Gott

Die zweite Wahrheit, die alle - ohne Unterschied des Glaubens - gläubig im Herzen tragen, ist die, dass jeder Mensch im innersten Wesen eine Beziehung zu Gott hat. Im menschlichen Bewusstsein ruht - oft nur als zarte Regung und ganz unbestimmt - ein angeborenes Gefühl seiner göttlichen Natur. «Wir alle sind Kinder Gottes» (Gal. 3, 26). «Einer ist euer Vater, der im Himmel ist», sagt Christus, und so sprachen alle Weltlehrer und Avatars aller Zeiten. Ein anderer Ausspruch der Bibel sagt: «Gleichwie er ist, so sind auch wir in dieser Welt» (1. Joh. 4, 17). «Näher ist er als unser Atem, näher als Hände und Füsse», singt preisend der Hindu. «Christus in uns, die Hoffnung auf ewige Herrlichkeit», ist die triumphierende Bestätigung des hl. Paulus.

3. Unsterblichkeit und ewige Fortdauer sind Tatsachen

Drittens ruht in uns das Empfinden, dass unsere Existenz fortdauert, dass es ein ewiges Leben und Unsterblichkeit gibt. Niemand kann von dieser (146) Anerkennung loskommen; sie ist genau so ein Teil des menschlichen Reagierens, wie es der Instinkt der Selbsterhaltung ist. Mit dieser inneren Überzeugung sehen wir dem Tod ins Auge und wissen, dass wir wieder leben werden, dass wir kommen und gehen und fortbestehen, weil wir in unserem Wesen göttlich sind und unser eigenes Schicksal lenken. Wir wissen, dass wir uns ein Ziel gesetzt haben, und dass dieses Ziel «ein Leben in grösserer Fülle» ist, - irgendwo, hier, dort und schliesslich überall.

Der Geist im Menschen ist unsterblich; er währt ewig, er schreitet auf dem Pfad der Evolution vorwärts von einem Zielpunkt zum anderen, von Stufe zu Stufe, er entfaltet unbeirrt und nacheinander die göttlichen Eigenschaften und Merkmale. Diese Wahrheit schliesst notwendigerweise die Anerkennung zweier grosser Gesetze in sich: des Gesetzes der Wiedergeburt und des Gesetzes von Ursache und Wirkung. Die Kirchen im Westen haben es offiziell abgelehnt, das Gesetz der Wiedergeburt anzuerkennen und sind dadurch in eine theologische Sackgasse geraten, aus der es keinen Ausweg gibt. Die Kirchen im Osten haben diesen Gesetzen eine allzu grosse Bedeutung beigelegt, so dass sich die Gläubigen von einer negativen und ergebenen Einstellung dem Leben und dessen Vorgängen gegenüber treiben lassen; diese Einstellung beruht auf der Idee, dass ihnen laufend und immer wieder günstige Gelegenheiten geboten werden. Das Christentum hat die Unsterblichkeit mit Nachdruck betont, machte aber die ewige Glückseligkeit von der Annahme eines theologischen Dogmas abhängig: Entweder du bekennst dich voll und ganz als wahrer Christ, dann kommst du einmal in den (etwas einfältigen) Himmel; oder aber du weigerst dich, alles zu glauben, und willst nicht einmal zum Schein ein Gewohnheits-Christ sein, dann kommst du in die (unmögliche) Hölle, in eine Hölle, die ein Auswuchs der Theologie des Alten Testamentes ist, wo ein Gott voller Hass und Eifersucht dargestellt ist. Beide Auffassungen werden heute von allen normalen, aufrichtigen und denkenden Menschen verworfen. Wenn jemand nur etwas gesundes Urteilsvermögen und wenigstens etwas echten Glauben an einen Gott der Liebe besitzt, der wird einen solchen Himmel der Geistlichen niemals annehmen oder die geringste Lust verspüren, dorthin zu kommen. Noch weniger kann man den «Feuersee, der mit Schwefel brennt», (Offenbarung 19, 20) annehmen oder an eine (147) immerwährende Peinigung glauben, zu der ein Gott der Liebe angeblich alle jene verdammt, die nicht auf die theologischen Auslegungen des Mittelalters schwören, die nicht an die Erklärungen der modernen Fundamentalisten oder jener unvernünftigen Geistlichen glauben, welche die Menschen - durch starre Dogmen, durch Furcht und Drohungen - bei den veralteten Lehren zu halten suchen. Der Kern der Wahrheit liegt wo anders. «Was immer ein Mensch sät, das wird er auch ernten», (Gal. 6, 7) ist eine Wahrheit, die immer wieder nachdrücklich zum Bewusstsein gebracht werden sollte. Mit diesen Worten drückt Paulus für uns die uralte und wahre Lehre vom Gesetz über Ursache und Wirkung aus, das im Orient das Karma-Gesetz genannt wird.

Die Unsterblichkeit der menschlichen Seele und die eingeborene Fähigkeit des inneren, geistigen Menschen, sein Seelenheil gemäss dem Gesetz der Wiedergeburt - als Folge des Gesetzes von Ursache und Wirkung - zu erwirken, das sind die grundlegenden Faktoren, die das menschliche Betragen und Streben beherrschen. Kein Mensch kann diesen beiden Gesetzen entgehen; sie beeinflussen und formen ihn ohne Unterlass, bis er die gewünschte und vorgezeichnete Vollendung erreicht hat und sich als ein rechter Gottessohn auf dieser Erde wirksam betätigen kann.

4. Immer gab es Offenbarungen, und immer kamen göttliche Sendboten

Die vierte fundamentale Wahrheit, die alle Planungen Christi aufhellt, ist mit geistigen Offenbarungen und mit der unvermeidlichen Wechselbeziehung zwischen Mensch und Gott verknüpft. Niemals im Lauf der Menschheitsgeschichte hat sich die Gottheit ohne Zeugen gelassen; niemals hat der Mensch nach Licht verlangt, ohne dass das Licht auch in Erscheinung trat. Niemals hat es eine Zeit, einen Zyklus oder eine Weltperiode gegeben, in der nicht eine Lehre oder geistige Hilfe, die der Mensch in seiner Not verlangt hatte, gegeben worden wäre. Niemals strebten Herz und Sinn der Menschen hin zu Gott, ohne dass sich Göttlichkeit den Menschen genähert hätte. (148) Die Geschichte der Menschheit ist in Wahrheit des Menschen Verlangen nach Licht und Verbindung mit Gott, und auf der anderen Seite das Bringen von Licht und Gottes Näherkommen zum Menschen. Stets brachte ein Retter; ein Avatar oder Weltlehrer, der von der verborgenen Stätte des Höchsten Wesens dieses Planeten ausgeschickt wurde, den Menschen neue Offenbarungen, neue Hoffnung und neuen Ansporn zu einem reicheren geistigen Leben.

Manche solche Missionen waren von grundlegender Bedeutung, denn sie beeinflussten die gesamte Menschheit; andere wieder waren weniger bedeutsam, da sie nur einen verhältnismässig kleinen Teil der Menschheit betrafen. - etwa eine Nation oder Volksgruppe. Jene, die als Verkünder der Liebe Gottes erscheinen, kommen aus dem geistigen Zentrum, dem Christus den Namen «Reich Gottes» (Matth. 6, 33) gab. Dort wohnen die «Geister der vollendeten Gerechten» (Hebräer 12, 23); dort sind die geistigen Führer der Menschheit zu finden, und dort leben und wirken die geistigen Vollstrecker des göttlichen Planes und übersehen die menschlichen und planetarischen Angelegenheiten. Die Menschen haben diesem geistigen Zentrum mancherlei Namen gegeben, wie: Geistige Hierarchie, die Residenz des Lichtes, Lebenszentrum der Meister der Weisheit, Grosse Weisse Loge. Von dort aus kommen jene, die als Sendboten göttlicher Weisheit erscheinen oder als Hüter der Wahrheit (wie sie in Christus ist) wirken, und alle jene, deren Aufgabe es ist, die Welt zu retten, die nächsten Enthüllungen zu bringen und Göttlichkeit augenfällig darzutun. Alle heiligen Schriften dieser Welt bezeugen die Existenz dieses Zentrums geistiger Energie. In dem Mass, in dem sich die Menschen immer mehr ihrer Göttlichkeit bewusst und damit fähig wurden, mit dem Göttlichen in Verbindung zu kommen, kam die geistige Hierarchie ständig näher an die Menschheit heran.

Jetzt besteht die Möglichkeit einer weiteren grossen, göttlichen Annäherung und neuer geistiger Enthüllungen. Ein neues Offenbarungsgeheimnis schwebt über der Menschheit, und der Eine, der es bringen und kundtun wird, kommt uns ständig näher. Was alles dieser grosse (149) Advent der Menschheit bringen wird, das wissen wir noch nicht. Es ist indessen gewiss, dass uns ebenso klare und bestimmte Ergebnisse beschieden sein werden, wie das bei allen früheren Offenbarungen und den Missionen jener der Fall war, die auf die damaligen Bittrufe der Menschheit hin erschienen sind. Der Weltkrieg hat die Menschheit geläutert; eine neuer Himmel und eine neue Erde sind im Entstehen begriffen. Was meint denn eigentlich der orthodoxe Theologe und Geistliche, wenn er die Worte «ein neuer Himmel» gebraucht? Könnten diese Worte nicht etwas ganz Neues bedeuten und eine neue Auffassung über die Welt geistiger Wirklichkeiten andeuten? Könnte uns nicht der Kommende völlig neue Gesichtspunkte sogar über das Wesen Gottes eröffnen? Wissen wir denn schon alles, was man über Gott wissen kann? Wenn das der Fall wäre, dann wäre Gott ein sehr begrenztes Wesen. Könnte es nicht möglich sein, dass unsere derzeitigen Vorstellungen über Gott als das universale Denkprinzip, als Liebe und Wille, durch neue Ideen oder Wertungen bereichert werden können, für die wir bis jetzt weder Namen noch Worte haben, weil wir davon keine Ahnung haben? Jeder der drei Begriffe über die Gottheit als Dreieinigkeit, wie wir sie heute verstehen, war ganz neu, als sie zuerst und nacheinander dem Denken oder Bewusstsein der Menschen vorgebracht wurden.

Seit einigen Jahren hat sich nun die geistige Hierarchie unseres Planeten immer mehr der Menschheit genähert, und diese Annäherung hat die grossen Freiheitsbegriffe veranlasst, die den Menschen in der ganzen Welt so sehr am Herzen liegen. Der Traum von Kameradschaft und Brüderschaft, von weltweiter Zusammenarbeit und Frieden, dessen Grundlagen rechte menschliche Beziehungen sind, wird in unseren Vorstellungen immer klarer. Wir haben auch ein visionäres Bild von einer neuen und lebensnahen Weltreligion, von einem universalen Glaubensbekenntnis, das wohl in der Vergangenheit wurzelt, aber die aufdämmernde Schönheit und die zu erwartenden wichtigen Enthüllungen klarmachen wird.

Diese neue Annäherung wird, dessen können wir gewiss sein, die Wahrheit über «Gott im Herzen» auf eine Art beweisen, die wohl tief geistig ist, aber völlig den Tatsachen entspricht. Die Kirchen haben die Idee einer ausserweltlichen Gottheit nachdrücklich betont und (150) ausgebeutet und die Gegenwart eines Gottes vorausgesetzt, Der erschafft, erhält und schöpferisch tätig ist, aber gleichzeitig ausserhalb seiner Schöpfung lebt, - als unergründlicher Zuschauer. Diese Gestalt eines Schöpfers «hoch da droben» muss als falsch erwiesen werden, und einer solch einseitigen Lehrmeinung muss man mit der Manifestation Gottes im Menschen, «der Hoffnung auf ewige Herrlichkeit» entgegentreten. Es ist sicher, dass die erwartete Wiederkunft Christi das klar bekunden wird; sie wird auch die enge Beziehung zwischen dem jenseitigen Gott und demjenigen, «in dem wir leben, weben und sind», beweisen, denn «obwohl er das gesamte Universum mit einem Bruchteil seiner selbst durchdrungen hat, verbleibt er» (ungeschmälert). Gott lebt in den Formen aller erschaffenen Dinge; die Herrlichkeit, die durch die Menschheit offenbar werden soll, ist die Wesensäusserung dieser eingeborenen Göttlichkeit mit all ihren Kennzeichen und Merkmalen, Eigenschaften und Kräften.

Die neue Weltreligion wird auf der Tatsache beruhen, dass es einen Gott gibt, und dass zwischen dem Menschen und diesem göttlichen Ursprung eine Beziehung besteht, auf der Tatsache der Unsterblichkeit und fortgesetzter göttlicher Offenbarungen und auf der Tatsache, dass immer wieder Heilsboten aus dem göttlichen Zentrum in die Welt kamen. Zu diesen Tatsachen kommt das unzweifelhafte, instinktive Wissen des Menschen, dass ein «Weg hin zu Gott» existiert, und dass er auch imstande ist, diesen Weg zu gehen, sobald ihn der evolutionäre Werdegang zu einer neuen Orientierung über die Gottheit und zur Annahme der Tatsache gebracht hat, dass Gott sowohl ausserhalb seiner Schöpfung als auch in jeder Erscheinungsform lebt.

Diese grundlegenden Wahrheiten werden das Fundament der künftigen Weltreligion bilden. Der Leitgedanke dieser Weltreligion heisst: «Näher zu Gott!» «Nahet euch Gott, so wird er sich euch nahen» (Jakobus 4, 8); das ist der grosse Mahnruf, der neu und klar in unseren Tagen von Christus und der geistigen Hierarchie ausgeht.

Das Hauptthema der neuen Weltreligion wird die Anerkennung bilden, dass göttliche Sendboten schon oft zu den Menschen kamen, und dass damit immer neue Offenbarungen verbunden waren. Die Aufgabe, (151) vor der heute die geistig eingestellten Menschen in der Welt stehen, besteht darin, das bevorstehende und (vielleicht) wichtigste aller bisherigen Kommen eines Sendboten vorzubereiten. Die anzuwendende Methode wird in der wissenschaftlichen und einsichtigen Anwendung von Invokation (Anrufung) und Evokation (Hervorrufung von Energie) sowie im klaren Erkennen dieser beiden gewaltigen Wirkungskräfte bestehen.

Wenn die Menschen Gott anrufen, damit er sich ihnen zuwende, geschieht das auf verschiedene Weise: Entweder durch einen gestammelten, stummen Appell und flehentliche Stossseufzer der Massen, - oder aber durch eine planvolle, klar definierte Invokation der geistig orientierten Aspiranten, der intelligenten und überzeugten Helfer, Jünger und Eingeweihten, also kurz durch alle jene, welche die Neue Gruppe der Weltdiener bilden.

Die Wissenschaft von der Invokation und Evokation wird einstens das ersetzen, was wir heute «Gebet» und «Gottesdienst» nennen. Niemand möge sich durch die Bezeichnung «Wissenschaft» beunruhigt fühlen; es geht hier nicht um eine kalte und gefühllose Verstandessache, wie sie so oft vorgebracht wird. Gemeint ist vielmehr die intelligente und zweckmässige Heranziehung geistiger Energien und der Kraftströme der Liebe; sobald diese stark genug sind, werden sie bei den geistigen Helfern eine Resonanz auslösen, so dass sie wieder offen unter Menschen wandeln können, um auf solche Weise eine enge Beziehung und eine dauernde Verbindung zwischen der Menschheit und der geistigen Hierarchie anzubahnen.

Zur weiteren Klarstellung mag erwähnt werden, dass eine Invokation von dreierlei Art sein kann: Zunächst gibt es - wie schon oben erwähnt - das Verlangen der Massen, dem sie unbewusst Ausdruck geben, und den flehentlichen Aufschrei, der in Krisenzeiten - wie der jetzigen - aus den Herzen der Menschen kommt. Dieser invokative Schrei steigt unaufhörlich aus den Herzen jener Menschen empor, die von Leid und Not heimgesucht sind; dieser Schrei ist an jene überirdische Macht gerichtet, von der die Menschen annehmen und erwarten, dass ihnen in Augenblicken höchster Not Hilfe zuteil wird. Dieser grosse und stumme Hilferuf steigt heute aus allen Winkeln der Erde empor. Zweitens findet man den Geist flehentlicher Anrufung bei aufrichtigen Menschen, wenn sie an den Riten ihrer Religion teilnehmen und sich die Gelegenheit gemeinsamen Gottesdienstes und (152) Gebetes zunutze machen, um Gott ihre Bitten um Hilfe zu Füssen zu legen. Diese Gruppe bildet im Verein mit den grossen Massen eine riesige Menge anrufender Bittsteller; ihre vereinten Bitten und Absichten sind zurzeit sehr deutlich, und ihr Ruf dringt bis zum Allerhöchsten empor. Drittens ist die Gruppe der geschulten Jünger und Aspiranten in der Welt zu nennen, die bestimmte Wortformulierungen, gewisse sorgfältig erwogene Invokationen gebrauchen; durch deren Anwendung vereinigen sie die instinktiven Hilferufe und den invokativen Appell der beiden anderen Gruppen in einem Brennpunkt, und geben diesen beiden Invokationen Kraft und die rechte Richtung. Alle diese drei Gruppen sind derzeit, bewusst oder unbewusst, in voller Aktivität; ihre vereinten Anstrengungen sind eine Gewähr dafür, dass aus der Höhe eine Antwort folgen wird.

Diese neue invokative Tätigkeit wird der Grundton der kommenden Weltreligion sein und wird in zwei Abschnitte zerfallen. Zuerst kommt die invokative Tätigkeit der grossen Massen überall, die von geistig eingestellten Personen (womöglich in Kirchen unter einer aufgeklärten Geistlichkeit) geschult werden, damit die Menschen die Tatsache annehmen, dass sich geistige Energien nähern, die in Christus und seiner geistigen Hierarchie ihren Brennpunkt haben. Die Massen werden ferner belehrt werden, wie sie ihr Verlangen nach Licht und Befreiung und Verstehen in Worte kleiden können. Des weiteren wird eine wirksame Invokationsarbeit von jenen erfahrenen Persönlichkeiten geleistet werden, die ihr Denken durch richtige Meditation geschult haben, welche die grosse Wirkungskraft von Gebetsformeln, Mantrams und Invokationen kennen und bewusst anwenden. Sie werden in zunehmendem Mass gewisse grosse Wort-Formeln verwenden, die später der Menschheit gegeben werden sollen, genau so wie Christus «Das Gebet des Herrn» bekanntgab und die Hierarchie die Neue Invokation zum Gebrauch in der heutigen Zeit herausgab.

Diese neue Religionswissenschaft, zu deren Verständnis Gebet, Meditation und Ritual die Menschheit vorbereitet hat, wird ihre Anhänger darin ausbilden, dass diese alljährlich zu bestimmten Zeiten das stimmhaft geäusserte Verlangen der Erdenbürger (153) nach näherem Kontakt mit Gott und engeren geistigen Beziehungen zueinander feierlich vortragen. Diese religiöse Praxis wird, in richtiger Weise ausgeführt, bei der erwartungsvollen Hierarchie und ihrem Oberhaupt, Christus, eine Rückwirkung auslösen. Durch diese Rückwirkung wird sich der Glaube der grossen Massen allmählich zur Überzeugung von Wissenden umwandeln. Solcherart werden die Volksmassen umgewandelt und vergeistigt werden; die beiden grossen göttlichen Energie-Zentren oder Gruppen, - die Hierarchie und die Menschheit - werden in vollständiger Verschmelzung und Einheit miteinander zu arbeiten beginnen. Dann wird das Reich Gottes wirklich und wahrhaftig auf Erden wirksam tätig sein.

Es ist einleuchtend, dass nur die grossen Umrisse der neuen Weltreligion angedeutet werden können. Die Erweiterung des menschlichen Bewusstseins, die als Folge der kommenden grossen Annäherung (Christi) eintreten wird, wird die Menschheit befähigen, nicht nur ihre Beziehungen zum geistigen Lebenszentrum unseres Planeten, dem «Einen, in dem wir leben, weben und sind», zu begreifen, sondern auch einen flüchtigen Blick gewähren über die Beziehung unseres Planeten zu dem Kreis planetarischer Lebenszentren, die innerhalb des Sonnen-Systems ihre Bahnen ziehen; ja diese Bewusstseinserweiterung wird auch einen Einblick in noch viel grössere Einflussbereiche gestatten, die mit unserem Sonnensystem in Berührung kommen, während es in den Himmelsräumen (durch die 12 Sternbilder des Tierkreises) seine Bahnen zieht. Astronomische und astrologische Forschung hat diese Wechselbeziehungen und Einflüsse aufgedeckt, doch sind noch immer Spekulationen und viel unsinnige Behauptungen damit verknüpft. Die Kirche hat diese Wechselbeziehungen stets anerkannt, und die Bibel hat dafür Zeugnis abgelegt. «Von ihren Bahnen her kämpften die Sterne gegen Sisera» (Richter 5, 20). «Wer kann dem wonnigen Einfluss der Plejaden widerstehen? (Hiob 38, 31). Viele andere Bibelstellen unterstützen diese Behauptungen von Wissenden. Viele Daten von Kirchenfesten werden mit Beziehung zu Mondphasen oder Tierkreis-Konstellationen festgelegt; ein genaueres diesbezügliches Studium wird die Richtigkeit dieser Aussage beweisen. Wenn das Ritual der neuen Weltreligion allgemein festgelegt wird, dann wird auch (154) die Konstellation von Himmelskörpern als bedeutsamer Faktor berücksichtigt werden.

Die Festlegung bestimmter grosser Festtage in Beziehung zum Mond und in geringerem Grad zu den Gestirnen des Tierkreises wird die innere Kraft der Invokation vertiefen und das darauffolgende Einströmen der aufgerufenen Energien verstärken. Die wahre Wirkung hinter jeder Invokation beruht auf der Macht der Gedanken, sie liegt im besonderen in der telepathischen Natur, Wechselbeziehung und Art der Gedanken. Das geeinte invokative Denken der Massen und das konzentrierte, gerichtete Denken der Neuen Gruppe der Weltdiener bilden einen Energiestrom, der ausgesendet wird. Dieser Strom erreicht auf telepathischem Weg jene grossen geistigen Wesen, die für solche anstürmende Gedankenimpulse empfänglich sind und darauf reagieren. Deren Reaktion oder Antwort besteht im Aussenden von geistiger Energie, die - nach Umwandlung in Gedanken-Energie - den Weg zur Menschheit nimmt. Diese Energie stösst nun in das Denken der Menschen, überzeugt sie und bringt ihnen Inspirationen und neue Enthüllungen. So ist es stets in der Geschichte der geistigen Entwicklung in der Welt gewesen, und auf solche Weise ist es auch zur Niederschrift der heiligen Bücher der Weltliteratur gekommen.

Zweitens wird die Einführung einheitlicher Rituale in den Weltreligionen allen Menschen in der Welt darin helfen, ihr Werk gegenseitig zu stärken und kraftvoll die Gedankenströme zu steigern, die zu den in Erwartung stehenden geistigen Helfern hingelenkt werden. Jetzt hat die christliche Religion ihre grossen Feste, der Buddhist hält seine geistigen Feiertage zu anderen Zeiten, und der Hindu hat wieder eine andere Liste heiliger Tage. Wenn die Welt in der Zukunft neu organisiert sein wird, dann werden alle Menschen, die eine Neigung und einen Sinn für geistige Dinge haben, allerorten dieselben heiligen Tage halten. Dies wird eine Konzentrierung geistiger Hilfsquellen und ein gemeinsames geistiges Bemühen zur Folge haben, und dazu kommt noch die gleichzeitig gesprochene Invokation. Die Wirkungskraft dieser Faktoren wird ganz offensichtlich sein.

Ich möchte die Möglichkeiten solcher geistigen Ereignisse andeuten und versuchen, den Charakter der zukünftigen, von der ganzen Welt gehaltenen Festtage (155) vorherzusagen. Alljährlich wird es drei grosse Feiern geben, die in drei aufeinanderfolgenden Monaten stattfinden und daher während des Jahres zu einer länger anhaltenden geistigen Anstrengung und Aktivität führen, die auch den Rest des Jahres beeinflussen. Es werden dies die folgenden Festtage sein:

1. Das Osterfest.

Dies ist der Festtag des erstandenen, lebendigen Christus, des Lehrers aller Menschen und des Oberhauptes der geistigen Hierarchie. Christus ist der Ausdruck der Liebe zu Gott. An diesem Tag wird die von ihm geführte und geleitete geistige Hierarchie anerkannt und das Wesen der göttlichen Liebe nachdrücklich betont werden. Das Datum dieses Festes wird stets vom ersten Frühlingsvollmond bestimmt; es ist das grosse Fest des Westens und aller Christgläubigen.

2. Das Wesak-Fest.

Dies ist der Festtag Buddhas, des geistigen Vermittlers zwischen dem höchsten spirituellen Zentrum, Shamballa, und der Hierarchie. Buddha ist der Ausdruck der Weisheit Gottes, die Verkörperung des Lichts und der Verkünder der Absichten Gottes. Dieses Fest wird alljährlich auf den Vollmondtag im Mai festgelegt, wie es jetzt der Fall ist. Es ist das grosse Fest im Osten.

3. Das Fest des Guten Willens.

An diesem festlichen Tag wird man des in der Menschheit lebendigen Geistes gedenken, der sich zu Gott hinsehnt und versucht, mit Gottes Willen in Einklang zu kommen. Dieses Fest ist der Bezeigung rechter menschlicher Beziehungen geweiht und fällt jährlich auf den Juni-Vollmondtag. Es wird ein Tag sein, an dem man die geistige und göttliche Natur im Menschen anerkennen wird. Seit zweitausend Jahren repräsentierte Christus an diesem Festtag die Menschheit; (156) er stand an der Spitze der Hierarchie und im Angesicht von Shamballa als der Gott-Mensch, der Führer seiner Getreuen und als «der älteste in einer grossen Familie von Brüdern» (Römer 8, 29). In jedem Jahr hat er an diesem Tag vor der versammelten Hierarchie die letzte Predigt Buddha's feierlich gesprochen. Dieses Fest wird daher eine Feier tiefer Invokation und Bitten sein, eine Feier fundamentalen Strebens nach Gemeinschaftsgeist, nach menschlicher und geistiger Einheit; es wird dem menschlichen Bewusstsein die Auswirkung des Heilswerkes von Buddha und Christus vor Augen halten.

Diese drei Festtage werden bereits in der ganzen Welt gefeiert, obschon sie noch nicht zueinander in Beziehung gebracht sind; sie bilden ein Teilstück der geistigen Annäherung an Gott, die von der geeinten Menschheit erstrebt wird. Es wird die Zeit kommen, da man in der ganzen Welt alle drei Feste halten wird; mit deren Hilfe wird eine grosse geistige Einheit erzielt werden, und die Auswirkungen des Grossen Advents - der uns jetzt so nahe bevorsteht - werden durch den vereinten Anruf der ganzen Menschheit dieses Planeten gefestigt werden.

Die anderen Vollmondtage werden Anlass zu kleineren Feiern sein, doch werden auch diese als sehr bedeutsam erkannt werden; sie werden ins menschliche Bewusstsein die göttlichen Eigenschaften und Merkmale einpflanzen, so wie es an den drei grossen Festtagen mit den drei göttlichen Aspekten geschieht. Diese Aspekte und Eigenschaften Gottes werden durch ein genaues Studium über die Art und Kraft eines bestimmten Sternbildes oder von Konstellationen, die jene Festmonate beeinflussen, erschlossen und näher bestimmt werden. So wird z.B. das Zeichen des Steinbocks (im Dezember) unsere Aufmerksamkeit auf die erste Einweihung hinlenken, - die Geburt Christi im Inneren des Herzens, - und auf die Schulung hinweisen, die notwendig ist, um im Leben des einzelnen Menschen dieses grosse geistige Ereignis herbeizuführen. Ich führe dieses Beispiel an, um die Möglichkeiten für die geistige (157) Entfaltung anzudeuten, die uns ein rechtes Verstehen dieser Sterneinflüsse vermitteln kann, und um die alten Glaubensbekenntnisse dadurch aufs neue zu beleben, dass man deren grosse und unvergängliche Beziehungen zueinander erweitert.

So werden die zwölf Festtage im Jahr Enthüllungen über die Gottheit erbringen; sie bieten damit die Möglichkeit, Beziehungen zu vermitteln, und zwar in erster Linie während der drei Monate mit den drei grossen geistigen Zentren, den Wesensäusserungen der göttlichen Dreieinigkeit. Die kleineren Feiertage werden die wechselseitigen Beziehungen zum grossen Ganzen betonen und auf diese Weise die Darstellung von Göttlichkeit aus dem individuellen und persönlichen Rahmen heraus in die universalen Weiten der göttlichen Absichten emporheben; die Beziehungen des Ganzen zum Teil und des Teils zum grossen Ganzen wird dadurch voll zum Ausdruck kommen.

Die Menschheit wird also die geistige Machtfülle der Hierarchie, des Reiches Gottes, anrufen; die Hierarchie wird diesen Anruf erhören, und dann werden sich Gottes Pläne auf Erden verwirklichen. Von einer höheren Ebene aus wird die Hierarchie das «Zentrum, wo der Wille Gottes thront», anrufen, also Gottes Ratschluss oder Absicht erbitten. Auf diese Weise wird der Wille Gottes durch Liebe verwirklicht und mit Intelligenz offenbargemacht werden; dafür ist die Menschheit reif, und darauf wartet die Erde.

Um es also zusammenzufassen: Auf dem Fundament der von der Menschheit bereits erkannten Grundwahrheit wird die neue Weltreligion aufgebaut werden.

Die Definition von «Religion», die sich in Zukunft von grösserer Genauigkeit als jede bisherige Formulierung seitens der Theologen erweisen wird, könnte in folgende Worte gefasst werden:

Religion ist die Bezeichnung für den bittenden (invokativen) Ruf der Menschheit und für die daraufhin ausgelöste (evokative) Reaktion oder Antwort auf diesen Hilferuf seitens der grösseren Lebenseinheit.

Ja, Religion besteht eigentlich darin, dass der «Teil» seine (158) Beziehung zum «Ganzen» erkannt (und anerkannt) hat sowie in dem ständig zunehmenden Verlangen (seitens der Menschheit, des «Teiles») nach vertieftem Wissen um diese Beziehung; dies erzwingt vom «Ganzen» die Anerkennung, dass das Verlangen auch tatsächlich gestellt worden war. Religion ist der Ansturm menschlicher Schwingungen, der eigens auf das Grosse Leben (als dessen Teil sich die Menschheit fühlt) gerichtet ist, und - als Erwiderung darauf - der andrängende Einfluss dieser «Alles umfassenden Liebe» auf die kleineren (schwächeren) Schwingungen der Menschheit. Erst in unseren Tagen kann dieser Ansturm menschlicher Vibration in Shamballa schwach verspürt werden; bisher war deren Stosskraft nur bis zur Hierarchie vorgedrungen. Religion, die Wissenschaft der Invokation und Evokation, - so weit die Menschheit in Betracht kommt - ist im Neuen Zeitalter die Annäherung einer in der mentalen Ebene (oder Gedankenwelt) polarisierten Menschheit. In der Vergangenheit hatte Religion gänzlich den Charakter einer gefühlsmässigen Anrufung; sie betraf das Verhältnis des Einzelmenschen zur Welt der Wirklichkeit, die Beziehungen des suchenden Aspiranten zur Gottheit. Die damals angewandte Technik bestand in folgendem, methodischen Vorgehen: Der Aspirant suchte sich für die Offenbarungen über diese Gottheit entsprechend vorzubereiten, er trachtete nach einer Vervollkommnung, die diese Offenbarungen rechtfertigen oder garantieren würden, er versuchte eine Empfindungsfähigkeit und eine liebende Empfänglichkeit für den Idealmenschen zu entfalten, wie er sich für die heutige Menschheit in Christus verkörpert. Christus kam, um die Epoche dieser gefühlsbetonten Gottsuche, die seit den Tagen von Atlantis bestanden hat, zu beenden. Er zeigte und bewies an sich die geistig erschaute Vollkommenheit und gab dann der Menschheit - in voller Sichtbarkeit - ein Beispiel all der Entfaltungsmöglichkeiten, die bis zu jener Zeit unerweckt im Menschen ruhten. Die Erlangung dieses vollendeten Christus-Bewusstseins, das war das markante Ziel der Menschheit.

Langsam gewinnt heute das Verlangen nach einer Weltreligion und die Notwendigkeit ihres Kommens an Boden, und es wird auch schon dafür gearbeitet. Die Verschmelzung von Glaubensbekenntnissen ist bereits Diskussions-Thema geworden. Diejenigen, die auf dem Gebiet der Religion arbeiten und wirken, werden ein allgemein gültiges Schema für die neue Weltreligion formulieren. Das ist eine Aufgabe liebevoller Zusammenschau, und dieses Werk wird die Einheit und die geistige Verbundenheit besonders hervorheben. Diese Gruppe ist ganz ausgesprochen ein Wegbereiter für die wirksame (159) Tätigkeit Christi, des Weltlehrers. Das Fundament der neuen Weltreligion wird von vielen Gruppen gelegt werden, die alle unter der Einwirkung von Christi Inspiration arbeiten.

Die Geistlichen sollten dessen eingedenk sein, dass der Geist im Menschen grösser ist als die Macht aller Kirchen und tiefer als ihre Lehrsätze. Im Lauf der Zeit wird einmal dieser Geist im Menschen die Kirchenlehren besiegen und triumphierend in das Reich Gottes vorangehen; die Geistlichen werden dann so lange zurückbleiben, bis auch sie als demütiges Häufchen in der grossen Masse in dieses Reich Einlass finden. Nichts unter der Sonne kann den Fortschritt der menschlichen Seele auf ihrem langen Pilgerweg aus dem Dunkel ins Licht, vom Unwirklichen zum Wirklichen, vom Tod zur Unsterblichkeit und von Unwissenheit zur Weisheit aufhalten. Wenn die grossen organisierten Kirchengruppen in der Welt, die alle Bekenntnisse umfassen, keine geistige Hilfe und Führung anbieten, wird die Menschheit einen anderen Weg finden. Nichts ist imstande, den Geist im Menschen von Gott fernzuhalten.

Die Kirchen im Westen sollten auch einsehen, dass es im Grund nur eine einzige Kirche gibt; damit ist aber nicht gesagt, dass dies nur die orthodoxe christliche Institution sein kann. Gott wirkt auf vielerlei Art und Weise, durch viele Bekenntnisse und religiöse Mittler; durch deren Vereinigung wird die Wahrheit in ihrer ganzen Fülle offenbar werden. Schon aus diesem einen Grund müssen unwichtige Lehrmeinungen ausgemerzt und dafür solche Prinzipien betont werden, die verbindende Kraft haben, und in deren Zusammenfassung die ganze Wahrheit offenkundig wird. Das ist die Aufgabe der neuen Weltreligion, deren Verwirklichung nach der Wiederkunft Christi zusehends rasche Fortschritte machen wird.