Bulletin Nr. 2 - 2020: Probleme der Menschheit – Lösungen für die Welt (Fortsetzung)


Im zweiten Teil unserer Betrachtungen der Hauptprobleme, denen die Menschheit gegenübersteht, liegt der Schwerpunkt auf den Themen Welt-Einheit; Technologie und Armutsbekämpfung; Minderheiten und Machtmonopole. Jedes dieser Probleme wurde durch die außerordentlichen globalen Bedingungen, die durch die Pandemie hervorgerufen wurden, noch verstärkt. Die Nationen haben sich schwer darin getan, ihre Reaktionen auf diese Herausforderung zu koordinieren, und dies sogar in länderübergreifenden Gruppierungen, wie der Europäischen Union; in einigen Bereichen hat sich die Arbeitswelt stark in Richtung Home-Office verlagert, während andere Industriezweige oder Branchen, in denen Home-Office nicht möglich ist, ihren Betrieb fast gänzlich einstellen mussten; und die ohnehin schon brennende Thematik der Migration, ist in einer Welt geschlossener Grenzen noch umstrittener geworden. Dies ist also in gewisser Weise der perfekte Zeitpunkt, um sich auf kreative Lösungen zu diesen bereits in der Vergangenheit eingebrachten Problemstellungen, sowie auf die neueren Lösungskonzepte, die sich jetzt als Ergebnis auf diese globale Krise abzeichnen, zu konzentrieren.

Diese drei Problembereiche betreffen insbesondere die enge Wechselwirkung zwischen Politik und Wirtschaft. Die Menschheit kämpft weiterhin mit der Tatsache, dass der Missbrauch politischer Macht, der Gier, durch eine beiderseits beschleunigte Aufwärtsspirale, Vorschub leistet. Wir könnten auch sagen, dass die Politik von der Wirtschaft durch den materiellen Reichtum einer Nation ‘gekapert oder vereinnahmt’ wurde, der schließlich als einziger Indikator für Erfolg und Wohlstand angesehen wird. 
Aber, entspricht dies auch den Tatsachen? Es gibt eine Reihe alternativer Vorschläge, wie das Wohlergehen oder die Zufriedenheit und das Glück einer Nation ermittelt werden kann, einschließlich des Human Development Index (Index der menschlichen Entwicklung) des UN-Entwicklungsprogramms (http://hdr.undp.org/en/content/human-development-index-hdi), des Global National Well-Being Index (globaler Landesindex für das Wohlergehen der Bevölkerung einer Nation) (https://www.iim-edu.org/advisors/medjones/ gross-national-wellbeing-happinessgnh-gnw-index.htm), und des Good Country Index (http://www.goodcountry.org). Was diese Messungen oftmals von ‘objektiven’ Datenerhebungen, wie etwa dem Bruttoinlandsprodukt unterscheidet ist, dass sie für gewöhnlich eine oder mehrere ‘subjektive’ Dimensionen miteinbeziehen, die verschiedene Qualitäten von Bewusstsein hervorzuheben versuchen. Und einfach nur dadurch, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf die zentrale Bedeutung so weit gefasster, empirisch nicht messbarer Prinzipien wie Glück oder das Gemeinwohl lenken, trägt dies dazu bei, den Verstand von der Fixierung, alles nur auf Zahlen reduzieren zu wollen, zu befreien. Und wie alle sozioökonomischen Evaluationen, entsprechen auch diese nur ungefähren Schätzungen, aber nichts desto trotz, können sie uns helfen damit zu beginnen, in eine bessere Richtung zu denken und die Prioritäten eines einstmals aufgestellten Status quo in Frage zu stellen.

Ein weiterer, kürzlich unternommener Versuch, sich auf die umfangreichen Grundsätze zur Schaffung einer besseren Gesellschaft zu konzentrieren, kann in der ‘Wellbeing Economy Alliance’, kurz WEAll (wellbeingeconomy.org), gesehen werden, “die eine globale Kollaboration von Organisationen, Allianzen, Bewegungen und Einzelnen darstellt und in enger Zusammenarbeit das wirtschaftliche System in eines, das menschliches und ökologisches Wohlergehen fördert, zu transformieren sucht.” Sie stellen fest, dass die “erforderliche Transformation eine grundlegend veränderte Art und Weise des Daseins innerhalb der menschlichen Gesellschaft erfordert; eine Verschiebung der Einstellung ‘wir gegen sie’ zu einer Geisteshaltung ‘WIR ALLE’.” Dieser Betonung auf sozialen Zusammenhalt und  Gemeinschaftssinn kommt in der heutigen Zeit eine besonders wichtige Bedeutung zu, in der sich herausstellt und allgemein erkannt wird, dass die gegenwärtige Politik und Wirtschaft sich schwerer tut in der Bewältigung der Pandemie und ihrer Auswirkungen, als dies die Erinnerung oder der Slogan ‘Build Back Better’ nahelegen würde (Build Back Better, BBB, ist ein Programm, das erstmals im Sendai-Rahmenwerk der Vereinten Nationen zur Reduzierung des Katastrophenrisikos definiert und offiziell verwendet wurde. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat dieses Dokument am 3. Juni 2015 angenommen). Eine der Initiativen von WEAll ist die ‘Wellbeing Economy Goverments’ Partnerschaft, WEGo, eine Kollaboration zwischen nationalen und regionalen Regierungen, die gegenwärtig Schottland, Neuseeland, Island und Wales umfasst. WEGo Mitglieder bekennen sich:

  • Zu Zusammenarbeit bei der Verfolgung innovativer politischer Ansätze zur Schaffung einer Wirtschaft, die allgemeinen Wohlstand generiert – einem Austausch zwischen den Mitgliedern über das, was wirkungsvoll und sinnvoll eingesetzt werden kann und was nicht, um politische Strategien für einen Wandel anzupassen.
  • Zu Fortschritt auf dem Weg zu den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDG’s) in Übereinstimmung mit Ziel 17, Umsetzungsmittel und globale Partnerschaft stärken – Umsetzungsmittel stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben füllen.
  • Die drängenden wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit anzugehen.

    Die Probleme, denen sich die Menschheit heute gegenüber sieht, und mit denen sie sich auch noch während der kommenden Dekaden zu befassen hat, braucht solche Initiativen wie diejenige von WEAll, die die wesentliche Rolle der Zusammenarbeit über Grenzen und Ideologien hinaus, und die Notwendigkeit, Ideen und Methoden zu teilen, erkennt. Die zugrunde liegende Einheit der Seele in allen Wesen, im Zusammenhang mit einer großen Vielfalt an physischen Herausforderungen zu erkennen, ist ein Prozess, zu dem jeder Einzelne von uns beitragen kann, wo immer er sich auch gerade befinden mag. Ob man sich nun in einer zivilgesellschaftlichen Initiative engagiert, oder ob wir ganz einfach nur mit Freunden, der Familie und Nachbarn teilen, wir alle können einen positiven Unterschied in der Verlagerung der Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung erwirken. Der Studienkurs die ‘Probleme der Menschheit’ wird angeboten, um diesen Prozess zu unterstützen.
     

Welt-Einheit

Das vielleicht höchste Ideal der Menschheit ist das der Welt-Einheit, in der alle Menschen unabhängig von Nationalität, ethnischer Zugehörigkeit, Religion und Ideologie nicht lediglich durch eine Gleichartigkeit vereint sind, sondern durch ihr Engagement für eine Lebensweise, die vom Gutem Willen getragen ist. Diese Lebensweise kennt keine Grenzen, bezieht alle Menschen ein und belebt und durchdringt die Vielfalt der Menschheit. Der Keim dieses Ideals geht bis zu Beginn des Fischzeitalters zurück, als Christus vor etwa 2000 Jahren das spirituelle Potenzial des Menschen demonstrierte, um ‘Himmel und Erde zu überbrücken’ und Liebe und guten Willen gegenüber allen Wesen auszudrücken. Der Grundgedanke des christlichen Evangeliums, der sich als ‘Gott ist Liebe’ umschreiben lässt, geht heute über die Begrenzungen religiöser Lehren hinaus und versucht, alle Aspekte der menschlichen Gesellschaft und des Lebens einer grundlegenden Transformation zu unterziehen.

Obwohl die Menschheit heute an der Schwelle einer Zukunft zu stehen scheint, in der das Ideal von Einigkeit in der Welt in unserer Reichweite liegt, tauchen auch Hindernisse auf, die diesem Ideal zuwiderlaufen, welche oft in der Konditionierung unseres Denkens und Fühlens ihren Anfang nehmen. Sehnsüchtig in die Zukunft blickend, aber an die Vergangenheit gebunden, kann es leicht so aussehen, als ob wir – psychisch gesehen – in einem Konflikt stecken. Dieser Konflikt ist jedoch das unvermeidliche Ergebnis des wachsenden Strebens der Menschheit nach mehr Licht, Liebe und Einheit und als solches selbst ein Zeichen des Fortschritts.

Die gegenwärtige weltweite Spannung wird gelöst, wenn die Menschheit lernt, das Alte aufzugeben und das Neue anzunehmen. Die Ideologien der Vergangenheit verherrlichen den Individualismus auf Kosten der Einheit, nähren Getrenntheit und verhindern die Entstehung einer Lebensweise des guten Willens auf Erden. Die zukünftigen geistigen Ideale etablieren die Verantwortung des Einzelnen gegenüber dem Ganzen, basieren auf gutem Willen und werden daher zu Einigkeit in der Welt führen, sobald das menschliche Denken und Bewusstsein von diesen Idealen erfüllt und getragen ist.

Dieser Idealismus wird treffend als spirituell bzw. geistig beschrieben, nicht wegen seiner Beziehung zum religiösen Denken, sondern weil er den Geist mit seinen Ausdrucksformen in Beziehung setzt: “Der Mensch wird zum Menschen und der Mensch zu Gott in Beziehung gesetzt.” Hier werden alle Teile zueinander in Beziehung gebracht und damit einem einheitlichen Ganzen zugeführt. Dadurch wird alles beseitigt, was die Trennung aufrechterhält, und vieles kultiviert, was richtige Beziehungen fördert. Menschen, die vom Geist inspiriert sind und bewegt werden, suchen den vollen Ausdruck des menschlichen Bewusstseins: die Fülle des Lichtes, der Liebe und einer Kraft, die aus einer vereinten Menschheit resultiert. Und letztere stellt, in ihrem Einssein, einen Ausdruckskörper für einzigartige Energien dar, die infolgedessen auf unserem Planeten wirksam werden können.

Eine fehlgeleitete Denkkraft ist maßgeblich für die Aufrechterhaltung von Trennung und Uneinigkeit verantwortlich. Die Binsenweisheit ‘Energie folgt dem Gedanken’ zeigt sich in der Auswirkung, die ein Anwachsen und Abnehmen von Ideologien innerhalb der menschlichen Zivilisation haben kann. Personen in Führungsrollen und Machtpositionen, die für das Verkörpern von Idealen verantwortlich sind, nutzen die Macht der Sprache, um Massendenken entweder zum Guten oder zum Schlechten zu beeinflussen. Wenn die Menschheit in Begriffen von ‘Ich versus die Anderen’ denkt, entsteht eine Kultur, in der es zu Trennung und Abspaltung kommt. Wenn die Menschheit hingegen lernt, die Ideale von Gemeinsamkeit, gutem Willen und einer der Schöpfung zugrunde liegenden Einheit zu hegen und zu denken, wird auch die menschliche Kultur davon entsprechend geprägt sein. 

Die konkreten, in der physischen Welt wahrnehmbaren Hindernisse, die oft unüberwindbar erscheinen und Einigkeit in der Welt verhindern, können sich auflösen, wenn wir beginnen, auf richtige Weise zu denken. Das führt dazu, dass die alten Ideologien, die einst diese Formen belebten, schwinden, woraufhin unzeitgemäße materielle Strukturen devitalisiert werden und zerfallen. Dieses Phänomen verdeutlichte sich z. B. im Fall der Berliner Mauer, die den Zusammenbruch der ideologischen Spaltung symbolisierte, welche die Welt seit dem Ende des Weltkrieges ergriffen hatte.

Die Fähigkeit des Denkens, Veränderungen herbeizuführen, kann nicht ganz unabhängig und losgelöst von der materiellen Realität verstanden werden. Die Gedankenwelt existiert nicht im luftleeren Raum und ist sowohl mit der materiellen als auch mit der geistigen Welt verbunden. Diese Beziehung zwischen Denken und Form zeigt sich z. B. im Nationalstaat, der sowohl eine Idee als auch eine Institution darstellt. Der Nationalstaat wurde als “imaginierte Gemeinschaft” definiert [1]: Mit anderen Worten, was eine Nation ausmacht, leitet sich aus der Tatsache her, dass eine Bevölkerung sich selbst als eine solche betrachtet und vorstellt. Diese machtvolle kollektive Gedankenform bestimmt die Stärke und Qualität der Existenz einer Nation. Aus esoterischer Perspektive wird diese kollektive Gedankenform auch als Ausdrucksträger für die Manifestation bestimmter innewohnender Energien gesehen, d. h. in diesem Fall, die der Seele einer Nation. Die materielle Form des Nationalstaates, die Institutionen der Regierungsführung, wirken sich jedoch auch tiefgreifend auf die globalen Wechselbeziehungen aus. Eine gute Regierungsführung ermöglicht Ordnung, verabschiedet Gesetze, bietet Sicherheit, regelt den Warenaustausch, schützt die Freiheiten, sichert grundlegende Ressourcen, schützt die Menschenrechte und schafft Gerechtigkeit. Eine schlechte Regierungsführung hingegen führt zu gescheiterten Staaten, Anarchie, Chaos und Gewalt.

Heutzutage sind Institutionen der nationalen und internationalen Regierungen alles andere als perfekt. Sie bieten jedoch eine mehr als angemessene Grundlage, um eine kooperative und integrierte Welt aufzubauen. Das Problem ist dann nicht auf ungenügende institutionelle Leistungsfähigkeit zurückzuführen, sondern auf den Mangel internationaler Beziehungen. Denn erst wenn die Prioritäten der Regierungen so formuliert werden, dass sie mit den Werten des guten Willens und einer Liebe übereinstimmen, die sich mit dem größeren Ganzen identifiziert, können wir im Grunde von richtigen internationalen Beziehungen sprechen. Hier kommen auf kollektiver Ebene dieselben Werte zum Tragen, die es einzelnen Menschen ermöglichen, in richtigen Beziehungen zu anderen, ihrer Nation und der Welt zu stehen. Es gibt jedoch eine Reihe von Hindernissen für die Umsetzung dieser Eigenschaften auf nationaler Ebene. Die meisten davon beruhen auf nationalen selbstbezogenen Denkweisen und Interessen der jeweiligen Länder.

Das nationale Interesse ist das grundlegende Leitprinzip der Außenpolitik eines Landes und besteht im Allgemeinen aus drei Komponenten: Sicherheit, Wohlstand und Werte. Das internationale System, dem eine supranationale Polizei fehlt, ist eines, in dem Staaten auf verschiedene Weise für ihre eigene Sicherheit sorgen müssen. Noch heute wird eigenes einsatzfähiges Militär von den meisten Menschen als notwendiger Bestandteil einer verantwortungsvollen Regierung angesehen.

Es muss verstanden werden, dass ein Sicherheitsproblem nicht nur objektiv vorliegt, sondern auch aus einem subjektiven Empfinden resultiert. Wir fragen zu selten, wie viel Sicherheit reicht aus? Wenn subjektiv wahrgenommene Bedrohungen übertrieben sind, verleihen sie der Angst Ausdruck und schaffen eine Zivilisation, die von widersprüchlichen Beziehungen geprägt ist. Dies wirkt der Schaffung einer internationalen Zivilisation entgegen, die dazu beitragen würde, ein Gefühl von Sicherheit zu schaffen, das für Einigkeit in der Welt notwendig ist.

Wohlstand ist zwar eindeutig ein wichtiges Ziel für den Staat und seine Bevölkerung, muss aber nicht auf Kosten anderer gehen, wie das häufig der Fall ist. Kritiker unseres gegenwärtigen Wirtschaftssystems argumentieren, dass diese Denkweise den Wettbewerb fördert und Gier belohnt. Befürworter hiervon hingegen argumentieren, dass dieses Wirtschaftssystem gesund ist und Gier eher ein menschliches als ein systemisches Problem ist. Andere wiederum glauben, dass hiermit in einem gewissen Maße eine zirkuläre Kausalität verknüpft ist, wobei die menschliche Gier die systemische Gier aufrechterhält und umgekehrt.

Das heutige dominierende Wirtschaftssystem, das allgemein als neoliberaler Kapitalismus definiert wird, hat es geschafft, das Vermögen und den Wohlstand der Welt zu steigern und Millionen aus der Armut in ein würdiges Leben zu heben. Hätten wir eine Welt, die von Menschen bevölkert ist, die aktiv und beständig guten Willen an den Tag legen, würde dieses System den Wohlstand der Welt auf die gesamte Menschheit verteilen und Armut, Hunger und Obdachlosigkeit vollständig beseitigen. Ein Miteinander-Teilen wäre die natürliche Folge, wenn man genug hat, um seine Grundbedürfnisse zu befriedigen. Stattdessen haben Egozentrismus und Machtliebe das Horten von Reichtum verursacht und ihn zu einem Werkzeug der Selbstsucht und sogar der Versklavung gemacht.

Indem nationale Interessen in Bezug auf jene Werte definiert werden, für die eine Nation steht, eröffnet es der Seele dieser Nation die Möglichkeit, sich durch ihre Beziehungen zu anderen auszudrücken. In dem Maße, in dem die Werte einer Nation die Eigenschaften der Seele widerspiegeln – Liebe, Weisheit, Vernunft und Aufopferungsbereitschaft –, kann die Nation dahingehend hervortreten, dass sie in Weltangelegenheiten vermittelt und eine Haltung ausdrückt, die auf Vereinigung ausgerichtet ist. So kann sie sich selbst und andere Nationen, welche ebenfalls guten Willen bekunden, zueinander in Beziehungen bringen.

Es ist klar, dass es das Denken, Handeln und den Willen der gesamten Menschheit erfordert, um sich gemeinsam auf dieses Ziel – Einigkeit in der Welt – auszurichten. Dies bedeutet, die Hindernisse der Vergangenheit zu beseitigen und jene Ausdrucksformen zu schaffen, durch die die geistigen Ideale der Zukunft ausgedrückt werden können. Vor allem erfordert es den Aufbau von wahren Beziehungen. Durch eine unter den Nationen abgestimmte Herangehensweise kann das geistige Ideal von Welteinheit innerhalb der Unvollkommenheiten der manifestierten Welt zunehmend herausgearbeitet werden.

Benedict Anderson. Imaginierte Gemeinschaften: Überlegungen zu Ursprung und Verbreitung von Nationalismus. (Imagined Communities: Reflections on the Origin and Spread of Nationalism.)

…Deshalb sollten wir bei Betrachtung dieser Probleme auf jene falschen Bedingungen hinzuweisen suchen, welche die Menschheit in den gegenwärtigen Zustand einer nahezu verheerenden Katastrophe geführt haben.

Es ist wichtig, diese Dinge einmal in Begriffen des geistigen Wohls der Menschheit darzustellen und dabei gleichzeitig die Bedeutung des Wortes «geistig» wahrheitsgemäßer zu interpretieren. Die Zeit ist längst vorbei, in der man zwischen der religiösen und der politisch-ökonomischen Welt eine Trennungslinie ziehen konnte. Der Grund für die politische Korruption und die selbstsüchtige, ehrgeizige Planung so vieler führender Männer der Welt ist in der Tatsache zu suchen, dass die geistig orientierten Männer und Frauen eine Lenkung des Volkes – als ihre geistige Pflicht und Verantwortung – nicht übernommen haben. Sie überließen die Macht in den falschen Händen und die Führung den Selbstsüchtigen und Unerwünschten.

(Probleme der Menschheit, deutsche Ausgabe, Kapitel VI, S. 164)

Technologie und Armutsbekämpfung

Eines der Probleme, dem die Menschheit gegenübersteht, ist die Kluft zwischen Arm und Reich. Es ist ein Graben, der – je länger dieser fortbesteht – inakzeptabel ist, und zwar nicht nur für diejenigen in den Entwicklungsländern, die in zunehmendem Maße ein verstärktes Streben nach einem besseren Lebensstandard teilen, sondern auch für diejenigen in den Industrieländern der Welt, welche die ungerechte Art und Weise der Verteilung der natürlichen Ressourcen erkennen.

Die Armen in wirtschaftlich ‘entwickelten’ und ‘sich entwickelnden’ Gesellschaften haben nicht die gleichen Rechte auf wirtschaftliche Ressourcen, und es ist ihr mangelnder Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, ihr Mangel an Eigentum und Kontrolle über Land oder andere Formen von Eigentum, das Fehlen von Bildung und Mitteln zur Aneignung neuer Technologien und Finanzdienstleistungen, die sie in Armut halten. Manchmal mag es scheinen, als ob die einzige Ressource, die sie offerieren können, ihre Arbeitsleistung ist. Und wegen ungenügendem Fachwissen, mangelhafter Schulung und oft auch geringer körperlicher Belastbarkeit haben sie wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt und werden deshalb oft ausgebeutet und übergangen.

An erster Stelle auf der UN-Liste der SDG’s (der Nachhaltigen Entwicklungsziele) steht die ‘Beendigung von Armut in all ihren Formen überall’ und deren Bemühen zielt darauf ab,  extreme Armut bis 2030 vollständig zu beseitigen (wobei extreme Armut sich auf Menschen bezieht, die mit weniger als $1.25 pro Tag auskommen müssen). Dieses Ziel ist eine Herausforderung, denn es ist oftmals schwierig denjenigen zu helfen, die in Armut leben, weil es ihnen an Ressourcen und Stärke fehlt, ihre Situation zu ändern. Armut setzt sich oft von Generation zu Generation fort und schafft eine Abwärtsspirale. Sogar einen Job zu haben, ist nicht die Garantie für ein halbwegs menschenwürdiges Leben oder ein Leben ohne Armut. Tatsächlich wurden im Jahr 2018 etwa 8% der beschäftigten Arbeiter und ihre Familien weltweit als in extremer Armut Lebende aufgeführt.

Extreme Armut hat viele Dimensionen. Ihre Hauptursachen sind jedoch Arbeitslosigkeit, soziale Ausgrenzung und hohe Anfälligkeit bestimmter Bevölkerungsgruppen für Unglück, Erkrankungen und andere Erscheinungen, die sie davon abhalten, Leistungen erbringen zu können. Dies ist ein Problem, das die Menschheit lösen muss. Denn insgesamt nehmen Wohlstand und gesteigerte Lebensstandards für die Mehrheit der Menschheit zu. Dies führt immer mehr zu Ungleichheit, was den sozialen Zusammenhalt beeinträchtigt und politische und soziale Spannungen verstärkt und unter gewissen Umständen Instabilität und Konflikte verursacht.

Es sind technologische Fortschritte, die derzeit bei der Bewältigung des Armutsproblems eine Vorreiterrolle spielen. Der technologische Fortschritt ist häufig mit einer erhöhten Arbeitslosigkeit verbunden, insbesondere bei ungelernten und schlecht bezahlten Personen, was die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer schwächt und daher zur Armut beitragen kann. Aber Technologien wie mobile Konnektivität und KI (Künstliche Intelligenz), die beide mit reicheren Nationen verbunden sind, werden jetzt erfolgreicher eingesetzt, um den Ärmsten der Welt zu helfen. In Kenia zum Beispiel läuft seit mehr als einem Jahrzehnt ein revolutionärer mobiler Gelddienst namens M-Pesa, welcher umwälzende Auswirkungen hat. In einer kürzlich von der kenianischen Zentralbank veröffentlichten Umfrage haben mehr als 80 Prozent der Kenianer Zugang zu Finanzdienstleistungen – definiert als solche, die von Banken, Mikrofinanzanbietern und Mobilfunkanbietern angeboten werden.

Selbstverständlich bedeutet ein Zugang zu einem Bankkonto nicht automatisch, dass man sich damit gleichzeitig der Armut entledigt hat. Treten finanzielle Probleme auf, bedienen sich immer noch mehr als 60 Prozent der Kenianer einer informellen Methode des Geldausleihens, indem sie sich an Freunde, Familien und Kredithaie wenden. Und mehr als zwei Drittel der Kenianer geben an, dass sie ihre täglichen Ausgaben mit ihrem regelmäßigen Einkommen immer noch nicht decken können. Kenia ist, wie viele der afrikanischen Länder, stark vom landwirtschaftlichen Sektor abhängig.  Und Landwirtschaft und globale Armut sind eng miteinander verknüpft. Gemäß der Weltbank bestreiten 65 Prozent der armen Arbeiterklasse ihr Leben mit Landwirtschaft.  Und Investitionen in die Agrarwirtschaft erweisen sich bis zu vier Mal effektiver bei der Armutsbekämpfung, als wenn man diese in andere Bereiche des Wirtschaftssektors stecken würde.  Die agrarwirtschaftliche Entwicklung ist eindeutig ein wirkungsvolles Mittel zur Reduzierung von Armut. Tatsächlich werden durch den Einsatz von Technologien auf diesem Gebiet gute Ergebnisse und Fortschritte erzielt.

Technologie-Unternehmen aus Kenia richten ihren Fokus auf diesen wichtigen Sektor und setzen vor allem auf Agrikore, ein digitales Zahlungssystem, das den bereits etablierten mobilen Gelddienst nutzt. Es ist eine der Hoffnungen für die Zukunft. Es handelt sich dabei um ein System, das bereits in Nigeria in Betrieb ist und Kleinbauern in ländlichen Gebieten mit Großkunden des Wirtschaftssektors verbindet. Landwirtschaftliche Kleinbetriebe stehen aktuell drei grundlegenden Problemen gegenüber: mäßige Produktivität, schlechter Zugang zu möglichen Kunden und undurchsichtige Preisgestaltung. Durch die Erstellung eines detaillierten Katalogs, aus dem hervorgeht, was einzelne Landwirte in welcher Saison anbauen und in welchem Umfang sie dies tun, könnten diese Herausforderungen angegangen und überwunden werden. Wenn die gewerblichen Kunden von Agrikore große Bestellungen auf der Plattform aufgeben, teilt der Algorithmus die Anfrage nach Verfügbarkeit und Standort auf und sendet Textnachrichten an einzelne Landwirte, um an einem bestimmten Tag ein Volumen eines bestimmten Produkts zu einem bestimmten Preis anzufordern. Sobald der Landwirt das Angebot annimmt, löst das System eine Reihe anderer Aktivitäten aus, bei denen der Landwirt mit registrierten Transportunternehmen und Qualitätsprüfern vernetzt wird, die alle ihre Aktivitäten über die Plattform protokollieren und über digitalen Zahlungsverkehr bezahlt werden.

Künstliche Intelligenz (KI) und Robotertechnik werden im Kampf gegen Armut ebenfalls eingesetzt. Dabei werden Fähigkeiten der künstlichen Intelligenz zur gezielten Datenbankauswertung höchst wirksam angewandt und machen es möglich, jene Regionen, die am meisten Hilfe benötigen, genau zu lokalisieren, so dass Investitionen gezielt eingesetzt werden können. Ebenso haben wir hiermit ein effektives Mittel, um an mehr und genauere Informationen über Erträge von Anbauprodukten heranzukommen. In den Vereinigten Staaten zum Beispiel führten ausgewählte Programme bei der Pflanzung von Getreide dazu, dass das Wachstum wertvoller Nahrungsmittel wie Mais und Weizen in bestimmten Gebieten erheblich verbessert wurde. Dadurch dass KI dazu herangezogen wird, das Wachstum der Pflanzen zu verstehen, einschließlich der winzigen Details darüber, wie Genetik und Umwelt die Pflanzeneigenschaften und den Ertrag beeinflussen, können Wissenschaftler - die in dieser enormen Datenmenge verborgenen Muster - entschlüsseln. Indem diese Informationen den Entwicklungsländern zugänglich gemacht werden, kann der landwirtschaftliche Ertrag der Grundnahrungsmittel wie Getreide und besonders von Hirse gesteigert werden. In Ländern wie Indien, Nigeria und Äthiopien sind diese dürre- und hitzeresistenten Pflanzen wertvolle Getreidearten, die aufgrund ihrer mehr als 40'000 Sorten über ein riesengroßes genetisches Potential verfügen. Solche Initiativen können armen Bauern die benötigte Information geben, damit sie zum Beispiel die bestmögliche Hirse – ein Getreide reich an Nährwerten – in ihrer Umgebung anbauen und damit einen außergewöhnlichen Ertrag erzielen können.

Informationen und der Zugang zu ihnen sind die Schlüsselfaktoren, um Armut zu eliminieren. Wenn die Menschen eine Verbindung zum Internet haben, erhalten sie Zugang zu wertvollen Informationen, die ihnen bei der Entscheidungsfindung helfen. Das Internet dient der Schulung und Weiterbildung, hilft bei der Kommunikation und der Herstellung von Beziehungen. Es bietet die Möglichkeit der Wetterplanung, liefert Daten über entsprechendes Getreide und die Ernte und beobachtet die Preisentwicklung der Waren auf dem Markt, was für Landwirte sehr wichtige Informationen darstellt. Mobile Konnektivität und Internet-Banking ermöglichen es, dass Familien Geld von Verwandten aus Übersee bekommen.  Und Mikrokredittransaktionen können den Menschen eine digitale und finanzielle Identität geben, die sie an der lokalen Wirtschaft teilhaben lässt. Wenn die Frauen den Zugang zu den gleichen Informationen wie die Männer haben, stattet es sie mit grundlegenden Bedingungen aus, ihr Leben zu verändern.

Elizabeth Mason, Begründerin und Direktorin des Stanford Poverty & Technology Lab, ein High-Tech-Inkubator für technologiebasierte Lösungen bei der Armutsbekämpfung, sagt, dass Technologie im Allgemeinen “uns in eine bessere Lage versetzt, um Lösungen für bestimmte Themen und Bereiche zu finden, die wir vorher nie haben lösen können.” Dabei ist der Zugang zu Informationen mittels der heutigen Technologien ein wesentliches Merkmal, das über Armut oder Reichtum entscheidet. Es räumt der Arbeiterschaft auch den Zugang zu Kapital ein, was in der Vergangenheit nur das Vorrecht der Wohlhabenden gewesen war. Auf diese Weise öffnet es eine Tür zu einer Welt, die vorher für die Armen verschlossen und unerreichbar war.

Daraus geht klar hervor, dass in der tatkräftigen Suche nach Technologien und deren Anwendung der Schlüssel liegt, um die speziellen Themenbereiche, die mit Armut verknüpft sind, zu überwinden und um Armut insgesamt auf der Welt zu eliminieren. Wie Mason sagt: “Wenn wir die richtigen Mittel nutzen und die entsprechenden Programme entwickeln, erblicken wir eine veränderte Welt.” 1

(1) nbcnews.to/2QcblNT

Ökonomen würden vorschlagen, dass vor allem gearbeitet werden soll, um einen ‘Mehrwert’ zu schaffen, der am Geld gemessen wird. Wenn wir mal unberücksichtigt lassen, ob es irgend einen einfachen Weg gäbe, der einen ‘Wert’ in Geld umwandelt, ist es vielleicht eher zeitgerecht zu prüfen, wie viel der gesamten Arbeitskraft der Menschheit zusammengenommen, bei der Umwandlung von Rohstoffressourcen in Konsumgüter und Dienstleistungen, als wirklich ‘werthaltig’ angesehen werden kann, das heißt, im Dienste von Werten steht, die eine wirkliche Bereicherung des menschlichen Geistes darstellen. Wie viel von dem, was wir momentan produzieren, drückt aus oder ermöglicht: guten Willen, Schönheit, Gemeinschaft, Freiheit, Teilen, Vertrauen, Mitgefühl oder Weisheit? Und wie können wir uns zu Gesellschaften entwickeln, die diese Werte fördern? Visionäre Denker wie Handy, Robertson und Eisenstein haben die Richtung hin zu solch positiven Zukunftsaussichten aufgezeigt. Es liegt nun an allen Menschen guten Willens, dabei zu helfen, die Lücke zwischen Vision und Realität zu überbrücken und Arbeit in ihrer ordnungsgemäßen Rolle zu würdigen, nämlich als Mittel und Instrument, das zur sozialen und geistigen Evolution der Menschheit und des Planeten beitragen soll.

(Aus: Die Würde der Arbeit [Guter Wille in Weltangelegenheiten, 2019 Nr. 2])

Minderheiten und Machtmonopole

Das Buch, Probleme der Menschheit und auch ein ganzes Kapitel darin, behandelt schwerpunktmäßig das Thema der rassischen Minderheiten. Es ist keine Frage, dass dies als eines der sehr großen Themen im menschlichen Leben, bestehen bleibt. Doch seit der Veröffentlichung des Buches in der Mitte des letzten Jahrhunderts, ist das Verständnis der Menschheit für das Konzept der ‘Minderheit’ subtiler, vielfältiger und differenzierter geworden. Wir erkennen jetzt viel mehr Gruppen an, die eine gemeinsame Identität beanspruchen, ob aufgrund genetischer-, kultureller-, geschlechtlicher-, historischer-, sexueller Orientierung oder anderen Faktoren geschuldeter Zugehörigkeit, und wir haben für sie Begrifflichkeiten formuliert. Und tatsächlich könnte man aus einem gewissen Blickwinkel heraus argumentieren, dass Frauen eine ‘Minderheit’ darstellen – dies natürlich nicht in zahlenmäßiger Hinsicht, sondern eher in Bezug auf den gleichberechtigten Zugang zu Chancen und Aufstiegsmöglichkeiten. Anstatt von Minderheiten zu sprechen, verweist der Soziologe Michèle Lamont lieber auf die Thematik ‘stigmatisierter Gruppen’ und stellt fest, dass solche Gruppen in Bezug auf den Zugang zu Berufen und Beschäftigung, Bildung, Reichtum, Wert und kultureller Zugehörigkeit, tendenziell benachteiligt sind.

Eine subtile Problemstellung bei der Definition von Minderheiten ergibt sich daraus, dass sich Eliten aller Art als bedrängte Minderheiten darstellen können, da diese zahlenmäßig tatsächlich öfters kleiner sind als die meisten anderen Gruppen in ihren jeweiligen Gesellschaften, die aber nichts desto trotz den überwältigenden Großteil des Reichtums und der politischen Macht auf sich vereinen. Daher ist die politische Frage der Minderheiten tatsächlich eine Frage des Gleichheitsprinzips – Mittel und Wege müssen gefunden werden, um den Ansprüchen der verschiedenen Gruppen gerecht zu werden, ohne irgendeine Gruppe nur aufgrund einiger relativ willkürlich erhobener Eigenschaften zu privilegieren, wie etwa der Hautfarbe, des Geschlechts oder der Religionszugehörigkeit. Und die psychologische Frage ist die damit einhergehende der Sicherstellung, dass die Zugehörigkeit einer Person zu einer bestimmten Gruppe, diese nicht als jemanden kennzeichnet, der weniger Entlohnung oder Aufmerksamkeit verdient hätte.

Das Problem der Minderheiten betrifft daher in Wirklichkeit die Frage, wer in einer bestimmten Gesellschaft oder Situation die Mehrheit der Macht kontrolliert. In demokratischen Nationen und in einem politischen Kontext, kann dies eine numerische Mehrheit der Bevölkerung sein, obwohl die Macht tatsächlich von einer sehr kleinen Anzahl von Personen ausgeübt wird. Für gewöhnlich sind dies Politiker, zusammen mit einer kleinen Anzahl anderer Personen wie etwa Medienunternehmer und vermögenden Lobbyisten, die die verschiedensten Wirtschaftszweige vertreten. Ein Teil der Schwierigkeit dieser Frage betrifft den Umstand, wie sichtbar, transparent und verantwortungsbewusst all jene tatsächlich sind, die mit Macht betraut sind. Kürzlich erfolgte politische Anlässe in einigen Ländern haben zu der Erkenntnis geführt, dass gerade auf diesem Gebiet eine Krise existiert. In anderen Worten, es wurde festgestellt, dass Mechanismen, die sicherstellen sollen, dass die repräsentative Demokratie tatsächlich den Willen der gesamten Bevölkerung abbildet, nicht so funktionieren wie sie sollten. Wenn dies geschieht, kann der Wille der Mehrheit missbraucht werden, um die Verletzung der Rechte der verschiedensten Minderheiten zu rechtfertigen, ob rassisch, national, generationenbedingt oder ideologisch.

Solch schwierige Probleme anzusprechen, wie dasjenige über ein Gleichgewicht der Macht in der Gesellschaft, ist ein subtiles, psychologisches Unterfangen, das nach einem bedeutenden Entwicklungsschritt im menschlichen Bewusstsein verlangt. Es ist sicherlich wahr, dass die meisten Menschen der Versuchung nicht widerstehen können, ihre Machtansprüche auszuweiten. Dies kann ganz natürlich im Prozess des Heranwachsens beginnen, indem man den individuellen Willen durchsetzt, um Unabhängigkeit von der Kontrolle der elterlichen Gewalt oder der Erziehungsberechtigten zu erlangen; wenn aber dieses verständliche Bestreben nach Machterlangung über das eigene Schicksal auf den Wunsch hinausläuft, andere zu dominieren, dann erwachsen daraus Gefahren. Wenn dies noch dazu mit den überholten Ideen der fixierten, nahezu unbeweglichen Autoritätshierarchie des ausgehenden Fische Zeitalters kombiniert ist, kann dies ein Ansporn dazu sein, immer noch größere Gruppen dominieren zu wollen.

Stellen Sie dies der fließenden organischen Entwicklung der Verantwortlichkeitsstrukturen des Wassermannzeitalter gegenüber, an dessen Schwelle wir stehen – wo Vitalität und Kraft dorthin fließt, wo und wann sie für das Wohl des Ganzen am meisten gebraucht wird, und doch frei ist, um jederzeit in eine neue Richtung gelenkt werden zu können. Der Aufstieg der digitalen Technologie hat uns die Macht durchgängiger, allgegenwärtiger Kommunikation an die Hand gegeben, die, wenn ein weiser Umgang mit ihr gepflegt wird, solch eine organische dezentralisierte Machtteilung möglich macht. Sie ermöglicht es jeder Minderheitenidentität, zu einem dynamischen Brennpunkt kulturellen Potentials zu werden und all das zu offenbaren und zu verstärken, was im Wesentlichen in jeder Identität gut ist und zu Ganzheit führt. Als Beispiele hierfür können diese drei Gruppen angeführt werden: Cultural Survival (culturalsurvival.org), die eine Bewegung “handlungsbefähigter indigener Völker unterstützt, die ihre Gemeinschaften organisieren, um internationale Prozesse, nationale Politik und Menschenrechtsorganisationen zu verpflichten, ihre Rechte anzuerkennen, zu schützen und durchzusetzen.” Survival International (survivalinternational.org), deren Vision “eine Welt ist, in der Stammesvölker als zeitgenössische Gesellschaften respektiert und ihre Menschenrechte geschützt werden” und Minority Rights Group International (Internationale Gruppe für die Rechte von Minderheiten) (minorityrights.org), deren Arbeit “überwältigende Beweise dafür anführen, inwiefern die Einbeziehung von Minderheitengemeinschaften zu verstärktem Zusammenhalt in der Gesellschaft führen.”

Unglücklicherweise kann die Macht digitaler Kommunikation auch missbraucht werden und eine der aktuellen, Herausforderungen, mit denen sich die Menschheit konfrontiert sieht, betrifft die Art und Weise, wie Unterschiede vorsätzlich zu Trennendem hochstilisiert werden und dann noch weiter, zu blindem, unbegründetem Hass entfacht werden können. Die Gefahr dabei ist, dass solche Aktionen den Drang zurück zu schlagen anregen könnten, wohingegen die wahre Herausforderung darin besteht, wie Christus bemerkte, “die andere Wange hinzuhalten” und stattdessen seine eigenen positiven Ideale und Aktivitäten zu beleben und in Gang zu setzen. Das Bestreben die Zivilisation zu erheben, verlangt von allen Minoritäten ein ausgeprägtes Fingerspitzengefühl dafür, sich aus den schlammigen Gefilden emotionaler Reaktionen und den vom niederen Denkvermögen geleiteten Entscheidungen zu befreien und sich darüber hinaus zu erheben, um die erleuchtete Vision einer höheren und besseren Welt aufzuzeigen.

Der Schlüssel zu diesem Prozess liegt in der Neuen Gruppe der Weltdienenden*, deren Anstrengungen in dieser Arbeit während der Begehung der Festwoche der Neuen Gruppe der Weltdienenden 2019 (21.-28.Dezember), auf der ganzen Welt feierlich gedacht wurde. Diese Gruppe setzt sich aus all jenen zusammen, die weltweit daran arbeiten, den Sinn für gegenseitige Wechselbeziehungen zu nähren, und keine rassischen, nationalen oder religiösen Hemmnisse und Barrieren sehen, die dem entgegenstehen würden. Sie arbeiten in allen Bereichen des menschlichen Lebens, von der Wissenschaft über Bildung und Kultur bis hin zu Politik und Religion und weihen Kopf und Herz dem Aufbau einer neuen globalen Vorstellung. Innerhalb dieser umfassenden Bewegung existieren spezielle Brennpunkte, die von Alice Bailey als Saatgruppen** bezeichnet wurden. Besonders wichtig in Bezug auf die Minderheiten können folgende Gruppen angesehen werden: die ‘politischen Gestalter’ (die nicht notwendigerweise gewählte Politiker sind, die aber in diesem weitgesteckten Feld in irgendeiner Form aktiv sind); die ‘geschulten Beobachter’, die dabei helfen können, die Verwicklungen und Schwierigkeiten sichtbar zu machen, um sie zu klären, sowie Truggebilde zu durchdringen, die einem solch aufgeheizten Diskussionsthema anhaften; die in den ‘wissenschaftlichen Disziplinen geschulten Diener’, die zum Verständnis der wahren Natur der Genetik und ihrer Beziehung zu den unterschiedlichen Erscheinungsbildern der verschiedenen Menschentypen beitragen können; und die ‘Psychologen’, die Einblicke in die subtilen Unterschiede im Bewusstsein zwischen den verschiedenen Minderheitengruppen geben können und solchermaßen zur Kommunikation und zum gegenseitigen Verständnis beitragen. Letzten Endes müssen auch hier die ‘in Bildung und Erziehung Tätigen’ ihre Rolle spielen und die ‘Religionsarbeiter’ sollen selbstverständlich in Fragen religiöser Minderheiten miteinbezogen werden.

Innerhalb des Systems der Vereinten Nationen sind die UNO Menschenrechtsorganisation, die mit dem klaren Mandat ausgerüstet ist, die Gleichberechtigung aller Minoritäten zu schützen und die UNESCO, in deren Mittelpunkt die wissenschaftlichen, philosophischen und kulturellen Aspekte für den Glauben an die Einheit und Gleichheit stehen, die den vielfältigen Ausdrucksformen des menschlichen Lebens zugrunde liegen, die zwei Körperschaften, die am stärksten mit dieser Arbeit befasst sind. Und über die Vereinten Nationen hinaus, gibt es eine große Vielfalt zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich auf den einen oder anderen Aspekt dieses vielschichtigen Themas konzentrieren.

Diejenige Rolle, die wir als Menschen guten Willens spielen können, könnte eine gewisse Verbindung zu solchen Gruppen beinhalten. Wir alle können zur Erhellung über dieses Thema im menschlichen Denken beitragen durch unsere meditativen Erwägungen darüber, was wir unter den ‘Problemen der Minderheiten’ verstehen.

*  Eine Broschüre über die Neue Gruppe der Weltdiener ist als Download erhältlich
    unter:  bit.ly/ngwsbooklet    Deutsch: Broschüre Pdf

** Eine Broschüre über die Zehn Saatgruppen ist erhältlich als Download unter: bit.ly/tenseedgroups   Deutsch: Zehn Saatgruppen Pdf

Erstens ist da der Geist des Nationalismus mit seinem Sinn für Souveränität und seinen selbstsüchtigen Wünschen und Bestrebungen. In seinem schlimmsten Aspekt stellt er eine Nation gegen eine andere, schürt den Sinn für nationale Überlegenheit und verleitet die Bürger einer Nation dazu, sich selbst und die eigenen Institutionen gegenüber  denen einer anderen als überlegen zu betrachten. Er nährt den Stolz auf Rasse, Geschichte, Besitzungen und kulturellen Fortschritt und züchtet eine böse, entartete Arroganz, Prahlsucht und die Geringschätzung anderer Zivilisationen und Kulturen.

Fast erübrigt es sich, zu sagen, dass es auch einen idealen Nationalismus gibt, der das Gegenteil von all dem ist. Er besteht vorerst nur im Denken einiger weniger Aufgeklärter in jeder Nation, ist aber noch nirgends als wirksamer, konstruktiver Aspekt im Leben irgendeines Volkes anzutreffen; aber er wird immer ein Traum, eine Hoffnung und – wir wollen es glauben – auch eine Intention bleiben. Es ist ein lebendiger, vitaler geistiger Organismus und keine selbstsüchtige, materielle Organisation.

Zweitens haben wir das Problem der rassischen Minderheiten. Aufgrund ihrer Beziehungen zu den Nationen, in denen sie leben, bilden sie ein Problem. Es ist weitgehend das Problem der Beziehung des Schwächeren zum Stärkeren, der Wenigen zu den Vielen, der Unentwickelten zu den weiter Entwickelten oder eines religiösen Glaubens, der mächtiger und vorherrschend ist, zu einem anderen. Es ist in jedem Teil der heutigen Welt eines der größten und kritischsten Probleme.

(Probleme der Menschheit, deutsche Ausgabe, Kapitel IV S.90-91 angepasst)

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