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Erlösung vom Tod

Erlösung vom Tod.

Wir kommen jetzt zum zweiten Abschnitt unseres Studiums der abschliessenden Worte in der elften Regel. Wir haben uns mit der Erlösung von den Gefahren befasst, die mit der Erschaffung von Gedankenformen durch ein Menschenwesen verbunden sind, das gelernt hat oder lernt, auf der Mentalebene schöpferisch zu wirken. Vieles hätte noch gesagt werden können über die Unfähigkeit der meisten Schüler, klar zu denken. Zu klarem Denken gehört die Fähigkeit, sich - mindestens zeitweilig - von allen Reaktionen und Tätigkeiten emotionaler Art zu lösen. Solange der Astralkörper in einem Zustand rastloser Bewegung ist und seine Stimmungen und Gefühle, Wünsche und Emotionen stark genug sind, um die Aufmerksamkeit anzuziehen, solange sind positive, reine Gedankengänge nicht möglich. So lange nicht Wert der Konzentration und Meditation allgemeinere Anerkennung findet, und das Wesen des Denkvermögens und seiner Modifikationen (Abwandlungen) von viel mehr Menschen verstanden wird, würde jede weitere Lehre über dieses Thema nutzlos sein.

In diesen Unterweisungen habe ich versucht, einen Hinweis auf [493] die ersten Schritte in der esoterischen Psychologie zu geben, und habe mich hauptsächlich mit dem Wesen und der Schulungsweise des Astralkörpers befasst. Zu einer späteren Zeit in diesem Jahrhundert können vielleicht die Psychologie des Denkvermögens, seine Natur und seine Abwandlungen ausführlicher behandelt werden, aber die Zeit dafür ist noch nicht da.

Unser Thema heisst jetzt: die Erlösung von der Körpernatur durch den Todesprozess.

Erstens meine ich mit der Körpernatur die integrierte Persönlichkeit, also die physische Körperausrüstung des Menschen, seinen Lebens- oder Ätherkörper, den Stoff (oder die Daseinsform) der Begierdennatur, und den Denkstoff. Diese Dinge bilden die Hüllen oder äusseren Formen der inkarnierten Seele. Der Bewusstseinsaspekt ist manchmal in dem einen und manchmal in dem anderen konzentriert, oder er identifiziert sich einmal mit der Form und einmal mit der Seele. Der Durchschnittsmensch wirkt mit Leichtigkeit und Selbstbewusstsein in dem physischen und astralen Körper. Der intelligente, hochentwickelte Mensch hat zu diesen beiden die bewusste Herrschaft über seinen Denkapparat hinzugefügt, wenn auch nur in bestimmten Aspekten, wie etwa der Erinnerungs- und Untersuchungsfähigkeit. In einigen Fällen ist es ihm auch gelungen, diese drei zu einer bewusst wirkenden Persönlichkeit zu vereinen. Der Aspirant beginnt, etwas von dem Lebensprinzip zu verstehen das die Persönlichkeit beseelt, während der Jünger alle drei benutzt da er Seele, Denkvermögen und Gehirn aufeinander ausgerichtet oder abgestimmt hat und daher mit seinem subjektiven Rüstzeug oder den Energieaspekten zu arbeiten beginnt.

Zweitens kommt diese Erlösung durch ein richtiges Verständnis für die mystische Erfahrung, die wir Tod nennen, zustande Dies soll jetzt unser Thema sein, und dieses ist so unermesslich, dass ich nur gewisse Richtlinien für die Gedanken des Aspiranten anzudeuten und gewisse Thesen hinzustellen vermag, die er später ausarbeiten kann. Wir werden uns auch in erster Linie auf den Tod des physischen Körpers beschränken.

Wir wollen zuerst diesen geheimnissvollen Vorgang erklären, dem [494] alle Formen unterworfen sind, und der oft nur als das gefürchtete Ende angesehen wird, - gefürchtet, weil nicht verstanden. Das Denken des Menschen ist so wenig entwickelt, dass Furcht vor dem Unbekannten, Entsetzen vor dem Ungewohnten, und das Anklammern an die Form eine Situation geschaffen haben, auf Grund derer eines der wohltätigsten Ereignisse im Lebenskreislauf eines inkarnierten Gottessohnes als etwas betrachtet wird, das vermieden und so lange als möglich hinausgeschoben werden sollte.

Der Tod ist, - wenn wir es nur erkennen könnten - eines der Dinge, die wir am häufigsten erleben. Wir sind schon viele Male gestorben und werden auch immer wieder sterben. Der Tod ist hauptsächlich eine Bewusstseinsangelegenheit. In dem einen Augenblick, sind wir bewusst auf der physischen Ebene, und einen Augenblick später haben wir uns auf eine andere Ebene zurückgezogen und sind dort aktiv bewusst. Nur solange, als unser Bewusstsein sich mit dem Formaspekt identifiziert, wird der Tod für uns seinen alten Schrecken behalten. Aber sobald wir uns als Seelen erkennen und darauf kommen, dass wir fähig sind, nach Belieben unser Bewusstsein oder unseren Gewahrseinssinn in irgendeiner Form, auf jeder Ebene oder in jeder Richtung innerhalb der Formgestalt Gottes zu konzentrieren, werden wir keinen Tod mehr kennen.

Für den Durchschnittsmenschen ist der Tod der katastrophale Schluss, der die Beendigung aller menschlichen Beziehungen, das Aufhören aller physischen Tätigkeit, die Trennung von allen Zeichen der Liebe und der Zuneigung, und den (unfreiwillig und unter Protest vollzogenen) Übergang in das Unbekannte und Gefürchtete mit sich bringt. Es ist, als ob man ein erleuchtetes, warmes, freundliches und vertrautes Zimmer, wo unsere Lieben versammelt sind, verlassen und in die kalte, dunkle Nacht hinausgehen muss, allein und von Grausen erfasst; man hofft auf das Beste, weiss aber nichts Sicheres.

Die Menschen vergessen jedoch gern, dass wir jede Nacht in den Stunden unseres Schlafes für die physische Ebene sterben und woanders lebendig und tätig sind. Sie vergessen, dass sie schon eine Gewandtheit im Verlassen des physischen Körpers erreicht haben; und nur, weil sie noch keine Rückerinnerung an [495] dieses Hinausgehen und an die darauffolgende Zwischenzeit tätigen Lebens in das physische Gehirnbewusstsein mitbringen können, ist es ihnen unmöglich, Tod und Schlaf miteinander in Beziehung zu bringen. Letzten Endes ist der Tod nur eine längere Zwischenzeit in dem Leben der Tätigkeit auf der physischen Ebene; man ist nur für einen längeren Zeitraum «verreist». Aber der Vorgang des täglichen Schlafengehens und der Vorgang des gelegentlichen Sterbens sind identisch, mit dem einen Unterschied, dass im Schlaf der magnetische Faden oder Energiestrom, an dem die Lebenskräfte entlang laufen, unversehrt bleibt und der Weg der Rückkehr in den Körper ist. Im Tod ist dieser Lebensfaden gebrochen oder abgerissen. Wenn das geschehen ist, kann die bewusste Wesenheit in den grob-physischen Körper nicht zurückkehren, und dieser Körper, dem nun das Zusammenhalteprinzip fehlt, zerfällt und löst sich auf.

Man sollte daran denken, dass die Absicht und der Wille der Seele, - die geistige Entschlossenheit zum Sein und zum Handeln, - die Fadenseele, das Sutratma, den Lebensstrom, als ein Mittel zur Äusserung in der Form benutzt. Dieser Lebensstrom teilt sich in zwei Ströme oder Fäden, sobald er den Körper erreicht, und ist wenn ich es so ausdrücken darf - an zwei Stellen im Körper verankert. Dies ist ein Symbol für die Differenzierung von Atma oder Geist in seine beiden Spiegelbilder: Seele und Körper. Die Seele oder der Bewusstseinsaspekt, der ein Menschenwesen zu einer vernunftbegabten, denkenden Wesenheit macht, ist durch einen Aspekt dieser Fadenseele an einem «Sitz» im Gehirn «verankert», der in der Gegend der Zirbeldrüse liegt. Der andere Lebensaspekt, der jedes Atom des Körpers beseelt und das Prinzip des Zusammenhaltes oder der Integration darstellt, findet seinen Weg zum Herzen und ist dort konzentriert oder verankert. Von diesen beiden Punkten aus versucht der geistige Mensch den Mechanismus zu beherrschen So wird ein Wirken auf der physischen Ebene möglich, und das objektive Dasein wird zu einer vorübergehenden Äusserungsform. Die Seele mit dem Sitz im Gehirn macht den Menschen zu einer intelligenten, vernunftbegabten Wesenheit, die eigenbewusst ist [496] und sich selbst leitet; er ist sich in verschiedenem Grade der Welt bewusst, in der er lebt, je nach seiner Evolutionsstufe und der dementsprechenden Entwicklung seines Mechanismus. Dieser Mechanismus äussert sich in dreifacher Form. Da sind vor allem die Nadis und die sieben Kraftzentren; ferner das Nervensystem in seinen drei Abteilungen: das cerebrospinale, das sympathische und das periphere System, und schliesslich das endokrine Drüsensystem, das als der dichteste oder der nach aussen in Erscheinung tretende Aspekt der beiden anderen angesehen werden kann.

Die Seele mit dem Sitz im Herzen ist das Lebensprinzip, das Prinzip der Selbstbestimmung, der Zentralkern positiver Energie, vermittels dessen alle Körperatome am richtigen Platz festgehalten und dem von der Seele ausgehenden «Willen zum Sein» untergeordnet werden. Dieses Lebensprinzip verwendet den Blutstrom als Ausdrucksmittel und Kontrollorgan, und infolge der engen Verbindung des endokrinen Systems mit dem Blutstrom werden die beiden Aspekte der Seelentätigkeit zusammengebracht, um den Menschen zu einem lebendigen, bewusst wirkenden Wesen zu machen, das von der Seele beherrscht wird und die Absichten der Seele in allen Tätigkeiten des täglichen Lebens zum Ausdruck bringt.

Der Tod ist darum in der Tat ein Vorgang, bei dem diese beiden Energieströme aus dem Herzen und dem Kopf zurückgezogen werden, was dann den völligen Verlust des Bewusstseins und die Auflösung des Körpers zur Folge hat. Der Tod unterscheidet sich vom Schlaf insofern, als beide Energieströme herausgezogen werden. Im Schlaf wird nur der Energiefaden zurückgezogen, der im Gehirn verankert ist, und wenn dies geschieht, wird der Mensch bewusstlos. Damit meinen wir, dass sein Bewusstsein oder sein Gewahrseinssinn an anderer Stelle konzentriert ist. Seine Aufmerksamkeit ist nicht mehr auf greifbare, physische Dinge gerichtet, sondern wendet sich einer anderen Welt des Seins zu und sammelt sich in einem anderen Rüstzeug oder Mechanismus. Beim Tod werden beide Fäden zurückgezogen oder im Lebensfaden vereint. Die [497] Lebenskraft hört auf, mit Hilfe des Blutstroms den Körper zu durchdringen, und das Herz stellt seine Funktion ein, ebenso wie das Gehirn aufhört zu registrieren, und so tritt Stille ein. Das Haus ist leer. Jede Tätigkeit hört auf, ausgenommen jene erstaunliche, unmittelbare Wirksamkeit, die das Vorrecht der Materie selbst ist und in dem Zersetzungsprozess zum Ausdruck kommt. Von gewissen Aspekten aus gesehen, zeigt darum dieses Geschehen die Einheit des Menschen mit allem auf, was materiell ist; es beweist, dass er ein Teil der Natur selbst ist, und mit Natur meinen wir den Körper jenes Einen Lebens, in dem wir «leben, weben und sind». In diesen drei Worten: leben, weben und sein - haben wir die ganze Angelegenheit beschlossen. Sein ist Wahrnehmung, Eigenbewusstsein und Selbstäusserung, und dafür sind Kopf und Gehirn des Menschen die äusseren Symbole. Leben ist Energie, Verlangen in der Form, Zusammenhalt und Anhängen an eine Idee, und dafür sind Herz und Blut die exoterischen Symbole. Weben weist hin auf das Hineinwachsen und Reagieren der seienden, wahrnehmenden, lebendigen Wesenheit in und auf das universelle Tätigsein, und dafür sind Magen, Bauchspeicheldrüse (Pankreas) und Leber die Symbole.

Obgleich es unser Thema nur am Rande berührt, ist doch die Bemerkung interessant, dass in Fällen von Geisteskrankheit und Schwachsinn sowie in jenem Stadium hohen Alters, das wir Altersschwäche nennen, der im Gehirn verankerte Faden zurückgezogen ist, während derjenige, der den Lebensimpuls oder Lebenstrieb überträgt, noch im Herzen verankert bleibt. Es ist noch Leben da, aber keine intelligente Wahrnehmung; es gibt Bewegung, aber keine intelligente Leitung; wenn im Leben ein hochentwickelter Apparat benutzt worden war, kann bei Altersschwäche noch der Anschein intelligenten Funktionierens bestehen, aber das ist eine Illusion, die auf alte Gewohnheit und einen seit vielen Jahren geschaffenen Rhythmus zurückzuführen ist; es besteht jedoch keine geordnete, zusammenhängende Absicht.

Es muss auch beachtet werden, dass der Tod daher unter der bewussten Leitung des Ego erfolgt, ungeachtet dessen, wie wenig ein Menschenwesen sich dieser Leitung bewusst sein mag. Bei den meisten Menschen geht der Prozess automatisch vor sich, denn wenn die Seele ihre Aufmerksamkeit zurückzieht, ist der Tod die unabwendbare Reaktion auf der physischen Ebene - sei es, dass der zweifache Faden der Lebens- und Vernunftenergie oder dass [498] der mit der Denkkraft ausgestattete Energiefaden zurückgezogen wird; dabei bleibt der Lebensstrom noch in Funktion durch das Herz, aber es besteht keine intelligente Wahrnehmung mehr. Die Seele betätigt sich anderwärts und ist auf ihrer eigenen Ebene mit eigenen Angelegenheiten beschäftigt.

Bei hochentwickelten Menschen finden wir oft einen Sinn des Vorhersehens hinsichtlich der Zeit des Todes; das hängt damit zusammen, dass solche Menschen Kontakt mit dem Ego haben und sich der Wünsche des Ego bewusst sind. Manchmal kommt noch ein Wissen um den genauen Todestag dazu, verbunden mit der Erhaltung der Selbstbestimmung bis zum letzten Augenblick des Zurückziehens. Bei Eingeweihten gibt es noch viel mehr als das. Da besteht ein einsichtsvolles Verständnis für die Gesetze der Zurückziehung, das es demjenigen, der den Übergang vollzieht, ermöglicht, sich bewusst und in vollwachem Gewahrsein aus dem physischen Körper herauszuziehen und so auf der Astralebene zu wirken. Dies setzt ein Bewahren der Kontinuität (der ununterbrochenen Fortdauer) des Bewusstseins voraus, so dass zwischen der Bewusstheit auf der physischen Ebene und dem Zustand nach dem Tod keine Lücke entsteht. Der Mensch erkennt, dass er noch derselbe ist als wie zuvor, wenn auch ohne den Apparat, durch den er mit der physischen Ebene in Kontakt kommen kann. Er nimmt weiterhin die Gefühlszustände und die Gedanken derer wahr, die er liebt, obgleich er die dichte physische Hülle nicht wahrnehmen oder mit ihr in Berührung kommen kann. Er kann sich mit den «Lebenden» auf der Astralebene oder auf telepathischem Wege vermittels der Denkfähigkeit verständigen, wenn sie und er miteinander in Verbindung stehen. Eine Verständigung, die den Gebrauch der fünf physischen Wahrnehmungssinne verlangt, liegt jedoch notwendigerweise ausser seiner Reichweite. Es ist indessen nützlich, sich vor Augen zu halten, dass der Austausch im Astral- und Mentalbereich enger und empfindungsstärker sein kann als zuvor, da er ja der Behinderung durch den physischen Körper nicht mehr unterworfen ist. Zweierlei stellt sich jedoch diesem Wechselwirken entgegen: das eine ist der Gram und die heftige emotionale Aufregung derer, die zurückgelassen wurden, und das andere ist, im Fall des Durchschnittsmenschen, des Menschen eigene Unwissenheit und Verwirrung, wenn er dem gegenübersteht, was für ihn neue Gegebenheiten sind; in Wirklichkeit [499] handelt es sich jedoch um altbekannte Zustände, wenn er es nur erkennen könnte. Wenn die Menschen einmal die Furcht vor dem Tod verloren und ein Verständnis für die Welt nach dem Tod erlangt haben, das sich nicht auf Halluzinationen und Hysterie, oder auf die (oft dummen) Folgerungen des durchschnittlichen Mediums gründet, das unter der Anleitung seiner eigenen Gedankenform spricht (die von ihm selbst und dem Teilnehmerkreis gebildet wurde), dann werden wir den Todesvorgang richtig beaufsichtigen und verfolgen können. Der Zustand der Zurückbleibenden wird sorgfältig behandelt werden, so dass kein Verlust der Beziehung zu beklagen ist und keine falsche Energieverschwendung eintritt.

Es besteht jetzt ein grosser Unterschied zwischen der wissenschaftlichen Methode, die Menschen in die Inkarnation zu bringen, und der völlig blinden, oftmals entmutigenden und sicherlich unwissenden Art, wie wir sie aus der Inkarnation hinausgeleiten. Ich versuche heute, im Westen das Tor zu öffnen für eine neuere, der Wissenschaft mehr entsprechende Methode, den Sterbeprozess zu leiten, und ich möchte mich darüber ganz klar aussprechen. Was ich zu sagen habe, hebt in keiner Weise die moderne medizinische Wissenschaft mit ihren Linderungsmitteln und ihrer Geschicklichkeit auf. Wofür ich mich einsetze, ist lediglich eine vernünftige Annäherung an den Tod; ich versuche nur, den Vorschlag zu machen, dass man, wenn sich der Schmerz erschöpft hat und Schwäche eingetreten ist, dem Sterbenden erlauben sollte, sich - selbst wenn er anscheinend bewusstlos ist - auf den grossen Übergang vorzubereiten. Vergesst nicht, das Schmerz Kraft verzehrt und einen starken Einfluss auf den Nervenapparat hat. Ist es unmöglich, sich eine Zeit vorzustellen, da der Akt des Sterbens ein triumphales Ende des Lebens sein wird? Ist es unmöglich, eine Zeit zu schauen, da die Stunden auf dem Sterbebett nur ein glorreiches Vorspiel zu einem bewussten Abgang sein werden? Wenn der Mensch daran geht, die Bürde der physischen Hülle abzulegen, kann das nicht für ihn und seine Umwelt die lang erwartete und freudvolle Erfüllung bedeuten? Könnt ihr euch nicht die Zeit vorstellen, wenn an Stelle von Tränen, Furcht und der Weigerung, das Unvermeidliche anzuerkennen, [500] der Sterbende und seine Freunde sich gegenseitig über die Stunde verständigen würden und nichts als Glück das Hinübergehen kennzeichnen würde? Dass in die Gedanken der Zurückbleibenden kein Kummer eintreten, und das Sterbebett als ein glücklicheres Ereignis betrachtet werden wird als Geburt und Hochzeit? Ich sage euch, dass dies ziemlich bald von den einsichtsvollen Menschen, und nach und nach von allen so feierlich empfunden werden wird.

Ihr sagt, dass es bis jetzt nur Glaubensüberzeugungen hinsichtlich der Unsterblichkeit gibt, aber noch keine sicheren Beweise. In der Häufung der Zeugnisse, in der inneren Gewissheit und Zuversicht des menschlichen Herzens, in der Tatsache des Glaubens an eine ewige Fortdauer als eine Idee im Denken der Menschen liegt ein sicherer Hinweis. Aber das Anzeichen wird der Überzeugung und dem Wissen weichen, ehe noch ein weiteres Jahrhundert vergangen ist, denn es wird ein bestimmtes Ereignis stattfinden, und der Menschheit wird eine Offenbarung gegeben werden, die Hoffnung in Gewissheit und Glauben in Wissen verwandeln wird. In der Zwischenzeit wollen wir eine neue Einstellung gegenüber dem Tod pflegen und eine neue Lehre vom Tod einführen. Er soll nicht mehr das eine Problem sein, das wir nicht beherrschen können und das uns unvermeidlich überwältigt; wir wollen vielmehr beginnen, unseren Übergang auf die andere Seite zu leiten und einiges von der Methode dieses Überganges zu verstehen.

Ehe ich ausführlicher auf dieses Thema eingehe, möchte ich noch auf das «Gewebe im Gehirn» verweisen, das bei den meisten Menschen unversehrt, beim erleuchteten Seher jedoch nicht vorhanden ist.

Wie ihr wisst, haben wir im menschlichen Körper einen Lebenskörper, der das Gegenstück zum physischen Leib ist, diesem zugrunde liegt und ihn durchdringt; er ist grösser als der physische Körper, und wir nennen ihn den Ätherkörper oder Doppelgänger. Er ist ein Energiekörper und besteht aus Kraftzentren und Nadis oder Kraftfäden. Diese liegen dem Nervenapparat - den Nerven und Ganglien - zugrunde oder sind das Gegenstück dazu. An zwei Stellen im menschlichen Lebenskörper gibt es nun Ausgänge für die Lebenskraft. Die eine Öffnung liegt im Sonnengeflecht und die andere im Gehirn, am Scheitel. Zum Schutze beider ist über sie [501] ein eng verwobenes Netz aus Ätherstoff gebreitet, das aus ineinandergeflochtenen Schnüren von Lebensenergie besteht.

Während des Todesvorganges schlägt der Druck der Lebensenergie gegen das Gewebe, so dass es schliesslich durchlöchert wird und eine Öffnung entsteht. Aus dieser strömt die Lebenskraft in dem Mass, in dem die Wirkungskraft des abziehenden Einflusses der Seele zunimmt. Bei Tieren, bei Kindern und bei Männern und Frauen, die völlig im physischen und astralen Körper polarisiert sind, ist das Sonnengeflecht das Ausgangstor; also wird hier das Gewebe durchbohrt, so dass der Ausgang frei wird. Bei mentalen Typen und den höher entwickelten Menschen wird das Gewebe am Scheitel des Kopfes in der Gegend der Fontanelle zerrissen, so dass auf diese Weise das denkende, vernünftige Wesen heraustreten kann.

Bei Psychisten und im Fall von Medien und niederen Sehern (also hellsehenden und hellhörenden Leuten) ist das Gewebe des Sonnengeflechts schon früh im Leben ständig zerrissen, und sie können deshalb leicht in den Körper hinein- oder aus ihm heraustreten, in Trance kommen, (wie man es nennt) und auf der Astralebene tätig sein. Aber für diese Typen gibt es keine Fortdauer des Bewusstseins, und es scheint keine Beziehung zu bestehen zwischen ihrem Dasein auf der physischen Ebene und den Vorgängen, die sie im Trancezustand erzählen und von denen sie im Wachbewusstsein für gewöhnlich nicht die geringste Kenntnis haben. Der ganze Vorgang spielt sich unterhalb des Zwerchfells ab und hat hauptsächlich mit dem tierischempfindenden Leben zu tun. Bei bewussten Hellsehern und in der Arbeit der höheren Psychisten und Seher gibt es keinen Trancezustand, keine Besessenheit oder Medienschaft. Hier ist das Gewebe im Gehirn durchbohrt, und die Öffnung in dieser Region erlaubt das Einströmen von Licht, Mitteilungen und Inspiration; es ist damit auch die Fähigkeit gegeben, in den Samadhizustand einzugehen, der die geistige Entsprechung zu dem Trancezustand der tierischen Natur ist.

Im Todesprozess sind also die beiden Hauptausgänge: Das Sonnengeflecht (Solarplexus) für das astral polarisierte, physisch [502] eingestellte Menschenwesen und damit für die grosse Mehrheit, und das Kopfzentrum für den mental polarisierten und geistig orientierten Menschen. Dies ist die erste und wichtigste Tatsache, die man berücksichtigen muss, und man wird leicht erkennen, wie die Tendenz eines Lebens und der Brennpunkt des Lebensinteresses die Art des Ausgangs beim Tod bestimmen. Man kann auch verstehen, dass die Bemühung, das astrale Leben und die emotionale Natur zu beherrschen und das Selbst auf die Gedankenwelt und die geistigen Dinge hin auszurichten, eine bedeutsame Wirkung auf das Erscheinungsbild des Todesvorganges ausübt.

Wenn der Studierende klar denkt, dann wird es ihm deutlich sein, dass der eine Ausgang für den geistigen und hochentwickelten Menschen gilt, während der andere das Menschenwesen niederen Grades betrifft, das kaum über den Tierzustand hinausgekommen ist. Was gilt nun für den Durchschnittsmenschen? Es wird jetzt ein dritter Ausgang vorübergehend verwendet: genau unter der Spitze des Herzens finden wir ein anderes ätherisches Gewebe, das eine Ausgangsöffnung bedeckt. Wir haben also folgende Situation:

1. Der Ausgang im Kopf, der von dem intellektuellen Typus, von Jüngern und Eingeweihten der Welt benutzt wird.

2. Der Ausgang im Herzen, der von dem gütigen wohlgesinnten Menschen benutzt wird, dem guten Bürger, der ein einsichtsvoller Freund und Mitarbeiter philanthropischer Bestrebungen ist.

3. Der Ausgang in der Region des Solarplexus oder Sonnengeflechts, den der emotionale, unintelligente, gedankenlose Mensch und derjenige verwendet, dessen tierische Natur stark ist.

Das ist der erste Punkt in den neuen Mitteilungen, die während des nächsten Jahrhunderts allmählich zum allgemeinen Wissensgut im Westen werden sollen. Vieles davon ist den Denkern des Ostens schon bekannt und ist gewissermassen ein erster Schritt zu einem vernünftigen Verstehen des Todesvorganges.

Der zweite Punkt, der begriffen werden muss, ist der, dass es eine «Technik des Sterbens» und eine Schulung während des Lebens gibt, die schliesslich zur Nutzanwendung dieser Technik hinführen kann.

Was die Schulung betrifft, der sich ein Mensch unterziehen kann, so werde ich einige Angaben machen, die einem Grossteil der Arbeit, die jetzt von den Aspiranten geleistet wird, eine neue Bedeutung [503] geben werden. Die Älteren Brüder der Menschheit, welche viele Jahrhunderte lang die Menschen geleitet haben, bereiten jetzt emsig Leute für den nächsten grossen Schritt vor, der unternommen werden muss. Dieser Schritt wird eine Kontinuität des Bewusstseins bringen, die alle Furcht vor dem Tod beseitigen und die physische Ebene in eine solch enge Beziehung zur astralen bringen wird, dass beide in Wirklichkeit nur noch eine einzige Ebene bilden werden. So wie zwischen den verschiedenen Aspekten des Menschen eine Einswerdung zustandekommen muss, genau so muss eine ähnliche Vereinheitlichung der verschiedenen Aspekte des planetarischen Lebens stattfinden. Die Ebenen müssen so geeint werden wie Seele und Körper. Das ist zwischen der ätherischen und der physischen Ebene weitgehend erreicht worden. Nun wird die Vereinigung zwischen der physischen und der astralen Ebene rasch vorangebracht.

Bei der Arbeit, die jetzt von den Forschern auf allen Gebieten menschlichen Denkens und Lebens geleistet wird, kommt diese Vereinigung voran, und in der Schulung, die jetzt für ernste und aufrichtige Aspiranten vorgeschlagen wird, gibt es noch andere Ziele als nur jenes, Seele und Körper einswerden zu lassen. Sie werden jedoch nicht besonders hervorgehoben, dank des Talentes der Menschen, auf die falschen Dinge ungebührlichen Nachdruck zu legen. Man könnte wohl fragen, ob es möglich ist, eine Reihe von einfachen Regeln zu geben, die jetzt von all denen befolgt werden könnten, die einen solchen Rhythmus herstellen möchten, dass nicht nur das Leben selbst planvoll gestaltet und konstruktiv wird, sondern dass es auch kein Problem bilden und keine Schwierigkeiten mehr geben wird, wenn der Augenblick zum Verlassen der äusseren Hülle gekommen ist. Ich will euch deshalb vier einfache Regeln geben, die mit vielem, was alle Studierenden jetzt tun, eng verquickt sind.

2. Lernt, im Kopf konzentriert zu bleiben durch geistige Vorstellung und Meditation und durch die beharrliche Übung der Konzentration; entwickelt immer mehr die Fähigkeit, als der König zu leben, der seinen Thron zwischen den Augenbrauen hat. Dies ist eine Regel, die auf die Dinge des alltäglichen Lebens angewendet werden kann.

2. Lernt, mit dem (504) Herzen zu dienen, anstatt emotionell auf einer Aktivität zu beharren, die darnach trachtet, die Angelegenheiten anderer zu lenken. Vor einer jeden solchen Tätigkeit sollte man sich zwei Fragen beantworten: Leiste ich diesen Dienst als Einzelner einem Einzelnen, oder leiste ich ihn als Gruppenmitglied einer Gruppe? Ist mein Motiv ein Impuls des Ego, oder werde ich dazu veranlasst durch Gefühlswallungen, durch den Ehrgeiz zu glänzen, und weil ich gern geliebt und bewundert werden möchte? Dies beides wird dazu führen, dass die Lebensenergien oberhalb des Zwerchfells konzentriert werden und dass dadurch die Anziehungskraft des Sonnengeflechts aufgehoben wird. Infolgedessen wird dieses Zentrum immer mehr zur Untätigkeit gezwungen, und es wird nicht mehr so sehr die Gefahr bestehen, dass das Gewebe an dieser Stelle durchlöchert wird.

3. Lernt, beim Schlafengehen euer Bewusstsein in den Kopf zurückzuziehen. Das sollte als eine zielbewusste Übung unmittelbar vor dem Einschlafen ausgeführt werden. Man sollte sich nicht erlauben, einfach in den Schlaf abzusinken, sondern sollte sich bemühen, das Bewusstsein unbeeinträchtigt zu erhalten, bis ein bewusster Übergang auf die Astralebene erfolgt. Es sollte Entspannung, genaue Aufmerksamkeit und ein beharrliches Aufwärtsziehen in das Kopfzentrum versucht werden, denn solange der Aspirant nicht gelernt hat, sich aller Vorgänge während des Einschlafens ständig bewusst zu sein und gleichzeitig seine positive Wirklichkeit zu bewahren, besteht Gefahr in dieser Arbeit. Die ersten Schritte müssen mit Einsicht unternommen werden, und man muss sie dann viele Jahre lang befolgen, bis man die Gewandtheit im Zurückziehen erreicht hat.

4. Verzeichnet und beobachtet alle Erscheinungen, die mit dem Zurückziehungsprozess verbunden sind, sei es nun in der Meditation oder vor dem Einschlafen. Man wird zum Beispiel finden, dass manche Leute kurz nach dem Einschlafen beinahe schmerzhaft aufschrecken. Das ist darauf zurückzuführen, dass das Bewusstsein durch ein Gewebe hinausschlüpft, das nicht frei genug ist, durch eine Öffnung, die teilweise geschlossen ist. Andere hören vielleicht ein starkes, lautes Schnappen in der Kopfgegend. Das wird durch die Lebenslüfte im Kopf verursacht, die wir für gewöhnlich nicht wahrnehmen; es kommt durch eine innere Gehörsempfindlichkeit zustande, wodurch [505] man Töne wahrnimmt, die zwar immer vorhanden sind, aber im allgemeinen nicht registriert werden. Andere sehen beim Einschlafen Licht oder Farbwolken, oder violette Fahnen und Lichtbänder, die alle ätherische Erscheinungen sind. Diese Phänomene, die keine reale Bedeutung haben, stehen alle in Verbindung mit dem Lebenskörper, mit Pranaströmungen und mit dem Lichtgewebe.

Wenn man dies gewohnheitsmässig ausführt und diese vier Regeln über einen Zeitraum von Jahren weiter befolgt, wird das viel dazu beitragen, die «Technik des Sterbens» zu erleichtern, denn der Mensch, der gelernt hat, seinen Körper beim Einschlafen in die Hand zu bekommen, hat viel vor dem voraus, der diesem Vorgang niemals seine Aufmerksamkeit schenkt.

In bezug auf die «Technik des Sterbens» kann ich jetzt nur einen oder zwei Vorschläge machen. Ich beschäftige mich hier nicht mit dem Verhalten der anwesenden Beobachter, sondern nur mit jenen Punkten, die der hinübergehenden Seele den Übergang erleichtern.

Erstens: «Lasst Stille im Zimmer herrschen». Das ist natürlich häufig der Fall. Man muss bedenken, dass der Sterbende für gewöhnlich bewusstlos sein mag. Diese Bewusstlosigkeit scheint eingetreten zu sein, ist aber nicht wirklich. In neunhundert von tausend Fällen ist eine Gehirn-Wahrnehmung vorhanden, mit dem vollen Bewusstsein für die Ereignisse, aber es besteht eine vollständige Lähmung des Willens, sich zu äussern, und völlige Unfähigkeit, die Energie aufzubringen, die Leben andeuten würde. Wenn Stille und Verständnis das Krankenzimmer beherrschen, kann die scheidende Seele mit Klarheit bis zur letzten Minute ihr Werkzeug in Besitz behalten und angemessene Vorbereitungen treffen.

Wenn man später einmal mehr über Farben weiss, wird man nur orangefarbene Lichter im Krankenzimmer eines Sterbenden erlauben, und diese werden nur dann mit entsprechender Zeremonie aufgestellt werden, wenn bestimmt keine Möglichkeit mehr zur Besserung besteht. Orange unterstützt die Sammlung im Kopf, so wie Rot das Sonnengeflecht anregt und Grün eine bestimmte [506] Wirkung auf das Herz und die Lebensströme hat.

Wenn man einmal mehr vom Ton versteht, wird man bestimmte Arten von Musik anwenden; bis jetzt gibt es jedoch noch keine Musik, welche die Arbeit der Seele bei ihrem Scheiden aus dem Körper erleichtern könnte, obwohl gewisse Töne auf der Orgel sich als wirksam erweisen werden. Wenn im genauen Todesaugenblick des Menschen eigener Ton angestimmt wird, dann wird dieser Ton die beiden Energieströme einander angleichen und schliesslich den Lebensfaden zerreissen; das Wissen darüber weiterzugeben, ist jedoch noch zu gefährlich, und deshalb kann es erst später gegeben werden. Ich möchte damit in die Zukunft weisen und die Richtung andeuten, in der sich künftige okkulte Studien bewegen werden.

Man wird ausserdem entdecken, dass ein Druck auf gewisse Nervenzentren und Arterien das Werk erleichtern wird. (Diese Wissenschaft vom Sterben wird, wie viele Schüler wissen, in Tibet in Verwahrung gehalten.) Ein Druck auf die Halsschlagader und bestimmte grosse Nerven in der Kopfregion, und auf eine besondere Stelle an der Medulla oblongata (dem verlängerten Mark) wird hilfreich und wirksam sein. Eine genaue Wissenschaft vom Tod wird später unvermeidlich ausgearbeitet werden, aber erst, wenn die tatsächliche Existenz der Seele erkannt und ihre Beziehung zum Körper wissenschaftlich bewiesen sein wird.

Mantrische Sprüche werden ebenfalls angewandt und von den Umstehenden in ganz bestimmter Weise in das Bewusstsein des Sterbenden eingeprägt werden, oder dieser selbst wird sie mit Bedacht und in Gedanken anwenden. Christus zeigte uns ihre Anwendung, als er laut rief: «Mein Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist». Und wir haben ein weiteres Beispiel in den Worten: «Herr, nun lässest Du Deinen Diener in Frieden fahren». Der ständige Gebrauch des heiligen Wortes, das halblaut oder in einer Tonlage (auf die der sterbende Mensch augenscheinlich reagiert) gesungen wird, kann später auch einen Teil des Übergangsrituals bilden, begleitet von der letzten Ölung, wie sie in der katholischen Kirche erhalten ist. Die letzte Ölung hat eine okkulte, wissenschaftliche [507] Grundlage. Das Kopfende des Sterbenden sollte auch symbolisch nach Osten gewendet und Füsse und Hände gekreuzt sein. In dem Zimmer sollte nur Sandelholz verbrannt werden und keinerlei anderes Räucherwerk erlaubt sein, denn Sandelholz ist das Rauchwerk des ersten oder Zerstörer-Strahls, und die Seele ist ja daran, ihre Behausung zu zerstören.

Das ist alles, was ich derzeit für die allgemeine Öffentlichkeit zur Betrachtung über das Thema des Todes mitteilen kann. Aber ich beschwöre euch alle, das Studium des Todes und der dabei verwendeten Methode so weit als möglich voranzubringen und die okkulte Erforschung dieser Angelegenheit fortzusetzen.