Navigieren durch die Kaptitel von diesem Buch

Dritter Teil - Das Ende der Verblendung - Teil 4

Der Wille und der Atem, lieber Bruder, sind im okkulten Sinn synonyme Begriffe. In der Feststellung liegt der Schlüssel zur Beendigung von Maya.

Obige Bemerkungen bilden die Einleitung zu unserem Studium der Technik der Indifferenz. Es ist notwendig, auf Analogien hinzuweisen und die verschiedenen Aspekte verwandter Lehre miteinander zu verbinden, wenn eine wahre Vorstellung entwickelt werden soll. Wir wollen unsere Betrachtung dieses Themas wie folgt einteilen:

1. Betätigung auf der ätherischen Ebene, d.h. in der Welt der Kräfte.

a. Ihre Verteilung.

b. Ihre Handhabung.

2. Die Wissenschaft des Atems.

a. Die Beziehung zwischen Wille und Atem.

b. Inspiration.

3. Die Technik der Indifferenz.

a. Durch Konzentration.

b. Durch Loslösung.

Wir kommen damit auf das Gebiet des praktischen Okkultismus. Dies ist nicht das Gebiet des Aufwärtsstrebens oder der Bereich eines geplanten Fortschritts in Richtung auf das, was höher und wünschenswert ist. Es ist in mancher Beziehung eine umgekehrte Betätigung. Von dem auf der Evolutionsleiter erreichten Punkt aus wirkt der «im geistigen Sein verharrende» Jünger (soweit ihm das möglich ist) bewusst und mit Vorbedacht mit den Energien in den drei Welten. Er lenkt sie in den ätherischen Körper hinein und sucht sich dabei die Ebene aus, von der aus er zu arbeiten wünscht - die mentale, die emotionale oder die vitale Ebene selbst. Er tut dies in Übereinstimmung mit irgendeiner von ihm erschauten Idee, einem ihm liebgewordenen Ideal, einem erfühlten, göttlichen Vorbild, einer geistigen Hoffnung, einer geheiligten Ambition oder auf Grund eines sehnlichen Wünschens.

Der Ätherkörper [246] des Einzelnen ist bekanntlich ein Teil des ätherischen Körpers der Menschheit und dieser ist seinerseits ein Aspekt des ätherischen Körpers des Planeten, der in gleicher Weise ein wesentlicher Bestandteil des ätherischen Körpers des Sonnensystems ist. Nebenbei bemerkt bildet dieses weitreichende, tatsächliche Beziehungsverhältnis die Grundlage aller astrologischen Einflüsse. Der Mensch bewegt sich also in einem Strudel von Kräften jeder Art und Qualität. In jedem Teil seiner manifestierten oder unmanifestierten Ausdrucksform setzt er sich aus Energien zusammen; er steht deshalb mit allen anderen Energien in Beziehung. Seine Aufgabe ist äusserst schwierig und bedarf der grossen Zeitspanne des evolutionären Zyklus. Mit der Masse von Weltenergien und Kräften des Sonnensystems können wir uns hier nicht befassen; wir wollen uns vielmehr auf die Betrachtung des individuellen Problems beschränken und dem Schüler empfehlen, sich zu bemühen, sein Verständnis für die mikrokosmische Lage auf die makrokosmische auszudehnen.

a. Kraftverteilung und Handhabung auf der ätherischen Ebene.

Wir wollen jetzt annehmen, dass der Aspirant von der Notwendigkeit überzeugt ist, seinem Leben auf der physischen Ebene einen neuen und höheren Rhythmus zu verleihen, seine Zeit in Einklang mit den Geboten seines höheren Selbstes einzuteilen und bewusst und nach wissenschaftlichen Regeln jene Wirkungen zu erzielen, die - in seinen höchsten Augenblicken - ihm als wünschenswert dargestellt werden. Er besitzt jetzt ein gewisses Mass von Kenntnissen über das Rüstzeug, das ihm für seine Aufgabe zur Verfügung steht und er hat einige Tatsachen über seinen ätherischen Träger bewältigt. Die Gegensatzpaare sind ihm klar erkenntlich, auch wenn er noch immer von einem der Gegenpole beeinflusst wird; er ist sich des grundsätzlichen Zwiespaltes bewusst zwischen seiner Vision des Guten und der Art, wie er dieses Gute zum Ausdruck bringt. Er hat gelernt, dass er eine dreifache Reflexion einer höheren Dreiheit ist und dass diese Dreiheit - für ihn - die Wirklichkeit darstellt. Er versteht, dass das Denken, die Gefühle und das physische Dasein dazu [247] bestimmt sind, am Ende diese Wirklichkeit zu manifestieren. Im letzten Grund weiss er, dass, sobald dieser Zwischenaspekt seiner selbst, der Ätherkörper, beherrscht und in richtiger Weise gelenkt werden kann, die Vision und ihr Ausdruck schliesslich übereinstimmen werden und müssen. Er ist sich auch dessen bewusst, dass der dichte, physische Körper (die äussere, greifbare Erscheinung) nur ein Automat ist, der jedweden Kräften und Energien gehorcht, die in der subjektiven Welt vorherrschen und den Menschen bestimmen. Soll dieser physische Körper von emotionaler Kraft beherrscht werden, die durch das Sakralzentrum strömt und den Wunsch nach Befriedigung physischer Gelüste auslöst oder durch das Sonnengeflechtszentrum (plexus solaris), wo sie zu irgendeiner emotionellen Befriedigung führt? Soll er dem Denken Folge leisten und hauptsächlich unter dem Antrieb von Gedankenwellen funktionieren? Soll er vielleicht von einer Energie gelenkt werden, die grösser ist als irgendeine von diesen, die aber bislang anscheinend ohnmächtig blieb, nämlich von der Energie der Seele als einer Wesensäusserung reinen Seins? Soll er unter dem Antrieb von Gefühlsreaktionen, Ideen oder Gedanken in Tätigkeit gesetzt werden, die von anderen Menschen ausgehen oder sollte er von der geistigen Hierarchie richtunggebend beeinflusst und zur Tätigkeit angespornt werden? Das sind so einige Fragen, die beantwortet werden müssen. An die Stelle des Strebens, Träumens und wunscherfüllten Denkens muss jetzt unmittelbares Handeln und sorgfältig geplante Anwendung der verfügbaren Kräfte treten, die durch Atmen, unter Leitung des inneren Auges und unter der Aufsicht des geistigen Menschen in Tätigkeit gesetzt werden. Welche Energien können und müssen in dieser Weise benutzt werden? Welche Kräfte müssen unter Kontrolle gebracht werden? Wie lassen sie sich kontrollieren? Sollten sie ignoriert und durch diese Nichtbeachtung wirkungslos gemacht werden oder handelt es sich um Kräfte, die beim grossen Schöpfungswerk benötigt werden?

Es dürfte also klar sein, dass der geistige Sucher zunächst einmal - wahrhaftig und im Licht der Seele - herausfinden muss, wo eigentlich der genaue Brennpunkt seiner Identifizierung liegt. Damit will [248] ich sagen: Gebraucht er in der Hauptsache die Energie, die sich auf der Mentalebene befindet? Ist er überwiegend gefühlsmässig eingestellt und benutzt er meistens Kraft von der Astralebene? Kann er mit der Seele in Berührung treten und Seelenenergie in solcher Weise heranziehen, dass sie seine Persönlichkeitskraft neutralisiert oder ausgleicht? Kann er also mit Hilfe des ätherischen Körpers als Seele auf der physischen Ebene leben? Wer dieses Problem ernstlich überprüft, wird mit der Zeit entdecken, welche Kräfte in seinem Ätherkörper vorherrschen; und er wird bewusst merken und empfinden, zu welchen Zeiten und in welcher Situation die Anwendung von Seelenenergie am Platz ist. Das, lieber Bruder, braucht Zeit und erfordert anhaltende Beobachtung und eine genaue Analyse der Handlungen und Gefühlsregungen, der Worte und Gedanken. Wir haben es hier, wie ersichtlich, mit einem äusserst praktischen Problem zu tun, das auch ein wesentlicher Bestandteil unseres Studiums ist und im Leben des Jüngers grundlegende Änderungen hervorrufen wird.

Er wird nicht nur die Stärke der eingesetzten Kraft oder Kräfte beobachten, sondern auch genau untersuchen, unter welchen Umständen sie wirksam werden und wie oft sie in Erscheinung treten, ob neu oder gewohnheitsmässig und in welcher Art sie sich manifestieren. Auf diese Weise wird ihm ein neues Verständnis der bedingenden Ursachen aufgehen, die sich durch seinen Vitalkörper äussern und die ihn - auf der physischen Ebene - zu dem machen, was er wesentlich ist. Diese Untersuchung wird ihm in tief geistiger und bedeutsamer Weise von Nutzen sein.

Diese Periode der Beobachtung beschränkt sich jedoch auf mentale und verständnisvolle Beobachtung. Sie bildet die Grundlage für die zu leistende Arbeit, bringt Gewissheit und Kenntnis, ändert aber nichts an der Lage. Seine nächste Aufgabe besteht darin, sich der Qualität der angewandten Kräfte bewusst zu werden; um das festzustellen, wird es sich als notwendig erweisen, nicht nur seinen Seelen und Persönlichkeitsstrahl zu entdecken, sondern auch die Strahlen seines Denkapparates und seiner Gefühlsnatur kennen zu [249] lernen. Wenn er diese Strahlen noch nicht kennt, ist eine weitere Periode der Untersuchung und sorgfältigen Beobachtung notwendig. Wenn ich sage, dass zu diesen Ermittlungen auch noch eine genaue Beobachtung der Einwirkung von Kräften und Energien hinzukommen muss, denen er astrologisch ausgesetzt ist, dann wird der Schüler ermessen, welch harte Aufgabe er sich vorgenommen hat. Er muss nicht nur seine fünf Strahlenenergien heraussondern, sondern auch die Energie seines Sonnenzeichens in Betracht ziehen, das seine Persönlichkeit bedingt sowie die Energie seines aufsteigenden Zeichens, das die Persönlichkeit zur Empfänglichkeit für die Seele anzuregen sucht, um auf diese Weise die Absichten der Seele durch die Mitarbeit der Persönlichkeit zu verwirklichen.

Es gibt demnach sieben Faktoren, welche die Qualität der Kräfte bestimmen, die sich durch den ätherischen Körper auszudrücken suchen:

1. Der Strahl der Seele.

2. Der Strahl der Persönlichkeit.

3. Der Strahl des Denkvermögens.

4. Der Strahl der Gefühlsnatur.

5. Der Strahl des physischen Trägers.

6. Die Energie des Sonnenzeichens.

7. Der Einfluss des aufsteigenden Zeichens.

Sobald diese jedoch festgestellt sind und man einigermassen gewiss weiss, dass es sich dabei um wahre Tatsachen handelt, beginnt das ganze Problem sich zu klären und der Jünger kann mit Wissen und Verständnis weiterwirken. Er entwickelt sich zum wissenschaftlichen Mitarbeiter auf dem Gebiet der verborgenen Kräfte. Er weiss dann, was er tut, mit welchen Energien er arbeiten muss und er fängt an, diese Energien beim Eintritt in den ätherischen Träger zu verspüren.

Jetzt kommt die Stufe, auf der er in der Lage ist, die Wirklichkeit und die Funktion der sieben Zentren zu erfahren, die das Ein- und Ausströmen der wogenden Kräfte und Energien ermöglichen, mit denen er es in dieser besonderen Inkarnation unmittelbar zu tun hat. Er beginnt damit eine ausgedehnte Periode der Beobachtung, Erprobung und Erfahrung, wobei Versuch und Irrtum, Erfolg [250] und Fehlschlag miteinander abwechseln; und das erfordert von ihm ein Höchstmass an Kraft, Mut und Ausdauer. Im allgemeinen wirkt sich die Seelenenergie durch das höchste Kopfzentrum aus und sie wird durch Meditation und durch angewandte Kontaktfähigkeit zur Funktion gebracht. Die Energie der integrierten Persönlichkeit konzentriert sich durch das Ajnazentrum zwischen den Augen; und wenn sich der Jünger damit identifizieren kann und ausserdem das Wesen und die Schwingung seiner Seelenenergie kennt, dann kann er erstmalig die Kraft der Lenkung anwenden, wobei er die Augen als Richtungsweiser benutzt. Wie aus meinen anderen Schriften hervorgeht, gibt es drei Augen der Vision und Lenkung, die dem Jünger zur Verfügung stehen.

1. Das innere Auge, das einzelne Auge des geistigen Menschen. Es ist das wahre Auge der Vision und verkörpert die Idee der Dualität (des Sehers und des Gesehenen). Es ist das göttliche Auge. Es ist das, durch welches die Seele auf die Welt der Menschen hinausblickt und wodurch die Persönlichkeit gelenkt wird.

2. Das rechte Auge, das Auge des Buddhi, das Auge, welches in direkter, empfangsbereiter Beziehung zum inneren Auge steht. Durch dieses Auge kann die höchste Aktivität der Persönlichkeit auf der physischen Ebene beaufsichtigt werden. Wir haben es also in diesem Zusammenhang mit einem Dreieck von geistigen Kräften zu tun, die vom fortgeschrittenen Jünger und Eingeweihten zu einzigartiger Wirksamkeit gebracht werden können.
a. das geistige Auge.

b. das Ajnazentrum.

c. das rechte Auge.

 

Dieser Dreiheit [251] bedient sich beispielsweise der geschulte Eingeweihte, wenn er es mit einer Gruppe von Menschen oder mit einem Einzelnen zu tun hat.

3. Das linke Auge, das Auge des Manas, der Austeiler von Gedankenenergie unter richtiger Kontrolle - richtig, soweit die Absichten der Persönlichkeit in Frage kommen. Dieses Auge ist ebenfalls Teil eines Kraftdreiecks, das dem Aspiranten und dem Probejünger zu Gebote steht.

a. Ajnazentrum.

b. Linkes Auge.

c. rechtes Auge.

Das innere oder göttliche Auge befindet sich im Ruhezustand und ist verhältnismässig untätig, da es für die Seele nur ein Organ der Beobachtung ist; in der Mehrzahl der Fälle ist es noch nicht zum Verteiler von lenkender Seelenenergie geworden. Der disziplinierte, geistig eingestellte Aspirant, der in seiner integrierten und geläuterten Persönlichkeit polarisiert ist, gebraucht jedoch sowohl buddhische als auch manasische Kraft; er fängt an, intuitiv und vorwiegend mental zu sein. Wenn diese beiden Dreiecke unter Kontrolle sind und in der richtigen Weise zu funktionieren anfangen, dann können auch die sieben Zentren im ätherischen Körper einer klaren Lenkung unterworfen werden; sie werden dann zum Empfänger des festgesetzten Rhythmus des entwickelten Menschenwesens und sie sind folglich für die Seele sowohl Stromleiter für geeignete Energien, als auch Instrumente, durch welche sich die vollendete Konstitution und der Zweck eines werktätigen Gottessohnes auf Erden manifestieren können. Danach kommt das, was wir die Stufe der Richtstrahlung oder Lenkung genannt haben. Die Seele oder die integrierte Persönlichkeit oder - auf einer höheren Spiralwindung - die Monade übt die Befehlsgewalt [252] aus und die Persönlichkeit ist dann lediglich das Vollzugsorgan des Geistes. Durch die beiden Dreiecke oder dadurch, dass beide im Gleichtakt arbeiten, werden die Zentren entlang der Wirbelsäule (fünf im ganzen) unter rhythmische Kontrolle gebracht. Energie wird in sie hinein und durch sie hindurch geleitet; sie werden ständig zu einer harmonischen Einheit von einer Schönheit zusammengefügt, die man als ein «in Gott entflammtes Leben» bezeichnet hat; es ist ein Leben voller geistiger Hingabe und Dienst, in dem das höhere Dreieck die höchste Wirkungskraft ausübt.

Folgende drei Sätze fassen den Werdegang der schliesslichen Erlösung des Jüngers von der Grossen Illusion zusammen:

Erstens: In dem Mass, wie die durch das höhere Dreieck wirkende Seele zum lenkenden Faktor wird, wird die Illusion verscheucht. Das Denkvermögen wird erleuchtet.

Zweitens: In dem Masse, wie die Persönlichkeit (unter wachsender Beeinflussung durch die Seele) sich durch das zweite Dreieck auswirkt, wird die Verblendung zerstreut. Die Herrschaft der Astralnatur ist gebrochen.

Drittens: In dem Mass, wie der als Seele und als integrierte Persönlichkeit wirkende Jünger die Leitung seines Lebensausdrucks übernimmt, wird der Maya oder der Welt ätherischer Energien die Lebenskraft entzogen; es werden nur noch jene Kräfte und Energien verwendet, die den Erfordernissen des Jüngers oder des Eingeweihten bei der Erfüllung göttlicher Absicht dienlich sind.

Wie ersichtlich, ist all das in dem früher beschriebenen, siebenfältigen Werk enthalten und es wird dadurch erreicht. Es lässt sich wie folgt zusammenfassen:

1. Der Jünger entdeckt den Brennpunkt seiner Identifizierung.

2. Er stellt das Wesen der Kräfte fest, die er gewohnheitsmässig benutzt und die ihn immer wieder zu Tätigkeit zu veranlassen scheinen.

3. Er verspürt [253] die Stärke und Häufigkeit dieser Kräfte.

All das geschieht vom Standpunkte des mentalen Beobachters aus.

4. Er wird sich der Qualität der angewandten Kräfte sowie ihrer Strahlenbeziehung oder ihrer astrologischen Bedeutung bewusst.

Dabei tritt mehr Empfindung und Gefühl in Tätigkeit, nicht so sehr das Denkvermögen, wie in den drei vorhergehenden Stufen.

5. Er identifiziert die Zentren im ätherischen Körper und er merkt und erkennt, dass jedes einzelne davon ein Kraftvermittler ist.

6. Die beiden «Dreiecke der Vision und Lenkung» im Kopf treten in ein Stadium harmonischer Wirkungsweise ein und sind dann:

a. Tätige und funktionstüchtige Werkzeuge.

b. Miteinander verbunden und wirkend und damit praktisch ein einziges Instrument. Dies ist eine objektive und subjektive Tätigkeit.

7. Die Einschaltung und Stimulierung des physischen Körpers zur Mitarbeit vermittels der Richtstrahlung im Kopf und der Zentren entlang der Wirbelsäule.

Jetzt erhebt sich die Frage, wie das zuwege gebracht werden soll. Damit kommen wir zu unserem zweiten Punkt.

b. Die angewandte Wissenschaft vom Atem.

Über die Wissenschaft vom Atem ist viel Unsinn geredet worden. Viele Gruppen erteilen eine Menge von gefährlichen Anweisungen über das Atmen - gefährlich, weil sie auf Bücherweisheit beruhen und weil ihre Exponenten sie niemals selber eingehend erprobt haben; gefährlich ausserdem, weil viele Gruppen unreife Anfänger einfach ausbeuten wollen, meistens zu geschäftlichem Nutzen. Die Masse [254] der Aspiranten darf froh sein, dass die Informationen und Anweisungen schwach, ungenau und häufig harmlos sind, obwohl sie in vielen Fällen üble Folgen verursachen; glücklicherweise ist ausserdem das zielbewusste Streben des Durchschnittsaspiranten so schwach entwickelt, dass er unfähig ist, die Anweisungen beharrlich, täglich und unbeirrt zu befolgen und er strengt sich nicht genügend an, um einen ohnehin zweifelhaften Erfolg zu gewährleisten; daher besteht in solchen Fällen keine Gefahr. Manche okkulte Gruppen nutzen das Thema aus und umgeben es mit Geheimnistuerei, um dem Unbefangenen einen Anreiz zu geben oder ihren Anhängern etwas Beschäftigung zu verschaffen; gleichzeitig möchten sie als gelehrte und wohlgeschulte Okkultisten für sich selbst Lob ernten. Jedermann kann Atemübungen lehren. Es handelt sich dabei in der Hauptsache um regelmässiges Ein- und Ausatmen, dessen Länge und Rhythmus vom Wunsch des Lehrers abhängt. Wer sich beharrlich bemüht, wird dabei Erfolge haben, aber sie werden meistens unerwünscht sein, denn der Durchschnittslehrer betont zwar die Technik des Atmens, aber nicht die Ideen, die - mit den durch den Atem erzeugten Energien - im Leben des Jüngers Gestalt annehmen sollten.

Die gesamte Wissenschaft des Atems hat das Heilige Wort, das OM, zum Mittelpunkt. Es war beabsichtigt, den Gebrauch des Wortes jenen Aspiranten vorzubehalten, die sich ernstlich verpflichtet haben, den Pfad zu beschreiten. Es hat sich aber herumgesprochen und wird heute von vielen, gewissenlosen Lehrern zum Gebrauch empfohlen, besonders von gewissen Swamis, die aus Indien kommen, sich als Heilige Männer ausgeben und einfältige Menschen im Westen damit umgarnen. Das Wort wird dann mit keinerlei geistiger Absicht angewendet, sondern einfach als ein Laut, der, vom Atem getragen, gewisse psychische Wirkungen hervorruft, die von Leichtgläubigen als Beweise ihrer tiefen Geistigkeit angesehen werden. Das Traurige dabei ist, dass Atemübungen zwangsläufig mit dem OM in Beziehung stehen, aber die Wirkungen hängen ganz vom Motiv und von der inneren, festen Absicht ab. Der Orientale, der noch nicht die vierte oder fünfte Einweihung erreicht hat, besitzt kein wirkliches Verständnis für den Westländer oder [255] für dessen Mechanismus und Ausrüstung, die sich aufgrund von Zivilisation und Lebensweise erheblich von seiner eigenen unterscheidet. Im Osten besteht die schwierige Aufgabe des Lehrers oder des Guru darin, aus negativ polarisierten Leuten positive zu machen. Die westlichen Rassen sind im grossen Ganzen positiv eingestellt und brauchen daher keine Schulung, wie sie dem Orientalen mit Recht erteilt wird. Was will ich, genau genommen, damit sagen? Ich meine damit, dass im Osten der Willensfaktor (der erste Aspekt) nicht vorhanden ist. Dem Orientalen, besonders dem Bewohner Indiens, fehlt es an Willen, an dynamischer Triebkraft und der Fähigkeit, jenen inneren Druck auf sich selbst auszuüben, der bestimmte Resultate hervorruft. Eben deshalb kann er sich der modernen Zivilisation so schwer anpassen, deshalb macht das indische Volk so geringe Fortschritte auf dem Gebiet kommunaler und nationaler Ordnung und deshalb bleibt es so weit hinter der Zeit zurück, soweit moderne, zivilisierte Lebenshaltung in Frage kommt. Im allgemeinen ist dagegen der Westländer positiv; er braucht die lenkende Kraft der Seele und kann sie mit sehr geringer Anleitung hervorrufen. In der arischen Rasse findet heutzutage eine Fusion zwischen dem Willensaspekt, dem Denkvermögen und dem Gehirn statt. Das ist im Orient nicht der Fall. Dazu wird es später kommen.

Der einzige Faktor, der den Atem wirksam macht, ist der Gedanke, die Absicht und der treibende Wille, die dahinter stehen. In dieser Feststellung liegt der Schlüssel zu dynamisch wirksamen Atemübungen. Wenn der Zweck nicht klar gewürdigt wird, wenn der Jünger nicht weiss, was er tut wenn er esoterische Atemübungen macht und solange die Bedeutung der Worte «dem Gedanken folgt Energie» nicht verstanden wird, sind Atemübungen reine Zeitvergeudung und möglicherweise gefährlich. Daraus lässt sich schliessen, dass Resultate nur dann möglich sind, wenn eine Verbindung zwischen Atmen und Denken besteht.

Dahinter steht ein dritter und noch wichtigerer Faktor - der WILLE. Deshalb kann nur derjenige ohne Gefahr und mit Nutzen [256] Atemübungen vornehmen, dessen Wille wirksam ist - d.h. der geistige Wille und somit der Wille der Geistigen Triade. Jeder Jünger, der im Begriff steht, die Antahkarana zu erbauen, kann vorsichtig damit anfangen, unter Aufsicht Atemübungen vorzunehmen. Im letzten Grund können eigentlich nur die Eingeweihten dritten Grades, die unter monadischen Einfluss gelangen, mit Erfolg diese Form der Lebenslenkung anwenden und dabei wirksame Resultate erzielen. Das ist eine grundsätzliche Wahrheit. Immerhin muss ein Anfang gemacht werden und zu diesem Bemühen werden alle wahren Jünger aufgefordert.

Nach gründlicher Erwägung aller im obigen Absatz erwähnten Einzelheiten dürfte man sich wohl darüber klar sein, dass der Jünger zu allererst einmal eine direkte Verbindung zwischen seinem Gehirn, seinem Denkvermögen und dem Willensaspekt der Geistigen Triade herstellen muss; mit anderen Worten: der negative Gedankenempfänger (das Gehirn), das Werkzeug des Willens (das Denkvermögen) und die Triade selbst müssen miteinander vermittels der Antahkarana in Berührung gebracht werden. Wenn eine solche Beziehung besteht oder zu bestehen anfängt, dann können Atemübungen ohne Gefahr und mit Nutzen unternommen werden. Nur der gelenkte Wille, lieber Bruder, der den geordneten rhythmischen Atem zu Hilfe nimmt, kann die Zentren beherrschen und eine planvolle Absicht im Leben entwickeln. Deshalb muss der Jünger bei seiner Atemübung von einer Idee oder Gedankenrichtung beherrscht sein. Diese Idee muss irgendeinen Zweck enthalten, eine geplante Aktivität und ein anerkanntes Ziel, ehe der Atem, der dieses Vorhaben verwirklichen soll, erzeugt, angesammelt und ausgesandt und damit zum Träger einer Kraft wird. Das muss auf den Schwingen bewusster Absicht geschehen, wenn ich mich symbolisch ausdrücken darf. Diese letzten Sätze sollten wiederholt gelesen werden, denn sie betreffen die Wissenschaft des Atmens und sind der Schlüssel zur erfolgreichen Arbeit. Diese Wissenschaft befasst sich hauptsächlich und grundsätzlich mit Ideen, die in klare Gedankenformen gebracht wurden und auf diese Weise das Leben [257] des Jüngers im ätherischen Bereich bestimmen. Von da aus beeinflussen sie schliesslich auch sein Leben auf der physischen Ebene.

Ich habe hier nicht die Absicht, Atemübungen anzugeben, die von Jüngern oder Aspiranten gebraucht oder - was wahrscheinlicher ist - missbraucht werden könnten. Ihre erste Verantwortung liegt darin, der inneren Impulse gewahr zu werden, welche die Zentren zur Tätigkeit anregen und auf diese Weise Zustände und Ereignisse auf der physischen Ebene hervorrufen könnten. Wenn diese Impulse sich klar und bestimmt im Denkbewusstsein des Jüngers herausgebildet haben, dann kann sie nichts daran hindern, zu gegebener Zeit ans Tageslicht zu treten. Sie müssen aber eine geregelte Reifeperiode durchmachen und der Zeitpunkt ihres Erscheinens muss mit Vorbedacht berechnet werden.

Wenn der Schüler wahren Idealismus besitzt und in der richtigen Weise denkt, wenn er ausserdem das rechte Verständnis für den Ausdrucksträger und für die Welt der Kräfte hat, in welche die Idee hineingesandt werden muss, dann kann er ohne Gefahr planmässige Atemübungen betreiben, dann wird die zweite Phase oder Folge vernünftiger, rhythmischer Atmung in Erscheinung treten. Das ist die Inspiration.

Atemübungen, lieber Bruder, haben eine rein physiologische Wirkung, wenn sie nicht durch gelenktes Denken angeregt oder motiviert sind und wenn sie sich nicht daraus ergeben, dass der Aspirant einen Spannungspunkt erreicht hat und beibehält. Während des Ein- und Ausatmens muss ständig eine klare aktive Gedankenlinie eingehalten werden, damit der Atem (beim Aussenden) mit irgendeiner Idee qualifiziert und erfüllt wird. An dieser Stelle versagt der Durchschnittsaspirant so oft. Gewöhnlich ist er so intensiv mit der Atemlenkung beschäftigt und so voller Erwartung gewisser Wirkungen in der Erscheinungswelt, dass er den lebendigen Zweck des Atems vergisst. Dieser Zweck besteht darin, durch Aussendung eines dargestellten Gedankens, der eine erfühlte und festgestellte Idee ausdrückt, dem Leben der Zentren Energie und neue Qualität zuzuleiten. Wo diese Grundlage idealistischen Denkens fehlt, werden die Resultate des Atmens praktisch null sein, oder - wenn [258] sich unter diesen Umständen Resultate irgendwelcher Art einstellen - werden sie mit dem Denken durchaus nichts zu tun haben, sondern psychischer Natur sein. Dann können sie ständige psychische Schwierigkeiten verursachen, denn sie stammen aus astraler Quelle und die ausgesandte Energie strömt zu den Zentren unterhalb des Zwerchfelles; sie nährt dadurch die niedere Natur, bereichert und bestärkt deren astralen Inhalt und verschlimmert und vergrössert dadurch die Verblendung. Die Auswirkungen können auch physiologischer Art sein, weil durch eine Stimulierung des ätherischen Körpers die physische Natur gestärkt wird. Das führt häufig zu ernsten Folgen, denn der Atem wird Zentren zugeführt, die «im Begriff der Erhöhung» stehen sollten, wie man das esoterisch nennt; das bestärkt ihre physische Wirkungskraft, nährt die physischen Gelüste und erschwert in erhöhtem Mass das Bestreben des Aspiranten, seine niedere Natur zu verfeinern und das Leben seiner Zentren oberhalb des Zwerchfells oder im Kopf zu verankern.

Dann wachsen Verblendung und Maya; und während des Lebens, in dem diese Übungen falsch angewendet werden, bleibt der Aspirant in einem statischen und gewinnlosen Zustand. Während er einatmet, entnimmt er den Atem aus dem inneren seiner eigenen Aura, seines aurischen Grenzringes. Er nährt die niedere Natur und formt einen «circulus vituosus» innerhalb seiner selbst, der von Tag zu Tag stärker wird, bis er vollends von der Verblendung und Maya umgarnt ist, die er immer wieder neu erschafft. Die niederen Zentren werden ständig belebt und zu äusserster Tätigkeit angeregt. Der Spannungspunkt, von dem aus der Aspirant dann wirkt, befindet sich in der Persönlichkeit und ist nicht in bezug auf die Seele eingestellt; das Bewusstsein der Einzigartigkeit spezieller Atemübungen und die Erwartung rein psychischer Phänomene verhindert alles Denken, abgesehen von niederen Gedanken kama-manasischer Art; die Gefühle werden genährt und verstärkt und der Astralkörper wächst ins Ungeheure; häufig zeigen sich auch erhebliche physiologische und auffällige Folgeerscheinungen, wie z.B. [259] eine grosse Erweiterung des Brustkastens und eine Verstärkung der Muskeln des Zwerchfelles. Etwas Derartiges lässt sich bei Opernsängern beobachten. Singen, wie es jetzt gelehrt wird, bringt einige niedere Aspekte des Atems zum Ausdruck; das Atmen dieser Gesangskünstler führt zu starker Brustentwicklung, verstärkt die Schwankungen des Gefühlslebens, führt zur Unbeständigkeit der Lebensäusserung (die oft als Temperament bezeichnet wird) und sorgt dafür, dass der Gesang seinem Wesen nach rein astral bleibt.

Es gibt eine höhere und bessere Art des Gesanges, die sich im Spannungspunkt unterscheidet und zu der eine Atemtechnik gehört, welche die notwendige Energie aus Quellen einatmet, die höher und umfassender sind, als die gewöhnlich benutzten; dadurch wird die Inspiration erweckt, die den ganzen Menschen umfasst und nicht bloss seine gefühlsmässige Reaktion auf den Text seines Gesanges und auf seine Zuhörerschaft. Daraus wird sich eine neue Art und Weise des Singens und Atmens entwickeln, die auf einer Art mentaler Atmung beruht; diese schöpft die Energie und die darauffolgende Inspiration aus Quellen, die ausserhalb der Persönlichkeits-Aura liegen. Die Zeit dazu ist noch nicht gekommen. Meine Worte werden heute noch wenig Verständnis finden, aber im nächsten Jahrhundert wird es Sänger geben, die wissen werden, wie man durch eine neue Methode und Technik des Atmens die Sammelbecken der Inspiration anzapfen kann. Diese Techniken und Übungen werden in den zukünftigen esoterischen Schulen von Anfang an gelehrt werden.

Inspiration ist ein Vorgang, in dessen Verlauf die Empfänglichkeit der Persönlichkeit - auf dem Weg über die Zentren - derart qualifiziert, belebt und angeregt wird, bis sie jenen Spannungspunkt erreicht, auf dem eine Seelenkontrolle gegenwärtig und offenbar wird. Auf diese Weise kann die von der Seele kommende Energie das Leben der Persönlichkeit durchfluten und durch die Zentren hindurchströmen, wobei sie alle Hindernisse mit sich fortreisst; dadurch befreit sie den Aspiranten von seiner letzten Verblendung und Maya und schafft ein vollendetes Instrument, das die Musik der Seele und später die musikalische Qualität der Hierarchie hörbar machen kann. Man vergesse nicht, dass der Schall [260] alle Formen durchdringt; der Planet selbst hat seine eigene Note oder seinen eigenen Ton; auch jedes winzige Atom hat seinen Ton; jede Form kann in Musik umgesetzt werden und jedes Menschenwesen hat seinen besonderen Akkord; und alle Akkorde tragen zur grossen Symphonie bei, die von der Hierarchie und der Menschheit gespielt wird. Jede geistige Gruppe hat ihre eigene Melodie (wenn ich ein so unzulängliches Wort gebrauchen darf), und die Gruppen, die jetzt darangehen, mit der Hierarchie zusammen zu arbeiten, machen ohne Unterlass Musik. Diese rhythmische Tonfülle und diese unzähligen Akkorde und Noten vereinigen sich mit der Musik der Hierarchie selbst und bereichern damit ständig den harmonischen Zusammenklang; im Lauf der Jahrhunderte vereinigen sich allmählich alle diese Töne und lösen sich ineinander auf, bis eines Tages die planetarische Symphonie, die Sanat Kumara komponiert, vollendet ist; unsere Erde wird dann einen ansehnlichen Beitrag zu den grossen Akkorden des Sonnensystems liefern die ihrerseits ein wesentlicher und tatsächlicher Teil der Sphärenmusik sind. Dann werden (wie die Bibel sagt) die Gottessöhne, die planetarischen Logoi, zusammen singen. Das, lieber Bruder, wird der Enderfolg des richtigen Atmens, des beherrschten und geregelten Rhythmus, des wahren, reinen Denkens und des rechten Einvernehmens zwischen allen Teilen des Chors sein.

Man sollte dieses Thema als Meditationsübung durchdenken und daraus Inspiration gewinnen.

c. Die Technik der Indifferenz

In meinen anderen Büchern habe ich viele Auskünfte über den Ätherkörper und dessen Haupt- und Nebenzentren gegeben. Es besteht eine Tendenz unter den Schülern, die Zentren in Gedanken mit dem physischen Körper, aber nicht so klar mit dem ätherischen Körper zu identifizieren. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um die Lage der Zentren und das ist ein Irrtum. Aspiranten täten gut daran, jedwede Konzentration auf den physischen Körper zu [261] unterlassen; sie sollten lieber lernen, den Brennpunkt ihrer Aufmerksamkeit allmählich in den ätherischen Körper zu verlegen. Der physische Körper ist notwendigerweise aktiv und wirkungsvoll, er sollte aber in steigendem Mass als Automat angesehen werden, der beeinflusst und gelenkt wird durch:

1. Den vitalen Körper und die Kräfte der Maya; oder aber durch Inspiration, die aus geistigen Spannungspunkten herrührt.

2. Den Astralträger und die Kräfte der Verblendung; oder aber durch empfindende, bewusste Liebe, die von der Seele ausgeht.

3. Das Denkvermögen und die Kräfte der Illusion; oder aber durch Erleuchtung, aus Quellen, die höher sind als das Leben in den drei Welten.

4. Die Seele, als Träger monadischer Beeindruckung, bis die Antahkarana hergestellt ist - jene Brücke aus Gedankenstoff, die dereinst die Monade und die Persönlichkeit verbinden wird.

Eines der von Jüngern zu lösenden Probleme ist folgendes: Wo oder was ist der Ursprung des Ansporns, der Impulse, Eindrücke oder der Inspiration, die - vermittels des ätherischen Körpers - den physischen Träger zur Betätigung auf der physischen Ebene antreiben und damit die Qualität, die Zielsetzung und den Spannungspunkt des sich inkarnierenden Menschen ersichtlich machen und das Wesen des Menschen auf der jeweiligen Stufe der Evolutionsleiter offenbaren? Die Tätigkeit der Zentren richtet sich ganz nach den erwähnten Spannungen und Impulsen. Daraus lässt sich ersehen, wie viele meiner Lehren das übliche, okkulte Verfahren geradezu umkehren. Ich lehre nicht, wie man die Zentren erweckt, weil rechte Impulse, stetige Empfänglichkeit für die höheren Regungen und praktisches Erkennen der Inspirationsquellen die Zentren automatisch und gefahrlos zur notwendigen und angemessenen Aktivität anregen werden. Das ist die gesunde Entwicklungsmethode. Sie ist zwar langsamer, führt aber zu keiner verfrühten Entwicklung, sondern zu einer ausgeglichenen Entfaltung; sie ermöglicht es dem Aspiranten, wirklich zum Beobachter zu werden und [262] mit Sicherheit zu wissen, was er tut; sie bringt ein Zentrum nach dem anderen auf die Stufe geistiger Empfänglichkeit und begründet dann den geordneten, zyklischen Rhythmus einer beherrschten, niederen Natur. Dass Atemübungen später einmal ihren Platz in der Ausbildung des Jüngers haben werden, ist wahr und durchaus möglich, aber das wird sich von selbst ergeben als Folge einer rhythmischen Lebensweise und der ständigen richtigen Anwendung des Heiligen Wortes OM. Wenn beispielsweise ein Jünger in der Meditation sieben Mal das OM anstimmt, so entspricht das einer Atemübung; wenn er die damit erzeugte Energie auf den Schwingen bewusst geplanten Denkens dem einen oder anderen Zentrum zuleiten kann, bewirkt er innerhalb des Kräfte-Mechanismus Veränderungen und Umstellungen; und wenn er das mit Leichtigkeit tun und sein Denken auf einem «gedankenvollen Spannungspunkt» halten kann, dann wird es nicht mehr lange dauern, bis der Jünger den gesamten Brennpunkt seiner Aufmerksamkeit aus der Welt der Illusion, Verblendung und Maya hinwegwenden und in den Bereich der Seele, in die Welt des «klaren, kalten Lichtes» und in das Reich Gottes hineinverlegen kann.

Wenn er ausserdem die Technik der Indifferenz versteht und anwendet, dann steht er frei und ohne Fesseln da; er ist jederzeit hauptsächlich der Beobachter und Benutzer des Manifestationsapparates.

Worin besteht diese Technik? Was ist Indifferenz? Ich frage mich, lieber Bruder, ob du die Bedeutung des Wortes «Indifferenz» verstehst? Es bedeutet in Wirklichkeit die Erreichung einer neutralen Haltung gegenüber all dem, was als das Nicht-Selbst angesehen wird; dazu gehört auch eine Ablehnung jeder Ähnlichkeit; es bedeutet die Weigerung, mit irgendetwas anderem eins zu sein als mit der geistigen Wirklichkeit, insoweit sie auf einer bestimmten Stufe in Zeit und Raum erspürt und erkannt wird. Es handelt sich also um etwas viel Stärkeres und Lebendigeres als das, was man gewöhnlich unter Indifferenz versteht. Es ist eine aktive Nichtanerkennung, jedoch ohne jede Konzentration auf das, was nicht anerkannt [263] wird. Diese Feststellung ist wichtig und verdient sorgfältige Beachtung. Sie bezieht sich auf den Spannungspunkt, von dem aus der beobachtende Jünger oder Aspirant wirkt. Der Spannungspunkt wird zur Ausgangsquelle einer bestimmten Art von Energie und diese strömt herab in und durch den ätherischen Körper, ohne in irgendeiner Weise von Maya oder von der Konzentration verschiedener Kräfte beeinflusst zu werden, aus denen der ätherische Körper jeweils besteht. Indifferenz, im technischen Sinn, bedeutet direkten Abstieg von dort nach hierhin, ohne Ablenkung oder Verzerrung. Die sich manifestierende Wesenheit, der Jünger, steht unbeweglich und fest auf diesem Spannungspunkt; er muss daher zuerst einmal herausfinden, wo dieser Punkt sich befindet, auf welcher Ebene er liegt und wie stark die Spannung ist, auf die er sich verlassen muss. Danach muss er feststellen, ob das, was er dem physischen Körper übermitteln möchte, um so auf die äussere Welt der Experimente und Erfahrungen einzuwirken, etwa durch Illusion irgendwelcher Art verzerrt, durch Verblendung in seinem Ausdruck gehemmt oder so beschaffen ist, dass es von unkontrollierten Kräften und der von ihnen hervorgerufenen Maya auf Abwege gelenkt werden könnte. Das stellt er nicht etwa dadurch fest, dass er sich auf der jeweiligen Stufe des Abstiegs mit den Hemmungen und etwaigen Hindernissen identifiziert; er ermittelt es vielmehr durch Erhöhung seines Spannungspunktes, durch stete Erinnerung an die Wahrheit, dass er das Selbst und nicht das Nichtselbst ist und durch einen Aussendungsprozess. Diese Aussendung lässt sich als eine Ausstrahlung von qualifizierter und erkannter Energie definieren, die vom Spannungspunkt aus direkt und ohne Umwege in den Vitalkörper gelenkt wird, von wo aus sie dann ihren Weg zu den sieben Kontrollzentren finden kann.

Dies ist der Punkt, auf dem er die Technik der Indifferenz anwendet, weil andernfalls das, was er auszudrücken sucht, von ätherischer Kraft oder von den Schleiern der Maya aufgehalten und zum Stillstand gezwungen werden könnte. Er wirkt demnach von einem Punkt intensiver Konzentration aus; während der Ausstrahlung von Energie in und durch die drei Welten weist er jegliche [264] «Bindung» an irgendeine Form der Ebene zurück. Wenn er merkt, dass der Energiestrom durch aktive Illusion oder Verblendung aufgehalten oder auf Abwege gelenkt wird, dann «löst er sich» bewusst von derartigen Kontakten «los» und stärkt sich für die letzte Stufe der Indifferenz oder Nichtanerkennung aller Kräfte mit Ausnahme derjenigen, die er bewusst und mit Vorbedacht auf der physischen Ebene zu benutzen sucht.

Im letzten Grund, wird beim Durchschnittsjünger der Spannungspunkt auf mentalen Ebenen zu finden sein und das erleuchtete Denkvermögen und einen zunehmenden Kontakt mit der Seele umfassen:

a. Er wird dann fähig sein, klar im Licht der Seele zu «sehen», mit einem entwickelten Sinn für wirkliche Werte; er kann infolgedessen Illusion verscheuchen.

b. Er wird fähig sein, bewusst Licht zur Astralebene auszusenden, so dass er Verblendung verscheuchen kann.

c. Er wird fähig sein, Lichtenergie durch den ätherischen Körper zu senden und das Licht oder die Energie in den geeigneten Zentren zu verankern, denn dort besteht völlige Indifferenz oder Nichtidentifizierung mit Maya.

Was den Eingeweihten anbetrifft, so erfolgt der Vorgang zunächst von einem Spannungspunkt innerhalb der Seele und später von einem Spannungspunkt in der Geistigen Triade aus. In allen Fällen jedoch führt die lenkende Energie, sobald sie sich im Grenzring der drei Welten befindet, zu den bereits genannten Wirkungen, nämlich zur:

1. Verscheuchung der Illusion.

2. Zerstreuung der Verblendung.

3. Überwindung der Maya.

Beim Durchlesen dieser ziemlich einfachen Erläuterungen eines schwierigen Vorganges mag der Aspirant wähnen, dass das verhältnismässig einfach klingt und leicht zu bewerkstelligen ist, aber [265] das ist schon an sich eine Täuschung. Uralte Identifizierung mit der Formseite des Lebens ist nicht leicht zu überwinden und die dem Jünger bevorstehende Aufgabe ist eine langwierige und beschwerliche; aber sie verspricht immerhin am Ende Erfolg, vorausgesetzt, dass er klar denkt, eifrig und zielstrebig bleibt und methodisch-wissenschaftlich vorgeht.