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Erlösung von unseren Gedankenformen

Erlösung von unseren Gedankenformen.

Ich spreche jetzt für Aspiranten, die durch Konzentration und Meditation Macht im Denken gewinnen. Ich spreche für die Denker der Welt, die durch ihre zielstrebige Arbeit und Hingabe an Geschäft, Wissenschaft, Religion oder die verschiedenen Arten menschlicher Tätigkeit ihr Denken (nicht die Empfindungen, sondern ihre Denkweise) auf irgendeinen Bereich ständiger Tätigkeit eingestellt haben, die notwendigerweise ein Teil der göttlichen Tätigkeit im umfassenden Sinn ist.

Gerade hier, beim Gebrauch der Gedanken, kann man den Unterschied zwischen schwarzer und weisser Magie erkennen. Selbstsucht, Unbarmherzigkeit, Hass und Grausamkeit kennzeichnen den mit Mentalsubstanz Wirkenden, dessen Motive viele Leben lang um seine eigene Verherrlichung kreisen, auf den Erwerb von persönlichem Besitz konzentriert und völlig darauf gerichtet sind, sein eigenes Vergnügen und seine Befriedigung zu erlangen, ganz gleich, was es andere kosten mag. Solche Menschen gibt es glücklicherweise nur wenige, aber der Weg zu einer derartigen Anschauung ist leicht zu finden, und viele müssen sich vorsehen, damit sie nicht gedankenlos den Weg gehen, der in den Materialismus führt.

Ein allmählich und stetig zunehmendes Gruppenbewusstsein und Verantwortungsgefühl, ein Untertauchen der Wünsche des [482] persönlichen Selbstes und die Bezeigung einer liebevollen Geisteshaltung kennzeichnen jene, die der Lebensseite des göttlichen Ganzen zugewandt sind. Man könnte sagen, dass sich die Menschen in drei Hauptgruppen gliedern:

1. Die grosse Mehrheit, die weder gut noch böse, sondern einfach gedankenlos ist, die in der evolutionären Strömung mitschwimmt und dabei ist, ein wahres Selbstbewusstsein und die notwendige Ausrüstung zu entwickeln.

2. Eine kleine, sehr kleine Anzahl, die eindeutig und bewusst auf der Seite des Materialismus oder (wenn ihr es lieber so ausdrücken wollt) auf der Seite des Bösen wirkt. Auf der physischen Ebene sind sie zwar mächtig, aber ihre Macht vergeht und dauert nicht ewig. Das Gesetz des Universums, das ja das Gesetz der Liebe ist, wirkt ewiglich gegen sie, und aus dem scheinbar Bösen wird Gutes entstehen.

3. Eine stattliche Anzahl von Menschen, welche die Pioniere im Reich der Seele, die Vertreter der Ideen des Neuen Zeitalters und die Bewahrer jenes Aspektes der Ewigen Weisheit sind, welcher der Menschheit als nächster geoffenbart werden wird. Diese Gruppe besteht aus den selbstlosen, einsichtsvollen Männern und Frauen auf jedem Gebiet menschlichen Bemühens, aus den Aspiranten und Jüngern, aus den Eingeweihten, welche den Grundton für die verschiedenen Gruppen und Kategorien erklingen lassen, und aus der okkulten Hierarchie selbst. Der Einfluss dieser Gruppe von Mystikern und Wissenden ist ausserordentlich gross, und die Gelegenheit, mit ihnen zusammenzuarbeiten, ist in der jetzigen Zeit günstiger als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte.

Die erste Gruppe denkt nicht; die beiden anderen beginnen zu denken und die Gesetze des Denkens anzuwenden. Mit dieser Verwendung des Denkens seitens des Aspiranten möchte ich mich beschäftigen. In der «Abhandlung über kosmisches Feuer» kann man viel über das Denken finden; ich habe jedoch die Absicht, einige praktische Ideen und Hinweise zu geben, die [483] dem Durchschnittsaspiranten helfen können, so zu arbeiten, wie er sollte.

Wir wollen vor allem bedenken, dass kein Aspirant frei von Fehlern ist, gleichgültig, wie ernsthaft bemüht und ergeben er sein mag. Wäre er davon frei, dann wäre er ein Adept. Alle Aspiranten sind noch egoistisch, sie neigen noch zu Launen und Reizbarkeit, sie sind noch Depressionen und zeitweise selbst Hassgefühlen unterworfen. Oft mögen diese Temperaments- und Hassausbrüche durch das verursacht sein, was wir gerechte Gründe nennen. Ungerechtigkeit von seiten anderer, Grausamkeiten gegen menschliche Wesen und Tiere, und die Hassgefühle und Bösartigkeit der Mitmenschen erwecken in ihnen entsprechende Reaktionen und bringen ihnen viel Leid und Verzögerung. Etwas muss dabei stets bedacht werden. Wenn ein Aspirant bei einem Gefährten Hass hervorruft, wenn er ihn reizt, wenn er Abneigung und Feindseligkeit begegnet, dann geschieht das, weil er selbst noch nicht ganz ohne verletzende Neigungen ist; dann gibt es in ihm noch Keime der Unruhe, denn es ist ein Naturgesetz, dass wir das ernten, was wir säen; wir rufen Reaktionen hervor, die mit unseren physischen, emotionalen oder mentalen Tätigkeiten übereinstimmen.

Es gibt bestimmte Menschentypen, die nicht unter diese Kategorie fallen. Wenn ein Mensch eine hohe Einweihungsstufe erreicht hat, liegt der Fall anders. Die Keimideen, die er weitergeben möchte, das Werk, zu dessen Ausführung er ermächtigt ist, die wegbereitenden Unternehmungen, die zu fördern er bemüht ist, all dies kann - und das geschieht auch oft - bei jenen, welche die Schönheit seiner Sache und die Richtigkeit der verkündeten Wahrheit nicht spüren, Hass und Wut erwecken, die ihm viel Kummer verursacht und für die er persönlich nicht verantwortlich ist. Diese Feindseligkeit kommt von den Reaktionären und Frömmlern der Menschheit, und man sollte bedenken, dass sie weitgehend unpersönlich ist, auch wenn sie sich auf ihn als den Repräsentanten einer Idee konzentriert. Aber mit diesen hohen Seelen beschäftige ich mich nicht, sondern mit denen, welche die Ewige Weisheit studieren, welche nicht nur erkennen, dass sie selten denken, sondern auch, dass sie, wenn sie [484] es tun, häufig falsch denken, denn sie werden durch Reaktionen, die in ihrer niederen Natur wurzeln, zu einer Denktätigkeit gezwungen, die auf Egoismus und mangelnder Liebe beruht. Es gibt drei Lektionen, die jeder Aspirant lernen muss:

Erstens: Jede Gedankenform, die er aufbaut, entsteht unter dem Impuls irgendeines Gefühls oder Verlangens; in selteneren Fällen kann sie auch im Licht der Erleuchtung erbaut sein und somit irgendeine intuitive Idee verkörpern. Aber bei den meisten ist der bewegende Impuls, der den Denkstoff zur Tätigkeit antreibt, emotionaler Natur oder ein starkes gutes oder böses, selbstloses oder egoistisches Verlangen.

Zweitens: Es sollte bedacht werden, dass die so aufgebaute Gedankenform entweder in seiner eigenen Aura verbleibt oder den Weg zu einem geahnten Ziel findet. Im ersten Fall bildet sie den Teil einer dichten Mauer von solchen Gedankenformen, die den Menschen völlig umringen oder seine Mentalaura darstellen; diese Mauer nimmt an Stärke zu, wenn er ihr Aufmerksamkeit schenkt, bis sie so gross ist, dass sie ihn von der Wirklichkeit abschliesst oder so dynamisch und machtvoll wird, dass er dem zum Opfer fällt, was er selbst erschaffen hat. Die Gedankenform ist dann mächtiger als ihr Schöpfer, so dass er von seinen eigenen Ideen besessen und von seiner eigenen Schöpfung getrieben wird. Im zweiten Fall wird seine Gedankenform den Weg in die Mentalaura eines anderen Menschen oder in irgendeine Gruppe finden. Hier habt ihr die Keime des bösen magischen Wirkens und den Zwang, den ein starkes Denken auf ein schwächeres ausübt. Wenn die Gedankenform den Weg zu einer Gruppe findet, werden gleichartige impulsive Formen (die in der Gruppenaura vorhanden sind) sich mit ihr vereinigen, da sie den gleichen Schwingungsgrad oder das gleiche Schwingungsmass haben. Dann wird in der Gruppenaura dasselbe stattfinden, was in dem individuellen Bannkreis geschehen ist: die Gruppe wird eine hindernde Mauer von Gedankenformen um sich haben oder sie wird von einer Idee besessen sein. Hier haben wir den Schlüssel zu allem Sektierertum, zu allem Fanatismus und zu einigen Formen von Wahnsinn, sowohl in der Gruppe wie im Einzelmenschen.

Drittens: Der Schöpfer der Gedankenform (in diesem Fall ein [485] Aspirant) bleibt verantwortlich. Die Form bleibt mit ihm durch seine lebendige Absicht verbunden, und darum muss er das Karma der Folgen und die endgültige Zerstörung dessen, was er gebaut hat, auf sich nehmen. Dies gilt für jede verkörperte Idee, sowohl für die gute wie für die böse. Immer ist der Schöpfer verantwortlich für seine Schöpfung. Der Meister Jesus muss sich zum Beispiel noch immer mit den Gedankenformen befassen, die wir die christliche Kirche nennen und er hat viel damit zu tun. Christus und Buddha haben noch einige Vollendungsarbeit durchzuführen, wenn auch nicht so sehr an den Formen, welche die von ihnen verkündeten Prinzipien verkörpern, als mit den Seelen, die sich durch die Anwendung dieser Prinzipien entwickelt haben.

Bei dem Aspiranten jedoch, der noch denken lernt, liegt das Problem anders. Er ist noch geneigt, den Denkstoff zur Verkörperung seiner irrtümlichen Auffassung wahrer Ideen zu benutzen; er neigt noch dazu, seine Vorliebe oder sein Missfallen durch die Macht der Gedanken auszudrücken; er benutzt noch gern den Denkstoff, um sich seine persönlichen Wünsche zu erfüllen. Dies wird jeder ernsthafte Aspiranten bezeugen.

Bei vielen unter euch spürt man, dass sie sich die Bewachung der Gedanken und den Schutz fertig formulierter Ideen angelegen sein lassen. Einige Gedanken sind in Mentalstoff gekleidete Ideen, die sich auch weiter auf der Ebene des Gedankenstoffes aufhalten. Das sind z.B. die abstrakten Vorstellungen und die kaum bewusst gewordenen Tatsachen des inneren, okkulten oder mystischen Lebens, die durch den Sinn des Denkers gehen. Sie zu bewachen, ist nicht so schwer, denn ihre Schwingungen sind so hoch und leicht, dass nur wenige Menschen imstande sind, sie in angemessener Weise in Mentalstoff zu kleiden, und diese wenigen sind so selten, dass das Risiko nicht sehr gross ist, wenn eine solche Aussage in unvernünftiger Weise verbreitet wird.

Dann gibt es die Mitteilungen, die in den okkulten Lehren enthalten sind. Der Kreis derer, die sie begreifen, wird jetzt etwas [486] weiter; diese Gedankenformen nehmen häufig Astralstoff auf und zwar infolge des Verlangens im Herzen des Schülers, die Mitteilungen nachzuprüfen, zu bestätigen und sie der Gruppe weiterzugeben, für die das Wissen ebenso wichtig ist wie für ihn. Manchmal ist das möglich und manchmal nicht. Wenn es verhindert wird, worin besteht dann die Schutzmethode? Weitgehend darin, dass man es dem Stoff der Astralebene nicht gestattet, sich an die mentale Gedankenform anzuhängen. Kämpft die Sache auf der Begierdenebene aus und hindert diese Stoffart daran, Gestalt anzunehmen. Wo der Wunsch zum Sprechen nicht besteht, und wenn man danach strebt, die Ansammlung von Material um den Kern herum zu verhindern, da wird eine andere Gedankenform gebildet, die hindernd dazwischen tritt und schützt.

Es tritt noch eine andere Art von Gedankenform auf, die stark verbreitet ist und die meist Verwirrung mit sich bringt. Das sind mitgeteilte Tatsachen, Einzelheiten, Neuigkeiten (wenn ihr es so nennen wollt), der Nährboden dafür, was zum Geschwätz oder Klatsch ausarten kann, also all das, was entweder mit eurer Verwaltungs- oder sonstigen Arbeit zu tun hat oder aber andere Leute angeht. Wie könnt ihr euer Denkvermögen daran hindern, jemand anderem solche Tatsachen weiterzugeben? Es sind dies Tatsachen, die ihren Ursprung in Vorkommnissen der physischen Ebene haben, und hierin liegt die Schwierigkeit. Die inneren Tatsachen des okkulten Lebens und diejenigen, die der Mentalebene entspringen, sind nicht so schwer zu verbergen. Sie laufen euch nicht über den Weg, ehe ihr nicht eure Schwingungen hoch genug für sie hinaufgestimmt habt, und wenn das der Fall ist, dann hat in der Regel gleichzeitig auch der Charakter ausreichende Festigkeit und Weisheit gewonnen. Aber bei den Tatsachen der physischen Ebene ist das nicht der Fall. Was muss da getan werden? Die anderen Gedanken steigen von oben herab; diese letzteren arbeiten sich von der physischen Ebene her aufwärts und ihre Lebenskraft wird durch das Wissen vieler, oft vieler unkluger Menschen verstärkt. Die eine Art geht in nebelhaftem Zustand von der Mentalebene aus, und nur der höhere Denkertyp kann sie formulieren und sie mit Stoff in geometrischer Genauigkeit einkleiden, und ein solches Denken hat gewöhnlich die Weisheit, die verhindert, dass der Gedanke in Astralstoff gehüllt wird. Mit der Tatsache der physischen Ebene ist es anders. Sie ist eine lebendige Wesenheit, die in Material [487] der Astral- und Mentalebene gekleidet ist, wenn ihr zuerst auf sie stosst und mit ihr in Berührung kommt. Werdet ihr sie beleben, oder werdet ihr sie aufhalten? Haltet sie an durch eine Flut oder Welle der Liebe zu den daran Beteiligten, hüllt die Gedankenform darin ein und sendet sie zu ihrem Erzeuger zurück; sie wird dann auf den Schwingen einer Woge von Astralstoff getragen, die stark genug ist, um überall hindurch zu kommen, wobei sie vielleicht die Gedankenform auflöst, sie aber ganz sicher ohne Schädigung zu ihrem Aussender zurückbringt. Vielleicht ist es eine böse Mitteilung, eine Lüge oder auch ein Geschwätz. Entzieht ihr die Lebenskraft durch Liebe, brecht sie in Stücke durch die Macht einer dagegen wirkenden Gedankenform des Friedens und der Harmonie!

Oder es handelt sich - auch das kann zutreffen - um ein trauriges oder böses Vorkommnis oder um ein Vergehen eines irrenden Bruders. Was ist dann zu tun? Wahrheit kann nicht entkräftet oder aufgelöst werden. Hier wird euch das Gesetz der Absorption helfen. Nehmt die Gedankenform, der ihr begegnet, in euer Herz auf und wandelt sie dort durch die Alchemie der Liebe um. Lasst mich das praktisch erläutern, denn die Angelegenheit ist wichtig.

Irgend ein Bruder kommt zu euch, und erzählt euch eine Tatsache über einen anderen Bruder - eine Tatsache, die etwas enthält, was die Welt eine Missetat seitens dieses Bruders nennen würde. Ihr, die ihr so viel mehr wisst als der Durchschnittsmensch der Strasse, werdet erkennen, dass diese sogenannte Missetat vielleicht nur eine karmische Auswirkung sein mag oder ihre Grundlage in einem guten Motiv haben könnte, das falsch ausgelegt wurde. Ihr fügt dem Gerede nichts hinzu; ihr gebt die Mitteilung nicht weiter, und soweit ihr in Frage kommt, ist die Gedankenform, die um die Tatsache herum gebildet wurde, in eine sogenannte Sackgasse geraten.

Was tut ihr dann? Ihr bildet einen entgegengesetzten Gedankenstrom, den ihr (auf einer Welle der Liebe) eurem anscheinend irrenden Bruder sendet: Gedanken liebevollen Beistands, des Mutes und geistigen Strebens und einer weisen Nutzanwendung der Lektionen, die er aus der von ihm vollbrachten Tat lernen soll. Wendet keine Kraft an, denn starke Denker dürfen das Denken anderer Menschen nicht ungebührlich beeinflussen, sondern sendet einen sanften [488] Strom weiser, umwandelnder Liebe. Wir haben hier drei Methoden, von denen keine streng okkult ist, denn diese sollen später mitgeteilt werden; es sind jedoch Methoden, die für viele anwendbar sind.

1. Die Gedankenform wird auf den mentalen Ebenen gehalten, das heisst, man lässt den Stoff der Astralebene nicht herandringen.

2. Die Gedankenform wird zerbrochen und aufgelöst durch einen gut gelenkten Strom von Liebeskraft.

3. Die Gedankenform wird absorbiert, und ein Gegengedanke von liebevoller Weisheit wird formuliert.

Hemmung - Auflösung - Absorption.

Es gibt drei Hauptstrafen, welche die falsche Anwendung von Gedankensubstanz nach sich zieht, und vor diesen muss sich der Aspirant bewahren lernen, indem er solche Handlungen vermeidet; schliesslich wird dies den Rettungsprozess unnötig machen.

1. Eine starke Gedankenform kann wie ein Bumerang wirken. Sie kann - mit vermehrter Geschwindigkeit - zu demjenigen zurückkehren, der sie ausgesandt hat. Ein starker, in Mentalstoff gehüllter Hass kann zu seinem Schöpfer - mit der Energie der gehassten Person beladen - zurückkehren und kann daher im Leben des Aspiranten Verwüstungen anrichten. Hasset nicht, denn Hass kehrt immer dorthin zurück, woher er kam. Es liegt eine tiefe Wahrheit in dem alten Spruch: «Flüche kommen wie Küken nach Hause zum Schlafplatz».

Ein starkes Verlangen nach materieller Bereicherung wird schliesslich zurückkehren und unvermeidlich das bringen, was gewünscht wurde; nur wird der Aspirant in der Mehrzahl der Fälle merken, dass er sich nicht länger nach Besitz sehnt, sondern ihn als einen Alpdruck betrachtet, oder dass er inzwischen schon mehr besitzt als er braucht, dass er übersättigt ist und nicht weiss, was er mit all dem tun soll, was er bekommen hat.

Eine mächtige Gedankenform, die ein Streben nach geistiger Erleuchtung oder nach Anerkennung seitens des Meisters verkörpert, kann solch eine Flut von Licht bringen, dass sie den Aspiranten blendet und ihn folglich zum Besitzer eines Reichtums geistiger Energie macht, für den er nicht vorbereitet ist und den er nicht [489] gebrauchen kann. Oder sie kann dem Aspiranten eine Gedankenform von einem der Grossen heranbringen und ihn so tiefer in die Welt der Illusion und der Astralität stürzen. Deshalb ist Demut so notwendig, und ein starkes Verlangen zu dienen und folglich sich selbst zu vergessen, wenn man wahrhaft und richtig bauen will So lautet das Gesetz.

2. Eine Gedankenform kann auch wie ein giftiges Mittel wirken und alle Quellen des Lebens verseuchen. Sie mag vielleicht nicht stark genug sein, um aus ihres Schöpfers Aura hinauszugelangen (nur sehr wenige Gedankenformen können das) und ihr Ziel in der Aura eines anderen zu finden, um dort Kraft zu sammeln und wieder dorthin zurückzukehren, woher sie kam; aber sie mag eine selbständige Lebenskraft besitzen, die das Leben des Aspiranten verwüsten kann. Eine heftige Abneigung, ein nagender Verdruss, Eifersucht, eine ständige Unruhe und Sehnsucht nach etwas oder jemanden all dies kann so mächtig wirken wie ein Reizmittel oder ein Gift, so dass das ganze Leben verdorben und der Dienst wertlos gemacht wird. Das ganze Leben ist verbittert und geschwächt durch die Auswirkung von Ärger, Hass oder Begierde. Ebenso werden alle Beziehungen zu anderen Menschen wertlos oder gar ausgesprochen schädlich, denn der gequälte oder argwöhnische Aspirant verdirbt die Harmonie des Familienkreises oder der Freundesgruppe durch seine innere, vergiftete Einstellung, die von einer Idee beherrscht ist. Seine Beziehung zu seiner eigenen Seele und die Stärke des Kontakts mit der Welt geistiger Ideen nimmt nicht mehr zu, denn er kann keine Fortschritte machen, da er durch das Gift in seinem Gedankensystem zurückgehalten wird. Seine geistige Schau wird verzerrt, sein Wesen zerfressen, und alle seine Beziehungen werden durch die zermürbenden, nörgelnden Gedanken behindert, die er selbst in eine Form gekleidet hat, und die ein derart mächtiges Leben haben, dass sie ihn vergiften können. Er kann sich von ihnen nicht losmachen, wie sehr er es auch versuchen und wie klar er auch (theoretisch) die Ursache seines Kummers sehen mag. Diese Schwierigkeit ist eine der gewöhnlichsten, denn sie hat ihren Sitz in dem selbstsüchtigen, persönlichen Leben und ist häufig so schwer zu fassen, dass sie direkten Massnahmen zu trotzen scheint.

3. Die dritte Gefahr, vor der sich der Aspirant hüten muss, [490] besteht darin, dass er von seinen eigenen, verkörperten Ideen besessen wird, mögen sie nun zeitweilig richtig oder grundsätzlich falsch sein. Vergesst nicht, dass alle richtigen Ideen vorübergehender Natur sind und sich schliesslich als teilweise richtig einordnen und der grösseren Wahrheit weichen müssen. Die Tatsache des heutigen Tages wird später als Teil einer grösseren Tatsache geschaut. Ein Mensch kann einige der geringeren Prinzipien der Ewigen Weisheit so klar erfasst haben und von ihrer Richtigkeit so überzeugt sein, dass er darüber das grössere Ganze vergisst und eine Gedankenform über die Teilwahrheit bildet, die er gesehen hat; sie kann sich als Beeinträchtigung erweisen, ihn zu einem Gefangenen machen und vom Fortschritt zurückhalten. Er ist sich seines Wahrheitsbesitzes so sicher, dass er die Wahrheit eines anderen nicht erkennen kann. Er ist so überzeugt von der Realität seiner eigenen, zur Gestalt gewordenen Vorstellung dessen, was die Wahrheit sein mag, dass er die Begrenzungen seines eigenen Gehirns vergisst und nicht mehr daran denkt, dass die Wahrheit über seine eigene Seele zu ihm gekommen und infolgedessen von seinem Strahl gefärbt ist, also durch ein persönliches, absonderndes Denkvermögen in eine Form gebracht wurde. Er lebt ausschliesslich für diese kleine Wahrheit; er sieht keine andere; er zwingt seine Gedankenform anderen Menschen auf; er wird zum besessenen Fanatiker und damit mental aus dem Gleichgewicht gebracht, selbst wenn die Welt ihn als gesund ansieht.

Wie soll ein Mensch sich vor diesen Gefahren schützen? Wie soll er in der rechten Weise bauen? Wie soll er sich jenes Gleichgewicht erhalten, das ihn befähigt, wahrheitsgetreu zu sehen, richtig zu urteilen, und so seinen mentalen Kontakt mit der eigenen Seele und mit den Seelen seiner Mitmenschen zu bewahren?

Zuerst und vor allem anderen durch die ständige Übung der «Harmlosigkeit» (der Geisteshaltung, niemandem Leid oder Unrecht zuzufügen). Dazu gehört Harmlosigkeit in der Rede sowie in Gedanken, und folglich auch im Handeln. Es ist eine positive Harmlosigkeit, die ständige Tätigkeit und Wachsamkeit bedingt; es ist keine negative, veränderliche Toleranz.

Zweitens durch ein tägliches Wachestehen an den Toren des Denkens und eine ständige Aufsicht über das Gedankenleben. Bestimmte Gedankengänge werden nicht zugelassen; gewisse alte Denkgewohnheiten werden durch die Einsetzung aufbauenden, schöpferischen Denkens aufgehoben; bestimmte vorgefasste [491] Ideen (beachtet den esoterischen Wert dieser Ausdrucksweise) werden in den Hintergrund verwiesen, so dass die neuen Horizonte erschaut werden und die neuen Ideen Fuss fassen können. Dies erfordert eine tägliche, ja stündliche Wachsamkeit, aber nur so lange, bis die alten Gewohnheiten überwunden sind und der neue Rhythmus hergestellt ist. Dann wird der Aspirant entdecken, dass das Denken so auf die neuen, geistigen Ideen konzentriert ist, dass die alten Gedankenformen seine Aufmerksamkeit gar nicht mehr fesseln können; sie werden an Entkräftung zugrunde gehen In diesem Gedanken liegt Ermutigung. Die Arbeit der drei ersten Jahre ist am schwersten. Darnach wird das Denkvermögen von Ideen und nicht mehr von Gedankenformen in Anspruch genommen.

Drittens durch die Weigerung, in der eigenen Gedankenwelt zu leben, und durch den Entschluss, in die Welt der Ideen und in den Strom menschlicher Gedankenwellen einzudringen. Die Ideenwelt ist die Welt der Seele und des höheren Denkens. Der Strom menschlicher Gedanken und Meinungen ist der des öffentlichen Bewusstseins und des niederen Denkens. Der Aspirant muss sich in beiden Welten frei betätigen. Beachtet das sorgfältig! Es handelt sich nicht darum, dass er ungehemmt wirken muss, was mehr die Vorstellung der leichten Möglichkeit enthält, sondern dass er als unabhängige Wirkkraft in beiden Welten tätig sein muss. Durch beständige, tägliche Meditation vollbringt er das erstere. Durch weitgespanntes Studium und mitfühlendes Interesse und Verständnis erreicht er das zweite.

Viertens muss er lernen, sich von seinen eigenen Gedankenschöpfungen loszulösen und sie freizugeben, damit der Zweck erfüllt werde, zu dem er sie einsichtsvoll ausgesandt hat. Dieser vierte Prozess gliedert sich in zwei Teile:

1. Durch Anwendung eines mystischen Spruches löst er die Verbindung, die eine verkörperte Idee in seiner Gedankenaura festhält.

2. Durch Loslösung seines Denkens von der Idee - sobald er sie zur Erfüllung ihrer Mission ausgesandt hat - lernt er die Lektion der Bhagavad Gita und «wirkt ohne Verhaftetsein».

Diese zwei Punkte werden sich in verschiedener Abwandlung zeigen, je nach Wachstum und Stufe des Aspiranten. Jeder einzelne muss für sich selbst einen eigenen «abtrennenden Spruch» formulieren, und [492] jeder muss für sich allein und ohne Hilfe lernen, von den drei Welten, in denen er tätig ist, hinwegzuschauen, mit dem Bemühen, seine Vorstellung von der zu leistenden Arbeit durchzusetzen. Er muss sich selbst lehren, seine Aufmerksamkeit von der Gedankenform, die er gebildet hat und worin diese Idee verkörpert ist, zurückzuziehen, indem er erkennt, dass, wenn er als Seele lebt, und wenn ihn geistige Energie durchströmt, seine Gedankenform die geistige Idee auch zum Ausdruck bringen und ihre Aufgabe erfüllen wird. Sie wird zusammengehalten durch das Leben der Seele und nicht durch das Verlangen der Persönlichkeit. Die greifbaren Ergebnisse hängen stets von der Stärke des geistigen Impulses ab, der die Idee beseelt, die in seiner Gedankenform verkörpert ist. Seine Aufgabe liegt in der Ideenwelt und nicht darin, physische Wirkungen zu erzielen. Die physischen Aspekte werden automatisch auf den geistigen Impuls reagieren.