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Einige grundlegende Voraussetzungen.

Wir beginnen nun mit einem Studienkurs, dessen ganzes Ziel es [53] sein wird, den Schüler auf sich selbst und damit auf das grössere Selbst zu stellen, das sich in den meisten Fällen nur in seltenen und stark gefühlsbetonten Augenblicken bemerkbar gemacht hat. Wenn man das Selbst erkannt und nicht bloss gespürt hat, und wenn die Erkenntnis sowohl im Gedanken wie auch Gefühlsbereich vor sich geht, dann kann der Aspirant wahrhaft für die Einweihung vorbereitet werden.

Ich möchte darauf hinweisen, dass ich mit meinen Worten auf bestimmten grundlegenden Voraussetzungen aufbaue, die ich um der Klarheit willen kurz anführen möchte.

Erstens: Der Studierende muss in seinem Streben aufrichtig und entschlossen sein, vorwärtszugehen ungeachtet dessen, wie sein niederes Selbst darauf reagieren mag und was für Rückwirkungen auf dieses dabei entstehen. Nur diejenigen, die klar unterscheiden können zwischen den beiden Aspekten ihres Wesens, dem wirklichen Selbst und dem illusorischen Selbst, können einsichtsvoll arbeiten. Dies ist in den Yoga-Sutras des Patanjali deutlich zum Ausdruck gebracht worden:

«Der Mensch kommt zur Erfahrung der Gegensatzpaare, weil die Seele nicht fähig ist, zwischen dem persönlichen Selbst und dem Purusha (oder Geist) zu unterscheiden. Die objektiven Formen sind für den Gebrauch und die Erfahrung des geistigen Menschen da. Durch eine Meditation hierüber stellt sich die intuitive Wahrnehmung des geistigen Menschen ein.» Buch III, 35.

Die achtundvierzigste Sutra in demselben Buch gibt eine Aussage über ein späteres Stadium dieser unterscheidenden Erkenntnis.

Diese Unterscheidungsfähigkeit wird durch eine neue, gesammelte Geisteshaltung sowie dadurch gefördert, dass man sorgfältig und aufmerksam [54] seine Lebensführung ständig überprüft.

Zweitens gehe ich von der Annahme aus, dass alle lange genug gelebt und mit den zermürbenden Kräften des Lebens gerungen haben, um fähig zu sein, ein leidlich richtiges Wertgefühl zu entwickeln. Ich nehme an, dass sie sich bemühen, wie jene zu leben, die etwas von den wahren, ewigen Werten der Seele wissen. Sie lassen sich nicht durch irgendwelche Ereignisse, welche die Persönlichkeit treffen, noch durch den Druck von Zeit oder Umständen, durch Alter oder physisches Unvermögen abhalten. Sie sind weise geworden und haben gelernt, dass begeistertes Vorwärtsstürmen und ein heftiger, energischer Fortschritt ihre Nachteile haben, und dass ein stetiges, regelmässiges, beharrliches Bemühen sie auf die Dauer weiter bringen wird. Krampfhafte, kurzatmige Anstrengungen und zeitweiliges Drängen verlaufen sich in Enttäuschung und in einem schwerwiegenden Gefühl des Versagens. Die Schildkröte und nicht der Hase kommt zuerst am Ziele an, obgleich beide schliesslich zum Erfolg gelangen.

Drittens nehme ich an, dass jene, die ernstlich aus den Lehren dieses Buches Nutzen ziehen wollen, bereit sind, die einfachen Forderungen zu erfüllen, nämlich das Geschriebene mit Überlegung zu lesen, zu versuchen, ihr Denken zu ordnen, und an ihrer Meditationsarbeit festzuhalten. Das Ordnen des Denkens ist eine ständige Angelegenheit, und die Hinwendung des Denkvermögens auf das, was man gerade tut und zwar den ganzen Tag über bei allen Verrichtungen, ist der beste Weg, um Studium und Meditationszeit fruchtbar werden zu lassen und sich für die Berufung zum Jünger tauglich zu machen.

Nach diesen unmissverständlichen Voraussetzungen sind meine Worte für jene bestimmt, die versuchen, dem Bedürfnis nach geschulten Dienern zu entsprechen. Beachtet bitte, dass ich nicht sage: diejenigen, die entsprechen, (sondern die es versuchen). Absicht und Streben sind für uns von oberster Wichtigkeit; es sind die bei den Haupterfordernisse für alle Jünger, Eingeweihten und Meister, und dazu tritt noch die Kraft der Beharrlichkeit.

Bei der Erörterung dieser Regeln bin ich nicht so sehr daran interessiert, sie auf das magische Werk selbst anzuwenden, als vielmehr daran, den Magier zu schulen und ihn im Hinblick auf seinen eigenen Charakter zu entwickeln. Später können wir [55] an die Anwendung des Wissens auf die äusseren Auswirkungen der Weltkräfte gehen, aber im Augenblick haben wir ein anderes Ziel; ich versuche, Denken und Gehirn (also das niedere Selbst) der Studierenden für das höhere Selbst zu interessieren und ihre gedankliche Anteilnahme so zu steigern, dass ein Impuls entsteht, der stark genug ist, um sie vorwärts zu bringen.

Auch sollte nicht vergessen werden, dass, wenn einmal die Magie der Seele von der Persönlichkeit begriffen wird, die Seele dann unerschütterlich herrscht; man kann dann darauf vertrauen, dass sie die Schulung des Menschen zu fruchtbaren Ergebnissen führt, nicht behindert, wie ihr es notwendigerweise seid, durch Gedanken an Zeit und Raum sowie durch Unwissenheit hinsichtlich der früheren Laufbahn dieser betreffenden Seele. Man sollte immer berücksichtigen, dass, wenn man sich mit individuellen Menschen befasst, die Aufgabe zweifach ist:

1. Man muss sie lehren, wie sie das niedere, persönliche Selbst mit der überschattenden Seele verbinden können, so dass im physischen Gehirn ein sicheres Bewusstsein für die Realität dieser göttlichen Tatsache vorhanden ist. Dieses Wissen macht die bisher angenommene Wirklichkeit der drei Welten wirkungslos; sie kann nicht mehr anziehen und festhalten, und damit ist der erste Schritt aus dem vierten Reich in das fünfte getan.

2. Man muss solche praktische Unterweisungen geben, die es dem Aspiranten ermöglichen:

a. Sein eigenes Wesen zu verstehen. Dazu gehört einige Kenntnis der Lehren der Vergangenheit über die Konstitution des Menschen und eine Würdigung der Auslegungen moderner östlicher und westlicher Forscher.

b. Die Kräfte seiner eigenen Natur zu beherrschen und etwas von den Kräften kennenzulernen, die ihn umgeben.

c. Seine in ihm ruhenden Kräfte so zu entfalten, dass er seine eigenen, speziellen Probleme behandeln, auf eigenen Füssen stehen, sein eigenes Leben in die Hand nehmen, seine [56] eigenen Schwierigkeiten lösen und so stark und ausgeglichen im Geiste werden kann, dass er die Anerkennung seiner Tauglichkeit als Arbeiter am Plan erzwingt, dass er als Weissmagier und als einer von jener Gemeinschaft geweihter Jünger erkannt wird, die wir «die Hierarchie unseres Planeten» nennen.

Diejenigen, welche diese Dinge studieren, werden darum gebeten, ihre Vorstellung von dieser Hierarchie von Seelen so zu erweitern, dass sie alle exoterischen Bereiche menschlichen Lebens (den politischen, sozialen, wirtschaftlichen und religiösen) darin mit einbeziehen. Sie werden gebeten, ihren Vorstellungsbereich nicht wie so viele nur auf diejenigen einzuengen, die ihre eigene, kleine, spezielle Organisation ins Leben gerufen haben, oder auf jene, die ausschliesslich auf der subjektiven Seite des Lebens tätig sind oder dafür arbeiten, was die Konservativen als sogenannte religiöse oder geistige Richtungen anerkennen. Alles, was darauf abzielt, die Menschheit von irgendeiner Entwicklungsstufe emporzuheben, ist religiöse Arbeit und hat ein geistiges Ziel; denn Materie ist ja nur Geist auf der niedersten Ebene, und wie uns gesagt wird, ist Geist nur Materie auf der höchsten. Alles ist Geist, und diese Unterschiede entstanden nur durch das begrenzte Denken. Deshalb bilden alle, die für Gott wirken und von ihm wissen, seien sie nun in einem fleischlichen Körper oder ausserhalb, und die in irgendeinem Bereich göttlicher Manifestation tätig sind, einen Teil der planetarischen Hierarchie und sind integrale Einheiten in jener grossen Wolke von Zeugen, welche die «Zuschauer und Beobachter» sind.

Sie besitzen sowohl die Fähigkeit der geistigen Einsicht oder Wahrnehmung als auch die objektive oder physische Anschauung.

Wenn wir die Regel I studieren, so können wir sie einfach und doch tiefgreifend in den folgenden Worten zusammenfassen:

1. Verbindung mit dem Ego.

2. Zyklische Meditation.

3. Harmonische Einordnung oder Einswerdung.

In «Eine Abhandlung über kosmisches Feuer» beginnen die Regeln mit einer kurzen Zusammenfassung des Vorganges und einer Aussage über das Wesen des Weissmagiers.

In dieser ersten Besprechung unseres Themas möchte ich kurz [57] die Tatsachen aufzählen, die in dem Kommentar gegeben werden, um dem Aspiranten vorzuführen, wieviel ihm zur Betrachtung und Hilfe gegeben wird, wenn er nur weiss, wie er lesen und über das nachdenken muss, was er liest. Die kurze Auslegung der Regel I besagt folgendes:

1. Der Weissmagier ist ein Mensch, der mit seiner Seele Fühlung hat.

2. Er ist sich der Absicht und des Planes seiner Seele bewusst und dafür empfänglich.

3. Er ist fähig, Eindrücke aus dem Reich des Geistes zu empfangen und sie in seinem physischen Gehirn zu verzeichnen.

4. Es wird ferner festgestellt, dass weisse Magie:

a. von oben nach unten wirkt.

b. das Ergebnis einer Sonnenschwingung, also egoischer Energie ist.

c. keine Wirkung einer Schwingung ist, die von der Formseite des Lebens ausgeht, da sie nichts mit Emotionen und mentalen Impulsen zu tun hat.

5. Energie strömt von der Seele herab infolge:

a. ständig erneuter innerer Sammlung.

b. konzentrierter, zielbewusster Verbindung der Seele mit dem Denkvermögen und dem Gehirn.

c. stetiger Meditation über den Evolutionsplan.

6. Die Seele befindet sich daher während des ganzen physischen Inkarnationszyklus in tiefer Meditation; das ist alles, worum sich der Studierende hier zu kümmern hat.

7. Diese Meditation ist rhythmischer und zyklischer Art, wie alles andere im Kosmos auch. Die Seele atmet, und dadurch lebt ihre Form.

8. Wenn die Verbindung zwischen der Seele und ihrem Werkzeug bewusst und zuverlässig ist, dann wird der Mensch zu einem weissen Magier.

9. Weissmagier sind darum unveränderlich und, eben durch die Sache selbst bedingt, fortgeschrittene Menschenwesen, denn es sind viele Lebenszyklen notwendig, um einen Magier zu schulen.

10. Die Seele beherrscht ihre Form mit Hilfe der Sutratma oder des Lebensfadens, belebt (durch diesen) ihr dreifaches Werkzeug (die mentale, emotionelle und physische Hülle) und stellt so eine Verbindung [58] mit dem Gehirn her. Durch das bewusst beherrschte Gehirn wird der Mensch zu intelligenter Tätigkeit auf der physischen Ebene angeregt.

Dies ist eine kurze Analyse der ersten Regel für Magie, und ich möchte vorschlagen, dass die Schüler, wenn sie in Zukunft über die Regeln meditieren, sich eine solche Analyse selbst machen. Tun sie dies während der Betrachtung jeder Regel, so werden sie an den ganzen Stoff mit grösserem Interesse und Wissen herantreten. Ausserdem ersparen sie sich viel Arbeit, die durch das Zurückblättern und Nachschlagen entsteht.

Eine Betrachtung der oben gegebenen Analyse wird zeigen, dass damit eine sehr klare Zusammenfassung gegeben ist, und dass der Schüler sein Studium der Magie mit einem gewissen Mass an Verständnis für die bisherige Lage, für seine Ausrüstung und die Annäherungsmethode beginnt. Wir wollen uns von Anfang an über die Einfachheit der Idee klar werden, die ich bisher durch meine Anmerkungen zu vermitteln suchte. So wie in der Vergangenheit das physische Instrument und seine Beziehung zur Aussenwelt die wichtigste Tatsache in der Erfahrung des geistigen Menschen war, ebenso kann heute eine neue Umstellung erfolgen, wobei die herausragende Tatsache der Geistesmensch, der Sonnenengel oder die Seele ist. Man wird ausserdem erkennen, dass es für ihn (über die Formseite) eine Beziehung sowohl zu den inneren wie zu den äusseren Welten geben wird. Der Mensch hat bisher in seinen Beziehungen nur die Formseite der durchschnittlichen menschlichen Evolution berücksichtigt.

Er hat die Formen benützt und ist von ihnen beherrscht worden. Er hat auch an ihnen gelitten und sich daher mit der Zeit gegen sie aufgelehnt, da er bis zum Überdruss genug hatte von allem, was zu der materiellen Welt gehört. Unzufriedenheit, Widerwillen, Ekel und eine tiefe Müdigkeit sind sehr häufig das Merkmal derer, die dicht vor der Jüngerschaft stehen. Denn was ist ein Jünger? Es ist ein Mensch, der versucht, sich einen neuen Rhythmus anzueignen, ein neues Erfahrungsfeld zu betreten und den Spuren jener vorgeschrittenen Menschen zu folgen, die vor ihm diesen Pfad betreten haben, der vom Dunkel zum Licht, vom Unwirklichen zum Wirklichen führt. Er hat die Freuden des Lebens in der Welt der Illusion ausgekostet und hat erfahren, dass sie nicht die Kraft haben, [59] ihn zu befriedigen und festzuhalten. Er befindet sich nun in einem Übergangsstadium zwischen den alten und den neuen Daseinsformen. Er schwingt zwischen dem Zustand des Seelenbewusstseins und dem des Formbewusstseins hin und her. Er «sieht doppelt».

Seine geistige Wahrnehmung wächst langsam und sicher in dem Mass, in dem das Gehirn aufnahmefähig wird für die von der Seele über das Denkvermögen einströmende Erleuchtung. Wenn sich die Intuition entwickelt, wächst auch die Reichweite des Bewusstseins, und es entfalten sich neue Erkenntnisgebiete.

Das erste Erkenntnisgebiet, das Erleuchtung empfängt, könnte als der Bereich beschrieben werden, der die Gesamtheit der Formen umfasst, die man in den drei Welten menschlichen Strebens der ätherischen, astralen und mentalen, finden kann. Der angehende Jünger nimmt durch dieses Erkenntnislicht seine niedere Natur wahr und beginnt das Ausmass seiner Einkerkerung und die «Veränderungen der ständig wechselnden psychischen Natur» (wie es Patanjali nennt) zu erkennen. Die Hindernisse für den Erfolg und die Hemmnisse für den Fortschritt werden ihm offenbart, und sein Problem wird typisch. Häufig kommt er dann in die Lage, in der sich Arjuna befand, als er sich den Feinden gegenübergestellt sah, die ihm aus seiner eigenen Familie erstanden; irre an seiner Pflicht, verlor er den Mut bei dem Versuch, zwischen den Gegensatzpaaren das Gleichgewicht zu finden. Sein Gebet sollte dann jenes berühmte indische Gebet sein, das vom Herzen kommend, mit dem Verstand begriffen und durch ein glühendes Leben im Dienst für die Menschheit ergänzt wird:

«Enthülle uns das Angesicht der wahren Geistessonne,

das hinter einer Scheibe goldnen Lichts sich verbirgt,

damit die Wahrheit wir erkennen und unsere ganze Pflicht wir tun

auf unsrer Pilgerfahrt zu Deinen heil'gen Füssen.»

Wenn er ausharrt und ringt, seine Probleme überwindet und seine Wünsche und Gedanken beherrscht, dann offenbart sich ihm das zweite Erkenntnisgebiet das Wissen um das Selbst in [60] dem geistigen Körper, die Erkenntnis über das Ego, das sich durch den Kausalkörper, das Karana Sharira, zum Ausdruck bringt sowie ein Innewerden jener Quelle geistiger Energie, welche die Antriebskraft hinter der niederen, äusseren Schöpfung ist. Die «Scheibe goldenen Lichts» wird durchbohrt, die wahre Sonne ist zu sehen, der Pfad ist gefunden, und der Aspirant ringt sich hindurch in ein immer klarer werdendes Licht.

Wenn das Wissen um das Selbst und die bewusste Kenntnis von dem, was das Selbst sieht, hört, erkennt und berührt, gefestigt ist, dann findet man den Meister; der Aspirant kommt mit Seiner Jüngergruppe in Fühlung; er erkennt den Plan für den vor ihm liegenden Anteil des Werkes, den er übernehmen muss, und arbeitet ihn allmählich auf der physischen Ebene aus. So schwindet die Wirksamkeit der niederen Natur, und der Mensch kommt immer mehr in bewussten Kontakt mit seinem Meister und seiner Gruppe. Aber dies erfolgt erst, wenn «die Lampe angezündet ist», wenn das Höhere und das Niedere aufeinander abgestimmt sind und die Erleuchtung ins Gehirn herabströmt.

Es ist sehr wesentlich, dass alle Aspiranten diese Dinge erfassen und studieren, damit sie die nötigen Schritte tun und das erwünschte Bewusstsein entwickeln können. Solange dies nicht erreicht ist, hat der Meister keine Macht, auch wenn er noch so sehr helfen möchte, und Er kann nichts tun, um einen Menschen zu Seiner Gruppe zuzulassen, ihn in Seinen aurischen Einflussbereich hineinzunehmen und ihn dadurch zu einem Vorposten Seines Bewusstseins zu machen. Jede Stufe auf dem Wege muss vom Menschen selbst ausgehauen werden, und es gibt keine kurze oder leichte Strasse aus der Dunkelheit in das Licht.