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Prinzipien und Persönlichkeiten.

Es gibt jedoch einen Punkt, der Überlegung verdient und dem man sich in Form einer Frage nähern kann. Der Studierende könnte sehr wohl Untersuchungen folgender Art anstellen:

«Einige Menschen nähern sich dem Problem des Seins, indem sie es gedanklich erfassen; andere durch ein aus dem Herzen kommendes Verständnis; bei einigen ist der Kopf die Triebkraft, bei anderen das Herz, einige tun oder vermeiden Dinge, weil sie mehr wissen als fühlen; manche reagieren auf ihre Umwelt eher mental als emotional.

Wir suchen Erleuchtung darüber, ob für einige der Pfad nicht im Dienst liegt, da sie Gott eher erkennen als lieben, Gott, der im Grund nur ihr innerstes Selbst ist. Ist das nicht eher der Pfad des Okkultisten und [110] des Weisen als der des Mystikers und des Heiligen? Ist es dann nicht vor allem die Frage, auf welchem Strahl ein Mensch ist und unter welchem Meister er seine Lehrzeit abdient? Ist nicht wahre Erkenntnis eine Art verstandesmässiger Liebe? Wenn ein Dichter eine Ode über geistige Schönheit schreiben kann: warum können wir nicht eine Art von Einheit schätzen, die mehr im Kopf als im Herzen erfasst wird? Herzen sind zwar in ihrer Art gut, aber sie sind nicht geeignet für die rauhen Sitten der Welt.

Kann man etwas anderes tun, als seine gegenwärtigen Begrenzungen hinnehmen, auch wenn man jene Transzendenz sucht, die einem durch das göttliche Gesetz der Evolution zukommt? Gibt es nicht zum Beispiel so etwas wie einen geistigen Minderwertigkeitskomplex bei denen, die empfindlich (ja vielleicht überempfindlich) gegenüber der Tatsache sind, dass, während ihr Leben in intellektueller Hinsicht mit Interessen angefüllt ist, die Öde des Herzens noch nicht wie eine Rose zum Blühen gebracht werden konnte?

Mit anderen Worten: vorausgesetzt, jemand begibt sich in die ihm vorgeschriebene Situation und dient, indem er die Bruderschaft in der Gegenwart des göttlichen Vaters annimmt; welchen Unterschied macht es dann, dass die grundlegende Voraussetzung bei ihm mehr Sache des Kopfes als des Herzens ist?»

Auf eine solche Frage würde ich folgendermassen antworten: Es ist nicht eine Frage des Strahls oder gar des grundlegenden Unterschiedes zwischen dem Okkultisten und Mystiker. In dem abgerundeten, ausgeglichenen Einzelmenschen müssen Herz und Kopf mit gleicher Kraft wirksam sein. In Zeit und Raum jedoch und während des Evolutionsganges zeichnen sich die Menschen dadurch aus, dass in jedem Leben eine bestimmte Tendenz vorherrscht; nur weil wir nicht das ganze Bild sehen, machen wir diese zeitbedingten Unterschiede. In einem bestimmten Leben mag ein Mensch vor allem in der Gedankenwelt zuhause sein, und für ihn wäre der Pfad der Liebe zu Gott ungeeignet. Die Liebe zu Gott ist in seinem Herzen ausgegossen und seine okkulte Annäherung fusst in einem beträchtlichen Mass auf der mystischen Wahrnehmung vergangener Leben. Für ihn besteht das Problem darin, Gott zu erkennen mit der Absicht, diese Erkenntnis in Liebe zu allen Wesen zu deuten. Verantwortliche Liebe, die sich in der Pflichterfüllung gegenüber der Familie und [111] der Gruppe kundtut, ist deshalb für ihn die Linie des geringsten Widerstandes. Allumfassende Liebe, die auf die ganze Natur und alle Formen ausstrahlt, wird folgen, sobald er von Gott noch mehr weiss, aber dies wird erst in einem anderen Leben zu seiner Entwicklung gehören.

Wer die menschliche Natur erforscht (und dies sollten alle Aspiranten), würde gut daran tun zu bedenken, dass es zeitbedingte Unterschiede gibt. Die Menschen unterscheiden sich:

a. Durch den Strahl (der vorwiegend den Lebensmagnetismus beeinflusst).

b. In der Art, wie sie sich der Wahrheit nähern, sei es, dass der okkulte oder der mystische Pfad die stärkere Anziehungskraft ausübt.

c. In der Polarisation, welche für die emotionale, mentale oder physische Lebensrichtung entscheidend ist.

d. In ihrer Entwicklungsstufe, die zu den sichtbaren Verschiedenheiten der Menschen führt.

e. Durch das astrologische Zeichen, das die Tendenz eines speziellen Lebens bestimmt.

f. In der Rasse, welche die Persönlichkeit unter den Einfluss der betreffenden rassischen Denkform bringt.

Der Unterstrahl, auf dem sich ein Mensch befindet, jener Nebenstrahl, der von Inkarnation zu Inkarnation wechselt, gibt ihm weitgehend seine Färbung für dieses Leben; dies ist seine Nebenfarbe. Vergesst nicht, dass der Hauptstrahl der Monade durch die Äonen hin derselbe bleibt. Er verändert sich nicht. Er ist einer der drei Hauptstrahlen, in denen die Menschensöhne schliesslich zusammengefasst werden. Der Strahl des Ego wechselt von Runde zu Runde, bei weiter entwickelten Seelen von Rasse zu Rasse, und ist einer der fünf Strahlen unserer gegenwärtigen Evolution. Er ist der herrschende Strahl, mit dem der Kausalkörper des Menschen in Einklang schwingt. Er kann mit dem Strahl der Monade übereinstimmen, oder er mag eine der Komplementärfarben zu dem Hauptstrahl sein. Der Strahl der Persönlichkeit wechselt [112] von Leben zu Leben, bis die Stufenleiter der sieben Unterstrahlen des monadischen Strahls durchlaufen ist.

Wenn man mit Menschen zu tun hat, deren Monaden sich auf dem gleichen oder auf einem komplementären Strahl befinden, so wird man entdecken, dass sie sich einander in Sympathie nähern. Wir müssen jedoch bedenken, dass die Evolution schon weit fortgeschritten sein muss, wenn der monadische Strahl einen starken Einfluss ausüben soll. Daher gehören die meisten Fälle nicht unter diese Kategorie.

Bei den fortgeschrittenen Durchschnittsmenschen, die sich darum bemühen, ihrem Ideal nahezukommen, wird die Gleichheit des egoischen Strahls gegenseitiges Verständnis herbeiführen, und Freundschaft wird die Folge sein. Für zwei Menschen auf demselben egoischen Strahl ist es leicht, die Anschauungen des anderen zu begreifen; sie werden sehr gute Freunde mit unerschütterlichem Vertrauen zueinander, denn jeder erkennt, dass der andere so handelt, wie er selbst handeln würde.

Aber wenn zum gleichen egoischen Strahl auch noch derselbe Persönlichkeitsstrahl hinzutritt, dann ergibt sich einer der so seltenen Fälle: eine vollkommene Freundschaft, eine erfolgreiche Ehe, ein unzerstörbares Band zwischen beiden. Das ist in der Tat selten.

Wenn es sich um zwei Menschen auf dem gleichen Persönlichkeitsstrahl handelt, bei denen jedoch die egoischen Strahlen verschieden sind, so erlebt man jene kurzen, plötzlichen Freundschaften und Verbindungen, die so vergänglich sind wie Schmetterlinge. Diese Dinge muss man bedenken, und wenn man sie erkennt, so ergibt sich auch die Anpassungsfähigkeit. Aus der Klarheit der Schau folgt eine umsichtige Einstellung.

Eine andere Ursache für den Unterschied kann in der Polarisation der Körper liegen. Wenn das bei der Behandlung von Menschen nicht erkannt wird, so fehlt natürlich auch das Verständnis. Wenn ihr den Ausdruck verwendet: «ein in seinem Astralleib polarisierter Mensch», so meint ihr in Wirklichkeit einen Menschen, dessen Ego hauptsächlich durch diese Hülle wirkt. Die Polarität zeigt an, ob der Kanal klar ist. Lasst es mich erläutern. Das Ego des Durchschnittsmenschen ist auf der dritten Unterebene der Mentalebene [113] zuhause. Wenn ein Mensch einen Astralkörper hat, der weitgehend aus Astralstoff der dritten Unterebene besteht, und einen Mentalkörper, der hauptsächlich aus Substanz der fünften Unterebene besteht, so wird das Ego seine Bemühungen auf den Astralkörper konzentrieren. Wenn ein Mensch einen Mentalkörper hat, der aus dem Stoff der vierten Unterebene besteht, und einen Astralleib von der fünften Unterebene, so wird die Polarisation mentaler Art sein.

Wenn ihr davon sprecht, dass das Ego mehr oder weniger die Herrschaft über einen Menschen bekommt, so meint ihr damit in Wirklichkeit, dass es in seine Körperhüllen Stoff von den höheren Unterebenen eingebaut hat.

Das Ego übernimmt die Herrschaft erst dann mit Interesse, wenn der Mensch die Stoffe der siebenten, sechsten und fünften Unterebene fast vollständig aus seinen Körperhüllen ausgemerzt hat.

Wenn er einen gewissen Anteil von Stoff der vierten Unterebene eingebaut hat, dann dehnt das Ego seinen Herrschaftsbereich aus; bei einem bestimmten Anteil der dritten Unterebene ist der Mensch auf dem Pfade; wenn der Anteil der zweiten Unterebene überwiegt, dann geht er durch die Einweihung, und wenn er nur noch atomische Substanz hat, dann wird er ein Meister. Darum ist es wichtig, auf welcher Unterebene ein Mensch steht, und erst die Feststellung, wo er polarisiert ist, gibt Klarheit über sein Leben.

Ein Drittes, was ihr bedenken müsst, ist folgendes: selbst wenn man den beiden genannten Punkten zustimmt, so mangelt es doch oft an Verständnis, wenn es um das Alter der Seelenerfahrung geht. Die beiden obigen Punkte bringen uns nicht sehr weit, denn die gegenwärtige Rasse hat noch nicht die Fähigkeit, eines Menschen Strahl zu spüren; soweit ist sie noch nicht. Bis jetzt kann man nur annähernde Vermutungen hegen und die Intuition zu Hilfe rufen. Der wenig Entwickelte kann den weit Entwickelten nicht vollständig begreifen, und, in einem geringeren Grad, kann auch das vorgeschrittene Ego einen Eingeweihten nicht verstehen. Der Grössere kann den Geringeren erfassen, aber nicht umgekehrt.

Was die Handlungsweise jener betrifft, die schon viel weiter sind als ihr selbst, so kann ich euch nur bitten, dreierlei zu tun:

a. Haltet euch im Urteil zurück. Ihre Schau [114] ist umfassender. Vergesst nicht, dass eine der grössten Qualitäten, welche die Mitglieder der Loge erreicht haben, ihre Fähigkeit ist, die Zerstörung der Form als unwichtig anzusehen. Sie kümmern sich um das sich entwickelnde Leben.

b. Erkennt und seht ein, dass alle Ereignisse von den grossen Brüdern mit weiser Absicht herbeigeführt werden. Eingeweihte geringeren Grades fügen sich, obwohl sie im Handeln vollkommen frei sind, in die Pläne ihrer Oberen, genau so wie ihr es auf eurer tieferen Stufe tut. Sie müssen ihre Lektionen durcharbeiten, und die Regel für das Lernen ist, dass alle Erfahrung erkauft werden muss. Man begreift erst durch die Strafe, die einer unvernünftigen Handlung folgt. Die Oberen helfen, Situationen zum Guten zu wenden, welche durch die Irrtümer derer verursacht worden waren, die in ihrer Entwicklung noch nicht so weit sind.

c. Bedenkt auch, dass in dem Gesetz der Wiedergeburt auch das Geheimnis der gegenwärtigen Krise verborgen liegt. Es kommen jetzt Egogruppen zusammen, um ein bestimmtes Karma aus vergangenen Tagen abzuarbeiten. Die Menschen haben in der Vergangenheit schlimme Fehler gemacht. Strafe und Umwandlung sind die natürliche Folge. Gewalt und Grausamkeit in der Vergangenheit lassen ein schweres Karma reifen, aber es liegt in den Händen von euch allen, die alten Fehler umzuwandeln.

Denkt auch daran, dass Prinzipien ewig, Persönlichkeiten aber zeitlich begrenzt sind. Prinzipien müssen im Licht der Ewigkeit betrachtet werden, Persönlichkeiten vom Standpunkt der Zeit. Unangenehm ist es, wenn in manchen Situationen zwei Prinzipien eine Rolle spielen, von denen eines dann zweitrangig ist. Die Schwierigkeit liegt in der Tatsache, dass (da beide Prinzipien sind) beide richtig sind. Um sicher zu gehen, sollte man sich immer an die Regel halten, dass grundlegende Prinzipien, wenn man sie einsichtig erfassen und erfolgreich in die Tat umsetzen will, gewöhnlich nach Intuition verlangen, während zweitrangige Prinzipien mehr mental sind. Darum sind die Methoden notwendigerweise verschieden. Wenn es sich um Grundprinzipien handelt, so sind die weisesten Methoden: Stillesein und ein freudiges Vertrauen darauf, dass das Gesetz wirkt; ferner dass man alle persönlichen Anspielungen [115] vermeidet, ausser weisen und liebevollen Bemerkungen und dass man entschlossen ist, alles im Licht der Ewigkeit und nicht der Zeit anzuschauen, verbunden mit einem dauernden Bestreben, dem Gesetz der Liebe zu folgen und nur das Göttliche in den Brüdern zu sehen, auch wenn man auf der entgegengesetzten Seite steht.

Bei zweitrangigen Prinzipien, die von allen Gegenkräften heute besonders betont werden, bringt der Gebrauch des niederen Denkvermögens die Gefahr der Kritiksucht und die Anwendung von Methoden mit sich, die zur Zeit in den drei niederen Welten gutgeheissen werden, Methoden des persönlichen Angriffs, der Schmähung und der Kraftverschwendung in zerstörerischem Sinn; sie sind aus einem Geiste geboren, der dem Gesetz der Einheit zuwiderläuft. Die Bezeichnung «Gegenkräfte» ist richtig, wenn man sie nur im wissenschaftlichen Sinn anwendet und damit den Gegenpol meint, der zum Gleichgewicht führt. Denkt deshalb daran, dass gegensätzliche Gruppen es ganz redlich meinen können, dass aber das konkrete Denkvermögen in ihnen wie eine Schranke für die freie Entfaltung der höheren Schau wirkt. Ihre Aufrichtigkeit ist gross, aber die von ihnen erreichte Stufe ist in mancher Hinsicht geringer als die Stufe derer, die an den grundlegenden, im Licht der Intuition gesehenen, Prinzipien festhalten.

Ein Prinzip ist das, was einen Aspekt der Wahrheit verkörpert, auf der dieses unser System beruht; in das Bewusstsein des Menschen sickert ein wenig von der Idee ein, auf der all das beruht, was unser Logos tut. Die Grundlage aller Massnahmen des Logos ist tätige Liebe, und die fundamentale Idee, auf der Er Seine Handlungen in Zusammenhang mit der menschlichen Hierarchie gründet, ist die Macht der Liebe, vorwärts zu treiben, nennt es Entwicklung, wenn ihr wollt, angeborenen Drang, wenn euch das lieber ist; aber es ist Liebe, die Bewegung hervorbringt und vorwärts, zur Vollendung drängt. Sie ist für alle der Antrieb zu weiterer Wesensäusserung. Daher sollte dieses Prinzip jeglicher Tätigkeit zugrunde liegen, und die Leitung aller geringeren Organisationen würde, wenn sie auf zu Tätigkeit führender Liebe beruhte, einen göttlichen Drang in [116] allen Mitgliedern wecken, sie ebenfalls zu vollster Wesensäusserung treiben und so zu angemessener Erfüllung und befriedigenderem Bemühen führen.

Wenn ein Prinzip wirklich fundamental ist, so spricht es sofort die Intuition an und ruft seine unmittelbare, zustimmende Reaktion des höheren Selbst im Menschen hervor. Die Persönlichkeit wird wenig oder gar nicht angesprochen. Ein Prinzip verkörpert eine Vorstellung oder Idee des Egos in seiner Beziehung zu anderen. Es ist das, was stets das Handeln des Ego auf dessen eigener Ebene bestimmt; und erst dann, wenn wir immer mehr unter die Führung dieses Ego kommen, empfängt unsere Persönlichkeit diese Ideen und reagiert auf sie. Daran sollte man bei jedem Umgang mit anderen Menschen denken, und das sollte alle Urteile bestimmen. Ein Prinzip richtig begreifen, bedeutet, dass ein gewisser Punkt in der Entwicklung erreicht ist.

Ein Prinzip beseelt eine Aussage, die mit dem höchstmöglichen Wohlergehen für möglichst viele zu tun hat. Ein Mann soll seine Frau lieben; in diesem Satz wird ein Prinzip aufgestellt, das für die Persönlichkeit gilt; es muss aber später in das grössere Prinzip umgewandelt werden, dass ein Mensch seine Mitmenschen lieben soll. Es gibt dreierlei Prinzipien, und das höhere muss auf dem Wege über das niedrigere erreicht werden:

a. Prinzipien, die das niedere, persönliche Selbst beherrschen; sie haben mit den Handlungen oder dem tätigen Leben dieses niederen Selbstes zu tun. Sie verkörpern den dritten oder Tätigkeitsaspekt der Schöpfung des Logos und bilden die Grundlage für späteren Fortschritt. Sie leiten und bestimmen den Menschen in der Zeit, da er noch wenig entwickelt ist und gedankenlos dahinlebt; sie sind vielleicht leichter zu verstehen, wenn ich sage, dass sie in den allgemeinen anerkannten Regeln einer anständigen Lebensweise zum Ausdruck kommen. Du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen: diese Gesetze gelten für das tätige Leben des Menschen, für die Bildung seines Charakters.

b. Prinzipien, die für das höhere Selbst massgebend sind und mit dem Liebe-Weisheit-Aspekt zu tun haben. Eben diese gehen uns jetzt an, und die Hälfte aller Schwierigkeiten in der Welt geht auf die Tatsache zurück, dass diese [117] höheren Prinzipien, die mit Liebe und Weisheit in all ihrer Fülle zu tun haben, erst jetzt allmählich von der breiten Masse der Menschheit begriffen werden. Aus der schnellen Erkenntnis ihrer Richtigkeit und dem Versuch, sie zu Tatsachen werden zu lassen, ohne dass die Umwelt vorher diesen Idealen angepasst wird, ergibt sich das häufige Aufeinanderprallen und der Kampf zwischen denen, die angetrieben werden von den Prinzipien, welche die Persönlichkeit beherrschen, und denen, die ihre Impulse von den Prinzipien des höheren Selbstes erhalten. Solange nicht mehr Menschen vom Seelenbewusstsein beherrscht werden, ist dieser Kampf unvermeidlich. Wenn einmal die emotionelle Ebene von der intuitiven geleitet wird, dann stellt sich ein universales Verständnis ein.

Die erste Prinzipiengruppe erlernt der Mensch durch «Begreifen» und durch das Unglück, das aus dieser Aneignung folgt. Er hat gestohlen, er erleidet die Strafe dafür und stiehlt nicht mehr. Das Prinzip wurde ihm durch Schmerz beigebracht und er lernte, dass er nur das geniessen kann, was ihm zu Recht gehört, und nicht das, was er sich angeeignet hat. Die Welt lernt heute diese Lektion in Gruppen, denn wenn die Revolutionäre etwas widerrechtlich in Besitz nehmen, merken sie, dass das gestohlene Gut nicht befriedigt, sondern sogar Sorgen bringt. So lernen sie mit der Zeit die Prinzipien kennen.

Die zweite Prinzipiengruppe erlernt man durch Verzicht und Dienen. Ein Mensch, der die ersten Prinzipien kennengelernt hat, blickt weg von den Dingen der Persönlichkeit und erfährt im Dienen die Macht der Liebe in ihrer okkulten Bedeutung. Er gibt aus und empfängt folglich auch wieder; er führt das Leben des Verzichts, und der Reichtum des Himmels ergiesst sich über ihn; er gibt alles hin und ist bis an den Rand erfüllt; er verlangt nichts für sich selbst und ist der reichste Mensch auf Erden.

Die ersten Prinzipien betreffen die abgesonderte Einheit und die Entwicklung durch Verschiedenartigkeit. Solche Prinzipien, wie die Menschheit sie heute lernt, haben mit Gruppen zu tun; die Frage [118] lautet nicht: «Was wird das Beste für den Menschen sein?», sondern: «Was wird das Beste für die Vielen sein? Nur jene, die mit geistiger Schau denken und die Vielen als Einheit sehen können, sind in der Lage, diese Prinzipien in zufriedenstellender Weise zu erklären. Sie sind die wichtigsten, denn sie sind die Grundprinzipien dieses Liebe-Systems. Die Schwierigkeit liegt heute darin, dass die Menschen verwirrt sind. Bestimmte Prinzipien der ersten Gruppe, die Grundlagen für die niedere Tätigkeit, sind jetzt eingewurzelt und den Menschen angeboren; einige wenige der höheren egoischen oder Liebe-Prinzipien sickern allmählich in die verwirrten Gehirne der Menschen ein und verursachen einen offensichtlichen, vorübergehenden Widerstreit von Ideen. Darum sagen sie wie Pilatus: «Was ist Wahrheit?» Wenn sie sich nur erinnern wollten, dass die höheren Prinzipien das Wohl der Gruppe betreffen und die niederen das Wohl des Einzelmenschen, dann würden sie vielleicht zur Klarheit kommen. Die niedere Aktivität des persönlichen Lebens, ganz gleich wie gut und wertvoll sie auch sein mag, muss schliesslich übertroffen werden durch das höhere Leben der Liebe, das nach dem Wohl der Gruppe und nicht nach dem eines Einzelnen strebt.

Alles, was nach Synthese und göttlicher Wesensäusserung in Vereinigungen von Einzelmenschen strebt, rückt dem Ideal und dem höheren Prinzip näher. Manche Hilfe wird sich einstellen, wenn man diesen Gedanken weiterführt. Ein Beispiel für das, was ich sage, findet ihr in der Tatsache, dass viele Kämpfe, die sich in manchen Organisationen abspielen, darauf beruhen, dass einige wertvolle Menschen Persönlichkeiten folgen; sie opfern sich für ein Prinzip, ja, aber für ein Prinzip, das jenes Leben der Persönlichkeit leitet. Andere erahnen dunkel etwas Höheres und suchen das Wohl der Gruppe und nicht das des Einzelnen; sie stossen auf ein höheres Prinzip und bringen damit die Kraft des Ego herein. Sie arbeiten für andere und streben danach, ihrer Gruppe zu helfen. Wenn Egos und Persönlichkeiten aufeinanderstossen, so ist der Sieg des Höheren gewiss; das niedere Prinzip muss dem höheren weichen. Der eine ist auf das konzentriert, was ihm als höchster Wert erscheint, nämlich die Erfüllung der Wünsche des persönlichen Lebens; er ist (während dieser Zeit) erst [119] in zweiter Linie am Wohl der Vielen interessiert, obwohl er Augenblicke haben mag, in denen er denkt, dies sei sein hauptsächliches Bestreben. Der andere kümmert sich nicht darum, was aus seinem persönlichen Selbst wird, und ist nur daran interessiert, den Vielen zu helfen. Es spitzt sich alles zu (um einen treffenden Ausdruck zu verwenden) auf die Frage des selbstsüchtigen oder des selbstlosen Motivs, und Motive wandeln sich mit den Zeitläufen, wie ihr wisst; der Mensch nähert sich dem Ziel des Probepfades.

c. Es gibt noch höhere Prinzipien und zwar jene, die vom Geist begriffen werden, ja nur vom monadischen Bewusstsein in rechter Weise erfasst werden können. Nur wenn ein Mensch sein persönlich-aktives Leben hinter sich lässt und dafür das Leben der Liebe oder Weisheit einsetzt, so wie das Ego es führt, kann er allmählich die Reichweite jenes Lebens der Liebe verstehen und es als bewiesene Macht erkennen. So wie die Persönlichkeit mit den Prinzipien zu tun hat, die das tätige Leben des niederen Selbstes lenken, und so wie das Ego nach dem Gesetz der Liebe wirkt, die sich in Gruppenarbeit manifestiert, oder Liebe, die sich in der Zusammenfassung einer Vielheit von Einzelmenschen zu wenigen Gruppeneinheiten zeigt, so befasst sich die Monade mit dem tätigen Leben der Liebe, das sich in seiner ganzen Kraft in der Verschmelzung der Wenigen zu einem Ganzen kundtut.

Das eine Prinzip beschäftigt sich mit dem Leben des Menschen auf der physischen Ebene oder in den drei Welten, das zweite mit seinem Leben auf den Kausalebenen, und das letzte mit dem Leben, das er führen wird, wenn er einstens das Endziel für das gegenwärtige menschliche Streben erreicht haben wird. Das eine befasst sich mit dem Einzelwesen, das andere mit Gruppen und das dritte mit der Einheit. Das eine hat zu tun mit der Sonderung in grösste Verschiedenheit, das zweite mit den Vielen, die in egoische Gruppen eingegliedert sind, während das dritte die Trennung aufgelöst sieht, zurückverwandelt in die Sieben, was für die menschliche Hierarchie die grosse Einheit bedeutet.

Alle diese Faktoren und viele andere mehr bringen Unterschiede zwischen den Menschen hervor, und wenn ein Mensch seinen eigenen Standort bestimmen will, so muss er sie in Betracht ziehen.

Man sollte daher nicht vergessen, dass ein Jünger irgendeines Meisters seine besondere Ausrüstung, seine individuellen Vorzüge und Unzulänglichkeiten hat. Dennoch kann er sicher sein, dass er, ehe nicht zum Pfad der Liebe der Pfad [120] des Wissens hinzukommt, niemals durch die Haupteinweihungen gehen kann, denn diese finden in den höheren Bereichen der Mentalebene statt. Solange nicht der Pfad des Lichts mit dem Pfad des Lebens vereint ist, kann der grosse Übergang vom vierten in das fünfte Reich nicht vor sich gehen. Gewisse Bewusstseinserweiterungen sind möglich; man kann Einweihungen auf der Astral- und niederen Mentalebene erlangen; einiges von der Schau kann wahrgenommen werden; man kann das Gefühl der göttlichen Gegenwart empfinden; der Geliebte kann durch Liebe erreicht werden; und die Seligkeit und Freude dieses Kontakts kann bleibendes Glück mit sich bringen. Aber die klare Wahrnehmung, die man auf dem Berge der Erleuchtung erlebt, ist etwas anderes als die Freude, welche man auf dem Berge des Segens erfährt; bei der einen hat das Herz, bei der anderen der Kopf die Führung.

Um es kategorisch zu beantworten: Der Pfad des Wissens ist der des Okkultisten und des Weisen; jener der Liebe ist der des Mystikers und des Heiligen. Die Annäherung vom Kopf oder vom Herzen her hängt nicht vom Strahl ab, denn beide Wege müssen erlebt werden; der Mystiker muss zum Okkultisten werden, der weisse Okkultist ist einmal der heilige Mystiker gewesen. Wahres Wissen ist einsichtsvolle Liebe, denn es ist die Verschmelzung von Verstand und Hingabe. Einheit wird im Herzen erspürt; ihre einsichtsvolle Anwendung auf das Leben muss sich durch Wissen auswirken.

Es ist von höchstem Wert, die Richtung der Lebensabsicht zu erkennen und zu wissen, ob die Kopf oder Herzmethode das Ziel in einem speziellen Leben ist. Eine feine geistige Unterscheidung ist jedoch notwendig, damit das Trugbild der Illusion nicht zum Pfad der Trägheit verführt. Denkt sorgfältig über diese Worte nach und seht zu, dass die Frage eine wahre Grundlage hat und nicht aus einem Minderwertigkeitskomplex erwächst, nicht aus der Betrachtung von eines Bruders Unternehmung und einer ständigen Neigung zur Eifersucht herrührt und auch nicht gelassener Selbstzufriedenheit entspringt, die eine Tätigkeit unwirksam macht.

Als allgemeine Regel [121] für einen Durchschnittsaspiranten zur Jüngerschaft kann als sicher angenommen werden, dass in der Vergangenheit vor allem der Herzweg beschritten wurde, und dass in dieser Inkarnation vor allem die mentale Entfaltung wichtig ist.

Eine uralte Schrift sagt:

«Suche nicht, o zweimal Gesegneter, das geistige Wesen zu erlangen, ehe das Denkvermögen aufnahmefähig ist. Nicht so wird Weisheit gesucht. Nur derjenige, der das Denkvermögen gezügelt hat und die Welt wie in einem Spiegel sieht, kann ohne Gefahr mit den inneren Sinnen betraut werden. Nur derjenige, der weiss, dass die fünf Sinne Illusion sind, und dass nichts bleibt als die beiden, die vor ihm liegen, kann in das Geheimnis der umgestellten Kreuzform eingeweiht werden. Der Pfad, den der Diener wandelt, ist der Pfad des Feuers, der durch das Herz geht und zum Kopf führt. Weder auf dem Pfade des Vergnügens noch auf dem Pfade des Schmerzes wird Befreiung erreicht, noch kommt Weisheit auf ihm. Durch Überwindung von beiden, durch die Verschmelzung von Schmerz und Lust wird das Ziel erreicht, das Ziel, das gleich einem Lichtpunkt im Dunkel einer Winternacht vor uns liegt. Dieser Lichtpunkt mag an die winzige Kerze in einer öden Dachkammer erinnern, aber wenn der Pfad, der zu dem Licht führt, durch die Verschmelzung der Gegensatzpaare beschritten wird, dann nimmt dieser kalte, flackernde Nadelkopf zu mit stetigem Glanz, bis dem Wanderer von ungefähr das warme Licht einer strahlenden Lampe in den Sinn kommt.

Schreite weiter, o Pilger, mit unerschütterlicher Beharrlichkeit! Keine Kerze ist da, noch eine irdische Lampe, mit Öl gefüllt. Beständig nimmt die Strahlung zu, bis der Pfad in einer auflodernden Herrlichkeit endet, und der Wanderer durch die Nacht zum Kind der Sonne wird und die Pforten zu diesem leuchtenden Gestirn betritt.»