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Fünftes Kapitel - Die Lehren Christi - Teil 1

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Fünftes Kapitel

Die Lehren Christi

Die Herstellung rechter menschlicher Beziehungen.
Das Gesetz der Wiedergeburt.
Enthüllung des Mysteriums der Einweihung.
Die Bekämpfung der Weltverblendung.

Es mag von Nutzen sein, einige einleitende Bemerkungen über die Lehren im allgemeinen zu machen, die im Lauf der Zeiten von Gottessöhnen den Menschen gegeben wurden; in der Stunde der Not traten sie hervor, um den Menschen ihrer Zeit gewisse notwendige Ideen und Wahrheitsbegriffe zu übermitteln und ins Bewusstsein einzuprägen. Wenn sie erscheinen, dann ist es ihr Ziel und Bemühen, die unmittelbaren Notstände in der Weise zu beheben, dass sie Ideen darlegen, die zu Idealen werden können, nach denen sich die Menschen in ihrem Leben immer mehr richten würden, und die schliesslich eine bessere Zivilisation zuwege bringen sollten. Solche Lehren sind im Lauf der Jahrtausende in ununterbrochener Folge gegeben worden.

Die Zeit ist noch nicht gekommen, um eine vollständige Analyse oder Aufstellung der stufenweise fortschreitenden Enthüllungen von Ideen zu schreiben oder zu deuten, die von grossen und erleuchteten Geistern - im Auftrag der Geistigen Hierarchie dieses Planeten - der Menschheit gebracht wurden. Alle zyklischen Lehrer (die einer ganzen Zeitenrunde dienten, zum Unterschied von den vielen, weniger bedeutenden Lehrern) haben in den drei Welten menschlicher Entwicklung (in der physischen, in der Gefühls- und Gedankenwelt) ihr eigenes Leben gemeistert; sie haben über das physische Bewusstseins-Niveau und über ihre Gefühlsnatur die Herrschaft erlangt, sie haben sich geistiges Verstehen erworben und schliesslich die Erleuchtung erreicht.

Es war für die Hierarchie immer ein Problem (und ist es auch heute noch), zu wissen, wie viel «exakte Wahrheit» (103) die Menschheit fassen kann, und bis zu welchem Ausmass «absolute Wahrheit» ihrem erwachenden Denken zugemutet werden kann. Die Hierarchie hat zu entscheiden, welche Art von allgemeingültiger Wahrheit die Fähigkeit in sich birgt, den Menschen aus seinen Schwierigkeiten herauszubringen, so dass er auf dem Pfad «zurück zu Gott» vorwärtskommen kann; sie muss daher zu jeder gegebenen Zeit wissen, auf welcher Entwicklungsstufe die Menschheit steht. Diese Frage ist schon an sich ein Forschungsziel für die Mitglieder der Hierarchie.

Nach der bisherigen Methode war - zu irgendeinem bestimmten Zeitpunkt - zu entscheiden: Welcher menschliche Haupt-Faktor für das Verstehen der Wirklichkeit ist noch mangelhaft entwickelt? Welche erkannte göttliche Wahrheit birgt den Samen lebendiger Wirksamkeit in sich für eine Menschheit, die sich in einer besonderen Schwierigkeit befindet? Und welche den Umständen angepasste Hilfsmassnahmen sind vonnöten? Die Hierarchie muss ferner bestimmen, wie diese Hilfe am besten dargeboten werden kann, damit die Ergebnisse dauerhaft und wirksam sind und die Kultur fördern. Bisher sind die dargebotenen Lehrbegriffe von den Weltlehrern der betreffenden Zeitperiode formuliert und an einige ausgesuchte und erwählte Persönlichkeiten weitergegeben worden; und es war nun deren Aufgabe, die gezeigte neue Idee aufzunehmen und unter solchen Menschen zu verbreiten, die einsichtig genug sein würden, diese Idee anzunehmen und zu verbreiten, nach ihr zu leben und sie gemeinverständlich zu machen. So hat es die Hierarchie bisher gehalten, - mit mehr oder weniger gutem Erfolg.

Es ist hier auch nicht möglich, die verhältnismässig wenigen Wahrheiten zu erörtern, die der menschlichen Entwicklung im alten Atlantis den Weg gewiesen haben; sie bilden jedoch die feste Grundlage für alle nachfolgenden Lehren. Als Rahmen für unsere Betrachtung über die Lehren Christi (die er nach seinem Wiedererscheinen geben will) können wir einige der kleineren Begriffe oder Vorstellungen studieren, die heutzutage den Lehren aller Weltreligionen zugrunde liegen, und die von den modernen Religionslehrern der Öffentlichkeit vorgetragen werden sollten.

Der erste dieser Lehrer lebte in einer so weit zurückliegenden Zeit, dass man unmöglich sagen kann, wann er wirklich gelebt hat. Selbst sein Name wurde modernisiert und einem alten Helden und Lehrer gegeben. Dieser Name ist Herkules. Er gab der Welt in Form eines bildlichen (104) und universalen Schauspiels (von symbolischem Charakter) die Idee eines grossen Zieles, das nur nach Kampf und Schwierigkeiten erreicht werden kann. Er wies auf ein Ziel hin, dem die Menschen zustreben sollten, ganz gleich, welche Hindernisse sich entgegenstellen würden. Er stellte uns diese Hindernisse bildlich dar in den «zwölf Arbeiten des Herkules», die Schauspiele, aber nicht wirkliche Ereignisse waren. Auf solche Art schilderte er all denen, deren Augen sehen und deren Herzen verstehen konnten, das Wesen der Probleme, die auf dem Pfad «zurück zu Gott» gelöst werden müssen; er zeichnete in Bildern den Weg des Verlorenen Sohnes zurück ins Haus des Vaters und führte uns die Proben und Prüfungen vor Augen, die alle Jünger, Aspiranten und Eingeweihte zu gewärtigen haben; vor solchen Prüfungen haben einmal auch alle jene gestanden, die heute die geistige Hierarchie bilden. Bei der Betrachtung dieser Feststellung müssen wir auch Christus hierin einschliessen, der - wie uns gesagt wird - «in allen Stücken versucht worden ist wie wir» (Hebräer 4, 15), aber triumphierend alle Proben und Prüfungen bestand.

Zu einem gleichfalls unbekannten Zeitpunkt erschien Hermes, und er war der erste, der öffentlich von sich als dem «Licht der Welt» sprach. Später kam der grosse Lehrer Vyasa; er brachte nur die eine einfache und notwendige Botschaft, dass der Tod nicht das Ende bedeutet. Seit dieser Zeit verstärkt sich in der Menschheit der Gedanke an eine unsterbliche Seele. Dunkel und instinktiv hatten die Menschen gehofft und gefühlt, dass das Ablegen des körperlichen Gehäuses nicht das tatsächliche Ende des menschlichen Ringens, Liebens und Strebens sein könne. In jenen frühesten Zeiten herrschte das Gefühl, und die Menschen liessen sich vom Instinkt leiten; bei der grossen Masse gab es nicht das Denken, wie wir es heute kennen. Wahrlich, auf dem Höhepunkt der Zeit, in der wir heute leben, sehen wir, dass die spiritualistische Bewegung - in ihren mannigfachen Abarten - in Wirklichkeit nichts anderes ist, als das Hervorbrechen jenes Stromes von Gedanken-Energie, die Vyasa vor Tausenden von Jahren mit seiner Idee in das menschliche Bewusstsein eingepflanzt hatte. Die Bemühungen der Verstandesmenschen, die Möglichkeit der Unsterblichkeit (105) zu beweisen, sind auch ein Teil dieses grossen Stromes, der auf die intellektuelle Ebene hingeleitet wurde und solcherart Vyasa's Werk von den nebelhaften Trugbildern und der psychischen Unredlichkeit freispricht, die ihm noch heute anhaftet. Die Tatsache der Unsterblichkeit steht nahe vor der wissenschaftlichen Bestätigung. Dass etwas den Tod überdauert, hat sich bereits als richtig herausgestellt; indes ist offensichtlich jener Faktor, der als überlebend nachgewiesen wurde, nicht das eigentlich Unsterbliche. Die beiden Tatsachen, nämlich, dass es wirklich eine Seele gibt, und dass diese den Körper überlebt, gehen Hand in Hand, doch sind sie wissenschaftlich noch nicht erwiesen. Diese Tatsachen sind heute ungezählten Millionen und so vielen Intellektuellen bekannt und werden von ihnen als Wahrheiten anerkannt, dass deren Existenz richtig vermutet wird, - es sei denn, dass man all das als Massen-Hysterie und Massen-Suggestion hinstellt.

Buddha ist der nächste grosse Lehrer, auf den wir kurz hinweisen möchten, obwohl es in der Zwischenzeit noch viele andere gab. In jenen Jahrhunderten, deren Geschichte nur in dunklen und unklaren Umrissen bekannt ist, nahm die Intelligenz der Menschen rasch zu; auch das Wahrnehmungsvermögen, das nach den Ursachen forscht, wurde in immer grösserem Mass wirksam tätig. Es wurden Fragen gestellt, für die es anscheinend keine oder keine einfachen Antworten gibt; eine Denkergruppe in Indien wurde zum Mittelpunkt solcher Fragen, die auch von Denkern in andern Ländern angegangen wurden. Man warf die uralten Fragen auf: Warum gibt es allerorten und im Leben eines jeden Menschen Sorge und Elend? Was sind die Ursachen dafür? Was soll man tun, um diese unerfreulichen Lebenstatsachen zu ändern? Was im Menschen ist das integrierende Prinzip, also die Kraft, die ihn zusammenhält? Was ist die Seele? Gibt es ein eigenbewusstes Selbst im Einzelmenschen? Da kam Buddha und gab die Antworten und legte den Grund für eine aufgeklärtere Lebensauffassung; er brachte die Lehren, die das Tor zur Lehrtätigkeit (106) Christi öffnen würden, und er wusste dass Christus in seine Fussstapfen treten würde.

Es ist interessant, daran zu erinnern, dass bei Buddha's Erscheinen etwa fünfhundert Jahre vor Christus (denn das genaue Geburtsdatum Christi ist noch immer strittig) der erste schwache Kraftstrom des Fische-Zeitalters zu verspüren war, wie er gegen die machtvolle Qualität des Aries-Zeitalters (des Bockes oder Widders) vorstiess. Es war dem Einfluss dieses Zeitalters - das während der ganzen jüdischen Religionsordnung in Wirkung blieb - zuzuschreiben, dass die einfache Lehre Christi (bei seinem Kommen) entstellt wurde. Er wurde der Welt irrtümlich als «der lebendige Sündenbock» hingestellt, der die Sünden der Menschen wegnimmt; so entstand die Doktrin von der «stellvertretenden Entsühnung». Es war Paulus, der für die Betonung dieser Vorstellung verantwortlich ist. Ein weiteres Beispiel einer ähnlichen Entstellung, die mit der genannten parallel läuft und ebenfalls jüdischen Ursprungs ist, trat in den Anfangsstadien des Widder-Zeitalters in Erscheinung. Es wird uns berichtet, dass die Kinder Israels vor dem goldenen Kalb - dem Symbol des Taurus oder Stieres - niederfielen und es anbeteten. Das Stier-Zeitalter war der vorhergehende astronomische Zyklus; das sind astronomische Zeitabschnitte und haben nichts mit Astrologie zu tun. Zu Anfang des Widder-Zeitalters fiel die Lehre in die der Stier-Periode zurück, und zu Beginn des Fische-Zeitalters lebte die Lehre der vergangenen Widder-Epoche wieder auf. So wurde in der Lehre ein Rücktritt besiegelt, der noch heute in den Meinungen so vieler orthodoxen Christen herrscht. Buddha beantwortete die zu jener Zeit gestellten Fragen mit der Verkündigung der «vier edlen Wahrheiten», die auf die menschlichen Spekulationen über das «Warum» eine ewig gültige und befriedigende Antwort geben. Diese Wahrheiten können wie folgt zusammengefasst werden: Buddha lehrte, dass Not und Leid von den Menschen selbst verschuldet seien, und dass die Ursache aller Verzweiflung, allen Hasses und Wettstreites darin zu suchen sei, dass der Mensch sein ungezügeltes Verlangen auf unerwünschte, vergängliche und materielle Dinge konzentriert; aus diesem Grund (107) befindet sich der Mensch in den Gefilden des Todes, im Reich des rein physischen Lebens, das der wahre Tod für den Geist ist. Er steuerte einen einzigartigen Beitrag zu den Lehren von Herkules und Vyasa bei und verstärkte den sinnvollen Aufbau der Wahrheit, den diese beiden Lehrer errichtet hatten. So bereitete er den Weg für Christus. In der Zeit zwischen den beiden grossen Lehrern Buddha und Christus erschienen Lehrer von kleinerem Format, welche die schon vorhandenen grundsätzlichen Wahrheiten ausführlicher darstellten. Von diesen war einer der bedeutendsten Shankaracharya, der tiefgründige Unterweisungen über das Wesen des wahren Selbstes gab. Auch Sri Krishna, der Lehrer in der Bhagavad Gita, muss hier genannt werden, denn viele sehen in ihm eine frühere Inkarnation von Christus.

Solcherart wurden immer wieder die fundamentalen Wahrheiten, auf denen sich unsere Beziehungen zu Gott (und damit zu unseren Mitmenschen) aufbauen, von einem Gottessohn verkündet, der - in der jeweiligen Weltperiode - Lehrer und Führer der geistigen Hierarchie ist.

Als die Zeit erfüllet war, kam Christus und verkündete der Welt (hauptsächlich durch seine Jünger) zwei grosse Wahrheiten: Einmal die Tatsache von der Existenz der menschlichen Seele, zum andern ein System von Dienstleistungen (diese Redewendung ist mit Absicht gewählt) als ein Mittel, um rechte menschliche Beziehungen herzustellen, - zu Gott und zu den Mitmenschen. Er tat den Menschen kund, dass sie alle Gottessöhne seien, im selben Sinn wie er; auf oft symbolische Art und Weise sagte er ihnen, wer und was er sei, und gab ihnen die Versicherung, dass sie grössere Dinge tun könnten, als er vollbracht habe, da sie gleich ihm göttlichen Ursprunges seien. Diese «grösseren Dinge» wurden von der Menschheit auf der physischen Ebene bereits vollbracht; der Mensch lernte die Natur beherrschen, wie Christus es voraussah. Er wusste, wie sich das Gesetz der Evolution auswirken würde. Er lehrte sie, dass tätiges Dienen der Schlüssel zu einem Leben der Befreiung ist; er zeigte ihnen (108) die Methode dieses Dienens durch das Beispiel seines eigenen Lebens: Er ging umher, tat Gutes, heilte die Kranken, und er lehrte und predigte von den Dingen des Gottesreiches, und speiste die Hungrigen, physisch und geistig. Er machte das Leben eines jeden Tages zu einer göttlichen Sphäre lebendiger Geistigkeit und gab damit der Lehre Buddha's wirksamen Nachdruck, denn er beanspruchte nichts für sein persönliches Selbst. Das war der Weg, wie Christus lehrte, liebte und lebte, und solcherart setzte er die grosse Reihe der Offenbarungen und des hierarchischen Lehrwerkes fort. Dann entschwand er unseren Blicken hinter dem Schleier, aber er hinterliess uns als Vorbild, dass wir seinen Fussstapfen folgen sollten (1. Petrus 2, 21). Wir sollen ihm folgen in seinem Glauben an Göttlichkeit, in seinem werktätigen Dienen und in der Fähigkeit, in jene Bewusstseins-Region und in jenen Tätigkeitsbereich vorzudringen, den wir die wahre Kirche Christi, die (derzeit unsichtbare) geistige Hierarchie unseres Planeten, das wahre Reich Gottes nennen. Der Schleier, der diese wirkliche Kirche vor unseren Augen verbirgt, ist im Verschwinden begriffen, und Christus ist nahe daran, wiederzukommen.

Wenn wir das Licht berücksichtigen, das in der Vergangenheit gebracht wurde, und wenn wir die derzeitige Notlage der Menschheit bedenken, die Christus und die Hierarchie zu meistern haben, dann erhebt sich die Frage: Welche Lehre wird er dieses Mal bringen? So fragen sich heute seine Jünger. Es ist wahrscheinlich, dass seine Lehre aus vier Teilen bestehen wird. Wir tun gut daran, jeden einzelnen zu betrachten und unser bestmöglichstes zu versuchen, um sie zu verstehen, und um das Denken der Menschen dafür vorzubereiten, was er uns zu geben hat.

I. Die Herstellung rechter menschlicher Beziehungen

Der Ausdruck «rechte menschliche Beziehungen» wird heutzutage viel diskutiert; man erkennt immer mehr, dass diese ein dringendes Erfordernis und die einzige Hoffnung für eine friedvolle und gesicherte Zukunft sind. Unrichtige Beziehungen unter den Menschen haben eine solche Menge von Schwierigkeiten verursacht, dass sich heutzutage alle Schichten in einem Zustand chaotischer Unruhe befinden. Jede Seite des täglichen (109) Lebens ist davon betroffen: Das Leben in der Familie und in der Gemeinde, geschäftliche Beziehungen, religiöse und politische Zusammenkünfte, Massnahmen der Regierung und das gewohnte Leben aller Völker, nicht zu vergessen das gesamte Gebiet internationaler Beziehungen. Wo man hinblickt, überall ist Hass, Konkurrenz, Mangel an Anpassung, Hader unter den Parteien, gemeinste Art, schmutzige Dinge aufzurühren und Skandale anzustiften, abgrundtiefes Misstrauen zu säen zwischen Menschen und Nationen, zwischen Kapital und Arbeit sowie innerhalb der einzelnen Sekten, Kirchen und Religionen. Der Unterschied zwischen einer Sekte und einer Kirche ist nur ein gradmässiger und unterliegt nur der Bewertung der historischen Gründungszeit; dabei spielen andersartige Auslegungen, fanatisches Anklammern an eine Lieblingswahrheit eine grosse Rolle, in jedem Fall aber Ausschliesslichkeit, - eine Untugend, die der christlichen Lehre genau entgegengesetzt ist. Nirgends findet man Frieden und gegenseitiges Verständnis. Nur eine verschwindend kleine Zahl (von der Gesamtbevölkerung der Erde) kämpft für jene Bedingungen und Voraussetzungen, die zu friedlichen und freudvollen Beziehungen führen werden.

Die Stärke dieser kämpfenden Minderheiten, die sich um Frieden und rechte Beziehungen mühen, liegt darin, dass die Arbeit, die sie zu leisten versuchen, mit den Absichten und Zielsetzungen Gottes übereinstimmt. In dieses Chaos widerstreitender, rivalisierender und einander bekämpfender Parteien beabsichtigt nun Christus zurückzukommen. Ich möchte einen jeden bitten, sich einmal dieses wahre Grauen und Entsetzen vorzustellen, das ihm bevorsteht. Es 

muss erst in der Welt ein gewisses Mass von Ordnung geschaffen werden, und es müssen gewisse Grundsätze formuliert und - wenigstens teilweise - angenommen sein, bevor er sich unter Menschen nutzbringend betätigen kann. Wenn er in diesen Tagen käme, würde seine Stimme nicht gehört werden, denn noch ist der Lärm all dieser zankenden und streitenden Menschen zu gross. Wenn er versuchen würde, die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zu lenken, selbst mit Trompetenschall, wie es prophezeit ist (Matth. 24, 31), was würde geschehen? Man würde ihn einfach in die Kategorie jener einstufen, die für sich selbst Reklame machen. Wenn er jetzt predigen und lehren würde, so würde er in erster Linie diejenigen zu sich ziehen, die mit seiner Botschaft übereinstimmen; oder er würde leichtgläubige glaubensselige Herdenmenschen in Scharen um sich sammeln, wie es immer der Fall ist, (110) wenn ein neuer Lehrer erscheint, ganz gleich, was er lehren mag. Die grosse Masse der Menschen ist noch zu hungrig, seelisch zu arg mitgenommen, zu sehr verwirrt und bedrängt und noch allzu ungewiss über ihre Zukunft, Freiheit und Sicherheit, als dass sie heute seiner Stimme lauschen könnte.

Er wird nicht kommen, - dessen können wir gewiss sein - als sieghafter Held, wie es die Theologen in ihren Auslegungen glauben machen, denn so wäre es unmöglich, ihn als den zu erkennen, der er ist; man würde ihn einfach als eine weitere militärische Figur klassifizieren, deren wir mehr als genug hatten. Er wird auch nicht als der Messias der Juden kommen, um das sogenannte heilige Land und die Stadt Jerusalem für die Juden zu bewahren; er gehört der ganzen Welt, und weder Juden noch irgendwelche andere Völker haben da ein Vorrecht oder können einen besonderen Anspruch auf ihn erheben. Er wird auch nicht kommen, um die «Heiden» zu bekehren, denn nach seiner und seiner Jünger Ansicht gibt es keine heidnische Welt; die sogenannten Heiden weisen in ihrer Geschichte weniger bösartige Konflikte auf als die kampflustige christliche Welt. Die Geschichte der christlichen Nationen und der christlichen Kirchen ist voller Angriffslust und Kriegsgeist, - wahrlich das Letzte, was Christus als wünschenswert erachtet hätte, als er seine Kirche auf Erden zu errichten suchte.

Als er damals kam, sagte er (und seine Worte sind arg missdeutet worden): «Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern ein Schwert (Matth. 10, 34). Das wird ganz besonders in den ersten Tagen seines Kommens zutreffen. Das Schwert, das er schwingt, ist das Schwert des Geistes; es ist das Schwert, das wahre Geistigkeit und den gewohnten Materialismus spaltet und voneinander scheidet. Der hauptsächliche Sinn und Zweck seiner Wiederkunft wird ganz gewiss der sein, überall die Auswirkungen eines «Geistes der Einbeziehung» aufzuzeigen, einer allumfassenden inneren Verbundenheit, die durch ihn selbst zum Ausdruck kommen wird. Alle diejenigen, die rechte menschliche Beziehungen erstreben, werden sich ganz von selbst um ihn scharen, (111) ganz gleich, ob sie einer der grossen Weltreligionen angehören oder nicht. Alle, die zwischen den einzelnen Religionen oder Menschen oder Nationen keine grundsätzlichen Unterschiede sehen, werden sich bei ihm einfinden. Gleicherweise werden sich alle diejenigen, die sich von anderen abschliessen und dem Geist der Absonderung huldigen, ganz von selbst blossstellen, und ein jeder wird wissen, wes' Geistes Kinder sie sind. Das spaltende Schwert des Geistes wird - ohne zu verletzen - alles aufdecken und auf die ersten notwendigen Schritte zur menschlichen Erneuerung hinweisen.

Christus steht im Brennpunkt des von Buddha, vom Geist des Friedens und vom Avatar der Synthese gebildeten Dreiecks; die Wirkung der von ihm ausströmenden Energie wird daher so stark sein, dass der Unterschied zwischen Liebe und Hass, Aggression und Freiheit, selbstsüchtiger Gier und Teilen mit anderen vor aller Augen klar zutage treten wird; kurz, der Unterschied zwischen Gut und Böse wird in gleicher Weise sichtbar werden. Der bittende Anruf: «Aus dem Quell der Liebe im Herzen Gottes ströme Liebe aus in alle Menschenherzen» wird erhört sein. Christus wird in die Welt der Menschen die Machtfülle und besonders Energie der intuitiven Liebe einströmen lassen. Die Folgen dieser Austeilung werden zweifach sein:

1. Ungezählte Menschen in jedem Land werden sich in Gruppen zusammenschliessen, um die Gesinnung guten Willens zu fördern und rechte menschliche Beziehungen anzubahnen. Ihre Zahl wird so gross sein, dass sie von einer kleinen und verhältnismässig unbedeutenden Minderheit zum grössten und einflussreichsten Machtfaktor in der Welt anwachsen werden. Dieser Einfluss wird es der Neuen Gruppe der Weltdiener ermöglichen, erfolgreich zu arbeiten.

2. Diese aktive Energie liebenden Verstehens wird eine gewaltige Gegenwirkung gegen die Allgewalt des Hasses auslösen. Man wird Hass, (112) Selbstsucht und Absonderung als die einzige Sünde ansehen; man wird erkennen, dass alle Sünden, wie sie heute als falsche Handlungen aufgezählt und gewertet werden, ihre Wurzel im Hass oder dessen Ausfluss haben, nämlich im antisozialen Bewusstsein. Hass und alles, was sich davon ableitet, ist die wahre Sünde gegen den Heiligen Geist, worüber die Bibelerklärer so lange debattiert haben; in ihrer Beschränktheit haben sie die Einfachheit und Angemessenheit der wahren Definition ganz übersehen.

Die Allgewalt des hierarchischen, geistigen Impulses, der in Christus und seinen tätigen Jüngern seinen Brennpunkt hat, wird überwältigend sein; der Nutzen, die Brauchbarkeit und die natürliche Gegebenheit rechter menschlicher Beziehungen werden so augenfällig sein, dass strittige Fragen in der Welt sehr rasch bereinigt werden und die neue Ära des guten Willens und Friedens auf Erden ihren Einzug halten wird. Dann wird die neue Kultur und die neue Zivilisation möglich sein.

Das ist nicht das Bild eines optimistischen, mystischen und unmöglichen Geschehens. Es gründet sich nicht auf Wunschgedanken oder blinder Hoffnung. Schon heute predigen die Jünger Christi die Lehre von den rechten menschlichen Beziehungen; Menschen guten Willens bemühen sich aufzuzeigen, dass wahrer Friede nur durch guten Willen in die Arena des internationalen Lebens hineingetragen werden kann. «Das erwachte Leben der Seele», das Christus den denkenden Menschen der Welt dartun wird, lässt keinen Raum für Exklusivität oder separatistische Tendenzen; das «Leben in grösserer Fülle» (das er uns zuleiten möchte) ist nämlich ein ungehemmter Strom, der alle Hindernisse und Schranken hinwegfegt und den Weg bahnt für Wahrheit und Leben; die wesentliche Qualität dieser beiden Energien aber ist Liebe.

Alle (113) Weltreligionen setzen als Tatsache voraus, dass Gott im innersten Wesen Liebe ist, und dass er auch Leben und Intelligenz ist. Dieses Leben trägt in sich die wesentliche Eigenschaft des göttlichen Willens und der göttlichen Liebe. Beide sind von gleicher Bedeutung, da dieser Wille von Liebe durchdrungen ist. Bis heute hat der Mensch vom tatsächlichen Wesen des lebendigen Seins (oder seelendurchdrungenen Lebens), das von den Energien Liebe und Willen genährt wird, noch nichts gewusst, - abgesehen von einigen unklaren theoretischen Vorstellungen. Das Wiedererscheinen Christi wird die Tatsache dieses Lebens im göttlichen Sein erbringen. Das Werk, das Christus mit Hilfe seiner Jünger vollbringen will, wird die Liebe und den göttlichen Zweck, die aller Erfahrung in der Erscheinungswelt zugrundeliegen, augenfällig dartun.

Die Schaffung rechter menschlicher Beziehungen ist ein Aspekt des göttlichen Willens für die Menschheit; sie sind die nächste Phase göttlicher Wesensäusserung, die sich in den vielen menschlichen Angelegenheiten, - im individuellen, kommunalen, nationalen und internationalen Leben - manifestieren wird. Niemals hat bisher etwas diese göttliche Wesensäusserung verhindern können, höchstens der Zeitfaktor; und dieser zeitliche Faktor wird von der Menschheit selbst bestimmt, denn er ist ein Ausfluss des gottgegebenen freien Willens. Die beabsichtigte göttliche Wesensäusserung kann schnell oder langsam in Erscheinung treten, je nachdem, wie sich der Mensch entscheidet. Bisher hat sich der Mensch für ein langsames, ein sehr langsames Manifestations-Tempo entschieden; eben darin zeigt sich die Freiheit des menschlichen Willens. Da Göttlichkeit in allen Formen, also auch in den Menschen lebt, muss sich dieser Wille einmal erfüllen. Esoterisch gesprochen: Die derzeit so starke materielle Tendenz aller Erscheinungsformen ist schuld daran, dass sich die Wesensäusserung dieses Willens bisher verzögert hat; die Menschen waren bisher noch nicht gewillt, rechte menschliche Beziehungen herzustellen. Daher die Zuchtrute des Krieges, die Qualen, denen alle Erscheinungsformen ausgesetzt waren, und daher unser heutiges klägliches Leben!

Alle diese Faktoren verursachen eine grosse und allgemeine (114) Umwandlung; geistig eingestellte Menschen können die Anzeichen hierfür leicht feststellen. Solche Leute wiederholen ständig die Worte, die Christus im Garten von Gethsemane sprach: «Möge Gottes Wille geschehen» (Matth. 26, 39). Sie sagen es, ohne sich dabei etwas zu denken, und oft ohne jede Hoffnung. Nichtstdestoweniger zeigt dies, dass sich eine allgemeine Neu-Orientierung, ein Sich-fügen und Dreinfinden anbahnt. Christus zeigte diese Ergebung mit den Worten: «Ich bin nicht gekommen, um meinen Willen auszuführen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat» (Joh. 6, 38). Er bewies sein Sich-fügen mit dem Ausruf: «Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe.» Demütige Ergebung trägt das wesentliche Merkmal einer durch Umstände herbeigeführten Unterwerfung in sich, einer Einwilligung in das auferlegte Ungemach, auch wenn es nicht völlig verstanden wird. «Sich-dreinfügen» indes weist auf ein intelligentes Verstehen hin, und das ist ein Zeichen grossen Fortschrittes. Beide Eigenschaften sind Zeugen für die Tatsache, dass der göttliche Wille das Leben der heutigen Menschheit überschattet; beide bahnen das notwendige Verständnis für Christi Werk an, das die Herstellung rechter menschlicher Beziehungen zum Ziel hat. In der heutigen Zeit fügt sich die Menschheit in Gottes Willen nur in einer negativen Weise. Wahre Ergebung ist eine positive Haltung geistiger Erwartung, die schliesslich zur Aufgabe des Widerstandes, zur positiven Einwilligung führt.

Es ist auch überall ein Zustand geistiger Erwartung festzustellen; diese zu steigern und zu verstärken ist ein Teil der Aufgabe der Neuen Gruppe der Weltdiener. Sie sollen ferner bei den Massen die beiden Eigenschaften fördern, sich geistig zu ergeben und sich intelligent dreinzufügen. Normalerweise sind die Massen in zwei Kategorien geteilt, die diese beiden Einstellungen zum Ausdruck bringen. Ergebung, Fügung und Erwartung ruhen verborgen in allen Menschen. Diese drei göttlichen, latenten Eigenschaften werden die Menschheit für die Botschaft Christi empfänglich machen. Selbstlose Opfer, Kompromissbereitschaft und Verständnis für die vielen und verschiedenartigen Gesichtspunkte (die zur Schaffung rechter menschlicher (115) Beziehungen notwendig sind), werden dann bei weitem nicht mehr so schwerfallen.

Es dürfte für uns alle nützlich sein, über die Faktoren nachzudenken, die in «Ergebung» und «Fügung» zum Ausdruck kommen. In der Herstellung rechter menschlicher Beziehungen sind alle die Eigenschaften mit inbegriffen: Verzicht, Entsagung, Unterwerfung unter bestehende Tatsachen und gehorsame Fügung in das göttliche Gesetz. Das sind die Eigenschaften, die Christus bei seinem früheren Hiersein dargetan hat; und er wird der Menschheit helfen. dass sie sich diese Charakterzüge mit Verständnis und Begeisterung zu eigen macht. Die Folge davon wird ein körperliches Glücksgefühl sein. Glücklich sein ist eine schwierige Lektion; die man erst lernen muss; es ist für die Menschheit ein völlig neues Erlebnis. Christus wird erst die Menschen lehren müssen, wie man richtig glücklich ist, die alten, jämmerlichen Lebensgewohnheiten aufgibt, wie man also den Sinn wahrer Freude kennen lernt. Christus kommt indes nicht bloss deshalb, um den Menschen einfach die Notwendigkeit für rechte menschliche Beziehungen aufzuzeigen; er will sie vielmehr lehren, wie sie selbst diese Beziehungen erfolgreich herstellen können.

II. Christus wird das Gesetz der Wiedergeburt lehren

Dieses Gesetz ergibt sich als natürliche und hauptsächliche Folge aus dem Evolutions-Gesetz. Es ist im Westen niemals begriffen oder richtig verstanden worden; und im Osten, wo es als ein bestimmendes Lebens-Prinzip anerkannt ist, hat es sich nicht als zweckmässig erwiesen, weil es in seinen Auswirkungen einschläfernd und dem Fortschritt nachteilig war. Der Studierende des Ostens sieht in dem Gesetz einen kosmischen Ablauf, demzufolge er noch sehr viel Zeit hat; diese Einstellung hat den drängenden Impuls, ein Ziel zu erreichen, unwirksam gemacht. Der durchschnittliche Christ verwechselt das Gesetz der Wiedergeburt mit der «Seelenwanderung» (wie er es nennt) und nimmt häufig an, dass dieses Gesetz der Wiedergeburt das Verpflanztwerden eines menschlichen Wesens in den Körper eines Tieres oder sogar in noch niedrigere Lebensformen bedeute. Das ist nie und nimmer der Fall. Gottes Leben (116) entfaltet sich Stufe um Stufe, von niederen zu immer höheren Erscheinungsformen. In den niederen Lebensbereichen (unterhalb des Menschengeschlechtes) geht das Leben aufsteigend von mineralischen in pflanzliche Erscheinungsformen über, und von pflanzlichen in tierische; von der Stufe tierischer Formen geht sodann das Leben ins Reich der Menschen über, und von hier an unterliegt es dem Gesetz der Wiedergeburt, aber nicht dem Gesetz der Seelenwanderung. Diejenigen, die über das Gesetz der Wiedergeburt (oder Re-inkarnation) wirklich etwas wissen, müssen über ein solches Missverständnis lächeln.

Die Lehre oder Theorie der Wiederverkörperung erfüllt den orthodoxen Christen mit einem Schauder. Aber wenn man ihm (wie die Jünger dem Christus) die Frage wegen des blinden Mannes vorlegt: «Meister, wer hat gesündigt, dieser Mann oder seine Eltern, dass er blind geboren ist?» (Joh. 9, 2), dann lehnt er es ab, daraus die Folgerung zu ziehen; er zeigt sich darüber belustigt oder bestürzt, wie es eben der Fall sein mag. Die Art und Weise, wie der Durchschnitts-Okkultist oder theosophische Erklärer diesen Gedanken der Welt aufgetischt hat, ist im ganzen beklagenswert; die Sache wurde auf höchst unintelligente Art dargelegt. Man kann ihnen höchstens zugute halten, dass sie das grosse Publikum mit dieser Theorie vertraut gemacht haben. Hätte man die Lehre von der Wiedergeburt in einer verständnisvollen Art vorgebracht, dann wäre sie in der westlichen Welt in grösserem Umfang angenommen worden.

Wenn das Ziel rechter menschlicher Beziehungen von Christus als allgemeingültig hingestellt wird, dann muss er in seiner Lehre allen Nachdruck auf das Gesetz der Wiedergeburt legen. Das ist ganz unvermeidlich, denn in der Anerkennung dieses Gesetzes finden alle menschlichen Probleme ihre Lösung und viele Fragen ihre Antwort.

Diese Lehre wird einer der Grundgedanken in der neuen Weltreligion sein und eine aufklärende Kraft, um die Weltangelegenheiten besser zu verstehen. Als Christus früher persönlich hier war, betonte er die Tatsache der Seele (117) und den Wert des Menschen als Einzelwesen. Er sagte, dass der Mensch durch das Leben der Seele und den «Christus im Menschenherzen» befreit werden könne. Er erklärte auch: «Wenn der Mensch nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen» (Joh. 3, 3). Nur Seelen können Bürger dieses Reiches sein, und er zeigte dieses Vorrecht, als Seele zu wirken, der Menschheit zum ersten Mal als Ziel auf; damit übermittelte er den Menschen die Vision einer gottgegebenen Möglichkeit, die sie unzweifelhaft erleben würden. Er sagte ihnen: «Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist» (Matth. 5, 48).

Diesmal wird er den Menschen die Methode lehren, nach welcher diese Möglichkeit zur vollendeten Tatsache werden kann: Durch die ständige Wiederkehr der inkarnierenden Seele in die Schule des irdischen Lebens wird die Seele einem Prozess der Vervollkommnung unterworfen; dafür war Christus selbst ein hervorragendes Beispiel. Das ist der Sinn und die Lehre von der Wiederverkörperung. Dane Rudhyar gibt in seinem Buch «Neue Gebäude für neue Menschen» eine zufriedenstellende Definition über diesen geheimnisvollen kosmischen und menschlichen Vorgang. Der Autor sagt: «Es ist unvermeidlich, dass der individuelle Aufbau in der neuen Inkarnation von all dem bestimmt ist, was in der Vergangenheit nicht erfüllt wurde, was übrigblieb, unterlassen wurde und fehlschlug; und all dies ist in den Archiven der Natur, im Gedächtnis der universellen Substanz niedergelegt und aufbewahrt.» Mit diesen wenigen Worten ist deine, meine und jedermanns Geschichte behandelt.

Man sollte nicht vergessen, dass praktisch alle okkulten Gruppen und Schriften in unsinniger Weise die vergangenen Inkarnationen und deren zeitliche Aufeinanderfolge betont haben; diese jeweilige Wiederkehr kann von niemandem verstandesmässig nachgeprüft werden, denn ein jeder kann sagen und behaupten, was immer er will. Man baute die Lehre auf nur eingebildete Regeln auf, von denen man annahm, dass sie der Zeitformel entsprechen und das Intervall zwischen den Inkarnationen bestimmen könnten; man vergass jedoch, dass Zeit nur ein Produkt des Gehirnbewusstseins ist, und dass es, vom Gehirn losgelöst, keine Zeit gibt. Man hat Zusammenhänge vorgebracht und immer wieder betont, die nur erdichtet waren. Was bis heute über die Wiederverkörperungs-Lehre veröffentlicht worden ist, hat mehr Schaden (118) angerichtet als Nutzen gebracht. Nur ein Faktor ist dabei von Wert: das Gesetz der Wiedergeburt wird jetzt von vielen Menschen erörtert, und dessen Existenz wird von Tausenden angenommen.

Ausser der Tatsache, dass es dieses Gesetz gibt, wissen wir wenig; diejenigen, die aus Erfahrung wissen, dass dieses «Wiederkommen» eine unleugbare Tatsache ist, lehnen alle diese sinnlosen und unwahrscheinlichen Einzelheiten, wie sie von okkulten und theosophischen Gesellschaften verbreitet werden, nachdrücklich ab. Das Gesetz als solches existiert; wir wissen aber bis jetzt noch nichts darüber, wie es sich in Einzelheiten auswirkt. Es können darüber nur einige exakte Angaben gemacht werden, und diese wenigen Feststellungen verdienen keinen Widerspruch:

1. Das Gesetz der Wiedergeburt ist ein grosses Naturgesetz auf unserem Planeten.

2. Es ist ein Prozess, der durch das Gesetz der Evolution veranlasst wurde und in Übereinstimmung damit weiterläuft.

3. Es steht in enger Beziehung zum Gesetz von Ursache und Wirkung und wird durch dieses bedingt.

4. Es ist ein Werdegang fortschreitender Entwicklung, der die Menschen befähigt, von den groben Formen eines gedankenleeren Materialismus sich zu einer geistigen Vollkommenheit und zu einer mentalen Aufnahmefähigkeit emporzuentwickeln, und sie in die Lage versetzt, Mitglieder des Reiches Gottes zu werden.

5. Es erklärt die Unterschiede unter den Menschen und macht einem klar - in Verbindung mit dem Gesetz von Ursache und Wirkung (im Osten Gesetz des Karma genannt) -, warum es so verschiedenartige Lebensumstände und Einstellungen zum Leben gibt.

6. Es bringt den Willens-Aspekt der Seele zum Ausdruck und ist nicht das Ergebnis einer Entscheidung, die aus dem materiellen Formdasein herkommt; es ist die Seele in allen Erscheinungsformen, die sich wiederverkörpert, die sich einen zweckdienlichen physischen, emotionellen und (119) mentalen Körper auswählt und aufbaut, mit Hilfe derer die nächsten notwendigen Lektionen gelernt werden sollen.

7. Das Gesetz der Wiedergeburt wirkt sich (soweit es die Menschheit betrifft) auf der Seelen-Ebene aus; der Vorgang der Wiederverkörperung wird von derjenigen Ebene aus in Gang gebracht und geleitet, auf der die Seele lebt, also in der mentalen Welt.

8. Seelen inkarnieren in Gruppen, in zyklischer Folge und gemäss dem Gesetz, um rechte Beziehungen zu Gott und den Mitmenschen zu erlangen.

9. Die nach dem Gesetz der Wiedergeburt fortschreitende Entfaltung wird grösstenteils vom mentalen (Denk-)Prinzip bestimmt, denn «wie ein Mensch in seinem Herzen denkt, so ist er.» Diese wenigen Worte sollten sehr ernsthaft bedacht werden.

10. Gemäss dem Gesetz der Wiedergeburt entwickelt sich langsam das menschliche Denken; dieses beginnt dann die Gefühlsnatur (den emotionellen Körper) zu beherrschen, und enthüllt schliesslich dem Menschen die Seele, deren Wesen und Welt.

11. An diesem Markstein seiner Entwicklung fängt der Mensch an, den «Weg zurück» zu wandeln, und wendet sich (nach vielen Inkarnationen) immer mehr dem Reich Gottes zu.

12. Wenn einmal ein Mensch - durch eine entwickelte Denkungsart, durch Weisheit, praktische Dienstleistungen und tiefes Verstehen - gelernt hat, nichts mehr für sein eigenes Ich zu verlangen, dann gibt er die Sehnsucht nach dem Leben in den drei Welten auf und ist damit vom Gesetz der Wiedergeburt befreit.

13. Er besitzt nun ein Gruppen-Bewusstsein, er weiss, welcher Gruppe seine Seele angehört, und erkennt die Seele in allen Erscheinungsformen; er hat nun - wie es Christus verlangt hatte - einen Grad von Christus-ähnlicher Vervollkommnung erreicht, die ihn hingelangen lässt «zum Vollmass des Wuchses in der Fülle Christi» (Eph. 4, 13).

Kein (120) vernünftiger Mensch wird über diese allgemeinen Angaben hinauszugehen versuchen. Wenn Christus wiederkommt, werden unsere Kenntnisse viel genauer und wirklichkeitsnäher werden; wir werden dann wissen, dass wir von Ewigkeit her mit allen Seelen verbunden sind, und dass wir eine ganz bestimmte innere Beziehung zu all denen haben, die sich mit uns wiederverkörpern, die mit uns die gleichen Lektionen lernen und mit uns Erfahrungen machen und Versuche anstellen. Sobald einmal dieses Wissen erwiesen und angenommen ist, wird es die wahren Quellen unseres menschlichen Lebens erneuern. Wir werden dann wissen, dass die Ursache all unserer Schwierigkeiten und Probleme in unserem Unvermögen liegt, dieses fundamentale Gesetz mit seinen Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen klar zu erkennen; wir werden dann nach und nach lernen, wie wir unsere Tätigkeiten durch dessen gerechte und alles in Schranken haltende Macht lenken und leiten sollen. Im Gesetz der Wiedergeburt liegt das praktische Wissen, das die heutigen Menschen dringend benötigen, um in richtiger und korrekter Weise ihr religiöses, politisches, kommunales und privates Leben zu führen, und um demgemäss mit dem göttlichen Leben in allen Erscheinungsformen rechte Beziehungen herzustellen.

III. Die Enthüllung der Einweihungs-Mysterien

Vieles, was hier geschrieben und mitgeteilt wurde, hat eigentlich mit dem Erscheinen des Reiches Gottes zu tun, und dieses Erscheinen in der Sichtbarkeit ist jetzt aus folgenden drei Gründen möglich:

1. Dieses Reich Gottes ist auf Erden im Wachstum begriffen; Tausende erkennen dessen Gesetze und sind bestrebt, nach diesen Grundsätzen und in seinem Geist zu leben.

2. Die Zeichen der Zeit und die weitverbreitete Not der Menschheit haben die Hilfe Christi aufgerufen; auf Grund dieser Tatsache hat er sich entschlossen, wiederzukommen.

3. Zu allen (121) Stunden steigen die bittenden Anrufe der Menschheit «zur verborgenen Stätte des Allerhöchsten» auf. Sobald Christus kommt und das geistige Gesetz auf Erden wiederherstellt, beabsichtigt die Hierarchie, öffentlich in Erscheinung zu treten. Die Zeit ist da, um die uralten Mysterien wieder einzusetzen.

Diese Tatsachen sind in den letzten Jahren ganz allgemein bekanntgegeben worden, und zwar als Folge davon, dass die Erde durch die Geissel des Weltkrieges (1914-1945) gesäubert und die Menschheit grossem Leid unterworfen worden war; auch der letztere Umstand hatte eine machtvolle, reinigende Wirkung, die sich erst später zeigen wird. Dann wird es für die Hierarchie, die bisher unsichtbare Kirche Christi, möglich sein, nach aussen in Erscheinung zu treten und sich in der Aussenwelt öffentlich zu betätigen. Damit wird es wieder zu einer Situation kommen, wie sie in den Zeiten von Atlantis bestand, als (in der biblischen Symbolik, 1. Mose, Kap. 2 und 3) Gott selbst unter den Menschen wandelte; er sprach mit ihnen, und da gab es keine Schranken zwischen dem Menschenreich und Gottes Reich. Damals gab es Göttlichkeit in sichtbarer, physischer Form, und die Mitglieder der geistigen Hierarchie führten und lenkten die Belange der Menschheit, soweit es die angeborene menschliche Freiheit erlaubte. Jetzt wird sich in naher Zukunft auf einer höheren Wendung der Lebens-Spirale genau dasselbe wiederholen Die Meister werden offen unter den Menschen wandeln, und Christus wird in körperlicher Gestalt wiedererscheinen. Ein weiteres Ereignis wird die Wiederherstellung der alten Mysterien sein; die alten Marksteine werden wieder erkannt werden, jene Symbole, die das Freimaurertum so ernstlich bewahrt hat, und die auch jetzt noch in den rituellen Gebräuchen der Freimaurer sorgsam gepflegt werden, in Erwartung des Tages, da sie wieder erneuert und aufgerichtet werden.

Diese (122) uralten Mysterien waren ursprünglich der Menschheit von der Hierarchie gegeben worden; sie enthalten den vollständigen Schlüssel zum evolutionären Fortschritt, verhüllt in Zahlen, Ritualen Worten und Symbolen, die das Geheimnis über des Menschen Ursprung und Bestimmung verbergen. In feierlichen Gebräuchen und Zeremonien ist da der lange, lange Weg geschildert, den der Mensch zu gehen hat, zurück zum Licht. Die Riten enthalten (bei richtiger Deutung und Darstellung) die von der Menschheit benötigten Lehren, um «aus dem Dunkel ins Licht, vom Unwirklichen zum Wirklichen und vom Tod zur Unsterblichkeit» zu gelangen. Jeder wahre Freimaurer, der - wenn auch nur in geringem Mass - die Bedeutung der drei Grade der Blauen Loge und den Sinn der Feierlichkeiten erfasst hat, an denen er teilnimmt, wird in den drei obigen Sätzen («») das erkennen, was sie sind: die Umschreibung dieser drei Grade. Ich erwähne dies hier mit Absicht, denn die Lehre der Freimaurer steht in enger Beziehung zur Wiederherstellung der Mysterien. Diese Lehre hat über viele Zeiten hinweg den Schlüssel zur lange erwarteten Erneuerung bewahrt, sie hat das Fundament, auf dem die notwendigen neuen Lehren fussen können sowie den Aufbau erhalten, der die Geschichte des Menschen darstellen kann, der den Weg zurück zum Licht geht; allerdings müssen darin die jüdischen Namen und die eigenartigen Ausdrücke, die vor dreitausend Jahren richtig waren, aber heute längst veraltet sind, verschwinden.

Diese Mysterien sind es, die Christus bei seiner Wiederkunft erneuern wird. Er wird auf diese Weise die Kirchen in einer neuen Form beleben und die verborgenen Mysterien, die in dem Materialismus der Kirche längst untergegangen waren, wiederherstellen. Auch bei den Freimaurern ist viel von der lebendigen Wirklichkeit, die sie einst besassen, verlorengegangen; sie haben jedoch in ihren Formeln und Riten die Wahrheit bewahrt, so dass diese wieder gefunden werden kann. Das wird Christus ins Werk setzen. Er wird die Mysterien auch noch auf andere Art und Weise beleben; nicht alle Menschen, die ihr geistiges Leben erneuern wollen, werden den Weg zur Kirche oder in die Loge suchen. Die wahren Mysterien werden auch durch die wissenschaftliche Forschung enthüllt werden; der Antrieb (123) dazu wird von Christus kommen. In den Formeln und Lehren der Mysterien liegt der Schlüssel zu jener Wissenschaft, die das Geheimnis der Elektrizität erschliessen wird, - die tiefste geistige Wissenschaft und das grösste Gebiet göttlichen Wissens, von dem der Mensch bisher nur den äusseren Saum berührt hat. Erst wenn die Hierarchie sichtbar auf Erden weilen wird und die Mysterien, deren Hüter die Jünger Christi sind, öffentlich kundgegeben werden, erst dann wird das letzte Geheimnis und das wahre Wesen der elektrischen Erscheinungen enthüllt werden.

Die Mysterien sind letzten Endes die wahre Quelle der Offenbarungen. Das Ausmass der künftigen Offenbarungen kann aber erst dann ungefährdet verstanden und begriffen werden, wenn das Denken und der Wille zum Guten eng verbunden und verschmolzen sind und auf diese Weise das menschliche Verhalten beeinflussen und bestimmen. Es gibt planetarische Energien und Kräfte, die der Mensch noch nicht beherrscht und auch nicht beherrschen kann; er weiss nichts von ihnen, obwohl das Leben des Planeten davon abhängt. Diese Kräfte sind auch mit den verachteten psychischen Anlagen oder Fähigkeiten verwandt, die heute in so törichter Art untersucht und so stümperhaft gehandhabt werden; diese Kräfte werden sich aber bei richtiger Beurteilung und Handhabung als ausserordentlich nützlich für jene Wissenschaften erweisen, die durch die Mysterien erschlossen werden.

Das Geheimnis der grossen Zeitepochen steht infolge der Wiederkunft Christi vor der Enthüllung. Durch die Offenbarung über das Wesen der Seele wird dieses Geheimnis (hinter dem sich das Wissen der Seele verbirgt) gelüftet werden. Die Schriften der Welt haben stets prophezeit, dass wir am Ende der Zeit die Enthüllung des Geheimnisvollen erleben werden, und dass alles, was uns bisher verborgen war, ans helle Tageslicht kommen wird. Wir wissen, dass unsere jetzige Epoche das Ende des Fische-Zeitalters bedeutet. Im Lauf der nächsten zweihundert Jahre werden wir die Idee des Todes abtun, oder vielmehr wir werden unsere bisherige Auffassung über den Tod gänzlich aufgeben, denn die Existenz der Seele wird als unumstössliche Tatsache erwiesen werden. (124) Man wird erkennen und wissen, dass die Seele eine Wesenheit ist, die mit ihren treibenden Impulsen und ihrer geistigen Kraft hinter allen Erscheinungsformen wirkt. Das Werk Christi vor zweitausend Jahren bestand darin, gewisse grosse Möglichkeiten und das Vorhandensein grosser Kräfte (oder mächtiger Faktoren) der Welt bekanntzugeben. Seine Aufgabe beim Wiederkommen wird darin bestehen, diese Möglichkeiten als Tatsachen zu beweisen und die wahre Natur des Menschen und seine gewaltigen Kräfte und Anlagen zu offenbaren. Sein Ausspruch, dass wir alle Söhne Gottes seien und einen einzigen Allvater haben, wird in naher Zukunft nicht mehr als eine wunderschöne mystische und symbolische Äusserung angesehen werden, sondern als eine bewiesene wissenschaftliche Aussage gelten. Unsere universale Bruderschaft und unsere wesensgemässe Unsterblichkeit werden als Tatsachen der menschlichen Natur bewiesen werden.

Der Boden für die grosse Wiederherstellung unter der Leitung Christi wird jetzt vorbereitet. Die Weltreligionen (einschliesslich der christlichen) und die Freimaurer-Organisationen stehen heute vor dem Richterstuhl der öffentlichen Kritik; fast einmütig ist die Feststellung, dass beide in ihrem gottgegebenen Auftrag versagt haben. Man sieht eine neue Vision und eine neue Stellungnahme zu den bestehenden Lebensbedingungen; das kann uns nur Christus lehren und vollbringen helfen, wenn er wiederkommt. Eine altehrwürdige, heilige Schrift sagt dazu:

«Was ein Geheimnis gewesen, soll es nicht länger sein; was bis jetzt verschleiert gewesen, soll nun enthüllt werden. Was sich bisher im Dunkel barg, kommt nun ans Licht und wird dies Licht verstärken; und alle Menschen werden es sehen und sich gemeinsam dessen freuen. Es kommt die Zeit, wenn die Zerstörung ihr wohltätig' Werk getan; dann werden Menschen, leidgeprüft, das suchen, was sie einst verwarfen. In törichtem Bemühen suchten sie das, was nah zur Hand und leicht erreichbar war. Errungener Besitz (125) erwies sich bald als Werkzeug nur des Todes. Doch immer hatten sie das Leben und nie den Tod gesucht.»

Und Christus wird ihnen Leben spenden, Leben im Überfluss.

In unseren Tagen wird über die Geheimnisse der Einweihung viel debattiert. In jedem Land gibt es eine ganze Menge unechter Lehrer, die über die sogenannten Mysterien Vorträge halten, die Pseudo-Einweihungen anbieten (meistens gegen Geld und Diplom) und so die Bevölkerung irreführen. Christus selbst hat uns damals gesagt, dass sich kurz vor seinem Wiederkommen solche Dinge ereignen würden, und dass überall falsche und unberechtigte «Lehrer» auftreten würden. Das alles besagt indes nur, dass er wiederkommt. Nachahmung ist immer der beste Beweis für die Wahrheit. Die vielen Reden, Erörterungen und bombastischen Behauptungen der Pseudo-Okkultisten und die unnützen Bemühungen, «eine Einweihung zu empfangen», (eine von unwissenden, theosophischen Lehrern geprägte, nebelhafte Phrase für ein tiefgeistiges Erlebnis! sind typische Begleiterscheinungen der neueren esoterischen Lehren, die seit 1875 herauskamen. Damals brachte H. P. Blavatsky der westlichen Welt die Tatsache zur Kenntnis, dass es auf Erden grosse Jünger und Meister gäbe, die sich gehorsam der Führung Christi unterwerfen. Sie hat diese Mitteilung später tief bedauert, wie aus einem Schreiben an die esoterische Gruppe hervorgeht. Und doch war alles, was sie tat, ein Teil des grossen Planes, und es war kein Fehler darin. Die Auslegungen und erregten Rückwirkungen bei den Theosophen ihrer Zeit waren der Fehler, den sie bis heute noch nicht zugeben wollen. Diese törichte Reaktion wurde noch durch die menschliche Neugierde verstärkt und gefördert, wobei zweifelsohne auch geistiges Streben wachgerufen wurde; überdies wurde das Thema von habgierigen und selbstsüchtigen Krämerseelen ausgeschlachtet, und das ist auch heute noch der Fall.

(126) Dessenungeachtet haben indes - in der Gesamtwirkung - alle diese albernen Darlegungen und Irrtümer auch ihre gute Seite gehabt. Menschen in allen Ländern wissen heute von der Existenz der Meister und erkennen die gebotene Möglichkeit und Gelegenheit, auf wissenschaftlicher Grundlage geistige Fortschritte zu machen und also Mitglieder des Reiches Gottes zu werden. Die Kirchen haben das ignoriert und haben - besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts - die Wissenschaft als einen Erzfeind angesehen.

Diese ganze Flut von Belehrungen über die Einweihungs-Mysterien hat die Menschheit ganz entschieden für die Lehren vorbereitet, die uns Christus voraussichtlich geben wird, wenn er wieder in physischer Gegenwart unter uns sein wird; einige dieser Belehrungen weisen auf eine verborgene Wahrheit hin, andere sind Erfindungen einer sehnsuchtsvollen Einbildungskraft, und wieder andere sind von Geschäfts-Interessen diktiert worden.

So wenig es der orthodoxe Christ zugeben mag, so ist es doch so, dass die ganze Evangeliengeschichte (mit ihren vier Schilderungen) fast nur symbolische Einzelheiten über die Mysterien enthält, von denen es - soweit die Menschheit in Frage kommt - fünf gibt. Diese Mysterien weisen in Wirklichkeit auf fünf wichtige Zeitpunkte im geistigen Leben eines Aspiranten hin; sie deuten auch fünf wichtige Stadien in der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins an. Diese fortschreitende Entwicklung wird zu einem bestimmten Zeitpunkt im Wassermann-Zeitalter in einer Art und Weise ganz klar werden, wie sie heute noch nicht verstanden werden kann. Die Menschheit, dieser «Weltjünger», wird in den nächsten zweitausend Jahren (mit seinen vielerlei Gruppen auf verschiedenen Entwicklungsstufen) in neue Bewusstseinsbereiche eindringen, in neue Räume oder Sphären mentalen und geistigen Bewusstseins «hineinschreiten».

In der neueren Menschheitsentwicklung hat jede der fünf letzten Epochen ihr Siegel hinterlassen. Vier astronomische Zeitalter sind bereits verflossen: das der Zwillinge, des Stieres, des Widders und der Fische; jetzt tritt das fünfte, das Wassermann-Zeitalter seine Herrschaft an. Im Zwillingszeitalter drückte das symbolische Zeichen der beiden Säulen (127) der damaligen Bruderschaft der Freimaurer sein Siegel auf; die beiden Säulen von Jachin und Boaz - diese jüdischen Benennungen sind natürlich nicht die richtigen - traten vor etwa achttausend Jahren in Erscheinung. Dann kam das Stier-Zeitalter, in welchem der Weltlehrer Mithra erschien und die Mithra-Mysterien mit der (scheinbaren) Stier-Verehrung einführte. Als nächstes folgte das Widder-Zeitalter, in welchem die jüdische Religionsordnung aufkam, die für die Juden sehr wesentlich war, aber unglücklicherweise auch für die christliche Religion Bedeutung erhielt; sie war indes für die ungezählten Millionen von Andersgläubigen in allen Teilen der Welt völlig belanglos. Im Lauf dieses Zeitalters traten auch Buddha, Sri Krishna und Shankaracharya in Erscheinung. Und schliesslich haben wir das Fische-Zeitalter, das uns den Christus brachte. Die Reihenfolge der Mysterien, die in den Tierkreiszeichen ihren Ausdruck findet, wird uns durch Christus klargelegt werden, denn das heutige Publikum verlangt schon mehr Klarheit und geistige Wirklichkeit, als die moderne Astrologie und alle die pseudo-okkulten Richtungen anzubieten haben.

In der vor uns liegenden Ära werden nach der Wiederkunft Christi überall in der Welt Hunderttausende Menschen eine der grossen Bewusstseinserweiterungen erleben; bei den grossen Massen jedoch wird sich diese Auswirkung als «Verzichtleistung» zeigen, womit keinesfalls gesagt sein soll, dass die Massen die vierte Einweihung erfahren werden. Sie werden die materialistischen Massstäbe aufgeben, die heute in allen Schichten der menschlichen Familie eine so grosse Rolle spielen. Eine der Lektionen, welche die Menschheit unserer Zeit (in der Vorhalle des Neuen Zeitalters) zu lernen hat, ist die Erkenntnis, wie wenig materielle Güter zum Leben und Glücklichsein wirklich vonnöten sind. Diese Lektion ist noch nicht gelernt worden; sie ist jedoch eine der wesentlichen Lehren, die aus dieser Zeit, in der Menschen täglich in erschreckender Weise beraubt werden, gezogen werden müssen. Es ist wirklich eine Tragödie, dass die westliche Welt, (128) besonders die Vereinigten Staaten von Nordamerika, an diesem eindeutig geistigen und lebenspendenden Vorgang nicht teilnehmen werden; sie sind heute noch viel zu selbstsüchtig dafür.

Daraus ist also ersichtlich, dass Einweihung kein zeremonielles Verfahren oder die Verleihung einer Würde ist, die mit einem erfolgreichen Aspiranten vorgenommen wird. Einweihung ist auch kein Eindringen in Mysterien, - wie sie in den Freimaurergeheimnissen einen nur bildlichen Niederschlag gefunden haben, - sondern einfach die Folge von seelendurchdrungenem «Lebendigsein» auf allen drei Bewusstseins-Ebenen (der physischen, emotionalen und mentalen); durch dieses Lebendigsein (oder erwachte Seelenleben) werden jene Zellen in der Gehirnsubstanz, die registrieren und protokollieren, die aber für höhere Eindrücke bisher noch nicht empfänglich waren, in Tätigkeit versetzt. Durch diesen erweiterten Aufnahmebereich, - oder man kann auch sagen - durch die Entwicklung eines verfeinerten Aufnahme- oder Empfangsgerätes wird das Denkvermögen fähig, als Vermittler höherer Werte und geistigen Verstehens zu fungieren. Auf solche Weise erhält das Individuum Kenntnis von Bereichen göttlicher Existenz und von Bewusstseins-Zuständen, die immer und ewig da sind, die aber der einzelne Mensch infolge seiner unentwickelten Konstitution weder zu registrieren noch zu erschliessen vermochte; dazu waren weder das Denkvermögen noch dessen Aufnahmegerät, das Gehirn, imstande, vom Standpunkt deren evolutionärer Entfaltung aus gesehen.

Wenn das Leuchtfeuer des menschlichen Denkens langsam in bisher unentdeckte Aspekte des göttlichen Denkprinzips vordringt, wenn die magnetischen Eigenschaften des Herzens erwachen und für die beiden anderen Aspekte empfänglich werden, dann wird der Mensch fähig, in den sich neu auftuenden Gefilden des Lichtes, der Liebe und des Dienens wirksam tätig zu sein. Dann ist er ein Eingeweihter.

Das sind die Mysterien, mit denen sich Christus befassen wird; wenn dann die Welt weiss und anerkennt, dass er mit seinen Jüngern unter uns weilt, dann wird der Fortschritt der Menschheit viel schneller vonstatten gehen, als es sonst möglich wäre. Der Impuls und Antrieb (129) seitens der in der Aussenwelt lebenden Hierarchie wird dann immer intensiver werden; viele Menschensöhne werden im Wassermann-Zeitalter den «grossen Verzicht» leisten, so dass die weltweiten Anstrengungen dieselben Ausmasse erreichen werden, wie im Fische-Zeitalter die Erziehung der Volksmassen. Materialismus als ein die Massen beherrschendes Prinzip wird abgelehnt werden, und anstelle dessen werden die wesentlichen geistigen Werte die führende Kontrolle übernehmen.

Der Höhepunkt einer Zivilisation mit ihrem besonderen Charakter, ihrem qualitativen Gewinn und ihrem Erbgut für die Nachwelt ist Zeuge und Spiegelbild einer spirituellen Absicht; in der Gesamtwirkung bedeutet er eine der verschiedenen Einweihungen der ganzen Menschheit. In einer kommenden Geschichtsschreibung werden jene Aufzeichnungen die Grundlage bilden, wie die Menschheit durch aufeinanderfolgende Einweihungen gewachsen ist; bevor das möglich ist, müssen wir eine Geschichte haben, die sich auf der Entfaltung der Menschheit unter dem Einfluss grosser und fundamentaler Ideen aufbaut. Das wird die nächstfolgende historische Darstellung sein.

Das Aufkommen einer Kultur - in irgendeiner historischen Epoche - ist nichts anderes als ein Spiegelbild der schöpferischen Fähigkeiten und des klar erkannten Wissens von Eingeweihten dieser Zeit, die wussten, dass sie Eingeweihte sind und die sich ihrer Zulassung zum direkten Kontakt mit der Hierarchie bewusst waren. Derzeit benutzen wir keines der beiden Worte «Zivilisation» und «Kultur» in ihrem rechtmässigen Sinn oder in ihrer eigentlichen Bedeutung. «Zivilisation» ist das Spiegelbild eines bestimmten zyklischen Einflusses auf die grossen Volksmassen, der zu einer Einweihung führt, «Kultur» im esoterischen Sinn ist auf jene Persönlichkeiten irgendeiner Zivilisationsepoche zurückzuführen, die durch selbstbewirkte Leistung, in einer eigenen Art und richtigen Weise und mit vollwachem Bewusstsein in jene inneren Bereiche gedanklicher Tätigkeit eindringen, die wir die schöpferische Welt nennen. Diese inneren Bereiche sind es, die für die äussere Zivilisation verantwortlich sind.

Die Wiederkunft Christi zeigt eine engere Beziehung zwischen den äusseren und inneren Gedankenwelten an. Die Welt der Sinngebung (oder des Vorhabens) und die Welt des Erlebens werden miteinander augenfällig durch (130) den Impuls verbunden werden, der beim Erscheinen der Hierarchie und ihres Oberhauptes, Christus, ausgehen wird. Als wesentliche Folge davon werden gegenseitiges Verstehen und die Beziehungen zueinander gewaltig zunehmen.

IV. Das Verscheuchen der Verblendung