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Zweiter Teil - Die Ursachen der Verblendung - Teil 2

 

VI. STRAHL.

Die Verblendung [123] der verehrungsvollen Hingabe.

Die Verblendung der Anhänglichkeit an Formen und Personen.

Die Verblendung des Idealismus.

Die Verblendung der Gefolgstreue und der Glaubensbekenntnisse.

Die Verblendung der gefühlsmässigen Reaktion.

Die Verblendung der Sentimentalität.

Die Verblendung der Einmischung.

Die Verblendung der niederen Gegensatzpaare.

Die Verblendung der Welterlöser und Weltlehrer.

Die Verblendung der engstirnigen Vision.

Die Verblendung des Fanatismus.

VII. STRAHL.

Die Verblendung magischen Wirkens.

Die Verblendung der Beziehung zwischen den Gegenpolen.

Die Verblendung der unterirdischen Mächte.

Die Verblendung dessen, was zusammenbringt.

Die Verblendung des physischen Körpers.

Die Verblendung des Mysteriösen und des Geheimen.

Die Verblendung der Sexualmagie.

Die Verblendung der in der Manifestation zutage tretenden Kräfte.

Damit habe ich viele Verblendungen aufgezählt, aber ihre Namen sind Legion; und ich habe die Möglichkeiten auf dem Gebiet der Verblendung keineswegs erschöpft.

Eine der Gruppen, mit denen ich gearbeitet habe, hatte bestimmte Merkmale und Schwierigkeiten, deren Erwähnung an dieser Stelle von Wert sein könnte.

Diese Gruppe hatte einen merkwürdigen Werdegang in Beziehung zu anderen Gruppen, weil ihr Personal mehrere Male wechselte. Jedesmal hatte die Person, welche die Gruppe verliess, ihr aufgrund karmischer Berechtigung und alter Beziehung zu mir oder zu den Mitgliedern der Gruppe angehört und deshalb musste [124] ihr von Rechts wegen Gelegenheit geboten werden, an dieser Aufgabe teilzunehmen. Jedesmal versagten die Betreffenden und jedesmal aus Persönlichkeitsgründen. Es mangelte ihnen an Gruppen-Gewahrsein und sie waren sichtlich nur mit sich selbst beschäftigt. Die neue und weitere Vision fehlte ihnen. Deshalb schlossen sie sich selbst von dieser neuzeitlichen Betätigung aus. Ich erwähne das, denn es ist wertvoll für Jünger, die Tatsache zu begreifen, dass eine karmische Beziehung nicht ignoriert werden darf und dass eine Gelegenheit zum Gruppendienst auch dann geboten werden muss, wenn dieser dadurch anfänglich verzögert werden sollte. Einige Mitglieder der Gruppe hatten noch mit Verblendung zu kämpfen und brauchten noch etwas Zeit, um sich umzustellen, sobald sie eine Verblendung als solche erkannt hatten. Die Hauptaufgabe der Gruppe lag darin, einen Teil der Weltverblendung durch eine ganz bestimmte, gemeinsame Meditation zu zerstreuen. Einige der Gruppenmitglieder standen ausserdem vor grösseren Umwälzungen in ihrem Leben oder hatten diese durchgemacht und es brauchte einige Zeit, bis sich der notwendige, subjektive Rhythmus durchgesetzt hatte. Aber alle arbeiteten mit Verständnis, Beharrlichkeit und Begeisterung mit und es dauerte nicht lange, bis die Gruppenarbeit in Gang kam.

Es dürfte sich als zweckdienlich erweisen, über folgende Fragen nachzudenken:

1. Durch welche Methode werden Ideen entwickelt von dem Augenblick an, wenn sie das Denken irgend eines intuitiven Menschen beeindrucken?

Wie schon öfters erwähnt, machen sie allgemein gesprochen folgende Stadien durch:

a. Die Idee gründet sich auf intuitiver Wahrnehmung.

b. Das Ideal gründet sich auf gedankliche Formulierung und Verbreitung.

c. Das Idol gründet sich auf die Tendenz physischer Manifestation.

2. Welche Verblendungen erscheinen in der heutigen Welt als besonders vorherrschend und warum ist das so?

3. Ich habe oft von dem Werk gesprochen, das diese [125] und bestimmte andere Gruppen vorhaben, um die Verblendung in der Welt zu zerstreuen. Wie sollte man da vorgehen und was wird dabei vom Einzelnen verlangt werden?

3. Die Gegensätze zwischen den höheren und den niederen Arten der Verblendung.

Im vorhergehenden Teil dieser Betrachtung besprachen wir (kurz und allzu oberflächlich) einige der Ursachen für die dichte Verblendung, welche die Menschheit umgibt. Dass diese Verblendung sehr alt, wirksam organisiert und für die Astralebene besonders charakteristisch ist, ging klar daraus hervor; ebenso klar war die Tatsache der drei sekundären Hauptursachen, die den Menschen von Haus aus für Verblendung empfänglich machen:

1. Die durch das planetarische Leben hervorgerufenen und der Substanz selbst anhaftenden Verblendungen.

2. Jene Verblendungen, die von der Gesamtmenschheit primär hervorgebracht und im Laufe vergangener Äonen verstärkt wurden.

3. Verblendung, die vom Einzelnen selbst verursacht wurde, entweder durch Teilnahme an der Weltverblendung in der Vergangenheit oder erst in diesem Leben.

Zu all diesen Verblendungen neigt jeder einzelne Mensch, und seit vielen Inkarnationen ist er das hilflose Opfer von dem, was er später als irrig, falsch und trügerisch erkennt. Er lernt dann, dass er der - astralen, emotionalen und verblendenden - Vergangenheit nicht blind unterwürfig zu sein braucht, sondern dass er, wenn er es nur wüsste, eine hinreichende Ausrüstung besitzt, um damit fertig zu werden; und er erfährt weiter, dass es Methoden und eine Technik gibt, wie er als Überwinder der Illusion, als Zerstreuer der Verblendung und als Meister der Maya hervorgehen kann. Dies ist die erste Entdeckung; und wenn er deren volle Bedeutung [126] erkannt und sich daran gemacht hat, den unerwünschten Zustand zu überwinden, dann gelangt er später zur Erkenntnis einer wesentlichen Dualität. Diese ist, im Augenblick wenigstens, durchaus keine Illusion. Er erkennt die Beziehung zwischen sich als Persönlichkeit, dem wahren Hüter der Schwelle und dem Engel der GEGENWÄRTIGKEIT der die Einweihungspforte bewacht. Das ist ein kritischer Augenblick im Leben des Jüngers, der Zeitpunkt nämlich, da er sich dazu anschicken kann, den Pfad der Einweihung zu gehen, wenn er den Wunsch und die dazu notwendige Kraft hat.

Im letzten Grunde ist die teilweise Überwindung der Verblendung und das Entkommen aus der völligen Knechtschaft der Illusion ein Anzeichen für die beobachtende Hierarchie, dass ein Mensch für den Einweihungsvorgang reif ist. Solange er noch völlig der Täuschung unterliegt und auch nicht einigermassen mental frei ist, ist es ihm unmöglich, dem wartenden Engel entgegenzutreten und durch die Pforte hindurch zu gehen. Auf eines möchte ich dabei aufmerksam machen: nachdem der Jünger die Einweihungspforte passiert hat, kehrt er jedesmal zurück, um sich erneut seinen Aufgaben in den drei Welten zu widmen; hier macht er die früheren Vorgänge erneut durch - kurz und mit vollem Verständnis - und dann geht er dazu über, die wesentlichen Punkte der nächsten Einweihungslektion zu meistern. Ich fasse hier allerhand Aufschlüsse in sehr knapper Form zusammen, aber das ist alles, was zurzeit möglich ist.

Für geraume Zeit durchdringt das Dualitätsgefühl das Wesen des Jüngers und lässt sein Leben als endlosen Konflikt zwischen den Gegensatzpaaren erscheinen. Der Kampf der Gegensätze findet im Leben des Jüngers bewusst statt. Abwechselnd durchlebt er die Erfahrungen der Vergangenheit und die Erinnerung an die Einweihung, die er durchgemacht hat; dabei betont er zunächst einmal die früheren Erfahrungen und erst später die letzte, grosse Erfahrung, die sein inneres Leben so wesentlich prägt und beeinflusst. Er erlebt länger anhaltende Momente, in denen er der verwirrte, mit Verblendung kämpfende Jünger und kurze Momente, in denen er der triumphierende Eingeweihte ist. Er entdeckt in sich die Quellen [127] der Verblendung und Illusion die Lockung der Maya, bis der Augenblick kommt, da er wiederum vor der Pforte steht und den bedeutendsten Dualitäten in seinem eigenen kleinen Kosmos gegenübertritt - dem Hüter und dem Engel. Anfänglich fürchtet er den Engel und schreckt vor dem Licht zurück, das von des Engels Antlitz strömt, weil es das Wesen des Hüters, der er selbst ist, zu lebendiger Wirklichkeit bringt. Er erspürt, wie nie zuvor, die ihm bevorstehende, ungeheure Aufgabe und die wahre Bedeutung des Unternehmens, dem er sich verpflichtet hat. Allmählich wird ihm zweierlei erstaunlich klar:

1. Die Bedeutung seiner eigenen Natur, mit ihrem wesentlichen Dualismus.

2. Die Erkenntnis der Beziehung zwischen den Gegensatzpaaren, mit denen er sich als Jünger zu befassen hat.

Sobald er die Beziehung der hauptsächlichen, niederen Dualität erfasst hat (die der Persönlichkeit und der Seele), ist er bereit, zur höheren Wirklichkeit überzugehen, nämlich zu der des integrierten Selbstes (Persönlichkeit und Seele) und dessen Beziehung zur GEGENWÄRTIGKEIT. Hier ist mit ein paar knappen Worten das Resultat der drei ersten und der beiden letzten Einweihungen ausgedrückt. Darüber sollte man nachdenken.

Es dürfte für den Leser wirklich wertvoll sein, wenn ich die verschiedenen Gegensätze erwähne, die für den intelligenten Menschen und den Jünger charakteristisch sind, wobei ich das Wort «Jünger» auf alle Entwicklungsstufen vom akzeptierten Jünger bis zum Meister anwende. Es gibt im Grunde nichts als die Hierarchie, im Sinn eines steten Fortschritts von einem niederen zu einem höheren Daseins und Bewusstseinsstadium. In jedem Fall handelt es sich dabei um das Bewusstseinsstadium eines Wesens, das von Substanz umgrenzt und beherrscht wird. Absichtlich sage ich «Substanz» und [128] nicht «Form», denn in Wirklichkeit ist es Substanz, was den Geist während eines langen, sehr langen Ausdruckszyklus beherrscht; es ist nicht die Materie, was herrscht und bestimmt, denn die grobe Materie wird stets von den Kräften gelenkt, die (im esoterischen Sinn) ihrem Wesen nach als ätherisch und deshalb als Substanz, aber nicht als Form bezeichnet werden. Das muss man stets im Gedächtnis behalten, denn darin liegt der Schlüssel zum wahren Verständnis der niederen Natur.

Wir wollen deshalb die grundlegenden und wesentlichen Gegensätze betrachten, die der Jünger intuitiv erfassen und mit denen er sich vertraut machen muss. Wir wollen das Thema in vier Teile zerlegen und uns kurz, aber, wie ich hoffe, anregend mit jedem davon befassen:

a. Der Gegensatz zwischen Illusion und ihrem Gegenpol, Intuition.

b. Der Gegensatz zwischen Verblendung und ihrem Gegenpol, Erleuchtung.

c. Der Gegensatz zwischen Maya und ihrem Gegenpol, Inspiration.

d. Der Gegensatz zwischen dem Hüter an der Schwelle und seinem Gegenpol, dem Engel der GEGENWÄRTIGKEIT.

Wie leicht ersichtlich, handelt es sich um ein umfassendes Thema, welches das Hauptproblem des Jüngers betrifft. In diesem Zusammenhang möchte ich auf das Bezug nehmen, was ich bereits über die vier Aspekte von Verblendung gesagt habe; und die verschiedenen Tabellen und Aufstellungen, die von Zeit zu Zeit eingeschaltet wurden, sollten aufmerksame Beachtung finden.

a. Der Gegensatz zwischen Illusion und Intuition.

Ich habe diesen als den ersten zu behandelnden Gegensatz ausgewählt, da er die hauptsächliche Verblendung der Mitglieder meiner jetzigen Gruppe darstellen sollte (wenn das auch wahrscheinlich nicht der Fall ist). Leider herrscht die emotionale Verblendung noch vor und für die meisten meiner Schüler wird sich der zweite Gegensatz, d.h. der zwischen Verblendung und Erleuchtung, als der nützlichste und aufschlussreichste erweisen.

Illusion ist die Macht irgendeiner mentalen Gedankenform, eines [129] Ideals und eines - in mentaler Form erspürten, erfassten und ausgelegten - Begriffes, um die Denkvorgänge eines Individuums oder der Rasse zu beherrschen, wodurch die Wesensäusserung des Einzelnen oder einer Gruppe beeinträchtigt und beschränkt wird. Solche Ideen oder Begriffe können bekanntlich von dreierlei Art sein:

1. Es mögen ererbte Ideen sein, wie das bei denen der Fall ist, die sich so schwer der neuen Vision des Welt-Lebens und der in den neueren Ideologien ausgedrückten sozialen Ordnung anpassen können. Sie stehen unter dem mächtigen Einfluss ihrer Kaste, ihrer Tradition und ihrer Erziehung.

2. Es mögen modernere Ideen sein, die letzten Endes die Reaktionen modernen Denkens auf die Zustände in der Welt sind; dafür sind auch viele andere Aspiranten sehr empfänglich und das ist ganz natürlich, besonders bei denen, die in dem Kraftstrudel leben, den wir das moderne Europa nennen. Solche moderne Ideen werden heutzutage zu grösseren Gedankenströmungen und vorherrschenden Ideologien zusammengefügt und darauf muss jeder intelligente Mensch unvermeidlich reagieren; allerdings vergisst er dabei, dass diese Reaktion auf Tradition und auf nationaler und internationaler Veranlagung beruht.

3. Es mögen die dunkel erahnten, neueren Ideen sein, welche die Macht in sich tragen, die Zukunft zu bestimmen und die moderne Generation aus dem Dunkel ins Licht zu führen. Noch niemand erspürt heute wirklich diese neuen Ideen, wenn auch manche im Augenblick hoher Meditation oder geistigen Aufstiegs vage und kurz darauf reagieren mögen. Diese Reaktion mag nur insofern eine wirkliche sein, als sie im Betreffenden den Dienst an seinen Mitmenschen deutlich beeinflusst. Man kann in der richtigen Weise und in steigendem Mass darauf reagieren, wenn man die Integrität der Seele zu wahren weiss und sich nicht vom Kampf und vom Fieber der Umwelt innerhalb seines erwählten Dienstbereiches übermannen lässt.

Eine [130] mentale Illusion lässt sich vielleicht am besten als eine Idee beschreiben, welche die Form eines Ideals angenommen hat, die keinerlei Raum übrig lässt für irgendeine andere Idealform. Sie schaltet damit die Fähigkeit aus, mit Ideen in Berührung zu kommen. Der Mensch ist an die Welt der Ideale und des Idealismus gebunden. Er kann sich davon nicht losmachen. Die mentale Illusion bindet ihn, schränkt und kerkert ihn ein. Eine gute Idee kann sich demnach äusserst leicht zu einer Illusion entwickeln und das Leben des Menschen, der sie verspürt hat, in katastrophaler Weise beeinflussen.

Man könnte hier die Frage aufwerfen, ob die Hierarchie nicht selbst von einer Idee bestimmend beeinflusst wird und demnach selbst das Opfer einer allgemeinen und weitverbreiteten Illusion ist. Abgesehen davon, dass die Leiter der Hierarchie und die Treuhänder des Planes niemals in diese Stellungen aufrücken, bevor sie nicht vom Ansporn der Illusion frei sind, möchte ich daran erinnern, dass alle Ideen auf den Leitbahnen der sieben Strahlen in das planetarische Bewusstsein strömen. Somit ist die Hierarchie auf alle Fälle und in vollstem Mass für die sieben Hauptgruppen von Ideen empfänglich, welche die IDEE Gottes zu irgendeinem Zeitpunkt darstellen; diese kommt auf sieben hauptsächliche Arten zum Ausdruck, die alle gleich richtig sind und dem siebenfältigen Bedürfnis der Menschheit dienen. Jede dieser sieben Formulierungen von Gottes Idee liefert ihren besonderen Beitrag; jede von ihnen ist eine wahre Idee, die im menschlichen oder planetarischen Dienst ihre Rolle zu spielen hat; und jede von ihnen steht mit den sechs anderen Äusserungen derselben göttlichen Idee, die sich in Form von Idealen auf der Mentalebene auswirken, in einer solchen Wechselbeziehung, dass eine Einengung in eine einzige Idee mit ihren Abzweigungen, wie sie unter Menschen vorkommt, völlig unmöglich ist. Zumindest besteht Empfänglichkeit für sieben Ideengruppen und die daraus resultierenden Ideale; und wenn die Hierarchie weiter nichts wäre - bisher ist sie beweglich und biegsam geblieben. Aber sie ist weit mehr als das, denn für die Mitglieder der Hierarchie wird die Idee und deren Auswirkungen nicht nur im Sinn menschlicher Gedankenformen und menschlichen Idealismus ausgelegt, sondern sie müssen auch mit dem Denken Gottes selbst [131] und mit den planetarischen Naturreichen in Verbindung gebracht und dementsprechend studiert werden. Diese Ideen kommen von der buddhischen Ebene her, die dem Bewusstsein des Durchschnittsjüngers selten zugänglich und dem Durchschnitts-Idealisten bestimmt verschlossen ist. Dabei möchte ich daran erinnern, dass wenige Idealisten persönlich mit der Idee in Berührung stehen, die dem Idealismus zugrunde liegt. Sie stehen lediglich mit der menschlichen Auslegung der Idee in Berührung, so wie sie von irgendeinem Jünger oder intuitiven Menschen formuliert wurde - was grundverschieden ist.

Eine Illusion lässt sich demnach als die Folgeerscheinung einer (in ein Ideal übersetzten) Idee bezeichnen, wenn diese Idee als ein Gesamtbild, als vollständige Darstellung oder Lösung angesehen wird, getrennt und unabhängig von allen anderen Ideen - seien sie religiöser Natur oder anscheinend ohne jeden Zusammenhang mit Religion. Diese Feststellung beleuchtet die Trennungstendenz und die Unfähigkeit des Menschen, die verschiedenen Auswirkungen einer göttlichen Idee miteinander in Beziehung zu bringen. Wenn eine Wahrheit engstirnig und separatistisch erschaut und erfasst wird, so wird sie zwangsläufig entstellt; der Jünger oder Aspirant verpflichtet sich unvermeidlich einem Teilaspekt der Wirklichkeit oder des Planes, aber nicht der Wahrheit, soweit sie geoffenbart werden kann oder dem Plan, wie die Mitglieder der Hierarchie ihn kennen. Die Illusion erweckt im Jünger oder Idealisten eine Gefühlsreaktion, die unmittelbar die Wunschnatur anregt und demzufolge den Übergang von der mentalen auf die astrale Ebene bedingt. Dadurch wird ein Wunsch nach einem teilweisen und unzulänglichen Ideal hervorgerufen und die Idee kann nicht voll zum Ausdruck kommen, weil ihr Fürsprecher dieses blosse Teilideal als die ganze Wahrheit ansieht und deshalb seine sozialen, planetarischen und kosmischen Auswirkungen nicht erfassen kann.

Wenn eine Idee wirklich in ihrem vollen Umfang erfasst wird (was in der Tat selten vorkommt), kann Illusion nicht Platz greifen. Die Idee ist so viel grösser als der Idealist, dass seine Bescheidenheit ihn davor bewahrt, engstirnig zu sein. Wo es sich (wie das gewöhnlich der Fall ist) um Illusion handelt und um eine vage Auslegung [132] einer Idee, da haben wir es mit Fanatikern zu tun, mit verschwommenen Idealisten, mit Sadisten, die eine von ihnen erfasste Idee aufzwingen wollen, mit einseitigen und engherzigen Männern und Frauen, die nur ihre Auslegung einer göttlichen Idee gelten lassen und mit beschränkten, verkrampften Phantasten. Eine solche illusorische Darstellung der Wahrheit und solch ein visionäres Erschauen der Idee ist sowohl der Stolz als auch der Fluch der Welt gewesen. Das ist einer der Gründe, warum die moderne Welt in einen so kritischen Zustand geraten ist; die Welt leidet heute - wahrscheinlich unvermeidlicherweise - unter diesem Missbrauch der göttlichen Fähigkeit, eine Idee zu erspüren und sie dann in ein Ideal umzuwandeln. Die Aufzwingung dieser menschlich und mental ausgelegten Ideen in Form von beschränkten Ideologien hat eine bedauerliche Wirkung auf die Menschen ausgeübt. Sie müssen lernen, zur wahren Idee vorzudringen, die hinter ihrem Ideal verborgen liegt und sie im Licht ihrer Seele genau auszulegen; dabei sind jene Methoden anzuwenden, die durch LIEBE gerechtfertigt und gesichert sind. Es ist zum Beispiel keine Illusion, dass die Idee, die in der Feststellung Ausdruck findet, dass «alle Menschen gleich sind», durchaus eine Tatsache ist und betont werden muss. Demokratisch gesinnte Menschen haben dies eifrig aufgegriffen. Es handelt sich um eine tatsächliche Feststellung, aber wenn dabei die gleich wichtigen Ideen der Evolution, der Rassenmerkmale und nationaler und religiöser Kennzeichen unbeachtet bleiben, dann findet die grundlegende Idee nur beschränkte Anwendung. Daraus erklären sich die modernen, ideologischen Zwangssysteme unserer Tage und das rasche Anwachsen ideologischer Illusionen, von denen dennoch jede einzelne - ohne Ausnahme - auf einer wahren Idee beruht. Ebenso ist es keine Illusion, dass die Entwicklung des Christusbewusstseins das Ziel der menschlichen Familie ist; wenn es aber von denen, die dieses Bewusstsein selber noch nicht entfaltet haben, im Sinn einer autoritären Religion ausgelegt wird, dann wird dieses Ziel zu einem blossen Moralbegriff, ja oftmals zu einem sadistischen Impuls, womit es unmittelbar in den Bereich der Illusion gerät.

[133] Aus vielen möglichen Beispielen greife ich diese beiden heraus, um daran klar zu machen, wie Illusionen entstehen, wie sie sich entwickeln und wie sie am Ende verschwinden müssen; auf diese Weise lässt sich eine Vergleichsnorm finden, um den relativen Wert des Wahren und des Falschen, des unmittelbar Zeitlichen und der grundlegenden Zeitlosigkeit des Wirklichen zu verstehen.

Daraus geht also hervor, dass die niederen oder konkreten Stufen der Mentalebene - im Laufe der Zeitalter - eine Unzahl von Ideen erworben oder angehäuft haben, die als Ideale formuliert und in Mentalstoff gehüllt wurden. Diese Ideale wurden von der Lebenskraft derer genährt, die von der Wahrheit der Idee soviel erkannt haben, wie sie auszudrücken vermögen und welche diese Ideale durch ihre gedankenformende Fähigkeit und ihre darauf gerichtete Aufmerksamkeit betont haben; das bedeutet, dass sie der begrenzten Formulierung des Ideals Energie zugeführt haben, weil bekanntlich dem Gedanken Energie folgt.

Diese Gedankenformen werden zu erstrebenswerten Zielen, denen die subjektive Wirklichkeit «Mensch» zustrebt und mit denen er sich während langer Zeitperioden identifiziert; er überträgt sie auf sich, wodurch er sie belebt und ihnen Vitalität und Beständigkeit verleiht. Sie werden zum Teil seiner selbst; sie bedingen seine Reaktionen und Aktivitäten; sie nähren seine Wunschnatur und erlangen dadurch ungebührliche Bedeutung; sie errichten eine Scheidewand (deren Dichtheit vom Ausmass der jeweiligen Identifizierung abhängt) zwischen dem inkarnierten Menschen und der Wirklichkeit, die sein wahres Wesen ist.

Es besteht für mich kein Grund, an dieser Stelle einige dieser vorherrschenden Gedankenformen und Aspekte intellektueller und mentaler Illusion im einzelnen aufzuzählen. Der Leser sollte keineswegs denken, dass die verkörperte Idee, die wir ein Ideal nennen, schon an sich eine Illusion sei. Ein Ideal wird nur dann zur Illusion, wenn es als Endzweck an sich betrachtet wird, anstelle dessen, was es seinem Wesen nach ist, nämlich ein Mittel zum Zweck. Ein richtig erfasstes und angewandtes Ideal dient als zeitweiliger Wegweiser zu [134] einer unmittelbar erreichbaren Wirklichkeit, die zu irgendeinem besonderen Zeitpunkt das Ziel des Menschen oder der Menschenrasse darstellt. Die der heutigen Menschheit dargebotene Idee ist die Wiederherstellung (auf einer höheren Spiralwindung) jener geistigen Verbundenheit, die für die primitiven Menschen der vorgeschichtlichen Zeit charakteristisch war. Damals, unter der weisen Führung und dem väterlichen Beistand der Hierarchie und der Priester-Eingeweihten jener Zeit, wussten die Menschen, dass sie eine einzige Familie von Brüdern waren und sie erlangten diese Erkenntnis gefühlsmässig aufgrund einer entwickelten Sinneserfahrung. Heute sucht die gleiche Idee unter der Bezeichnung Brüderlichkeit nach einer mentalen Ausdrucksform und nach Wiederherstellung einer geistigen Verbundenheit (Idee) durch Ausbildung in rechten, menschlichen Beziehungen (Ideal). Dies ist das unmittelbare Ziel der Menschheit.

Dieses Resultat wird die unausbleibliche Folge des Zyklus der Notwendigkeit sein, den wir jetzt durchmachen; die dunkel empfundene Idee wird - als ein Ergebnis bitterer Notwendigkeit - der Rasse ihren Rhythmus auferlegen und damit allen Menschen die Erkenntnis wahren Seins aufzwingen. Wer die wirkliche Grundlage aller Ideologien (ohne jede Ausnahme) einer genauen Betrachtung unterzieht, wird feststellen, dass diese (in ihrer Darstellung oft verzerrte und unter falschen Methoden versteckte) Idee integraler Verbundenheit, geistiger Ziele und wirklich positiver, brüderlicher Betätigung den Kern aller äusseren Form bildet. Ich habe die gegenwärtige Lage als Beispiel dafür benutzt, wie die Idee sich als das Ideal verkörpert, das leider, lieber Bruder, oftmals das Idol und das fanatisch missverstandene und überbetonte Ziel der Massen wird, die sich von einem ausgesprochenen Idealisten führen lassen. Ein Ideal ist ein zeitweiliger Ausdruck einer grundlegenden Idee; es ist nicht dazu bestimmt, etwas Dauerndes zu sein, sondern soll lediglich einem Bedürfnis entsprechen und einen Ausweg aus der Vergangenheit in eine angemessenere Zukunft weisen. Alle gegenwärtigen Ideale, die sich durch landläufige Ideologien ausdrücken, [135] werden ihren Zweck erfüllen und am Ende verschwinden, gleichwie alles andere in der Rassengeschichte verschwunden ist, um schliesslich einer anerkannten geistigen Beziehung, einer subjektiven Gemeinschaft im Sinn einer klar umrissenen und manifestierten Brüderlichkeit Platz zu machen. Wenn diese Ideale genügend entwickelt sind und verstanden werden, dann sollte sich daraus ein Kontroll- und Führungssystem und eine Art von Regierung ergeben, von der sich selbst fortgeschrittene Denker zurzeit noch keine Vorstellung machen können.

Wenn Ideale, mentale Begriffe und formulierte Gedankenformen das Denken eines Individuums, einer Rasse oder der Menschheit im allgemeinen derart beherrschen, dass jede Fernsicht oder Vision ausgeschlossen und das Wirkliche abgeblendet wird, dann bedeuten sie eine Illusion, solange sie das Denken und die Lebensmethode beherrschen. Sie lassen keinen Spielraum für die Intuition mit ihrer wirklichen Kraft, die unmittelbare Zukunft zu enthüllen; häufig lassen sie (in ihrer Ausdrucksform) das Grundprinzip des Sonnensystems, die Liebe, völlig ausser acht, indem sie ein zweitrangiges und vorübergehendes Prinzip mit Gewalt an die erste Stelle setzen; auf diese Weise können sie eine «drohende, schwarze Regenwolke» bilden, welche die (von Patanjali in seinem letzten Buch erwähnte) «Regenwolke wissbarer Dinge» verhüllt - jene Wolke der Weisheit, die über der niederen Mentalebene schwebt und die von Schülern und Aspiranten angezapft und benutzt werden kann, wenn sie der Intuition freien Spielraum lassen.

Wir wollen jetzt die Intuition betrachten, die das Gegenteil der Illusion ist. Wir müssen im Auge behalten, dass die Illusion einen Menschen auf der Mentalebene gefangen hält und ihn ganz mit von Menschen erschaffenen Gedankenformen umgibt; dadurch versperrt sie den Ausweg in die höheren Bereiche des Gewahrseins oder in das Betätigungsfeld jenes liebevollen Dienens, das sich in den niederen Welten bewusster, manifestierter Bestrebung auswirken muss.

Was ich in diesem Zusammenhang vor allem betonen möchte, ist die Tatsache, dass die Intuition die Quelle oder die Geberin der Enthüllung ist. Durch die Intuition werden die Wege Gottes in der Welt und zum Wohl der Menschheit in fortschreitendem Mass [136] dem Verständnis enthüllt; vermittels der Intuition wird die Transzendenz und die Immanenz Gottes nacheinander verständlich. Der Mensch kann in jenes reine Wissen, in jene inspirierte Vernunft eindringen, die es ihm ermöglichen, nicht nur die Vorgänge der Natur in ihrem fünffältigen, göttlichen Ausdruck zu begreifen, sondern auch die diesen Vorgängen zugrunde liegenden Ursachen zu verstehen, die sich am Ende als Wirkungen und nicht als ursächliche Geschehnisse herausstellen. Durch die Intuition gelangt der Mensch zur Erfahrung des Reiches Gottes und entdeckt das Wesen, die Art der Lebewesen und der äusseren Erscheinungen sowie die Kennzeichen der Gottessöhne, Die zur Manifestation kommen. Durch die Intuition erfährt er einige der Pläne und Ziele, die sich in den manifestierten Schöpfungswelten verwirklichen und es wird ihm gezeigt, wie er und die übrige Menschheit mitwirken und die göttliche Absicht beschleunigen können. Durch die Intuition wird er nach und nach auf die geistigen Lebensgesetze aufmerksam, die Gott selbst bedingen, die Shamballa bestimmend beeinflussen und die der Hierarchie den Weg zeigen; und dieses Gewahrwerden wächst entsprechend seiner eigenen Fähigkeit, diese Gesetze zu würdigen und in die Praxis umzusetzen.

Vier Arten von Menschen sind infolge der erwachenden Intuition für Enthüllungen empfänglich:

1. Diejenigen, die zur Gruppe der Weltdiener gehören. Sie berühren und empfinden den göttlichen Plan und haben sich verpflichtet, zu dienen und an der Errettung der Menschheit mitzuwirken. Sie manifestieren mannigfaltige und verschiedene Grade der Erkenntnis, angefangen von dem Menschen, der (auf Grund von Wandlungen und Auswirkungen in seinem persönlichen Leben) innerhalb seines kleinen Wirkungskreises Göttlichkeit zu enthüllen sucht, bis hinauf zu den grossen Intuitiven und Welterlösern wie Christus. Ersterer erhielt den inneren Antrieb dazu aller Wahrscheinlichkeit nach durch eine bestimmte, intuitive Krise, die ihn von Grund auf umwandelte und ihm einen neuen Wertmassstab verlieh; letzterer kann aus eigener Willenskraft in die Welt intuitiver Wahrnehmung und Werte emporsteigen und dort den Willen [137] Gottes erforschen und ein umfassendes Zukunftsbild des Planes erschauen. Solche grosse Vertreter der Gottheit geniessen die Freiheit der Heiligen Stadt (Shamballa) und des Neuen Jerusalem (der Hierarchie). Ihre Kontaktmöglichkeiten sind somit einzig in ihrer Art und bislang hat es nur verhältnismässig wenige solcher Repräsentanten gegeben.

2. Diejenigen, die als Propheten wirken. Sie kommen in hochintuitiven Augenblicken mit dem Plan in Berührung und wissen, was die unmittelbare Zukunft mit sich bringt. Ich beziehe mich hier nicht auf die Hebräischen Propheten, die im Westen so bekannt sind, sondern auf alle diejenigen, die klar voraussehen, was geschehen muss, um die Menschheit aus dem Dunkel ins Licht, aus der gegenwärtigen Lage heraus bis in eine Zukunft göttlicher Vollendung zu führen. Sie haben ein klares Gedankenbild von dem, was zu erreichen möglich ist und die Befähigung, es den Menschen ihrer Zeit vor Augen zu führen. Zu ihnen gehören alle Abstufungen zwischen denen, die verhältnismässig klar das kosmische Gesamtbild und die angestrebten Ziele erschauen, bis hinunter zu denen, die lediglich den der Rasse oder der Nation unmittelbar bevorstehenden, nächsten Schritt voraussehen. Jesaja und Hesekiel sind die einzigen beiden Hebräischen Propheten, die eine wirklich prophetische und kosmische Vision besassen. Die anderen waren kleine, aber intelligente Männer, die durch Analyse und Schlussfolgerung die unmittelbare Zukunft ermessen konnten und unmittelbar gegebene Möglichkeiten andeuteten. Sie besassen keine direkt enthüllende Intuition. Im Neuen Testament hatte Johannes, der geliebte Jünger, den Vorzug, ein kosmisches Gesamtbild und eine wirklich prophetische Vision zu erlangen, die er in der Offenbarung darstellte; aber er ist der einzige, dem das gelang und zwar deshalb, weil er so tief, so weise und so umfassend liebte. Seine Intuition wurde durch die Tiefe und Intensität seiner Liebe erweckt - gleichwie das bei seinem Meister, bei Christus, der Fall war.

3. Diejenigen, die wahre Priester sind. Sie sind Priester auf Grund von geistiger Berufung, nicht durch persönliche Wahl. Durch Missverstehen der Befugnisse und Pflichten eines Priesters liessen sich alle Kirchen (im Osten und im Westen) zu [138] ihrer verhängnisvollen, autoritären Stellungnahme verleiten. Die Liebe zu Gott und der wahre, geistige Antrieb, der den immanenten Gott in der ganzen Natur und besonders im Ausdruck dieses Göttlichen im Menschen erkennt - daran fehlt es meistens bei der Priesterschaft in allen Weltreligionen. Liebe ist nicht ihr Führer, Wegweiser und Dolmetscher. Von daher kommt der Dogmatismus des Theologen, darauf beruhen seine lächerlichen und tiefgründigen Versicherungen richtiger Auslegung und daraus erklärt sich seine häufige Grausamkeit, die er mit seinen angeblich richtigen Prinzipien und guten Absichten beschönigt. Aber der wahre Priester existiert und er ist in allen Religionen zu finden. Er ist der Freund und Bruder aller Menschen und weil er innig liebt, wird ihm Weisheit zuteil; und wenn er nach Art und Schulung mental eingestellt ist, erwacht seine Intuition und Enthüllung ist sein Lohn. Darüber sollte man nachdenken. Den wahren Priester findet man selten, nicht nur in den sogenannten «heiligen Orden».

4. Diejenigen, die praktische Mystiker oder Okkultisten sind. Durch Lebensdisziplin, eifriges Streben und geschulten Verstand ist es diesen gelungen, die Intuition hervorzurufen; sie kommen daher persönlich mit der wahren Quelle geistiger Weisheit in Berührung. Ihre Aufgabe besteht darin, diese Weisheit auszulegen und ihr durch Wissenssysteme zeitweiligen Ausdruck zu verleihen.

Es gibt ihrer viele, die heute in der Welt geduldig wirken, ohne dass die gedankenlose Masse sie erkennt oder aufsucht. Sie sollten sich heute, in dieser Stunde der Not, in der Welt zusammenschliessen, um ihre Stimme klar und verständlich zu erheben. Diese Menschen lösen das Dualitätsgefühl in eine bewusste Einheit auf; ihre Beschäftigung mit der Wirklichkeit und ihre tiefe Liebe zur Menschheit haben die Intuition ausgelöst. Sobald diese Auslösung stattgefunden hat, werden keine Schranken mehr empfunden und wahres Wissen (als Folge der enthüllten Weisheit) ist das Geschenk, welches derartige Menschen ihrer Rasse und ihrer Zeit darbieten.

Dies sind die vier Gruppen, die Illusion gegen Intuition austauschen. Dies ist die erste Auflösung der Gegensatzpaare, denn es gibt keine solche Auflösung ohne Mithilfe des Intellektes, weil der Intellekt - durch Analyse, kritische Unterscheidung und richtiges [139] Durchdenken - auf das hinweist, was zu tun ist.

b. Der Gegensatz zwischen Verblendung und Illusion.

Eines der geeignetsten Symbole, das ein annäherndes Bild vom Wesen der Verblendung vermitteln kann, besteht darin, dass man sich die Astralebene auf drei ihrer Stufen (der zweiten, dritten und vierten, von oben nach unten gerechnet) als ein in dicken Nebel verschiedener Dichte gehülltes Land vorstellt. Das gewöhnliche Licht des gewöhnlichen Menschen, ähnlich den Scheinwerfern eines Kraftwagens mit ihrem selbstgenügsamen Leuchten, dient nur dazu, das Problem zu verschärfen und vermag die Nebelschwaden nicht zu durchdringen. Es bringt den Nebel nur in den Vordergrund, so dass seine Dichte und seine hindernde Wirkung nur um so mehr in Erscheinung treten. Der Nebelzustand wird enthüllt aber das ist auch alles. So verhält es sich auf der Astralebene in bezug auf Verblendung; das im Menschen vorhandene, in ihm selbst erzeugte und hervorgebrachte Licht vermag in die Düsternis und den nebligen, miasmatischen Zustand nicht einzudringen oder ihn gar zu zerstreuen. Das einzige Licht, das die Nebelschwaden der Verblendung zerstreuen und das Leben von seinen nachteiligen Wirkungen befreien kann, ist das Licht der Seele, das - gleich einem reinen, zerstreuenden Lichtkegel - die seltsame und einzigartige Qualität der Enthüllung, der sofortigen Zerstreuung und der Erleuchtung besitzt. Die gewährte Enthüllung ist anders als die der Intuition, denn es handelt sich um die Enthüllung dessen, was durch Verblendung umschleiert und verborgen wird, also um eine Enthüllung, die einzig auf die Astralebene ausgerichtet ist und von ihren Gesetzen bedingt wird. Diese besondere Anwendung von Seelenlicht nimmt die Form einer scharfen Konzentration dieses Lichtes an (das von der Seele her - über das Denkprinzip - kommt), die auf den - besonderen und spezifischen oder allgemeinen und weltumfassenden - Verblendungszustand gerichtet ist. Durch diese über eine längere Zeit anhaltende und beharrliche Konzentration wird das Wesen der Verblendung enthüllt, ihre Qualität und Grundlage entdeckt, ihre Macht beendet und der Nebelzustand zerstreut.

Im [140] nächsten Teil wollen wir uns im einzelnen mit der Technik dieser wissenschaftlichen Lichtanwendung befassen, weshalb ich an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen möchte. Hier will ich dazu nur das besprechen, was meine Schüler, als Gruppe, befähigt, ihr lang erwartetes Werk am Problem der Zerstreuung der gegenwärtigen Weltverblendung wenigstens in einigen ihrer Aspekte zu beginnen. An dieser Stelle gebe ich weder eine Definition der Verblendung noch Beispiele ihrer Betätigung an, wie ich das im Fall der Illusion und ihrer gegensätzlichen Entsprechung, der Intuition tat, weil ich dieses Gebiet im unmittelbar vorhergehenden Teil sehr eingehend behandelt habe; der Leser braucht nur dort nachzulesen, um all das zu erfahren, was ich zurzeit bekanntzugeben bereit bin.

Immerhin will ich kurz den Begriff Erleuchtung definieren, wobei im Auge zu behalten ist, dass es sich hier nicht um die Erleuchtung handelt, welche die Wirklichkeit oder das Wesen der Seele enthüllt oder die gleich das Seelenreich erschauen lässt, sondern um jene Form von Erleuchtung, die von der Seele in die Welt der Astralebene hinuntergestrahlt wird. Das bedingt den bewussten Gebrauch von Licht und dessen Anwendung, zunächst einmal als ein Scheinwerfer, der den astralen Horizont abtastet und die störende Verblendung örtlich festlegt und zweitens als konzentrierte Lichtausstrahlung auf jenes Gebiet der Astralebene, wo versucht werden soll, die dort angesammelten Nebeldünste zu zerstreuen.

Daher sind gewisse grundsätzliche Vorbemerkungen angebracht, die man folgendermassen formulieren könnte:

1. Die Qualität und das Hauptmerkmal der Seele ist Licht. Wenn also dieses Licht von einem Jünger oder Mitarbeiter benutzt und diese Qualität von ihm ausgedrückt werden soll, dann muss er zunächst einmal durch Meditation einen bewussten Kontakt mit der Seele erlangen.

2. Die Qualität der Astralebene - ihr Hauptmerkmal - ist [141] Verblendung. Die Astralebene ist das Gebiet, auf dem der grosse Kampf zwischen den Gegensatzpaaren ausgefochten werden muss, die ja Ausdruck uralten Wünschens sind; auf der einen Seite verblendetes, trügerisches und falsches Begehren, andererseits hochgeistiges Sehnen nach dem, was wirklich und wahr ist. Dabei darf nicht vergessen werden, dass astrale Wünsche, falsche und egoistische Gefühle und astrale Reaktionen auf die Tatsachen des täglichen Lebens der Natur der Seele widerstreben und deshalb am Ende eine Lage schaffen, die das wahre Wesen des geistigen Menschen erfolgreich zu verschleiern vermag.

3. Dann muss zwischen der Seele und der Astralebene eine Beziehung hergestellt werden und zwar vermittels des Astralkörpers des Jüngers. Er muss diesen Astralkörper als seinen Resonanzapparat der Gefühlswelt und als das einzige Werkzeug ansehen, durch das seine Seele mit jener Ausdrucksebene in Verbindung treten kann - sei diese auch noch so flüchtig und unbeständig. Daher muss der Jünger eine Verbindung mit seiner Seele herstellen und zwar bewusst und mit dem nötigen Nachdruck, um dadurch seinem Astralkörper Seelenlicht zuzuführen; er muss lernen, es dort im Sonnengeflechts-Zentrum zu konzentrieren und nachdem ihm das gelungen ist, muss er sich auf der Astralebene der schwierigen Aufgabe widmen, die Verblendung zu zerstreuen.

4. Wenn diese Verbindungslinie hergestellt ist und die Seele, der Astralkörper und die Astralebene also miteinander eng verbunden sind, dann muss der Jünger das konzentrierte Licht aus dem Sonnengeflecht (wo es vorübergehend zentralisiert war) ins Herzzentrum verlegen. Dort muss er es stetig festhalten und von diesem höheren Zentrum aus muss er beständig und beharrlich wirken. An dieser Stelle möchte ich für die Jünger eine alte Anweisung zitieren, die in den Archiven der Hierarchie zu finden ist und sich auf diesen besonderen Vorgang bezieht. Ich gebe eine kurze und ziemlich unzulängliche Umschreibung dieses alten symbolischen Textes:

«Dem Verblendungsnebel [142] den Rücken kehrend, verharrt der Jünger mit dem Blick gen Osten, woher das Licht ihm zuströmen muss. In seinem Herzen sammelt er alles verfügbare Licht und von diesem Kraftpunkt zwischen den Schulterblättern strömt das Licht hervor.»

5. Der Jünger muss sich von jedem Gefühl der Spannung oder Gezwungenheit frei machen und lernen, mit reinem Glauben und reiner Liebe zu wirken. Je weniger er fühlt und je weniger er sich mit seinen eigenen Empfindungen, mit dem Gefühl des Erfolges oder Misserfolges beschäftigt, um so wahrscheinlicher wird sein Werk wirksame Fortschritte machen und die Verblendung langsam zerstreut werden. Bei diesem Werk gibt es keine Hast. Was uralt ist, kann nicht sogleich zerstreut werden, auch wenn die Absicht noch so gut ist und die notwendige Technik noch so gut beherrscht wird.

Es dürfte wohl klar sein, dass dieses Werk Gefahren in sich birgt. Wenn die Gruppenmitglieder nicht sehr auf der Hut sind und sich nicht ständig sorgfältig beobachten, könnte es sein, dass sie unter Überstimulierung des Sonnengeflechts zu leiden haben, bis sie den Vorgang meistern, das im Sonnengeflecht zentralisierte Seelenlicht und das im selben Zentrum befindliche Eigenlicht des Astralkörpers ins Herzzentrum zwischen den Schulterblättern zu verlegen. Ich möchte deshalb jeden einzelnen ermahnen, mit äusserster Vorsicht vorzugehen und ihn darauf hinweisen, dass kein Grund zu besonderer Beunruhigung vorliegt, falls er etwa unter irgendwelchen Störungen des Sonnengeflechts zu leiden hat oder stärkere emotionale Schwankungen an sich entdeckt. Diese Störungserscheinung ist lediglich als eine vorübergehende Schwierigkeit zu betrachten, die mit dem Dienst zusammenhängt, den die Gruppe zu leisten trachtet. Wenn man dieser Tatsache vernünftige Beachtung schenkt, aber nicht mehr und sich nicht beunruhigen lässt, werden sich keine ungünstigen Wirkungen fühlbar machen.

Im Rahmen [143] des vorhergesehenen Gruppenwerkes sollte man mit der an anderer Stelle (Jüngerschaft im Neuen Zeitalter, engl. Bd.. I. Seite 61) angeführten Gruppenmeditation fortfahren und - wenn man auf der III. Stufe dieser Meditation angelangt ist - wie folgt zusammenarbeiten:

1. Nachdem man sich im Geist mit all seinen Gruppenbrüdern verbunden hat, befolgt man bewusst die symbolischen Hinweise der alten Schrift, die ich weiter oben beschrieben habe.

a. Man nehme bewusst Verbindung mit seiner Seele auf und stelle sich diese Verbindung als eine Tatsache vor.

b. Dann leitet man mittels schöpferischer Einbildungskraft das Licht der Seele direkt zum Astralkörper und von dort aus zum Sonnengeflechts-Zentrum - was der Weg des geringsten Widerstandes ist.

c. Dann wird das Licht der Seele und das Eigenlicht des Astralkörpers durch einen energischen Willensakt aus dem Sonnengeflecht in das Herzzentrum übertragen.

2. Dann kehrt man der Welt der Verblendung bildlich den Rücken und richtet den Brennpunkt seines Denkens auf die Seele, deren Wesen LIEBE ist.

3. Dann folgen ein paar Minuten der Unterbrechung, um sich für das Werk zu sammeln und um tatsächlich und bewusst das aus allen Quellen verfügbare Licht im Herzzentrum zusammenzufassen. Man stelle sich dieses Zentrum zwischen den Schulterblättern als eine strahlende Sonne vor. Es ist dies, wie ich hier einschalten möchte, im Einzelmenschen das mikrokosmische Gegenstück zum «Herzen der Sonne», das jeweils von der im Kopf befindlichen «zentralen, geistigen Sonne» gelenkt wird. Dieses Bild muss dem Bewusstsein klar eingeprägt werden, denn es weist auf die zweifache und dennoch synthetische Funktion des Kopfes und des Herzens hin.

4. Dann sieht man einen breiten, blendenden Strahl reinen, [144] weissen Lichtes aus dem Herzzentrum zwischen den Schulterblättern hervorbrechen, in Richtung auf die örtlich begrenzte Verblendung, mit der die Gruppe sich befasst. Worum es sich bei diesem örtlichen begrenzten Gebiet handelt, werde ich im Folgenden darlegen.

5. Wenn man dieses Gebiet gedanklich klar umgrenzt und mit seinen Wünschen und seiner Kraft inspiriert hat und wenn man sich das symbolische Gesamtbild klar vorstellen kann, dann sieht man, wie der eigene Lichtstrahl sich mit den Lichtstrahlen verschmilzt, die von den Gruppenbrüdern ausströmen. So wird sich eine grosse Flut gelenkten Lichtes, das von verschiedenen, geschulten Aspiranten (darf ich geschult sagen, liebe Brüder?) ausgeht, auf das Verblendungsgebiet ergiessen, mit dem man sich befassen soll.

6. Das führt man sorgfältig fünf Minuten lang durch und fährt dann nach Massgabe der Stufe IV des Meditationsumrisses fort.

Wenn ich Erleuchtung als die Antithese der Verblendung bezeichne, so beschränke ich mich dabei selbstverständlich auf einige Aspekte der Erleuchtung; ich befasse mich hier lediglich mit jenen bestimmten Arbeitsmethoden und Darstellungen des Problems, die mit der Anwendung von Licht auf der Astralebene zu tun haben und zwar besonders im Rahmen des Werkes, zu dem sich einige meiner Schüler verpflichtet haben. Es sind noch viele andere Definitionen möglich, denn das Licht der Seele gleicht einem ungeheuren Scheinwerfer, dessen Strahlen in viele Richtungen gelenkt und auf verschiedenen Ebenen benutzt werden können. Wir befassen uns an dieser Stelle jedoch nur mit seiner ganz speziellen Verwendung.

Erleuchtung und das Licht des Wissens können als synonyme Begriffe betrachtet, und viele Verblendungen können verscheucht und verstreut werden, wenn man sie der Kraft des aufklärenden Denkens unterwirft, denn das Denken ist seinem Wesen nach der Überwinder des Gefühls, weil es Tatsachen heranzieht. Das Problem [145] besteht darin, den Einzelnen oder die Rasse oder Nation, die dem Einfluss der Verblendung unterlegen sind, dahin zu bringen, dass sie die Denkkraft zuhilfe nehmen, die eine Situation beurteilen und ruhig und kühl prüfen kann. Verblendung und Gefühlswallung spielen Hand in Hand, und Verblendung ist gewöhnlich so stark von Gefühl durchtränkt, dass es unmöglich ist, das Licht des Wissens leicht und wirkungsvoll darauf zu richten.

Erleuchtung und Wahrheitserfassung sind ebenfalls synonyme Begriffe, wobei man aber nicht vergessen darf, dass Wahrheit in diesem Fall keine Wahrheit auf den abstrakten Ebenen, sondern konkrete und wissbare Wahrheit bedeutet - Wahrheit, die sich in konkreten Formen und Begriffen formulieren und ausdrücken lässt. Wo das Licht der Wahrheit zuhilfe genommen wird, verschwindet Verblendung automatisch, selbst wenn das nur vorübergehend der Fall ist. Wiederum wirkt aber die Tatsache erschwerend, dass es wenigen Menschen daran gelegen ist, der tatsächlichen Wahrheit ins Gesicht zu sehen, denn das bedingt am Ende die Aufgabe der liebgewordenen Verblendung sowie die Fähigkeit, Irrtum zu erkennen und Fehler einzugestehen; und das lässt der falsche Stolz des Denkens nicht zu. Wiederum möchte ich versichern, dass Bescheidenheit einer der wirksamsten Faktoren ist, um die erleuchtende Kraft des Denkens auszulösen, die ja das Licht der Seele widerspiegelt und übermittelt. Die Entschlossenheit, dem Leben, wie es wirklich ist, ins Gesicht zu sehen und die unnachgiebige - ruhige, kühle und leidenschaftslose - Erkenntnis der Wahrheit werden in hohem Masse dazu verhelfen, die Flut der Erleuchtung auszulösen, die zur Zerstreuung der Verblendung genügt.

Da wir es mit dem Problem der Verblendung und der Erleuchtung zu tun haben, so könnte es nützlich sein, an dieser Stelle auch auf die besondere Art von Verblendung einzugehen, an deren Zerstreuung mitzuhelfen ich meine jetzige Schülergruppe bitte. Ich meine damit die Verblendung der Absonderung. Eine Betätigung in dieser Richtung wird sich als äusserst praktisch und heilsam erweisen, denn keiner von euch (wie ihr selbst feststellen werdet) kann dabei wirksam mitarbeiten, solange er sich irgendwie abgesondert fühlt; dieser Separatismus mag sich als Hass, als aktive Abneigung oder als ausgesprochene Kritik äussern - vielleicht in [146] einigen Fällen als alle drei. Es gibt Kräfte, die ihr persönlich als separatistische Tendenz oder als die Ursache der Absonderung betrachten möget. Ich möchte euch daran erinnern, dass die Lieblingsansichten und hochgeschätzten Glaubensüberzeugungen derer, deren Mentalität euch (oft unter dem Deckmantel treuen Festhaltens an eigenen, vermeintlich richtigen Prinzipien) zuwider ist, den anderen genau so richtig erscheinen; sie halten eure Ansichten für irrig und in den Auswirkungen für separatistisch und sie betrachten sie als die Ursache aller Schwierigkeiten. Sie sind an ihrem Platz genau so aufrichtig wie ihr und genau so bestrebt, die richtige Anschauung oder Denkweise zu erringen, wie ihr es zu sein glaubt. Das ist etwas, was man oft vergisst und daran möchte ich euch erinnern. Zu diesem Punkt liesse sich folgendes Beispiel anführen: Der Hass oder die Abneigung (falls Hass ein zu starkes Wort ist), die einige unter euch gegen die Massnahmen der deutschen Regierung und ihr Vorgehen gegen das jüdische Volk empfinden mögen, [dies wurde während des zweiten Weltkrieges geschrieben], könnte sich mit fast gleicher Berechtigung gegen die Juden selbst wenden. Letztere sind stets separatistisch gewesen und haben sich als die Auserwählten des Herrn» betrachtet, und sie sind erwiesenermassen niemals in irgend einer Nation aufgegangen. Das Gleiche lässt sich von den Deutschen sagen und sie erwecken bei vielen die gleiche Reaktion, die sie den Juden gegenüber zeigen, wenn auch nicht körperliche Verfolgung. Keine von beiden Einstellungen ist, wie ihr wohl wisst, vom Gesichtswinkel der Seele aus gerechtfertigt; sie irren beide gleichermassen und dies ist ein Gesichtspunkt, den der Jude und der Judengegner schliesslich einmal verstehen und durch gegenseitiges Verstehen zu Ende bringen müssen.

Ich erwähne dies, weil ich euch bitten möchte, sich mit dieser uralten und weltweiten Verblendung, der Verblendung des Judenhasses, zu befassen. In dieser Gruppe befinden sich einige, die, wenigstens in Gedanken, radikal antideutsch sind; andere wiederum sind zwar auch antijüdisch, allerdings rein verstandesmässig. Ich möchte die Mitglieder dieser beiden Gruppen bitten, das Problem zu erkennen, dem sie gegenüberstehen. Es ist ein Problem, das so [147] uralt und so tief im Bewusstsein der Rasse verwurzelt ist, dass es das Vorstellungsvermögen des Individuums weit übersteigt; der individuelle Gesichtspunkt ist infolgedessen so beschränkt, dass er eine konstruktive Verwendbarkeit merklich beeinträchtigt. Immerhin, liebe Brüder, ist der Gesichtspunkt des «Unterlegenen» nicht unbedingt der einzige oder jeweils der einzig richtige. Die Deutschen sowohl als auch die Juden verdienen unsere unpersönliche Liebe, besonders da sie beide derselben grundlegenden Irrtümer und Fehler schuldig sind (wenn ich es «Schuld» nennen darf. Der Deutsche ist stark rassenbewusst; das Gleiche gilt vom Juden. Der Deutsche ist trennungsbewusst in seiner Einstellung zur Umwelt; ebenso ist es der Jude. Der Deutsche besteht heute auf Rassenreinheit und das hat der Jude schon seit Jahrhunderten getan. Eine kleine Gruppe von Deutschen ist antichristlich; ebenso gilt das von einer kleinen Anzahl Juden. Ich könnte noch mehr solcher Ähnlichkeiten anführen, aber das Gesagte dürfte genügen. Deshalb ist eure Abneigung gegen die eine Gruppe ebenso wenig angebracht, wie eure Weigerung, dem Vorgehen und der Denkweise der anderen Gruppe irgendwelche Berechtigung zuzuerkennen. Gleiches verschmäht oft Gleiches und stösst einander ab, und die Deutschen und die Juden gleichen sich in seltsamer Weise. So wie viele Briten - und der überwiegende Teil der britischen Rasse - reinkarnierte Römer sind, genau so sind viele Deutsche wiederverkörperte Juden. Daraus erhellt sich die Ähnlichkeit ihrer Gesichtspunkte. Es ist ein Familienzwist und es gibt nichts Schrecklicheres als das.

Ich möchte euch bitten, die Deutschen und die Juden in eure Gruppenmeditation einzubeziehen und eure Gruppenliebe auf beide Abteilungen eurer Brüder in der menschlichen Familie ausströmen zu lassen. Ehe ihr mit der Meditation beginnt, solltet ihr dafür sorgen, dass ihr euch - im Fühlen und Denken - von irgendwelchen schlummernden Gegensätzlichkeiten, von irgendwelchem Hass und von allen vorgefassten Ansichten über Recht oder Unrecht freigemacht habt und dass ihr euch einfach auf die Liebe eurer Seelen verlasst; seid dessen eingedenk, dass Juden [148] und Deutsche, so wie ihr, Seelen sind, genau die gleichen ihrem Ursprung, ihrem Ziel und ihrer Lebenserfahrung nach.

Wenn ihr (laut Anweisung der Stufe III) den Strom reinen, weissen Lichtes auslöst, so solltet ihr dafür sorgen, dass er durch euch rein und klar wie ein einziger Strom hindurchfliesst. Daraufhin seht ihr, wie er sich in zwei gleiche Teile trennt - wobei ein Strom lebendigen Lichtes und lebendiger Liebe den Juden und der andere den deutschen Menschen zufliesst. Auf die Qualität eurer Liebe wird es ankommen, nicht so sehr auf die Genauigkeit eurer Analyse und die Vollendung eurer Technik.

c. Der Gegensatz zwischen Maya und Inspiration.

Hier kommen wir ganz klar in den Bereich materieller Substanz. Im Wesentlichen und in seltsamer Weise ist er der Bereich der Kraft. Maya ist (für das Individuum) vorwiegend die Summe der Kräfte, die seine sieben Kraftzentren beherrschen, jedoch, wie ich betonen möchte, unter Ausschluss der beherrschenden Seelenenergie. Daraus lässt sich ersehen, dass die Masse der Menschheit, bis der Mensch auf dem Probepfad steht, von Maya beherrscht wird, denn ein Mensch unterliegt der Maya, wenn er von irgendeiner anderen Kraft oder anderen Kräften regiert wird als den Energien, die direkt von der Seele herstammen und die niederen Kräfte der Persönlichkeit bedingen und beherrschen, wie das am Ende unvermeidlich der Fall sein wird und muss.

Wenn ein Mensch unter der Kontrolle physischer, astraler und mentaler Kräfte steht, dann ist er zu der Zeit davon überzeugt, dass das für ihn die richtigen Kräfte sind. Darin besteht das Problem der Maya. Wenn jedoch solche Kräfte einen Menschen beherrschen, dann veranlassen sie ihn zu einer separatistischen Einstellung; sie bewirken einen Zustand, der die Persönlichkeit nährt und stimuliert, aber die Seelenenergie, die wahre Individualität, nicht in die Erscheinung bringt. Diese Aussage sollte erleuchtend wirken. Wenn Männer und Frauen ihr Leben vom Standpunkt [149] des wahren inneren oder geistigen Menschen aus sorgfältig überprüfen und dabei feststellen würden, welche Zusammensetzung von Energien ihr Tun und Treiben bedingt, dann würden sie nicht so blind, so unzulänglich und so fruchtlos weiterleben, wie sie es jetzt tun.

Aus diesem Grund ist die Untersuchung und das Verstehen der Motive so wertvoll und wichtig, denn dadurch stellt man fest (falls die Untersuchung genau und richtig ist), welcher Faktor oder welche Faktoren das tägliche Leben inspirieren. Dieser Hinweis verdient sorgfältigste Beachtung. Ich möchte euch fragen: Welches ist das Hauptmotiv eures Handelns? Denn, was es auch sei, es bedingt und bestimmt eure vorherrschende Lebenstendenz.

Viele Menschen, besonders die unintelligenten Massen, lassen sich einzig und allein durch ihr - materielles, physisches und zeitweiliges - Wünschen inspirieren. Sinnliche Wünsche nach Befriedigung animalischer Gelüste, materielle Wünsche nach Besitz und Wohlleben, die Sehnsucht nach «greifbaren Dingen», nach Behaglichkeit und - (wirtschaftlicher, sozialer und religiöser) Sicherheit - das bestimmt und beherrscht die meisten. Der Mensch steht unter dem Einfluss der dichtesten Form von Maya, und die Kräfte seiner Natur sind im Sakralzentrum konzentriert. Andere lassen sich massgeblich von ihrer Sehnsucht oder ihrem Ehrgeiz leiten, von Sehnsucht nach irgend einem materiellen Himmel (und die meisten Religionsanhänger stellen sich den Himmel in dieser Weise vor), von ehrgeizigem Machthunger, vom Wunsch nach Befriedigung ihrer emotionalen und ätherischen Gelüste und nach Besitz von subtileren Realitäten, von ihrer Sehnsucht nach emotionalem Wohlbehagen und mentaler Stabilität sowie von der Gewissheit, dass die höheren Wünsche Erfüllung finden werden. All dies ist Maya in ihrer emotionalen Gestalt und nicht etwa das Gleiche wie Verblendung. Im Fall von Verblendung sitzen die Kräfte der menschlichen Natur im Sonnengeflecht (plexus solaris). Im Fall von Maya befinden sie sich im Sakralzentrum. Verblendung ist subtil und gefühlsbedingt. Maya ist greifbar und ätherisch.